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Indikatoren "Fixierungsgurte und Bettseitenteile"
Innerhalb
nur weniger Jahre hat sich die Anzahl der Anträge auf
freiheitsentziehende Maßnahmen (FEM) halbiert. Pflegeheime, die
weiterhin mit Fixierungen arbeiten, müssen sich auf Abwertungen beim
Pflege-TÜV einstellen.
Indikatoren “Fixierungsgurte und Bettseitenteile”
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Eine Fixierung ist nur dann zulässig, wenn eine
Eigen- oder Fremdgefährdung droht und die Nutzung milderer Maßnahmen
nicht erfolgversprechend ist. Sofern der Bewohner einwilligungsfähig
ist, kann er der Durchführung einer Fixierung selbst zustimmen. Dieses
sollte stets schriftlich erfolgen. Die Einwilligung ist zu jedem
Zeitpunkt widerrufbar.
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Ansonsten muss jede Fixierung nach vorheriger
Begutachtung durch einen Betreuungsrichter genehmigt werden.
Genehmigungsbedürftig sind alle Fixierungen, die regelmäßig oder über
einen längeren Zeitraum durchgeführt werden.
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Fixierungen, die zur Abwehr einer gegenwärtigen
Gefährdung zwingend geboten sind, können zunächst durchgeführt werden,
ohne dass eine Freigabe durch einen Richter vorliegt. Dann jedoch muss
die Antragsstellung beim Betreuungsgericht unverzüglich nachgeholt
werden.
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Angehörige, Bevollmächtigte oder rechtliche
Betreuer sind nicht dazu befugt, Fixierungen anzuordnen oder zu
bewilligen. Stimmen diese einer Fixierung zu, muss die Maßnahme
trotzdem von einem Betreuungsrichter genehmigt werden.
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Wird eine Fixierung ohne Zustimmung des
Bewohners und ohne eine richterliche Genehmigung durchgeführt, liegt
der Straftatbestand der Freiheitsberaubung vor.
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Pflegekräfte müssen jede Fixierung sorgfältig überwachen und dokumentieren.
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Noch bis in die jüngste Vergangenheit waren
Fixierungen mit Gurten oder mit Bettseitenteilen gängige Optionen bei
der Betreuung von demenziell erkrankten Senioren. Insbesondere Stürze,
selbstschädigendes Verhalten und Laufzwang sollten damit verhindert
werden. In den letzten Jahren hat jedoch ein Umdenken eingesetzt. Die
Nutzung von Gurten und von Bettgittern kann zu psychischen Belastungen
der Bewohner führen. Derartige Zwangsmaßnahmen werden heute fast
durchweg als verzichtbar angesehen. Richterliche Genehmigungen werden
inzwischen nur zurückhaltend erteilt.
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Obwohl die Anzahl der Fixierungen stark
rückläufig ist, wird dieser Problematik in der öffentlichen Diskussion
dennoch viel Bedeutung beigemessen. Gleich zwei Qualitätsindikatoren
überwachen und bewerten die Anwendung von freiheitsentziehenden
Maßnahmen. Interessenten für einen Heimplatz können also im Internet
einsehen, ob die Einrichtung Fixierungen zurückhaltend einsetzt.
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Maßgeblich bei der Ermittlung der Kennzahlen
ist der Zeitraum von vier Wochen vor dem Erhebungstag. Diese Spanne ist
ungewöhnlich kurz. Für die anderen Indikatoren, etwa bei Stürzen oder
bei Druckgeschwüren, werden die vergangenen sechs Monate zugrunde
gelegt.
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Bei der Kennzahlenermittlung werden nur
kognitiv beeinträchtigte Bewohner berücksichtigt. Basis ist die Wertung
des BI-Moduls 2. Die Anwendung von Bettseitenteilen oder von
Fixierungsgurten bei orientierten Senioren ist nicht Gegenstand der
Indikatoren.
Was wird gemessen?
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Die erste Kennzahl misst die Nutzung von
Bettseitenteilen. Diese werden häufig mit der Absicht eingesetzt, einen
Sturz aus dem Bett zu vermeiden. Tatsächlich erreichen Pflegekräfte
damit häufig das Gegenteil. Insbesondere demenziell erkrankte Senioren
überklettern das Bettgitter, bleiben dabei an den Gitterstäben hängen
und ziehen sich erhebliche Verletzungen zu.
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Pflegeheime müssen im Rahmen der Datenerhebung angeben, ob und wie häufig sie bei Bewohnern Bettseitenteile nutzen.
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Relevant sind dabei nur durchgehende
Seitenteile über die gesamte Bettlänge. Bei teilbaren Bettgittern ist
es möglich, lediglich den Abschnitt am Kopfende hochzufahren. Der
Bewohner kann sein Bett am Fußende verlassen. Er ist also in seiner
Freizügigkeit nicht eingeschränkt.
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Manche zweiteilige Bettseitenteile weisen in
der Mitte eine Lücke auf, die aber zu schmal ist, als dass sich der
Bewohner dort hindurch zwängen könnte. Solche Modelle gelten bei der
Indikatorenberechnung als einteilige Bettseitenteile.
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Die Anwendung von Fixierungsgurten wird durch
einen weiteren Qualitätsindikator ausgewertet. Auch Gurtsysteme können
genutzt werden, um einen Senioren am Verlassen des Betts zu hindern.
Die Nutzungsoptionen gehen darüber aber hinaus. Durch zusätzliche
Fixierungspunkte an den Armen und an den Beinen können Pflegekräfte
zusätzlich selbst- und fremdschädigendes Verhalten unterbinden.
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Erfasst werden alle Nutzungen von Gurten, also sowohl im Bett als auch im Rollstuhl.
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Auch die Anwendung von Gurten, die der Bewohner selbst öffnen kann, wird mitgezählt.
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Gurte als Transportsicherung, etwa auf einer Krankenliege, im Bus oder im PKW, haben keine Relevanz.
Was wird nicht gemessen?
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Die Indikatoren bilden nur einen kleinen Teil
des Problemfelds ab. Viele andere Formen der Freiheitseinschränkung
finden keinen Eingang in die Indikatoren. Diese Maßnahmen könnten
zukünftig alternativ genutzt werden, weil sie die Indikatoren nicht
beeinträchtigen. Die Wahrscheinlichkeit für einen derartigen
regelhaften Missbrauch scheint derzeit eher gering. Auch bei allen
anderen freiheitsentziehenden Maßnahmen (gleich welcher Art) sind
natürlich stets eine richterliche Genehmigung und ggf. auch eine
ärztliche Verschreibung notwendig.
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Der gesamte Bereich der medikamentösen
Fixierung bleibt bei der Kennzahlenermittlung unberücksichtigt. Ebenso
wie Gurte eignen sich auch Sedativa dazu, um aggressives Verhalten oder
Laufzwang einzudämmen. Es wäre fatal, wenn Beruhigungsmittel zukünftig
alternativ zu Gurten genutzt werden. Benzodiazepine etwa haben ein
enormes Suchtpotenzial.
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Der Einsatz von Tischbrettern etwa an
Rollstühlen ist ebenfalls nicht Gegenstand der Kennzahlenermittlung.
Dabei eignen sich diese Tischplatten nicht nur als Ablagefläche etwa
für Getränke, sondern auch als Erschwernis, um Senioren am Verlassen
des Rollstuhls zu hindern. Es ist also denkbar, dass Pflegeheime auf
Gurte an Rollstühlen verzichten, dafür aber Tischbretter nutzen.
Tischbretter jedoch sind für diesen Zweck nicht konstruiert und auch
nicht gut geeignet. Betroffene könnten versuchen, sich trotzdem aus dem
Rollstuhl zu winden und sich dabei verletzen.
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Das Gleiche gilt für andere Varianten von
Freiheitseinschränkungen, also etwa für das Abschließen von Zimmertüren
sowie für die Wegnahme von Bewegungshilfen (z. B. Rollstuhl oder
Gehhilfen).
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Die Frage, ob Fixierungen überhaupt vom
Richter genehmigt wurden, ist für die Kennzahlen irrelevant. Dieses ist
problematisch. Die allermeisten Richter ordnen Fixierungen nicht
ungeprüft und grundlos an. Tatsächlich gibt es insbesondere im Bereich
der Gerontopsychiatrie nicht wenige Betroffene, bei denen eine
Fixierung nach sorgfältiger Risikoabwägung die beste und sicherste
Option ist. Jetzt jedoch werden Pflegeheime über die Kennzahlen dafür
bestraft, auch sinnvolle Fixierungen durchzuführen. Wäre es besser,
wenn Pflegekräfte auf die Gurte verzichten und eine Fremd- oder
Eigengefährdung billigend in Kauf nehmen?
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Insgesamt verleitet das Indikatorensystem
dazu, Fixierungen zwar bei Bedarf durchzuführen, dieses aber nicht zu
dokumentieren. Das Risiko einer Entdeckung ist vergleichsweise gering.
Der MDK wird seine Besuche i. d. R. zumeist einen Tag vorher
ankündigen. Und auch bei überraschenden Visiten bleibt immer genug
Zeit, um alle Fixierungen diskret zu beenden. Angehörige, die dem MDK
Auskunft geben könnten, werden unter Hinweis auf die Prüfung freundlich
aber bestimmt verabschiedet. Weitere Informationsquellen sind rar. Die
mündliche Befragung von desorientierten Bewohnern durch den MDK macht
zumeist wenig Sinn. Natürlich könnte sich noch ein Mitarbeiter im
pflegefachlichen Gespräch verplappern. Aber wie wahrscheinlich ist das
schon?
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Fixierungsmaßnahmen bei orientierten
Bewohnern müssen bei der Datenerhebung zwar angegeben werden, sie
finden aber keinerlei Berücksichtigung bei der Indikatorenberechnung.
Dieses wird damit begründet, dass mental gesunde Senioren selbst
darüber entscheiden, ob Gurte oder Bettgitter genutzt werden. Das
stimmt sicherlich. Häufig aber schleicht sich eine riskante Routine
ein. Ein Beispiel: Ein orientierter Bewohner stimmt der Anwendung der
Seitenteile zu. Er fühlt sich dann sicherer. Das Hochfahren der
Bettgitter wird zum allabendlichen Ritual. Dann jedoch intensiviert
sich eine demenzielle Erkrankung. Der Pflegebedürftige ist jetzt mental
beeinträchtigt und folglich auch nicht mehr einwilligungsfähig. Das
Gitter wird aber noch immer am Abend hochgefahren. Nunmehr jedoch ist
der Qualitätsindikator beeinträchtigt.
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