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SIS-Dokuschule (Teil 7): Wer schreibt die SIS?

Nicht jede Pflegekraft ist zum Schriftsteller geboren. Im alten AEDL-System war das zweitrangig. Das neue Strukturmodell hingegen stellt hohe sprachliche Anforderungen. Das kann zum Problem werden.

SIS-Dokuschule (Teil 7): Wer schreibt die SIS?


  • Die strukturierte Informationssammlung (“SIS”) ist der erste von vier Schritten im Pflegeprozess des neuen Strukturmodells. Die Datenerfassung ist das Fundament für alle weiteren Handlungen. Ohne verlässliche Informationen gibt es keine individuelle Maßnahmenplanung. Und ohne eine Maßnahmenplanung würden die folgenden Pflegemaßnahmen völlig unkoordiniert und chaotisch durchgeführt werden. Die abschließende Evaluation kann man sich unter solchen Voraussetzungen dann auch gleich sparen.
  • Eine Pflegekraft braucht vor allem drei Fähigkeiten, um eine strukturierte Informationssammlung durchzuführen:
    • Die nahe liegendste Stärke ist natürlich eine hohe fachliche Kompetenz. Der Mitarbeiter muss die wichtigsten Krankheitsbilder und den daraus resultierenden Pflegebedarf kennen. Hinzu kommen gute Kenntnisse über Pflegehilfsmittel, Prophylaxestrategien und vieles mehr.
    • Nicht zu vernachlässigen sind auch gute empathische Fähigkeiten. Der Pflegebedürftige und seine Angehörigen stehen oftmals unter erheblichem emotionalen Stress. Vor allem der Umzug in ein Pflegeheim ist für die meisten Betroffenen ein gravierender Einschnitt. Schon ein unbedachtes Wort kann für erhebliche Verstimmungen sorgen.
    • Ein weiterer Faktor sind gute Deutschkenntnisse. Das alte AEDL-System ist sehr schematisch und kleinschrittig. So lässt sich die Anamnese samt Biografiebogen und aller Assessments weitgehend durch Ankreuzen und kleine Textpassagen erledigen. Das gelingt auch mit lückenhaftem Pflegewissen und mit geringeren Sprachfähigkeiten. Das neue Strukturmodell stellt höhere Anforderungen. Pflegekräfte müssen komplexe Sachverhalte formulieren, etwa die Wünsche des Bewohners in wörtlicher Rede aufnehmen.
  • In vielen Pflegeteams verfügt nur ein kleiner Teil der Mitarbeiter über all diese Stärken. Manche Kollegen sind fachlich absolut versiert, dafür aber nicht wirklich empathisch. Oder andersherum: Es gibt viele Pflegekräfte, die sehr einfühlsam sind, dafür aber pflegerisch große Wissenslücken aufweisen. Hinzu kommen Pflegekräfte mit Migrationshintergrund. Diese sind häufig gut qualifiziert und mitfühlend, kämpfen jedoch nicht selten mit der richtigen Formulierung.
  • Fortbildungen, sonst das Wundermittel bei allen Qualitätslücken, werden hier kurzfristig nicht helfen. Pflegefachliche Qualifikationsdefizite lassen sich durch eine paar In-House-Seminare ebenso wenig beseitigen wie unzureichende Deutschkenntnisse. Und keine Schulung macht einen unsensiblen Mitarbeiter über Nacht empathisch.
Keine Pflegehilfskräfte
  • Aus den Schulungsunterlagen für das neue Strukturmodell ergeben sich weitere Einschränkungen. Dort heißt es:
    • “Die SIS kann nur von einer hierin geschulten Pflegefachkraft angewandt werden. Die Pflegefachkraft beherrscht den Pflegeprozess, hat kommunikative Fähigkeiten und bringt Erfahrungen in der Risikoerfassung und Beurteilung kritischer Situationen mit.”
  • Daraus folgt:
    • Die SIS darf nur von solchen Pflegekräften erstellt werden, die speziell dafür trainiert wurden. Das kann etwa durch spezielle Seminare erfolgen oder durch einrichtungsinterne Multiplikatoren. Eine frisch abgeschlossene Altenpflegeausbildung ist hingegen kein Garant für ausreichende SIS-Kenntnisse. In vielen Pflegeschulen wird dieses Thema nur sehr oberflächlich behandelt.
    • Zudem fallen Pflegehilfskräfte durch das Raster. Sie dürfen am Pflegeprozess mitarbeiten, diesen aber nicht freigeben. Die SIS ist also examiniertem Personal vorbehalten. Das ist ärgerlich für all jene Pflegeteams, in denen auch Hilfskräfte als Bezugspflegekräfte tätig sein können.
Verschiedene Optionen
  • Pflegedienstleitungen stehen also vor einem Problem: Wer erstellt die strukturierte Informationssammlung? Drei Strategien sind möglich:
    • Option eins: Die Bezugspflegekraft formuliert die SIS. Diese Methode hat den Vorteil, dass die Pflegekraft den Bewohner gut kennt. Sie weiß um dessen Gesundheitsprobleme. Zudem gibt es zumeist ein Vertrauensverhältnis. Dieses ist notwendig, um die Wünsche und die Bedürfnisse zu ergründen und (im Wortlaut) in die SIS zu übernehmen. Überdies wird die Evaluation erleichtert. Denn der Großteil der Pflegemaßnahmen wird von dem Mitarbeiter geleistet, der ihn auch geplant hat; also von der Bezugspflegekraft. Dieses Vorgehen kommt natürlich nur dann in Betracht, wenn die Bezugspflegekräfte über alle (oben beschriebenen) Fähigkeiten zumindest ansatzweise verfügen.
    • Option zwei: Die SIS wird nur von ausgewählten Mitarbeitern verfasst. Zumeist ist das eine Pflegekraft pro Wohnbereich (oder pro Pflegetour). Diese Spezialisten verfassen eine gute SIS zumeist in kaum mehr als 30 Minuten, während unerfahrene Kollegen nicht selten zwei Stunden dafür brauchen. Zudem können für die Aufgabe solche Mitarbeiter gewählt werden, die aktuell für belastende Tätigkeiten nicht zur Verfügung stehen; also beispielsweise Schwangere oder Mitarbeiter, die nach einem Unfall noch nicht wieder voll belastbar sind. In vielen Pflegeteams ist diese Prozedur bereits aus AEDL-Zeiten bekannt: Die Qualitätsbeauftragte erstellt (wie am Fließband) einmal im Halbjahr für alle Pflegebedürftigen eine Pflegeplanung. Es gibt sogar einen eigenen Namen für diese Funktion: “Pflegeprozessmanager” oder auch “Dokumentationsbeauftragter”.
    • Option drei: Ein Mix aus beiden Systemen. Die Pflegekraft sammelt die Informationen. Die SIS und die Maßnahmen hingegen werden von einem “Spezialisten” formuliert. Die Pflegekräfte pflegen anhand der Maßnahmenplanung und melden alle Abweichungen an den Spezialisten.
  • In den Schulungsunterlagen für das neue Strukturmodell steht:
  • “Es hat sich bewährt, die Anwendung anfangs auf ausgewählte Pflegefachkräfte zu begrenzen und das Aufnahmemanagement zu Beginn der Umstellung zentral zu gestalten, bis ausreichende Kompetenz in allen Bereichen der Pflegeeinrichtung gewährleistet werden kann.”
  • Welche dieser Optionen Sie letztlich wählen, bleibt Ihnen überlassen. Der MDK wird alle Möglichkeiten akzeptieren, sofern am Ende das Ergebnis stimmt.


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