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Version 1.05f - 2016

Standard "Sterbebegleitung: Angehörigenintegration"

 
Angehörige von sterbenden Senioren stehen unter einem enormen emotionalen Druck, der sich schon beim ersten unbedachten Wort entladen kann. Selbst erfahrene Pflegekräfte finden sich nur mit Mühe im Wechselspiel zwischen Nähe und Distanz zurecht. Und längst nicht alles, was „gut gemeint“ ist, ist am Ende auch „gut gemacht“.
 

Wichtige Hinweise:

  • Zweck unseres Musters ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
  • Unverzichtbar ist immer auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.
  • Dieser Standard eignet sich für die ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen jedoch ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen "Patient".


Dieses Dokument ist auch als Word-Dokument (doc-Format) verfügbar. Klicken Sie hier!

 

Standard "Angehörigenintegration im Rahmen der Sterbebegleitung"
Definition:
  • Die Sterbephase ist sowohl für den Betroffenen selbst wie auch für seine Angehörigen eine schwere Zeit. Dennoch lässt sich das Leiden lindern. Der Sterbende sollte in seinen letzten Stunden wichtige Bezugspersonen um sich wissen. Seine Angehörigen können später die Trauer zumeist besser verarbeiten, wenn sie bis zuletzt beim Bewohner blieben und für ihn da waren.
Grundsätze:
  • Wir wissen wie wichtig es für Sterbende ist, lieb gewonnene Menschen um sich zu haben.
  • Im Sterbeprozess benötigt nicht nur der Sterbende selbst unsere Aufmerksamkeit, sondern auch dessen Angehörige.
  • Angehörige haben das Recht, rund um die Uhr bei dem Sterbenden zu bleiben. Es ist unsere Aufgabe, dieses zu ermöglichen.
  • Für uns Pflegekräfte ist das Sterben Teil der täglichen Arbeit. Wir sind uns bewusst, dass dieses für viele Angehörige der erste Kontakt mit dem Tod ist.
  • Angehörige haben ein Anrecht auf Trauer, Wut und Verzweifelung.
Ziele:
  • Wir wollen die verbleibende Lebenszeit schwerkranker Menschen würdig mitgestalten.
  • Der Sterbende erhält wichtige Unterstützung, insbesondere:
    • Nähe und Zuwendung durch eine liebe Bezugsperson
    • Ruhe und Geborgenheit
    • seine letzten Wünsche werden erfüllt
  • Wir stärken den Angehörigen als wichtigsten Ansprechpartner des sterbenden Bewohners.
  • Wir schaffen für den Bewohner und seine Angehörigen ein möglichst „häusliches“ Umfeld.
  • Wir versetzen den Angehörigen in die Lage, dem Sterbenden effektiv zu helfen. Dieses etwa bei der Regelung der letzten Dinge.
  • Wir entlasten den Angehörigen durch Mitgefühl, Trost und Beratung.
  • Wir erleichtern dem Angehörigen die spätere Trauerarbeit durch die Gewissheit, dass er alles ihm Mögliche unternommen hat.
Vorbereitung:
  • Die Adressen aller zu benachrichtigen Angehörigen und Freunde werden erfasst. Diese werden umgehend angerufen, wenn der Sterbeprozess einsetzt. Nach Möglichkeit sollte jede wichtige Bezugsperson die Möglichkeit haben, noch rechtzeitig anzureisen.
  • Bereits im Vorfeld nehmen wir ggf. Kontakt mit den Angehörigen auf. Wir versuchen taktvoll zu klären, welche Rolle sie bei der Sterbebegleitung übernehmen wollen.
  • Noch in „guten Zeiten“ suchen wir den Dialog mit dem Bewohner und befragen diesen zu seinem Verhältnis zu seinen Angehörigen. Nicht immer wird eine aktive Rolle von bestimmten Angehörigen in der Sterbephase gewünscht, etwa dann, wenn das Verhältnis zeitlebens eher belastet war.
  • Wir ermuntern den Bewohner, rechtzeitig alle Vorkehrungen zu treffen. Dazu zählen etwa ein Testament, eine Patienten- und eine Vorsorgeverfügung. Wir vermitteln auf Wunsch den Kontakt zu einem Notar. Wir verdeutlichen dem Bewohner, dass dieses vor allem auch den Angehörigen die notwendige Sicherheit geben wird.
  • Wir suchen den Kontakt zu Hospizen sowie zu ehrenamtlichen Gruppen, die im Sterbeprozess begleitend tätig sind.
Durchführung: Sterbeprozess
  • Wir machen den Angehörigen klar, dass der Sterbende auf ihre Hilfe angewiesen ist. Wir üben aber keinen Druck aus, falls sich der Angehörige der Aufgabe nicht gewachsen fühlt.
  • Wir ermöglichen es Angehörigen, möglichst ungestört mit dem Sterbenden zu sprechen. Ggf. sorgen wir mit zusätzlichen Stellwänden für ein wenig mehr Privatsphäre.
  • Wir erläutern dem Angehörigen, dass es keine starren Besuchszeiten gibt. Er kann also wann immer er will den Sterbenden aufsuchen.
  • Wenn Angehörige weit entfernt leben, bieten wir ihnen in unserer Einrichtung ein Gästezimmer an.
  • Wir versichern den Angehörigen, dass wir alles unternehmen werden, um dem Sterbenden unnötige Schmerzen zu ersparen. Angehörige werden gebeten, beim Führen eines Schmerztagebuches zu helfen. Wir weisen sie dafür in die Grundzüge der Schmerzbeobachtung ein.
  • Wir erklären den Angehörigen, welchen Verlauf der Sterbeprozess aus medizinischer und pflegerischer Sicht nehmen wird.
  • Wenn der Sterbende von Kindern besucht wird, erläutern wir diesen altersgerecht die Situation. Oftmals gehen Kinder erstaunlich „unverkrampft“ mit dem Thema um. Gleichzeitig haben Kinder viele Fragen, etwa ob die Krankheit ansteckend ist.
  • Oft sind Angehörige mit der Situation überfordert.
    • Wir achten auf entsprechende Anzeichen und greifen dann in angemessener Form ein. Möglich wäre etwa, weitere Verwandte um Unterstützung zu bitten und die Aufgaben auf zusätzliche Schultern zu verteilen. Wir machen allen Beteiligten deutlich, dass sich der Sterbeprozess über viele Tage hinziehen kann. Es ist also ratsam, maßvoll mit den eigenen Kräften hauszuhalten.
    • In vielen Fällen entlädt sich die Überforderung in unangemessener Aktivität und Betriebsamkeit. In diesem Fall wirken wir beruhigend auf den Angehörigen ein und bieten Entlastungsgespräche an.
    • Ein weiteres „Ventil“ von überforderten Angehörigen ist eine übertriebene Forderung nach unnötigen Pflegemaßnahmen oder lebensverlängernden Maßnahmen. Dieses kann dazu führen, dass für die Sterbebegleitung kein Raum mehr bleibt. Wir machen dem Angehörigen klar, dass es medizinische und ethische Grenzen gibt. Zudem muss eine ggf. vorhandene Patientenverfügung beachtet werden.
    • Angehörige werden in ihrem Schmerz nicht allein gelassen. Dieses auch dann, wenn sie versichern, „dass es schon geht“. Wir stehen den Angehörigen jederzeit für ein Gespräch zur Verfügung. Auf Wunsch vermitteln wir den Kontakt zu einem Geistlichen.
  • Wir ermuntern Angehörige, ihre Gefühle nicht „herunterzuschlucken“, sondern offen zu zeigen. Wir verdeutlichen ihnen, dass sie dem Sterbenden helfen, wenn sie seine Gefühle teilen.
  • Wir sondieren, ob es versteckte Schuldgefühle des Angehörigen gegenüber dem Sterbenden gibt, etwa wegen der Unterbringung im Pflegeheim. Im Dialog mit dem Angehörigen versuchen wir, diese Gefühle zu zerstreuen.
  • Zumeist gelingt es Angehörigen deutlich effektiver, Bewohner zum Essen und zum Trinken zu bewegen. Auf Wunsch können diese daher die Pflegekräfte beim Eingeben des Essens unterstützen.
  • Angehörige können sich auf Wunsch an der Körperpflege des Bewohners beteiligen.
  • Angehörige können mit dem Sterbenden Musik hören. Gemeinsames Anhören von vertrauten Melodien, die der Sterbende vielleicht mit wichtigen und guten Lebenserinnerungen verknüpft, kann eine entspannte und vertrauensvolle Atmosphäre schaffen. Alternativ können Lieder gesungen oder gesummt werden.
  • Wir sind uns bewusst, dass Angehörige schon bei vergleichsweise nichtigen Anlässen gereizt reagieren können. Wir bereiten also Pflegekräfte darauf vor, dass diese ggf. grundlos beschuldigt und kritisiert werden könnten. In solchen Fällen verzichten wir ggf. auf eine sofortige Klärung und geben den Angehörigen mehr Freiraum.
  • Die Wohnbereichsleitung und die Pflegedienstleitung beobachten stets die Interaktion zwischen Pflegekraft und Angehörigen.
  • Bedingt durch die besondere Situation können auch ansonsten besonnene Pflegekräfte unvermittelt gereizt reagieren. Dieses etwa dann, wenn die Angehörigen Ansprüche stellen, die aufgrund der personellen Besetzung nur schwer zu erfüllen sind.
  • Bezugspflegekräfte von sterbenden Bewohnern werden soweit möglich von weiteren Aufgaben entlastet.
  • Die Angehörigen erhalten von uns Getränke und kleine Zwischenmahlzeiten. Sie sollten bequem sitzen und auch für einige Minuten schlafen können. Ideal ist ein Ruhesessel.
nach Eintritt des Todes
  • Wenn der Tod in Abwesenheit des Angehörigen eintrat, werden diese stets begleitet, wenn sie das Zimmer des Toten betreten.
  • Falls möglich wird das Zimmer zuvor in einen möglichst angenehmen Zustand versetzt. Es wird aufgeräumt und gelüftet. Ggf. werden Blumen, Kerzen und Duftlämpchen aufgestellt.
  • Viele Angehörige haben den Wunsch, beim Waschen und Ankleiden des Toten zu helfen. Dieses akzeptieren wir ebenso wie den gegenteiligen Wunsch, den Toten „so wie er war“ in Erinnerung zu behalten.
  • Wir ermutigen die Angehörigen, den Verstorbenen anzusehen und zu berühren.
  • Wir verzichten auf Beileidsfloskeln wie etwa „Die Zeit heilt alle Wunden“ oder „in einigen Tagen wird es schon wieder besser gehen“.
  • Auf Wunsch lassen wir die Angehörigen mit dem Toten allein und ermöglichen ihnen das Abschiednehmen.
  • Einige Angehörige verbringen viel Zeit mit dem Toten. Andere wenden sich nach wenigen Minuten den nun folgenden organisatorischen Aufgaben zu. Beides akzeptieren wir.
  • Nach dem Tod sollte der Angehörige nicht im eigenen PKW nach Hause fahren. Wir organisieren ggf. ein Taxi.
  • Ggf. assistieren wir den Angehörigen bei der Auswahl eines Bestattungsunternehmens. Hierbei nutzen wir unsere Erfahrungen, die wir in den letzten Jahren mit verschiedenen Anbietern sammeln konnten.
  • Der Tod des Bewohners wird in angemessener Form den Mitbewohnern bekannt gemacht. Ideal wäre ein kleines Kondolenzbuch und Blumenschmuck. Bei der Ausgestaltung werden die Wünsche der Angehörigen berücksichtigt.
  • Bei der Ankunft des Bestattungsunternehmens ist es die Aufgabe der Bezugspflegekraft, auf einen würdigen Rahmen zu achten. Dazu zählt, dass der Tote durch den Haupteingang das Haus verlässt und nicht durch eine rückwärtige Tür.
  • Die Bezugspflegekraft sollte beim Begräbnis und bei der Trauerfeier anwesend sein, sofern dieses von der Familie gewünscht wird.
Nachbereitung:
  • In unserem Haus findet eine Woche nach dem Ableben eines Bewohners eine Andachtsstunde statt. Zu dieser Veranstaltung laden wir die Angehörigen ebenfalls ein.
  • Wir organisieren regelmäßig Gesprächskreise von Angehörigen, deren Familienmitglieder in den letzten Monaten und Jahren verstorben sind. Wir ermöglichen es den Betroffenen, noch einmal über den Verstorbenen zu reden und so die Trauerarbeit zu erleichtern.
  • Nach einigen Monaten nehmen wir erneut mit dem Angehörigen Kontakt auf und befragen ihn, ob er mit unserer Unterstützung zufrieden war. Seine Eindrücke werden genutzt, um unseren Service zu verbessern.
Dokumente:
  • Pflegebericht
  • Pflegeplanung
  • Trinkplan
  • Vitaldatenblatt
Verantwortlichkeit / Qualifikation:
  • alle Pflegekräfte
 
 
 
 
Weitere Informationen zu diesem Thema
    Schlüsselwörter für diese Seite Sterbebegleitung; Angehörige; Angehörigenintegration; Demenz; Tod
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