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Standard "Pflege von Senioren
mit Polyneuropathie"
Polyneuropathie
beginnt mit Kribbeln und endet mit Schmerzen. Schätzungsweise fünf
Millionen Menschen in Deutschland leiden an dieser Nervenschädigung.
Wir zeigen Ihnen, welche Faktoren bei der Pflege von Betroffenen
bedacht werden müssen.
Standard "Pflege von
Senioren mit Polyneuropathie"
Definition:
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Die Nervenstränge und -fasern des peripheren
Nervensystems sind für eine Vielzahl verschiedenster Funktionen
zuständig. Sie regulieren etwa die sensible Wahrnehmung, leiten also
die Empfindungen über Schmerz, Kälte, Wärme und Berührungen weiter.
Über die motorischen Nerven kontrolliert der Körper die Bewegungen der
Muskeln. Vegetative Fasern schließlich steuern z. B. die Weitung und
Verengung der Blutgefäße. Aufgrund dieser großen Bandbreite an Aufgaben
kann eine Schädigung dieser Nerven zu sehr unterschiedlichen Symptomen
führen.
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Je länger die Nervenbahnen sind, umso größer
ist die Wahrscheinlichkeit einer Schädigung. Folglich betreffen die
Ausfälle besonders oft die Extremitäten. Die Beschwerden beginnen also
in den Händen und in den Füßen und breiten sich dann in Richtung
Körpermitte aus.
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Die Polyneuropathie ist keine eigenständige
Krankheit, sondern die Spätfolge einer anderen Erkrankung oder einer
sonstigen Gesundheitsschädigung. Durch die Schädigungen werden entweder
die Nervenbahnen selbst oder die Myelinscheiden beeinträchtigt. Es
handelt sich dabei aber nicht um Verletzungen, etwa um Schnittwunden.
Verschiedene Auslöser sind bekannt:
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Kontakt mit Toxinen wie Blei, Quecksilber,
Thallium oder Arsen
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Kontakt mit Medikamenten wie Zytostatika
sowie Drogenmissbrauch
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Stoffwechselstörungen wie Diabetes mellitus,
Urämie, Lebererkrankungen oder Hyperlipidämie
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Endokrine Erkrankungen wie Hypothyreose,
Hyperthyreose, Akromegalie oder Hyperparathyreoidismus
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Infektionskrankheiten wie Lyme-Borreliose,
Diphtherie, Varizella zoster oder Herpes simplex
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Kollagenosen
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Mangelernährung und Fehlernährung wie etwa
Vitamin-B12-Mangel, Folsäuremangel oder Thiaminmangel
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Krebserkrankungen, insbesondere
Bronchialkarzinom
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Die weitaus häufigsten Ursachen in Mitteleuropa
sind Alkoholmissbrauch und Diabetes mellitus. Beide sind für jeweils
rund 30 Prozent der Fälle verantwortlich.
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Die diabetische Polyneuropathie ist die Folge
eines Diabetes mellitus. Die Mehrzahl der Diabetiker ist von dieser
Störung betroffen. Die Erkrankung entsteht durch chronische
Veränderungen der Gefäße und der daraus resultierenden
Durchblutungsstörungen.
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Die alkoholische Polyneuropathie ist das
Resultat der Nervenschädigung durch den toxischen Alkohol. Da
Alkoholsüchtige häufig auch unter Zinkmangel und unter
Vitamin-B1-Mangel leiden, wird dieser Effekt noch verstärkt.
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Bei 10 Prozent aller Polyneuropathien kann der
Auslöser nicht geklärt werden. Das liegt u. A. daran, dass sich
Infektionen wie Borreliose, Vergiftungen sowie bestimmte Durchblutungs-
und Stoffwechselstörungen oft nur sehr schwer feststellen lassen. In
diesem Fall sprechen Mediziner von einer “idiopathischen
Polyneuropathie”. Für den Betroffenen ist das nachteilig, da eine
kausale Therapie nur möglich ist, wenn die Ursache bekannt ist.
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Bei einer Polyneuropathie führt die Schädigung
der vegetativen Nervenbahnen zu einem Nachlassen der Schweißproduktion.
In der Folge wird die Haut trocken und empfindlicher für Verletzungen.
Druckschädigungen am Fuß werden nicht mehr ausreichend wahrgenommen, da
die Sensibilität in diesem Bereich gestört ist. In der Folge bildet
sich oftmals ein neuropathischer Ulcus (“Mal perforans” oder
umgangssprachlich “diabetischer Fuß”).
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Das Ausmaß der Schädigung kann mittels
verschiedener Sensibilitätstests ermittelt werden. Geprüft wird, ob der
Körper auf Kälte- und auf Wärmereize reagiert und ob der Kontakt mit
stumpfen und mit spitzen Gegenständen registriert wird. Per
Stimmgabeltest wird kontrolliert, ob der Bewohner an den Füßen
Vibrationen wahrnehmen kann.
Grundsätze:
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Der Bewohner muss immer wieder dazu motiviert
werden, bei der Beseitigung der auslösenden Faktoren mitzuwirken. Ohne
die Kooperation des Bewohners wird es keine dauerhafte Linderung der
Symptome geben.
Ziele:
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Die Ursache der Polyneuropathie wird ermittelt.
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Das weitere Fortschreiten der Erkrankung wird
vermieden oder verzögert.
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Vorhandene Fähigkeiten des Bewohners werden
erhalten. Verlorene Fähigkeiten werden zurückgewonnen.
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Die Schmerzbelastung des Bewohners wird auf ein
Minimum reduziert.
Vorbereitung:
Frühsymptome
Wir
achten auf Symptome, die auf eine einsetzende Polyneuropathie
hinweisen. Zu Beginn der Krankheit sind äußerlich noch keine
Veränderungen festzustellen, allerdings wird der Bewohner zunehmend
über Missempfindungen klagen. Die Beschwerden treten zumeist
symmetrisch auf, also auf beiden Körperseiten. Etwa:
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Der Bewohner spürt ein Kribbeln in den Händen
und in den Füßen, als würden Ameisen darüber krabbeln.
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Die Temperatur- und Berührungsempfindlichkeit
in den Extremitäten lässt nach.
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Der Bewohner hat das Gefühl, Handschuhe oder
dicke Strümpfe anzuhaben, obwohl er barfuß ist.
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Die Füße sind kalt, als würden diese im Eis
stecken.
Wenn es hinreichende Anzeichen für eine Polyneuropathie gibt, stellen
wir den Bewohner zeitnah einem Arzt vor. Wir beachten, dass viele
Mediziner mit dem Krankheitsbild nicht vertraut sind. Wir bitten dann
um eine Überweisung an einen Neurologen.
Symptome
Im weiteren Verlauf
der Polyneuropathie werden die Auswirkungen zunehmend sichtbar:
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Der Bewohner läuft scheinbar ziellos im
Wohnbereich herum. Er leidet unter "burning feet", also unter Schmerzen
in den Füßen, die sich durch Bewegung bessern. Diese treten
insbesondere in der Nacht auf.
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Es kommt zu stechenden Schmerzen in den Händen
und in den Beinen. Der Bewohner leidet unter Wadenkrämpfen.
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Die Extremitäten sind druckempfindlich.
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Die Schweißbildung ist vermindert.
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Der Bewohner verliert die Kontrolle über die
Blasen- und über die Darmentleerung.
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Es kommt zu einer schlaffen Lähmung der
Muskulatur. Insbesondere bei Alkoholikern ist zu beobachten, dass diese
den Vorfuß und die Zehen nicht mehr aktiv anheben können. Um trotzdem
zu gehen, müssen sie den Fuß insgesamt sehr hoch anheben. Es kommt zum
sog. “Steppgang”.
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Es kommt zu einer “starren” Herzfrequenz. Der
Puls steigt also auch bei körperlicher Belastung nicht adäquat an.
Durchführung:
ärztliche,
medikamentöse und therapeutische Behandlung
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Es erfolgt eine konsequente Behandlung eines
Diabetes mellitus.
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Der Bewohner erhält Vitamin-B-Präparate bei
eindeutigem Mangel als Folge einer Fehlernährung oder bei einer
verminderten Resorption.
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Der Bewohner erhält Physiotherapie, falls
Lähmungserscheinungen zunehmen. Die im häuslichen Alltag erforderlichen
Bewegungen werden geübt. Sinnvoll ist oftmals zudem eine Ergotherapie
zur Verbesserung der Feinmotorik und der Koordinationsfähigkeiten.
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Der Bewohner erhält eine Fußpflege wie bei
Diabetikern. Druckstellen, Hühneraugen, Einrisse und vor allem
beginnende Geschwüre sollten umgehend vom Arzt untersucht werden. Der
Bewohner sollte auf gut sitzendes Schuhwerk achten.
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Verschiedene Antiepileptika lindern
Parästhesien und Schmerzen.
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Der Bewohner erhält Nervenstimulation mit
elektrischem Strom ("TENS", transkutane Nervenstimulation).
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Wir bitten den Arzt um eine entsprechende
Bedarfsmedikation zur Schmerzbehandlung. Rezeptfreie Schmerzmittel
zeigen bei Patienten mit einer Polyneuropathie zumeist keine
ausreichende Wirkung.
Pflegemaßnahmen
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Bei Alkoholkranken ist eine strikte
Entzugstherapie unverzichtbar. Der Betroffene muss den Alkoholkonsum
vollständig einstellen.
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Bei Magenentleerungsstörungen erhält der
Bewohner statt dreier großer Mahlzeiten mehrere kleine Mahlzeiten.
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Wir führen Blasentraining durch, um eine
Harninkontinenz zu vermeiden.
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Bei vielen Betroffenen führt Sommerwärme zu
einer deutlichen Symptombesserung; dieses insbesondere, wenn der
Bewohner unter permanent kalten Unterschenkeln leidet. Wir mobilisieren
daher Betroffene ins Freie, achten dabei jedoch auf einen schattigen
Sitzplatz.
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Der Bewohner ist nur noch eingeschränkt in der
Lage, Schmerzreize zu bemerken und darauf zu reagieren. Daher können
verschiedene Körperbereiche anhaltendem Auflagedruck ausgesetzt sein.
Dieses führt zur Bildung von Dekubitalgeschwüren. Die im
Prophylaxestandard vorgegebenen Maßnahmen werden daher sorgfältig
umgesetzt.
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Durch geeignete Bewegungsübungen verhindern wir
die Entwicklung von Kontrakturen.
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Der Bewohner erhält vitaminreiche und fettarme
Kost. Eine vollwertige Mischkost kann die Genesung fördern, da sie die
allgemeine Abwehrlage des Körpers verbessert.
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Die Sturzgefährdung ist erhöht. Daher werden
die im Prophylaxestandard genannten Maßnahmen sorgfältig umgesetzt.
Liegt eine orthostatische Hypotonie vor, ist es wichtig, dass der
Bewohner langsam aus dem Bett aussteigt und zunächst einige Augenblicke
auf der Bettkante sitzen bleibt. Ggf. kann das Wickeln der Beine oder
das Anziehen von Kompressionsstrümpfen die Symptomatik lindern.
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Wir nutzen Wickel, Wärmeanwendungen und
insbesondere Bewegungsbäder. Achtung: Heißes oder kaltes Wasser ist ein
Risiko. Da die Temperaturempfindlichkeit oft stark reduziert ist, kann
es zu Verbrühungen oder zu Erfrierungen kommen, ohne dass es der
Bewohner rechtzeitig bemerkt.
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Wir stehen dem Bewohner stets für ein
entlastendes Gespräch zur Verfügung. Ggf. vermitteln wir den Kontakt zu
einem Psychologen oder zu einer Selbsthilfegruppe.
Nachbereitung:
allgemeine Maßnahmen
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Wir beobachten das Verhalten des Bewohners und
dokumentieren seinen Zustand. Relevant sind insbesondere
Empfindungsstörungen, Muskelschwäche, Inkontinenz, Schmerzbelastung und
Nebenwirkungen der Medikamente.
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Die Pflegeplanung bzw. die Maßnahmenplanung
wird ggf. aktualisiert.
Prognose
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Die Aussichten sind abhängig von der Anzahl der
betroffenen Nervenbahnen. Ist deren Zahl gering, ist die Prognose
günstig. Wenn die Therapie schnell und umfassend eingeleitet wird,
gehen die Symptome oftmals im Laufe mehrerer Monate zurück. Da der
Bewohner gleichzeitig Strategien entwickelt, um mit den Beschwerden
umzugehen, halten sich die Einbußen bei der Lebensqualität in Grenzen.
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Eine durch Alkohol ausgelöste Polyneuropathie
bildet sich schrittweise zurück, sobald der weitere Konsum des
Nervengifts eingestellt wird. Eine weitere Voraussetzung ist die
Normalisierung der Vitaminzufuhr durch eine ausgewogene Ernährung.
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Die diabetische Polyneuropathie lässt sich
durch eine optimale Einstellung des Blutzuckers vermeiden oder
zumindest lindern.
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Wenn keine Ursache für die Polyneuropathie
gefunden werden kann oder falls die Behandlung zu keiner ausreichenden
Besserung führt, löst dieses bei vielen Betroffenen Verunsicherung,
Angst oder Depressionen aus.
Dokumente:
-
Wunddokumentation
-
Berichtsblatt
-
ärztliches Verordnungsblatt
-
Kommunikationsblatt mit dem Arzt
-
Pflegeplanung
Verantwortlichkeit
/ Qualifikation:
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