pqsg mobil
Start Suche Service
Diese Seiten wurden für Smartphones optimiert. Für die PC-Version klicken Sie bitte hier.

MDK-Prüfung (Qualitätsaspekt 4.3 / Unterstützung von versorgten Personen mit herausfordernd erlebtem Verhalten und psychischen Problemlagen)

In der bisherigen Transparenzprüfung spielt die Altersverwirrtheit keine Rolle. Mit der neuen Qualitätskontrolle ändert sich das radikal. Der aktualisierte Fragenkatalog erfasst nahezu alle Kernelemente des Expertenstandards Demenz.


MDK-Prüfung (Qualitätsaspekt 4.3 / Unterstützung von versorgten Personen mit herausfordernd erlebtem Verhalten und psychischen Problemlagen)


  • Hirnorganische Veränderungen (wie etwa Demenzen) sowie psychische Erkrankungen führen häufig dazu, dass Betroffene ein Verhalten zeigen, das andere Personen als “herausfordernd” erleben. Betroffene schlagen um sich. Sie kratzen, beißen, kneifen oder spucken. Manche Erkrankte schreien und schimpfen ununterbrochen. Andere Betroffene sind lethargisch oder zeigen selbstschädigendes Verhalten.
  • Bis in die jüngere Vergangenheit beschränkte sich die Versorgung dieser Senioren darauf, sie medikamentös ruhig zu stellen oder gar zu fixieren. Erst seit den 90er-Jahren erlauben es neue Therapieansätze, die Auslöser für die Verhaltensauffälligkeiten zu verstehen und durch gezielte Interventionen zu lindern. Dazu zählt vor allem das Modell der Validation der US-Amerikanerin Naomi Feil.
  • Der MDK wird prüfen, ob die Versorgung den Ansprüchen an eine wertschätzende Pflege gerecht wird. Zunächst sollen Pflegekräfte die Risiken minimieren, die durch das Verhalten ausgelöst werden. Sie verhindern also z. B. Selbstverletzungen und unterbinden körperliche Übergriffe auf Dritte. Soweit dieses geht, soll das herausfordernde Verhalten “eingegrenzt” werden; also etwa durch Beschäftigungsangebote und andere Ablenkung. Gleichzeitig ist es wichtig, das Wohlbefinden des Bewohners zu fördern. Fixierungen sind damit also nicht gemeint.
  • Als problematisch könnte es sich erweisen, dass niemand so genau abgrenzen kann, was “herausfordernd erlebtes Verhalten und psychische Problemlagen” sein sollen. Wie grenzt man sie von “Altersschrullen” ab? Oder von temperamentvollen Charaktereigenschaften? Im Prüfkatalog wird diese Definition versucht:
    • “Es handelt sich um Verhaltensweisen, die einen Hilfebedarf begründen, weil sie zu Gefährdungen führen oder eine Beeinträchtigung für die betreffende Person oder ihre Umgebung darstellen. Ein solches Verhalten entsteht beispielsweise durch Situationen, die eine Überforderung für die versorgte Person mit sich bringen, oder durch die fehlende Fähigkeit, mit emotionalen Impulsen kontrolliert umzugehen. In der Regel sind solche Verhaltensprobleme mit kognitiven Beeinträchtigungen verbunden, die zum Verlust der Impulskontrolle und Selbststeuerungsfähigkeit führen. Angesprochen sind aber auch psychische Problemlagen, die ebenfalls einen Hilfebedarf begründen.”
  • Gleich danach werden die unerwünschten Verhaltensweisen und psychische Problemlagen aufgezählt:
    • Motorisch geprägte Verhaltensauffälligkeiten
    • Nächtliche Unruhe
    • Selbstschädigendes und autoaggressives Verhalten
    • Beschädigung von Gegenständen
    • Physisch aggressives Verhalten gegenüber anderen Personen
    • Verbale Aggression
    • Andere vokale Auffälligkeiten
    • Abwehr pflegerischer oder anderer unterstützender Maßnahmen
    • Wahnvorstellungen
    • Ängste
    • Antriebslosigkeit bei depressiver Stimmungslage
    • Sozial inadäquate Verhaltensweisen
    • Sonstige pflegerelevante inadäquate Handlungen
Frage: Erfolgte eine Erfassung der Verhaltensweisen der versorgten Person und eine darauf aufbauende Einschätzung, ob aus dem Verhalten ein Unterstützungsbedarf erwächst?
  • Im ersten Schritt muss die Pflegekraft prüfen, ob der Bewohner ein Verhalten zeigt, was als “herausfordernd” bezeichnet werden kann. Entscheidend ist, ob das Handeln dazu führt, dass Pflegekräfte eingreifen müssen, weil dem Bewohner oder seinem Umfeld sonst ein Schaden entstehen könnte. Als Anhaltspunkte kann die oben stehende Auflistung genutzt werden.
    • Beispiel: Frau Cerny leidet unter einer fortschreitenden Demenz, kann ihren Alltag aber noch recht gut bewältigen. Problematisch gestaltet sich jedoch die zwischenmenschliche Interaktion. Frau Cerny wird im Umgang mit Mitbewohnern immer wieder verbal aggressiv. Schon vermeintlich geringe Anlässe führen dazu, dass sie ihr Gegenüber mit einer Flut von Schimpfworten eindeckt. Unter diesen Verbalattacken leiden auch Pflegekräfte, insbesondere bei der Grundpflege. Frau Cerny schlägt die Hände der Mitarbeiter weg, greift nach der Waschschüssel und wehrt sich gegen das Abtrocknen. Somit sind zumindest zwei Kriterien erfüllt: “Verbale Aggression” sowie “Abwehr pflegerischer oder anderer unterstützender Maßnahmen”. Die entstehenden Risiken sind auch schnell benannt. Das Beschimpfen der Mitbewohner führt z. B. zur sozialen Isolation und steigert das Risiko von Handgreiflichkeiten mit anderen Senioren. Die Abwehr bei Pflegemaßnahmen erschwert beispielsweise die Körperpflege.
Frage: Wurden verhaltenswirksame Faktoren identifiziert und Maßnahmen eingeleitet, um diese Faktoren zu begrenzen oder zu kompensieren?
  • Mit dieser Frage werden viele Pflegeteams während der Prüfung Probleme bekommen. “Neu” ist diese Frage nur hinsichtlich des MDK-Fragenkatalogs. “Herausforderndes Verhalten” war in der alten Transparenzprüfung kein wichtiges Thema. Ganz anders ist die Lage für alle Pflegeheime, die den Expertenstandard "Beziehungsgestaltung in der Pflege von Menschen mit Demenz" umsetzen. In dieser Leitlinie ist die Ursachensuche ein zentrales Element.
  • Dumm nur, dass in vielen Pflegeteams dieser Expertenstandard lediglich hinsichtlich der Strukturqualität umgesetzt wird. Das bedeutet: Es gibt ein wohlklingendes Konzept, ein paar Beratungsprotokolle und dazu die Teilnahmebestätigungen von In-House-Seminaren, bei denen eigentlich nur Kekse gegessen wurden. Entsprechend überholt ist die Herangehensweise an das Problem. Bleiben wir im obigen Beispiel:
    • Die Pflegekraft beschäftigt sich primär mit der Frage: “Was muss ich tun, damit ich Frau Cerny waschen kann, ohne dass sie nach mir schlägt? Und wie verhindere ich, dass Frau Cerny schon bei Nichtigkeiten so vom Leder zieht?”
  • Ablenkung allein ist keine Lösung. Denn im Grunde fühlt sich Frau Cerny völlig im Recht. Durch die Demenz hat sie eine andere Sicht auf die Dinge. Sie wehrt sich ja nur. Sie will nicht mit Fremden reden. Und sich schon gar nicht von denen waschen lassen.
  • Genau hier erwartet der MDK, dass sich die Pflegekraft darüber Gedanken macht, wo die Auslöser für das Verhalten liegen. Ein Blick in die Bewohnerbiografie bringt oftmals erste Erkenntnisse:
    • Frau Cerny ist 1969 aus der Tschechoslowakei geflüchtet. Ihr Mann war in Prag ein Anhänger der Reformbewegung. Nach deren Niederschlagung wurden beide verhaftet. Frau Cerny war in der Haft misshandelt worden und wurde bis zu ihrer Entlassung im Gefängnishospital versorgt. Nach Aussage der Tochter hatte diese Zeit prägenden Einfluss auf die Persönlichkeit ihrer Mutter. Selbst nach der Ausreise nach Westdeutschland vermutete sie überall Spitzel. Die einsetzende Demenz hat diese Ängste verstärkt. Kurz vor dem Umzug in das Pflegeheim beschuldigte sie ihre langjährigen Nachbarn und sogar den Hausmeister, für die tschechoslowakische Staatssicherheit StB zu arbeiten.
  • Zugegeben: So einfach lassen sich Erklärungsmuster nicht immer finden. Oftmals bleibt trotz aller Nachforschungen im Dunkeln, was die Verhaltensauffälligkeiten verursacht hat. Deshalb fordert der MDK auch lediglich, dass die Aufklärung zumindest versucht wird.
  • Im nächsten Schritt prüft die Pflegekraft, welche Maßnahmen geeignet sind, um das herausfordernde Verhalten zu begrenzen oder zu kompensieren. In unserem Beispiel:
    • Wenn Frau Cerny schimpft, flucht und droht, hilft oftmals eine beruhigende Ansprache. Pflegekräfte sollten dafür Themen wählen, die die Bewohnerin mit der Zeit nach der Übersiedlung aus der Tschechoslowakei verbindet. In Westdeutschland hielt das Ehepaar über Jahrzehnte Cocker Spaniel. Darüber spricht Frau Cerny gerne. In ihrem Schrank befinden sich Fotoalben mit den Aufnahmen ihrer Hunde. Wenn sie darin blättert, beruhigt sie sich.
  • Gleichermaßen wichtig ist die Erfassung von Faktoren, die die Problematik verschlimmern.
    • Beispiel: Frau Cerny reagiert empfindlich auf alle Situationen, die ihr das Gefühl geben, eingesperrt zu sein. Dazu zählt etwa das Herunterfahren der elektrischen Rollläden der Fenster. Sie erträgt es auch nicht, in ein enges Badezimmer ohne Fenster gebracht zu werden.
Frage: Erhält die versorgte Person eine geeignete Unterstützung, um trotz der Verhaltensproblematik Bedürfnisse zu befriedigen und Wohlbefinden zu erleben?
  • Nach der Informationssammlung wird die Maßnahmenplanung erstellt. Hier muss die Pflegekraft nicht alles bis ins Detail ausformulieren. Aber die großen Linien sollten erkennbar sein. Alles Weitere wird im fachlichen Dialog zwischen der Pflegekraft und dem MDK besprochen. Hier hakt der Prüfer gerne mal nach, ob der Mitarbeiter die wichtigsten Konzepte zur Betreuung von Demenzpatienten kennt, also etwa die Validation.
  • Ganz wichtig ist die “persönliche Note” bei der Pflegeplanung. 0815-Formulierungen, die für alle Bewohner passen, sind hier fehl am Platz.
    • Was macht Frau Cerny gerne? Das Betrachten von Fotoalben mit Hunden füllt ja nicht den ganzen Tag. In unserem Beispiel fühlt sich die Bewohnerin bei der Gartenarbeit wohl. Dort wird nicht viel gesprochen, und sie kommt dennoch unter die Leute. Frau Cerny vermutet auch nicht hinter jedem Busch die Spitzel der Geheimpolizei.
Tipps:
  • Für den richtigen Umgang mit Demenzpatienten gibt es verschiedene sehr interessante Veröffentlichungen:
    • “Expertenstandard Beziehungsgestaltung in der Pflege von Menschen mit Demenz” vom Deutschen Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (“DNQP”)
    • “Rahmenempfehlungen zum Umgang mit herausforderndem Verhalten bei Menschen mit Demenz in der stationären Altenhilfe” vom Bundesministerium für Gesundheit
    • “Wittener Modell der Fallbesprechung bei Menschen mit Demenz mit Hilfe des Innovativen-demenzorientierten Assessmentsystems WELCOME-IdA” vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e.V. (DZNE)
    • “Leitlinie FEM – Evidenzbasierte Praxisleitlinie. Vermeidung von freiheitseinschränkenden Maßnahmen in der beruflichen Altenpflege” von der Leitlinie FEM.
Mögliche Konfliktpunkte:
  • Bei den drohenden Abwertungen gilt auch hier: Kleine Dokumentationslücken führen nur zu einer milden “B-Wertung”. Voraussetzung dafür ist, dass der Bewohner in diesem Bereich keinen nennenswerten Unterstützungsbedarf hat und somit auch keinen Schaden erleidet.
  • Alles Weitere führt mindestens zu einem “C”:
    • Es erfolgt keine zutreffende Erfassung von Verhaltensweisen. Beispiel: Der MDK zieht Herrn Müller in die Kontrollgruppe. Dieser kommt ihnen schon auf dem Flur entgehen. Er fragt: “Wer sind Sie?”. Der MDK-Prüfer nennt seinen Namen, seine Aufgabe und den Grund des Besuchs. Fünf Minuten später fragt Herr Müller erneut: “Wer sind Sie?” Und so geht das eine ganze Dreiviertelstunde. Da der MDK-Prüfer davon ausgeht, dass dieses Verhalten regelmäßig auftritt, hätte er gerne in der Dokumentation mehr zu den Auffälligkeiten gelesen. Aber Fehlanzeige.
    • Eine Erfassung erfolgte, aber keine Bewertung, inwieweit die Verhaltensweisen für den Bewohner ein Problem darstellen. Beispiel: Frau Meier leidet an einer Demenz, die in ihrem Fall einen nahezu permanenten Laufzwang auslöst. Sie eilt ruhelos über die Flure, bis sie die Erschöpfung zu einer Ruhepause auf einem Sessel zwingt. Dann steht sie wieder auf. So vergeht Stunde um Stunde. Das Pflegeteam hat alle Beobachtungen vorbildlich erfasst. Der MDK vermisst jedoch die Problembeschreibung. Das erste Risiko wäre eigentlich recht einfach zu finden: Ausweislich der Pflegedokumentation hat Frau Meier in den letzten Monaten fast fünf Kilo verloren, was angesichts des Energieverbrauchs niemanden wundert.
    • Das Pflegeheim hat offenkundig nicht versucht, verhaltensrelevante Faktoren zu identifizieren. Dazu zählen etwa umgebungsbedingte Überforderungen, Tagesstruktur, nächtliche Störungen, biografische Bezüge, Änderungen der Medikation sowie Trauer. Beispiel: Der MDK nimmt Frau Schulze in Augenschein. Sie stößt permanent schrille Schreie aus. Das stört natürlich auch den MDK-Prüfer. Die Bezugspflegekraft weiß Rat. Sie nimmt einen alten Teddy aus dem Regal und gibt diesen der Bewohnerin. Frau Schulze verstummt augenblicklich und streichelt das Stofftier liebevoll. Der MDK-Prüfer ist beeindruckt. Allerdings nur solange, bis er feststellt, dass diese offenbar wirkungsvolle Maßnahme nicht als verhaltensrelevanter Faktor benannt und dokumentiert ist.
  • Danach geht es mit “D-Wertungen” weiter:
    • Es erfolgt keine Unterstützung, die explizit auf die Verhaltensweisen des Bewohners ausgerichtet ist. Beispiel: Herr Müller zeigt sexuell enthemmtes Verhalten. Er zieht im Gemeinschaftsraum die Hose und die Unterhose aus und entblößt sein Geschlechtsteil. Eine langgediente Pflegekraft fand eine einfache Lösung: Sie bindet ihm den Hosengürtel so um, dass die Gürtelschnalle auf der Rückseite liegt. Er kann dadurch die Hose nicht öffnen. Problem gelöst! Oder?
    • Die Einrichtung reagiert ausschließlich mit aktivitätsbegrenzenden Maßnahmen, obwohl andere Hilfen bei der versorgten Person noch nicht zur Anwendung kamen und ihr Nutzen noch nicht bewertet wurde. Beispiel: Herr Schmidt schmiert mit Kot. Der Grund dafür ist nicht bekannt, was vermutlich daran liegt, dass niemand bisher danach suchte. Stattdessen beschaffte die Einrichtung einen reißfesten Pflegeoverall, der jede Selbstentkleidung unterbindet. Da Herr Schmitt mit 1,60 Metern sehr klein ist, wählte die Pflegekraft ein Modell für Frauen. Farbe “Erika”, ein Bordeaux-Rot mit Stich ins Rosa. Über etwaige Beschwerden von Herrn Schmidt steht nichts in der Dokumentation.



pqsg Impressum, AGB / Datenschutz