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Der neue Pflege-TÜV (Teil 7): Plausibilitätsprüfung im Detail

Wo verläuft die Grenze zwischen “kreativer Ergebniskosmetik” und einem handfesten Betrug? Pflegeteams, die ab Herbst die Qualitätsindikatoren an die Datenauswertungsstelle melden, sollten diesen Unterschied genau kennen.


Der neue Pflege-TÜV (Teil 7): Plausibilitätsprüfung im Detail

  • Die Plausibilitätsprüfung ist ein neues Element der Qualitätskontrolle von stationären Einrichtungen. Eine solche Inspektion gab es bislang nicht. Sie war nicht notwendig. Der MDK hat alle relevanten Faktoren selbst erhoben und daraus die Pflegenote errechnet. Manche Pflegeteams ermitteln zwar bereits heute Kennzahlen zu verschiedenen Kriterien. Dieses erfolgt aber auf freiwilliger Basis und nur für den internen Gebrauch.
  • Mit den Qualitätsindikatoren wird nun jedoch ein Teil der Qualitätserfassung ‘ausgelagert’. Die Details haben wir im Teil 3 unserer Serie ‘Der neue Pflege-TÜV’ erklärt (siehe unten). Hier die Kurzform: Die Pflegeheime überprüfen selbst, ob und in welchem Maße sie bestimmte Qualitätsmerkmale erreichen. Sie erfassen diese Daten alle sechs Monate und melden sie an die Datenauswertungsstelle (“DAS”) weiter. Zu den erfassten Kriterien zählen etwa auftretende Stürze, Druckgeschwüre, Immobilität, Fixierungen oder ungewollte Gewichtsverluste. In einem guten Pflegeheim treten solche Vorkommnisse selten auf. In einer schlechten Einrichtung sind sie an der Tagesordnung.
  • Die von den Pflegeheimen übermittelten Datensätze werden von der Datenauswertungsstelle auf offensichtliche Fehler geprüft und statistisch ausgewertet. Am Ende ist für jeden Qualitätsindikator ablesbar, wie die Leistung des Pflegeheims im Vergleich zur Konkurrenz einzuschätzen ist. Gibt es in der Einrichtung mehr Stürze als beim Mitbewerber quer über die Straße? Oder mehr Fixierungen und mehr Druckgeschwüre? Für potenzielle Neukunden und deren Angehörige sind das wichtige Entscheidungskriterien.
  • Es geht also mitunter um viel Geld. Da liegt die Versuchung nahe, diese Kennzahlen ein wenig zu frisieren. Beispiel: Von den fünf aufgetretenen Druckgeschwüren werden drei kurzerhand unter den Teppich gekehrt. Fixierungen und Kachexien bleiben unerwähnt. Fertig ist die Top-Bewertung trotz mieser Versorgungsqualität.
  • Um solche Schummeleien zu verhindern, führt der MDK zweistufige Plausibilitätskontrollen durch. Die erste Inspektion findet bereits bei der Datenauswertungstelle statt, die sog. “statistische Plausibilitätskontrolle”. Hier bleiben vor allem die offensichtlichen Fehleingaben hängen. Ein Bewohner, der angeblich liegend im Bett keinen Positionswechsel mehr durchführen kann, wird schwerlich gleichzeitig noch Treppen steigen können. Und die Aussage, dass ein Hochbetagter Risiken und Gefahren angeblich sicher erkennen kann, ist oftmals unglaubwürdig. Vor allem dann, wenn der Betroffene tatsächlich unter Demenz leidet und deshalb zum Ort, zur Zeit und zur Person desorientiert ist.
  • Daran schließt sich eine Inspektion durch den MDK vor Ort an. Er prüft bei sechs ausgewählten Bewohnern, ob die vom Pflegeheim erfassten Ergebnisse der realen Situation entsprechen.
  • Am besten wäre es, wenn der MDK direkt nach der Übersendung der Daten vor der Tür stände. Er könnte dann direkt die frisch übermittelten Kennzahlen mit dem tatsächlichen Zustand der Bewohner vergleichen. Tatsächlich jedoch vergehen zwischen dem Datentransfer und der MDK-Kontrolle oftmals viele Monate. Und in dieser Zeit kann sich der Gesundheitszustand eines Bewohners erheblich verändern. Zumeist zum Schlechteren. Ein zuvor mobiler Bewohner wird bettlägerig. Eine andere Seniorin entwickelt Druckgeschwüre. Oder ein Pflegebedürftiger mit Schluckstörungen verliert massiv an Körpermasse. Im Ergebnis findet der MDK in allen Fällen Bewohner vor, deren tatsächlicher Zustand nicht mit den gemeldeten Qualitätsindikatoren übereinstimmt.
  • Solche Abweichungen muss die Einrichtung erklären können. Ein Beispiel. Ein älterer Mann ist zum Zeitpunkt der Datenerhebung weitgehend mobil. Dieses wird so an die Datenauswertungsstelle gemeldet. Einige Wochen später jedoch kommt es zu einem Fortschreiten der rheumatoiden Arthritis. Der Pflegebedürftige benötigt zum Zeitpunkt der Prüfung einen Walker. Um diesen Widerspruch aufzuklären, gibt es drei Optionen:
  • Aus der Pflegedokumentation geht der Krankheitsfortschritt klar hervor.
  • Die Pflegekraft kann im mündlichen Vortrag glaubhaft darlegen, welchen Grund der Mobilitätsverlust hat.
  • Der Bewohner selbst erläutert dem MDK-Prüfer, dass ihn seine schmerzenden Gelenke plagen.
  • Sofern die Widersprüche aufgeklärt werden können, ist die Einrichtung also aus dem Schneider. Doch was passiert, wenn sich die Widersprüche nicht aufklären lassen? Die Reaktion des MDK ist abhängig vom Umfang der Auffälligkeit.
  • Handelt es sich um eine kleine Ungereimtheit oder um einen Flüchtigkeitsfehler? Dann wird der Prüfer vor allem beratend tätig. Dazu zählen etwa Zahlendreher bei Datumsangaben.
  • Eine sog. “Auffälligkeit” liegt vor, wenn tatsächlich nicht plausibel erklärt werden kann, warum der tatsächliche Zustand eines Bewohners von der gemeldeten Konstitution abweicht.
  • Problematischer ist es, wenn die Fehler bei zahlreichen Bewohnern und bei mehreren Qualitätskriterien auftreten, falls also wiederholt gute Versorgungsergebnisse gemeldet wurden oder sofern massive Pflegeprobleme nicht vermerkt wurden. Das nennt sich dann “kritischer Bereich”. In den meisten Fällen wird es schlicht so sein, dass die Einrichtung das Prinzip der Qualitätsindikatoren und deren Anwendung nicht völlig verstanden hat. Der MDK-Prüfer könnte aber auch argwöhnen, dass hier mit System gemauschelt wird.
  • Allzu pingelig wird der MDK bei der Plausibilitätskontrolle sicherlich nicht vorgehen. Niemand erwartet, dass alle gemeldeten Qualitätsindikatoren deckungsgleich mit dem tatsächlichen Befund sind. Und kein Prüfer fordert (hoffentlich!), dass jede gesundheitliche Veränderung bis ins Detail nachvollzogen werden kann. Die Qualitätsprüfungs-Richtlinien (“QPR”) geben vor, dass immer das Gesamtbild zu beurteilen ist, nicht jedes einzelne Merkmal.  Es handelt sich dabei also nur um eine punktuelle Inspektion.
  • Schummeln ist in mehrfacher Hinsicht gefährlich. Stoßen die Prüfer auf starke Abweichungen, so werden statt der (offenbar unzutreffenden) Ergebnisse Warnhinweise in die Wertung aufgenommen.
  • Stößt die Datenauswertungstelle bei der statistischen Überprüfung auf Widersprüche, so heißt es:
    • "Bei der statistischen Plausibilitätskontrolle ergaben sich erhebliche Zweifel an den von der Pflegeeinrichtung bereitgestellten Informationen. Daher wird auf die Darstellung der Indikatorenergebnisse verzichtet."
  • Stöbert der MDK-Mitarbeiter vor Ort Ungereimtheiten auf, so wird dieses so vermerkt:
    • "Bei der im Rahmen der Qualitätsprüfung durchgeführten Plausibilitätskontrolle ergaben sich erhebliche Zweifel an den von der Pflegeeinrichtung bereitgestellten Informationen. Daher wird auf die Darstellung der Indikatorenergebnisse verzichtet."
  • Beide Hinweise werfen ein denkbar schlechtes Licht auf die Einrichtung. Es kommt aber noch dicker: Falls der Prüfer auf drastische Unstimmigkeiten trifft, so meldet er diese an die Pflegekassen. Pflegeheime unter Mängel- und Schummelverdacht dürfen sich somit zukünftig einer intensiven Beobachtung durch den MDK sicher sein. Die Pflegekasse kann Auflagen erteilen, eine Wiederholungsprüfung anordnen, die Vergütung mindern oder sogar den Versorgungsvertrag kündigen. Und es ist vielleicht auch kein Zufall, wenn kurz darauf auch das Gesundheitsamt und die Heimaufsicht aktiv werden.
  • Dennoch besteht kein Grund zum Schwarzmalen. Der erste Durchlauf bei der Indikatorenerhebung gilt als Generalprobe, deren Ergebnisse nicht veröffentlicht werden. Zudem müssen sich alle Beteiligte erst in die komplexe Materie einarbeiten. Das gilt für die Pflegeeinrichtungen ebenso wie für den MDK.



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