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Der neue Pflege-TÜV (Teil 2):
Die Qualitätsindikatoren im Detail
Die
neue Qualitätsprüfung basiert auf einem ebenso raffinierten wie
radikalen Prinzip: Jede gute Bewertung sorgt automatisch dafür, dass
ein anderes Pflegeteam eine negative Beurteilung erhält. Einrichtungen,
die eine überdurchschnittliche Pflegequalität liefern, können sich
dadurch deutlich von Mitbewerbern absetzen.
Der neue Pflege-TÜV (Teil 2): Die Qualitätsindikatoren im Detail
Woran scheiterten die bisherigen Pflegenoten?
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Die Prüfung der Pflegequalität krankte bislang
daran, dass der Medizinische Dienst bei der Durchführung der zu
beurteilenden Prozesse nicht anwesend ist. Wie auch? Die Prüfer können
den Pflegekräften nicht jeden Tag rund um die Uhr über die Schulter
sehen. Jedoch hinterlassen Prozesse stets Spuren, in unserem Fall vor
allem in der Pflegedokumentation. Der MDK versuchte also stattdessen,
sich im Nachhinein ein Bild über die Qualität der Pflegemaßnahmen zu
machen.
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Diese Fixierung auf Prozess- und auf Strukturmerkmale kann natürlich nur schiefgehen. Und das hat zahlreiche Gründe:
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Die präzise Beschreibung einer komplexen
Pflegesituation kann schwerlich gelingen, wenn unerfahrene und
überarbeitete Pflegekräfte nebenbei noch die Dokumentationsarbeiten
leisten sollen. Hinzu kommen Mitarbeiterinnen mit einem
Migrationshintergrund, die noch nicht über die notwendigen
Sprachfähigkeiten verfügen. Es entstehen zwangsläufig Lücken und
Fehleintragungen. Nun beurteilte aber der MDK lange anhand der Maxime:
“Was nicht dokumentiert ist, hat auch nie stattgefunden.” Beispiel: In
einem Pflegeheim werden Bewohner regelmäßig umgelagert, dieses wird
aber nur lückenhaft dokumentiert. Oder: Die Pflegekräfte bieten den
Senioren regelmäßig Getränke an, halten dieses aber nicht schriftlich
fest. Ergebnis: Ein in der Realität gut betreuter Bewohner wird auf dem
Papier zum Opfer schwerer Versorgungsmängel. Manch “Pflegeskandal” der
letzten Jahre ist darauf zurückzuführen, dass Journalisten nicht
zwischen der pflegerischen Realität und der Dokumentation unterscheiden
können. So sind viele “halb verdurstete” Senioren tatsächlich
putzmunter. Nur die Dokumentation war “auf Diät” gesetzt.
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Ohnehin ist Papier bekanntlich geduldig. In
nicht wenigen Einrichtungen ist es gelebte Tradition, die
Aufzeichnungen für eine spätere MDK-Prüfung aufzupolieren. Lücken
werden geschlossen, Eintragungen angefügt oder sogar ganze Bögen im
Nachhinein ausgetauscht. Resultat: Der Bewohner wurde in der Realität
schlecht versorgt, aber die Papierform ist meisterhaft. Da wundert es
nicht, dass Pflegeheime beim MDK mit der Pflegenote “Eins” abschließen
und gleichzeitig vor der Schließung durch die Heimaufsicht stehen.
Was macht das neue System anders?
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Das neue System stellt die Ergebnisqualität in
den Fokus. Der MDK bewertet also, welche Auswirkungen die Pflege auf
den Bewohner hat. Geht es ihm schlechter? Oder wurde sein Zustand
stabilisiert? Gibt es vielleicht sogar Gesundheitsverbesserungen?
Dieses zeigt sich etwa bei der Ernährung.
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Nehmen wir beispielhaft das Problem des
ungewollten Gewichtsverlusts in einem fiktiven Pflegeheim. Laut
Dokumentation und QM-Handbuch existiert in dem Haus ein exzellentes
Ernährungsmanagement. Die Bewohner werden regelmäßig gewogen. Die
Pflegekräfte bieten mehrmals täglich Zwischenmahlzeiten an. Die
Senioren werden vorbildlich beraten und zu ihrer Zufriedenheit befragt.
Nur gibt es ein Problem: Die Hälfte der Pflegebedürftigen in unserem
hypothetischen Pflegeheim ist untergewichtig. Die meisten neuen
Bewohner verlieren direkt nach dem Heimeinzug erst einmal fünf
Kilogramm an Körpermasse. Nach der alten Prüfsystematik ist das kein
wirkliches Problem. Das Heim bekommt trotzdem die Bestnote.
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Die neue Beurteilung hingegen lässt die
Einrichtung krachend durchfallen. Dieses sollen die
Qualitätsindikatoren sicherstellen. Für erfahrene Qualitätsbeauftragte
sind Qualitätsindikatoren nichts Neues; sie kennen das System unter dem
Namen “Kennzahlen”. Diese messen, wie häufig ein gutes oder ein
schlechtes Versorgungsergebnis innerhalb eines definierten Zeitrahmens
auftritt. Das Ergebnis wird als Prozentwert angegeben.
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Bleibt natürlich das Problem, wie ein Ergebnis
zu bewerten und einzuordnen ist. Wie viele Gewichtsverluste sprechen
für eine gute Versorgungsqualität? Ab welcher Häufigkeit ist davon
auszugehen, dass mangelhaft gepflegt wurde? Normalerweise müsste nun
ein groß angelegtes Forschungsprojekt angeschoben werden, das eben
diesen Wert statistisch ermittelt. Doch dafür fehlen sowohl die Zeit
als auch das Geld. Das neue Prüfsystem bedient sich stattdessen eines
cleveren Tricks. Es vergleicht die Fallzahl des zu prüfenden
Pflegeheims mit dem statistischen Durchschnittswert aller
Einrichtungen. In einem guten Pflegeheim kommt es zu weniger
ungewollten Gewichtsverlusten, als es anhand des Durchschnittswerts zu
erwarten wäre. In einer schlechten Einrichtung wird der
Durchschnittswert hingegen übertroffen. In den USA gibt es mit “Nursing
Home Compare“ ein sehr ähnliches System, in dem mehr als 15.000
Einrichtungen gelistet sind.
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Im deutlich kleineren Rahmen wird das System
übrigens auch in Deutschland genutzt, um gewollte oder unerwünschte
Entwicklungen rechtzeitig zu erkennen und zu messen. Beispiel: In einem
Pflegeheim wird die Anzahl der Stürze im Wohnbereich A mit der Anzahl
der Stürze im Wohnbereich B verglichen. Das Ganze funktioniert auch
einrichtungsübergreifend etwa in den großen Pflegeheimketten: Das
Vorkommen von Druckgeschwüren im Pflegeheim X wird dem Wert vom
Pflegeheim Y gegenübergestellt. Was also bislang oftmals freiwillig
geschieht, fordert der Gesetzgeber nun zwangsweise ein.
Welche Qualitätsindikatoren gibt es?
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Als Qualitätsindikator kommen bestimmte Kriterien in Betracht, die besondere Voraussetzungen erfüllen.
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Zunächst muss das Kriterium klar messbar
sein. Die Anzahl der Druckgeschwüre oder Stürze lässt sich einfach
erheben. Denn: Ein Dekubitus ist leicht diagnostizierbar. Ein Sturz
kann ebenso einfach von anderen Unfällen unterschieden werden. Mit
einer Depression wäre das nicht möglich. Wer will schon klar abgrenzen,
ob ein Bewohner depressiv ist oder nicht?
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Zudem muss diese Kennzahl ganz überwiegend im
Einflussbereich des Pflegeheims liegen. Die Durchführung von
Fixierungen etwa wird maßgeblich von Pflegekräften gesteuert. Ebenso
die Durchführung von Schmerzeinschätzungen. Wie oft es jedoch zu
Diabeteserkrankungen, Schlaganfällen oder zu Herzinfarkten bei
Bewohnern kommt, können Pflegekräfte nur sehr eingeschränkt
beeinflussen. Daher ist all dieses kein Bestandteil des
Qualitätsindikatorensets.
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Letztlich bleiben zehn Indikatoren übrig:
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Erhaltene Mobilität*
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Erhaltene Selbstständigkeit bei Alltagsverrichtungen*
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Erhaltene Selbstständigkeit bei der Gestaltung des Lebensalltags
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Dekubitusentstehung*
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Schwerwiegende Sturzfolgen*
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Unbeabsichtigter Gewichtsverlust*
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Durchführung eines Integrationsgesprächs
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Anwendung von Gurten
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Anwendung von Bettseitenteilen
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Aktualität der Schmerzeinschätzung
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Einige Kriterien sind mit einem Sternchen
versehen. Hier werden zwei Kennzahlen für jeweils zwei Bewohnergruppen
oder Risikogruppen erhoben. Die Abgrenzung erfolgt anhand recht
komplexer Definitionen und dürfte in der Praxis nicht einfach werden.
Sinn und Zweck ist es, vergleichbare Gruppen von Pflegebedürftigen
abzugrenzen. Beispielsweise gilt es, bei den Stürzen zwischen
demenziell erkrankten Senioren und mental kaum beeinträchtigten
Bewohnern zu unterscheiden. Für beide Gruppen wird ein eigener
Indikator errechnet.
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Wichtig ist die Beachtung der
Ausschlusskriterien. Nehmen wir beispielhaft einen
Schlaganfallpatienten, der völlig immobil ist und auch im Bett keinen
Positionswechsel mehr vornehmen kann. Er wird somit schwerlich stürzen,
sofern er nicht beim Umlagern einer Pflegekraft aus der Hand rutscht.
Folglich kann bei ihm dieser Indikator nicht sinnvoll erhoben werden.
Das wird im Extremfall dazu führen, dass Facheinrichtungen für
Patienten in Phase F ("Wachkoma") diesen Indikator nicht ausweisen
können. Ganz ähnlich ist es beim unbeabsichtigten Gewichtsverlust. Hier
fallen zahlreiche Gruppen aus der Wertung; etwa amputierte Senioren
oder Tumorpatienten.
Woher kommen die Daten?
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Eigentlich wäre es die Aufgabe des MDK, den
Zustand eines Bewohners engmaschig einzuschätzen und die Daten für die
Qualitätsindikatoren zu erheben. Dafür jedoch fehlt es am notwendigen
Personal. Auch eine stichprobenartige Erhebung der Indikatoren für die
Ergebnisqualität durch den MDK kommt nicht in Betracht, da die
Resultate nicht präzise wären und sehr vom Zufall abhingen. So könnte
ein Druckgeschwür rechtzeitig vor dem MDK-Besuch abheilen - oder eben
auch nicht.
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Stattdessen wird diese Pflicht auf die
Pflegeheime übertragen. Die verlangte “Vollerfassung” heißt so, weil
nahezu alle Bewohner bei der Beurteilung der Versorgungsergebnisse
berücksichtigt werden. Ausgenommen sind nur Senioren in der
Sterbephase, neu eingezogene Bewohner sowie Pflegebedürftige, die seit
längerer Zeit im Krankenhaus liegen.
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Als Datensammler fungieren die Pflegekräfte,
die alle sechs Monate den aktuellen Status jedes Bewohners erfassen
sollen. Dieses nennt sich “Ergebniserfassung”.
Wohin gehen die Daten?
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Die Daten werden dann digital an die
“Datenauswertungsstelle” (kurz “DAS”) übersendet. Es handelt sich dabei
um eine fachlich unabhängige Institution mit Sitz in Göttingen. Diese
prüft die Daten zunächst auf Unstimmigkeiten und auf formale Fehler.
Wenn es bei dieser ersten Plausibilitätskontrolle Auffälligkeiten gibt,
hält sie Rücksprache mit der Einrichtung. Es wird also nicht vorkommen,
dass fehlende Daten oder Flüchtigkeitsfehler unbesehen übernommen
werden.
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Danach wertet die DAS mittels spezieller
Formeln die Daten aus und errechnet die sog. “Qualitätskennzahlen”. Die
Ergebnisse gehen dann als Bericht per eMail an die Einrichtung zurück.
Auch jetzt könnten noch Fehler korrigiert werden.
(Praxistipp: Ein Spam-Filter im eMail-Programm ist praktisch.
Allerdings neigen diese dazu, auch wichtige Nachrichten automatisch in
den Mülleimer zu befördern. Im Fall der Rückmeldung von der
Datenauswertungsstelle wäre das natürlich unangenehm. Folglich sollten
Sie sich angewöhnen, auch in den Spam-Ordner regelmäßig zumindest einen
Blick zu werfen.)
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Sobald alle Daten geprüft sind, fließen die
Qualitätskennzahlen in die “Qualitätsdarstellungen” ein. Darin
enthalten ist auch die Beurteilung der externen Qualitätsprüfung.
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Natürlich können die Einrichtungen nicht
irgendwelche Fantasiezahlen an die DAS melden. Der MDK wird bei seinen
regelmäßigen Besuchen anhand von Stichproben eine zweite
Plausibilitätskontrolle durchführen.
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Bis die Ergebnisse jedoch für alle
Heimplatzinteressenten online gestellt werden, wird noch etwas Zeit
vergehen. Die Ergebnisse der ersten Datenlieferung sind eine Art
Probelauf, mit dem alle Beteiligten die endgültigen Abläufe zunächst
üben. Sie werden nicht veröffentlicht, aber (soweit vorhanden) in die
Qualitätsprüfungen einbezogen.
Wie hoch ist der Arbeitsaufwand?
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Dass für jeden Bewohner halbjährlich 98 Fragen
zu beantworten sind, klingt nicht nur wie ein Horrormärchen, es ist
auch eines. Es ist schlichtweg nicht wahr. Keine Pflegekraft wird
jemals in ihrem Berufsleben auch nur einen Senioren versorgen, bei dem
tatsächlich der gesamte Fragenkatalog auszufüllen wäre. Nehmen wir als
Beispiel den Fragenkomplex zum Thema Integrationsgespräch. Wenn der
Bewohner schon seit Jahren im Pflegeheim wohnt, reicht ein
entsprechendes Kreuz. Der gesamte dazugehörige Fragenblock kann nun
übersprungen werden. Ganz ähnlich beim Abschnitt zum Thema Dekubitus.
Sofern beim Pflegebedürftigen keine Druckgeschwüre auftraten, haben
sich alle damit verbundenen Zusatzfragen erledigt. Immer wieder können
ganze Passagen ausgelassen werden.
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In welchem Gesundheitszustand wäre denn ein
Bewohner, wenn bei ihm alle Fragen beantwortet werden müssten? Der
Bewohner wäre erst vor Kurzem ins Pflegeheim gezogen und wäre dann
erheblich abgemagert. Er hätte Druckgeschwüre, chronische Schmerzen,
Fixierungsgurte und ein hochgezogenes Bettgitter. Alles gleichzeitig.
Er wäre zudem unlängst schwer gestürzt. Und vieles mehr. Da erhält der
Begriff “Multimorbidität” doch gleich eine ganz neue Bedeutung.
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Das neue Prüfsystem klingt dennoch nach viel Arbeit. Allerdings lässt sich der Aufwand erheblich reduzieren.
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Pflegeheime, die mit einem guten
Dokumentationssystem auf EDV-Basis arbeiten, werden nur eine geringe
Mehrbelastung spüren. Die Daten für die Vollerfassung lassen sich in
weiten Teilen aus den bereits erhobenen Informationen zusammenstellen.
Voraussetzung ist, dass die Softwareanbieter die Schnittstellen
rechtzeitig anpassen.
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Das gilt mit Einschränkungen auch für
Pflegeteams, die eine Papierdokumentation nutzen. Ist diese gut geführt
und komplett, sollte eine halbe Stunde pro Bewohner reichen, um die
Daten aus der Dokumentation herauszuziehen. Bisherige Rückmeldungen aus
der Praxis zeigen, dass bei einer lückenlosen Aktenführung die
30-Minuten-Grenze unterboten werden kann. Der Trick liegt hier darin,
die für die Indikatoren relevanten Informationen deutlich zu markieren.
Die für die Erhebung zuständige Pflegekraft muss diese zentralen Daten
auf einem Blick erkennen und übertragen können. Letztlich müssen die
Bezugspflegekräfte dafür motiviert werden, bei der Aktenführung keinen
Schlendrian zuzulassen.
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Eine lückenhafte Aktenführung steigert den
Arbeitsaufwand ganz erheblich; etwa wenn die Pflegekraft zunächst
mühselig die fehlenden Informationen zusammentragen muss. In solchen
Fällen darf sich keiner wundern, wenn eine Dateneingabe für einen
Bewohner den halben Vormittag dauert.
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Im Vorteil sind Pflegeteams, die bereits auf
das neue Strukturmodell / SIS umgestiegen sind. Dieses System ist in
weiten Teilen “kompatibel” zum neuen Begutachtungsverfahren und zu
dessen Modulen. Die Pflegekräfte sollen mithilfe der Module
eigenständig den aktuellen Status des Bewohners bestimmen, dieses etwa
in den Bereichen Mobilität, Selbstversorgung und Gestaltung des
Alltagslebens. Also im Grunde ganz so, wie es ein MDK-Mitarbeiter beim
Begutachtungsverfahren tun würde.
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Und natürlich zahlen sich der Umstieg auf das
System der Bezugspflege sowie eine geringe Personalfluktuation aus.
Pflegekräfte, die den Bewohner seit Jahren gut kennen, werden weniger
Probleme mit der Datenerhebung haben. Ist der Zustand des Bewohners
seit Jahren stabil und gab es weder Stürze noch neue Druckgeschwüre,
senkt das ebenfalls das Arbeitspensum.
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Einen besonderen “Bonus” erhalten
Pflegeheime, die bereits seit Jahren freiwillig mit Kennzahlen
arbeiten. Da diese das System bereits umgesetzt haben, sollte sich hier
der Mehraufwand entsprechend reduzieren.
Wie erfolgt die Qualitätsbewertung?
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Für die Qualitätsbewertung werden die
Ergebnisse der Einrichtung mit dem Durchschnittswert aller Mitbewerber
verglichen. Ein Beispiel: In einem Pflegeheim sind 7 Prozent aller
nicht oder nur wenig mental beeinträchtigten Senioren gestürzt. Der
Durchschnittswert aller Einrichtungen liegt bei 7,1 Prozent. Es liegt
also ein ziemlich durchschnittliches Ergebnis vor.
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Um das Resultat für die abschließende
Qualitätsdarstellung besser zu visualisieren, gibt es fünf
Qualitätsstufen. Für deren Ermittlung wird ein komplexes Formelwerk mit
Referenzwerten und Schwellenwerten genutzt.
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Ähnlich dem Bewertungssystem etwa bei Amazon
zeigen fünf gefüllte Kreise ein sehr gutes Ergebnis an, während ein
gefüllter Kreis und vier leere Kreise ein sehr schlechtes Resultat
darstellt.
●●●●● bedeutet: “Ergebnisqualität liegt weit über dem Durchschnitt”
●●●●○ bedeutet: “Ergebnisqualität liegt leicht über dem Durchschnitt”
●●●○○ bedeutet: “Ergebnisqualität liegt nahe beim Durchschnitt”
●●○○○ bedeutet: “Ergebnisqualität liegt leicht unter dem Durchschnitt”
●○○○○ bedeutet: “Ergebnisqualität liegt weit unter dem Durchschnitt”
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Es gibt aber keine Schulnoten mehr.
Welche Vorbereitung ist notwendig?
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Der wichtigste Schritt ist die Schulung der
Pflegekräfte, die die Ergebniserfassung durchführen. Die Mitarbeiter
müssen nicht nur das Instrumentarium kennen, sondern auch die
methodischen Regeln für die Einschätzung beherrschen. In den bisherigen
Praxistests reichte eine zweitägige Fortbildung. Diese besteht aus
einem theoretischen Teil, also der Instrumentenschulung. Hinzu kommt
ein praktischer Abschnitt, in dem die Ergebniserfassung an realen
Bewohnern geübt wird.
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Seminaranbieter bieten entsprechende interne
und externe Schulungen an. Auch diese Seminare dauern zumeist zwei Tage
und richten sich an zukünftige Multiplikatoren. Ähnlich wie bei der
Einführung des neuen Strukturmodells sollen zunächst ausgewählte
Mitarbeiter extern fortgebildet werden. Diese tragen dann ihr Wissen in
die Einrichtung und leiten dort die Kollegen an. Dafür soll es
zukünftig auch kostenloses Schulungsmaterial geben. Die bisherigen
Praxiserfahrungen sind vielversprechend. In den meisten Einrichtungen
haben die Pflegekräfte mit den Einschätzungsinstrumenten keine
Probleme, sofern sie sorgfältig eingewiesen wurden.
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Der Ausgleichsfond der Pflegeversicherungen
unterstützt die Mitarbeiterqualifizierung mit einem pauschalen Zuschuss
in Höhe von 1000 Euro pro Einrichtung.
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Ein Umstieg vom AEDL-System auf das neue
Strukturmodell ist nicht zwingend erforderlich. Pflegeteams, die mit
der alten Systematik gut zurechtkommen, sollten dabei bleiben. Der
organisatorische Arbeitsaufwand sowie der Schulungsbedarf für die
Umstellung auf SIS sind erheblich. Zur Einführung des neuen
Strukturmodells raten wir nur unter zwei Bedingungen:
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Das Pflegeheim ist noch in der Gründungsphase. Hier macht es Sinn, gleich das neue Strukturmodell einzuführen.
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Oder aber: Das Pflegeheim besteht schon
länger, die Qualität ist aber in den letzten Jahren unter die Räder
gekommen. Dieses etwa, weil das Personal und der Träger häufig
wechselten. Steht also ohnehin eine radikale Renovierung an, macht der
Umstieg auf das neue Strukturmodell Sinn.
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Kontaktieren Sie rechtzeitig Ihren
Pflegedokumentationsanbieter. Diese Firmen haben ihr Angebot an die
Qualitätsindikatoren anpasst. Auch hier besteht also Bedarf, das eigene
Personal entsprechend zu schulen.
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Schaffen Sie ein System, um bei der
Datenübertragung die Anonymität der Bewohner zu wahren. Deren Daten
werden natürlich nicht mit dem Klarnamen an die DAS geschickt.
Stattdessen wird eine Codierungsnummer verwendet, die nur bei Bedarf
wieder einem echten Namen zugeordnet werden darf. Also etwa, wenn der
MDK prüfen will, ob die Angaben zum Bewohner "123456" korrekt ermittelt
wurden. Pflegeheime, deren interne Verwaltung bereits jetzt mit
fortlaufenden Bewohnernummern arbeitet, können dieses System auch für
die Anonymisierung nutzen. Die Bewohnernummer wird dann einfach mit der
Einrichtungsnummer kombiniert.
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Die Pseudonymisierung führt dazu, dass ein
Bewohner die Teilnahme an der Datenerhebung nicht verweigern kann. Die
Verweigerung ist nur bei der späteren Qualitätsprüfung des MDK in der
Einrichtung möglich.
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Natürlich haben die Krankenkassen keinen
Zugriff auf die Daten. In der verschlüsselten Form wären diese ohnehin
ohne Wert. Es ist also nicht zu befürchten, dass die Kassen eine
Wiederholungsbegutachtung ansetzen, sobald sich der Zustand eines
Bewohners verbessert und somit sein Pflegebedarf sinkt.
Was bleibt unterm Strich?
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Die neue Prüfsystematik wird Gewinner und Verlierer haben.
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Pflegeheime mit einer guten Ergebnisqualität
erhalten eine Bewertung, mit der sie sich deutlich von schwächeren
Mitbewerbern absetzen können. Eine gute Pflege steigert nicht nur die
Belegungsquote, sondern ist auch ein gutes Argument bei der
Durchsetzung von angemessenen Unterbringungskosten.
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In Einrichtungen mit schlechten
Vergleichswerten wird es sicherlich angeregte Diskussionen über die
Ursachen geben. Erfahrungsgemäß sehen sich dann vor allem die
Pflegedienstleitung und die Qualitätsbeauftragte unter
Rechtfertigungsdruck.
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Nachteilig für alle ist der zusätzliche
Arbeitsaufwand. Die versprochenen Durchschnittswerte von 15 bis 30
Minuten pro Bewohner mögen wir nicht ganz glauben. Besonders am Anfang
wird es länger dauern, nicht zuletzt in Pflegeteams mit einer Tendenz
zu Organisationsdefiziten.
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Die Organisatoren des Projekts versprechen
überdies eine Aufwertung der Fachlichkeit sowie eine gesteigerte
Arbeitszufriedenheit. Das mag insofern stimmen, als dass die eigene
gute Arbeit endlich durch aussagekräftige Qualitätsbewertungen
wertgeschätzt wird.
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