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SIS-Dokuschule (Teil 2): Keine Floskeln im Pflegebericht!

Viele Pflegeberichte lesen sich wie ein halber Roman. Andere glänzen durch einen Telegrammstil. Eine gute MDK-Prüfung garantiert weder die eine noch die andere Variante. Wichtig sind ganz andere Faktoren.

SIS-Dokuschule (Teil 2): Keine Floskeln im Pflegebericht!


Floskeln und Phrasen im Pflegebericht

  • Viele Pflegekräfte haben Schwierigkeiten, relevante Inhalte für den Pflegebericht zu bestimmen und zu formulieren. Um einen leeren Pflegebericht zu vermeiden, wird dann auf inhaltslose Floskeln und Selbstverständlichkeiten zurückgegriffen. Etwa:
    • keine besonderen Vorkommnisse / keine Besonderheiten
    • Bewohner ist unauffällig
    • Zustand wie gestern / Zustand wie immer
    • AZ besser / AZ schlechter
    • alles in Ordnung / alles ok
    • Ganzkörperwäsche nach Plan
  • Mit dem Eintragen von Selbstverständlichkeiten wird häufig versucht, die Leere im Dokumentationsbogen zu füllen, wenn der Pflegekraft ansonsten nichts Berichtenswertes in den Sinn kommt. Nehmen wir als Beispiel diesen Eintrag:
    • "11.30 Uhr: Frau Meier wurde geduscht.”
  • Auf den ersten Blick bildet dieser Eintrag eigentlich nur das ab, was jeden zweiten oder dritten Tag ansteht. In den Schulungsunterlagen zum neuen Strukturmodell heißt es jedoch:
    • “Nicht dokumentiert werden müssen grundsätzlich Routinemaßnahmen und standardisierte Zwischenschritte sowie Selbstverständlichkeiten.”
  • Unter Berücksichtigung dieser Maxime bedeutet das, dass das Duschen von Frau Meier offenbar etwas ganz Außergewöhnliches gewesen sein muss. Sonst wäre es ja nicht im Pflegebericht vermerkt worden. Wird also Frau Meier an anderen Tagen nicht geduscht, obwohl es im Maßnahmenplan vorgesehen ist? Hier ist es wichtig, zusätzliche Informationen zu geben, warum Frau Meier geduscht wurde. Etwa, weil ihr in der Haushaltsgruppe eine Mitbewohnerin eine Kanne Saft über den Oberkörper gegossen hat. Oder weil sie stuhlinkontinent ist und der Intimbereich so verunreinigt wurde, dass eine Waschung allein nicht ausreicht.
  • Das Gleiche gilt auch im gegenteiligen Fall. Etwa:
    • "Frau Meier wurde heute nicht geduscht.”
  • Jetzt steht die Frage im Raum, warum diese Maßnahme nicht durchgeführt wurde. Besser wäre diese Formulierung:
    • "Frau Meier wurde heute nicht von uns geduscht. Dieses übernahm die Tochter, da sie mit Frau Meier direkt danach zum Friseur fährt und dann gemeinsam weiter zur Konfirmation des Urenkels reist.”
  • Eine weitere Unsitte ist der Vermerk:
    • “1. April 2019. Versorgt nach Plan.”
  • Prinzipiell ist es ja lobenswert, dass sich Pflegekräfte an die Maßnahmenplanung und an die Pflegestandards halten. Es bleiben jedoch auch hier die gleichen Fragen offen. Was war am Vortag? Und was am Folgetag? Wurde dort nicht nach Plan versorgt? Warum nicht? Wurde das nicht dokumentiert? Lösen ließe sich dieses Problem, indem einfach jeden Tag eingetragen wird, dass der Bewohner nach Plan versorgt wurde. Das ist viel unnötiger Schreibaufwand. Und es widerspricht der Aufgabe eines Pflegeberichts, vor allem in der Interpretation für das neue Strukturmodell.
Umschreibungen im Pflegebericht
  • In vielen Pflegeberichten finden sich Begriffe mit geringer Aussagekraft, dafür aber mit erheblichem Interpretationsspielraum. Ein Bewohner wird als “unruhig”, “aggressiv” oder “traurig” beschrieben, ohne dieses zu konkretisieren. Wenn also eine Pflegekraft die mentale Verfasstheit eines Bewohners beschreiben will, muss sie dessen Handlungen oder Aussagen festhalten. Sicherlich ist es mit mehr Arbeit verbunden, zwei oder drei Sätze zusätzlich zu schreiben. Dafür aber sind diese Berichte deutlich aussagekräftiger. Ein paar Beispiele:
  • Im Pflegebericht wird vermerkt:
    • “9.00 Uhr: Frau Müller ist aggressiv”.
  • Dieser Vermerk ist nichtssagend, denn es gibt viele Formen von Aggressionen; etwa körperliche Gewalt (Schläge, Tritte, Bisse), verbale Attacken (Beschimpfungen) oder auch symbolische Feind­se­lig­keit (Drohgebärden). Es ist also eine genaue Beschreibung des Hergangs notwendig, damit sich der Leser des Pflegeberichts einen genauen Eindruck machen kann. Wörtliche Rede ist dabei sehr wirkungsvoll. Also etwa:
    • “9.05 Uhr: Frau Müller wirft ein volles Trinkglas auf die Pflegekraft Fr. Schulze. Sie ruft: ‘Du bist eine widerliche Hexe!’”
  • Ein weiteres Unwort ist “verwirrt”.
    • “13:30 Uhr: Herr Richter ist sehr verwirrt.”
  • Dieser Eintrag hat keinerlei Relevanz, weil das Verhalten des Bewohners völlig im Unklaren bleibt. Richtig wäre:
    • “13.30 Uhr. Herr Richter wird am Eingang aufgehalten, als er die Einrichtung verlassen will. Er trägt den Mantel auf links und ist barfuß. Er sagt: ‘Ich kann nicht hierbleiben. Bei der Arbeit warten alle auf mich.’”
  • Wenn eine Pflegekraft das Verhalten eines Bewohners als “frech”, “aufbrausend”, “unanständig” oder “bösartig” empfindet, so muss sie doch immer genau beschreiben, welche Verhaltensweisen der Pflegebedürftige zeigte. Denn nicht selten unterlaufen ihr Interpretationsfehler. Wenn ein ehemaliger Bergmann “aus dem Pott” einen anderen Bewohner als “Pissnelke”, “Butterbirne” oder “Bratauge” beschimpft, klingt das martialischer, als es vielleicht gemeint ist. Andere Menschen hingegen haben sich so unter Kontrolle, dass bei ihnen nur unscheinbare Verhaltensweisen darauf hindeuten, dass sie tatsächlich innerlich bereits vor Wut kochen.
  • Die Liste der Umschreibungen und Bewertungen ist noch länger. Pflegekräfte sollten immer stutzig werden, wenn sie Worte wie “gut”, “schlecht”, “viel” und “wenig” schreiben möchten. Beispiele:
    • “Die Operationswunde sieht schlecht aus”.
  • Dieser Eintrag könnte sich spätestens bei Haftungsstreitigkeiten als nachteilig erweisen. Denn was bedeutet “schlecht”? In diesem Fall vielleicht, dass das Wundgebiet gerötet und geschwollen ist. Vielleicht gibt es auch Ausfluss. Der Leser erfährt keine Details.
    • “Herr Müller hat zu wenig getrunken.”
  • Hier fehlt eine möglichst genaue Mengenbeschreibung unter Berücksichtigung des individuellen und biografisch verankerten Trinkverhaltens.
  • Erstaunlicherweise haben vor allem Pflegefachkräfte Probleme damit, einfach nur die Ereignisse zu beschreiben. Dieses liegt daran, dass ihnen in der Ausbildung vermittelt wird, dass bestimmte Verhaltensweisen auf bestimmte Krankheitsbilder hindeuten. Sie haben gelernt, dieses Verhalten zu kategorisieren und zu bewerten, weil sie ggf. mit bestimmten Pflegestrategien darauf reagieren müssen; etwa Validation bei Demenz. Diese Interpretationsarbeit ist unverzichtbar für die pflegerische Arbeit, im Pflegebericht jedoch fehl am Platz. Hier geht es nur darum, das Verhalten zu beschreiben.
Mutig sein!
  • Nun ist nicht jedem Mitarbeiter ein perfekter Schreibstil in die Wiege gelegt worden. Das gilt auch für Mitarbeiter mit Migrationshintergrund. Hier ist es wichtig, Hemmungen abzubauen. Der MDK interessiert sich nicht für Rechtschreib- und Grammatikfehler. Er erwartet keinen formvollendeten Schreibstil, sondern lediglich Eintragungen mit Aussagekraft.
  • Pflegekräfte sollten sich das Berichteblatt als eine Art verschriftlichte Dienstübergabe vorstellen. Ein Beispiel: Ein dementer Bewohner kneift einer jungen Kollegin in das Gesäß und macht ihr recht eindeutige Avancen. Wie würde diese Mitarbeiterin das Geschehen im Kollegenkreis beschreiben? Doch ungefähr so:
    • “Der Herr Müller zwickt mich in den Po und sagt mir, dass ich mich zu ihm ins Bett legen sollte. Ich habe seine Hand weggezogen und ihm gesagt, dass man soetwas nicht macht. Aber der Herr Müller hat mich nur angegrinst.”
  • Dieser wörtliche Bericht wäre niedergeschrieben der bessere Eintrag. Denn was steht wohl stattdessen im Pflegebericht?
    • “15.30 Uhr: Herr Müller ist sexuell aggressiv.”
  • Ein wohlmeinender MDK-Mitarbeiter wird diese Phrasen richtigerweise als Lappalien ansehen. Gleichwohl können solche Einträge auch eine unangenehme Wirkung zeigen, wenn der MDK die neuen Qualitätsindikatoren prüft.
  • Für die Ermittlung der Qualitätsindikatoren muss das Pflegeheim verschiedene Kennzahlen an die neue Datenauswertungsstelle schicken und den Zustand des Bewohners etwa hinsichtlich der Mobilität, zu etwaigen Gewichtsverlusten oder etwa zu vorhandenen Druckgeschwüren einschätzen. Der MDK wird regelmäßig überprüfen, ob die Einrichtung richtige Angaben gemacht hat oder ob sie die Daten manipuliert, um eine bessere öffentliche Qualitätsdarstellung zu erhalten.
  • Da der MDK nicht immer direkt nach der Datenübertragung auch zur Überprüfung erscheint, kann sich der Zustand des Bewohners in der Zwischenzeit natürlich verändern. Zumeist verschlechtert er sich. Hier kommen dann das Berichteblatt und die Maßnahmenplanung zum Tragen. Beschreiben diese differenziert und nachvollziehbar die Entwicklung der letzten Wochen und Monate, ist die Einrichtung entlastet. Mit einem Berichteblatt voller Plattitüden, Unschärfen und Dopplungen hingegen wird das nicht gelingen.



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