Diese Seiten wurden für Smartphones optimiert.
Für die PC-Version
klicken Sie bitte hier.
MDK-Prüfung
(Qualitätsaspekt 5.5 Schutz von Persönlichkeitsrechten und Unversehrtheit)
Die
“Nationale Stelle zur Verhütung von Folter” hat ein neues
Betätigungsfeld entdeckt. Statt in Gefängnissen, in Bundeswehrkasernen
oder in Kinderheimen werden sie in Seniorenzentren fündig. Den MDK
interessiert das natürlich brennend.
MDK-Prüfung (Qualitätsaspekt 5.5 Schutz von Persönlichkeitsrechten und Unversehrtheit)
-
Der Qualitätsaspekt 5.5 hat ein gewisses
Überraschungspotenzial. Denn hinter den beiden Begriffen
“Persönlichkeitsrechte” sowie “Unversehrtheit” verbirgt sich eine
unüberschaubare Themenvielfalt. Bei der Bestimmung möglicher Kriterien
sind die neuen Qualitätsprüfungs-Richtlinien leider keine große Hilfe.
Dennoch lassen sich die Schwerpunkte zumindest eingrenzen:
-
Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung
-
personenzentrierte Pflege
-
Datenschutz und Persönlichkeitsrechte
-
Meinungsfreiheit
-
Handhabung von Fixierungen und anderen freiheitseinschränkenden Maßnahmen
-
Kooperation mit dem Heimbeirat bzw. mit dem Heimfürsprecher
-
Für diesen Qualitätsaspekt werden keine neuen
Daten erhoben. Die Beurteilung erfolgt anhand der bereits zuvor
gesammelten Informationen, insbesondere beim Besuch der Bewohner aus
der Stichprobe. Von Interesse sind insbesondere folgende
Qualitätsaspekte:
-
Unterstützung bei Kontinenzverlust, Kontinenzförderung
-
Körperpflege
-
Freiheitsentziehende Maßnahmen
-
Unterstützung von Bewohnern mit herausforderndem Verhalten und psychischen Problemlagen
-
Frage: Gewährleistet die Einrichtung den Schutz von Persönlichkeitsrechten und die Unversehrtheit des Bewohners?
-
Bereits jetzt ist klar, dass alle groben
Verstöße gegen Freiheitsrechte hier aufgenommen und an die Kassen
weitergeleitet werden. Das ist nicht neu. Auch im Rahmen der alten
Transparenzprüfung musste ein Pflegeheim mit Konsequenzen rechnen, wenn
der MDK auf Senioren stößt, die ohne richterliche Genehmigung über
Wochen einer Sieben-Punkt-Fixierung unterzogen werden.
-
Deutlich interessanter ist, wie sich die MDK-Mitarbeiter zukünftig in Grenzbereichen verhalten werden. Ein paar Beispiele:
-
Der Prüfer hat sich vorbildlich auf die
Inspektion vorbereitet und vorab sogar die Homepage der Einrichtung
besucht. Dort lächeln ihn die Fotos glücklicher Heimbewohner an. Ein
ganz ähnliches Bild beim Lesen der Heimzeitung, deren Archiv als
PDF-Dateien zum Download angeboten wird. Jede Feier und alle
kulturellen Veranstaltungen wurden mit einem umfangreich bebilderten
Artikel begleitet. Eine der abgebildeten Seniorinnen zählt zur
Stichprobe. Der MDK-Prüfer versucht es zu Beginn der Inaugenscheinnahme
mit etwas Small Talk und spricht die Bewohnerin auf das Sommerfest an.
Leider reagiert die Seniorin anders als erwartet. Sie wusste nicht,
dass sie in der Heimzeitung mit einem Foto und mit ihrem Namen erwähnt
wurde. Zugestimmt hat sie jedenfalls ganz sicher nicht. Da sie voll
orientiert ist, konnte ersatzweise auch kein Betreuer einwilligen. Die
Bewohnerin ist sauer.
-
Eine Einrichtung hat eine Station für
Demenzpatienten. Da das Pflegeheim an einer viel befahrenen Straße
liegt, wäre jedes Entweichen aus dem Gebäude lebensgefährlich.
Richterliche Beschlüsse liegen jedoch nicht vor. Das Pflegeheim hat’s
probiert, aber die Richter lehnen die Anträge konsequent ab. Da der
Wohnbereich in der dritten Etage liegt, greift das Personal zu einem
Trick. Der Fahrstuhl ist mit einem PIN-Code gesichert und somit für
Demenzpatienten unbenutzbar. Sie könnten natürlich das Treppenhaus
nutzen. Diese Tür ist immer unverschlossen. Allerdings fügt sie sich
optisch so nahtlos in die Wand ein, dass selbst Angehörige beim Suchen
nach dem Ausgang daran vorbeilaufen. Außerdem steht direkt vor der Tür
immer ein Sessel. Sicher ist sicher.
-
Ein Bewohner eines Pflegeheims ist
passionierter Raucher, zum Zeitpunkt der MDK-Prüfung aber auf einem
unfreiwilligen Entzug. Er hat kein Feuerzeug mehr. Vier Tage zuvor war
er beim Bundesligaspiel Hannover gegen Dortmund eingenickt. Null zu
null nach 90 Minuten. Die Zigarette schmorte einen unschönen Brandfleck
in den Fernsehsessel. Kein großes Drama, nicht mal der Rauchmelder
schlug an. Dennoch hat die Bezugspflegekraft das geliebte “Zippo”
einbehalten. Feuer gibt es nur noch von den Pflegekräften oder von
mitfühlenden anderen Bewohnern.
-
Ein MDK-Mitarbeiter besucht einen Bewohner
mit MRSA-Besiedelung. Der alte Mann klagt darüber, dass er bis zum
Abschluss der Sanierung sein Zimmer unter einer Art “besonderer
Aufsicht” steht. Alles, was er anfasst, wird direkt danach einer
Sprüh-Wisch-Desinfektion unterzogen. Der Bewohner fühlt sich, als hätte
er die Pest. Der Prüfer kann sich diese offenkundige Überreaktion nicht
erklären und wirft einen Blick in die Pflegedokumentation. Dort steht
(in Rot) zu lesen, dass es sich um einen Vancomycin-resistenten
MRSA-Stamm handelt. Mithin also ein besonders widerspenstiges Exemplar
der Problemkeime. Ein paar dahingemurmelte Anmerkungen des Hausarztes
über “Lebensgefahr” und “Ausbreitung” im Beisein der nervösen
Bezugspflegekraft taten dann wohl den Rest.
-
Der Prüfer besucht einen Bewohner. Dieser war
passionierter Bühnenschauspieler, ist nun aber nach einem Schlaganfall
pflegebedürftig. Er äußerte noch vor dem Heimeinzug den Wunsch, zwei
Flinten als Wandschmuck mitbringen zu können. Es handelt sich um sog.
“Theaterwaffen”, also Attrappen. Diese stammen vom Dreh der
Winnetou-Filme, an denen er in den 60er-Jahren in Jugoslawien beteiligt
war. Auf einem Gewehr ist ein Autogramm von Mario Adorf. Die
Pflegeeinrichtung lehnt das Ausstellen von Waffen aus religiösen
Gründen ab. Die Flinten lagern nun im Keller.
-
Letztlich lässt sich nicht vorhersagen, bei
welchen Mängeln dieser Qualitätsaspekt zum Tragen kommt. Aufgrund der
unscharfen Formulierung lässt sich dieses Kriterium nahezu universell
einsetzen. Die meisten MDK-Mitarbeiter werden wohl dennoch schlicht den
Haken bei “keine Defizite festgestellt” setzen.
|