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Indikator "Erhaltene Selbstständigkeit bei der Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte"

Die Kennzahl zum Alltagsleben und zu den sozialen Kontakten wirkt im Vergleich zu den anderen Indikatoren fast schon langweilig. Die Fragestellung ist ein “alter Hut”, das Konfliktpotenzial hält sich in Grenzen und die Informationsbeschaffung dauert nur wenige Minuten.

Indikator “Erhaltene Selbstständigkeit bei der Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte”


  • Auch innerhalb einer Pflegeeinrichtung kann ein Bewohner ein halbwegs selbstbestimmtes Leben führen, also etwa an Veranstaltungen teilnehmen, Besuch empfangen, neue Freundschaften knüpfen oder seinen Hobbys nachgehen. Allerdings können mentale wie körperliche Defizite diese Eigenständigkeit erheblich einschränken. Von den Pflegekräften wird erwartet, dass sie die Bewohner im Rahmen des Machbaren dabei unterstützen, ein Leben nach eigenen Vorstellungen zu führen.
Was wird gemessen?
  • Die Kennzahl bestimmt den Anteil der Bewohner, bei denen sich die Selbstständigkeit in diesem Bereich innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten nicht verschlechtert bzw. verbessert hat. Von einem Erhalt der Selbstständigkeit wird ausgegangen, wenn sich der Punktwert im BI-Modul 6 verringert, gleich bleibt oder um maximal einen Punkt erhöht.
  • Eine Gruppenbildung erfolgt nicht. Allerdings sind Bewohner mit schwersten Beeinträchtigungen im Bereich der kognitiven und kommunikativen Fähigkeiten von der Bewertung ausgeschlossen. Dieses macht durchaus Sinn. Derartige Defizite erschweren naturgemäß die Interaktion mit anderen Menschen. Das Pflegeheim kann aber das Auftreten und Fortschreiten solcher Behinderungen nicht beeinflussen. Zwei Beispiele:
    • Herr Dürer leidet unter moderaten Sehbeeinträchtigungen. Es liegt zudem eine leichte Alzheimerdemenz vor, die zu einer gesteigerten Vergesslichkeit führt. Im entsprechenden Modul kommen lediglich drei Punkte zusammen. Es ist also durchaus möglich, ihn durch gezielte Förderungsmaßnahmen z.B. besser in sein soziales Umfeld zu integrieren.
    • Frau Dix hat einen Schlaganfall erlitten und liegt im Wachkoma. Soziale Interaktion gibt es nicht mehr. Und eine selbstbestimmte Freizeitgestaltung auch nicht. Sogar die beste aktivierende Pflege kann daran nichts mehr ändern.
  • Welche Pflegebedürftige in die Indikatorenberechnung einbezogen werden, entscheidet nicht das Pflegeheim. Die Auswertungsstelle nimmt den Ausschluss einzelner Bewohner selbstständig vor. Sie greift dafür auf die eingegebenen Daten des BI-Moduls zurück.
  • In Pflegeheimen mit gut geführter Pflegedokumentation ist die Datenerhebung für diesen Indikator in kürzester Zeit erledigt. Die Fragestellung ist aus dem Begutachtungsassessment ebenfalls bekannt. Im Vergleich zu den anderen Kennzahlen sorgt dieser Indikator kaum für Probleme. Im Folgenden halten wir uns daher eng an den offiziellen Fragenkatalog und ergänzen diesen um einige Fallbeispiele.
Mögliche Konflikte
  • Der Indikator möchte Pflegeteams dazu motivieren, die Bewohner mehr zu aktivieren. Dabei werden schnell potenzielle Fehlanreize sichtbar. Ein Beispiel:
    • Das “Pflegeheim Neustadt” hat eine neue Pflegedienstleitung. Diese möchte natürlich mit einer guten MDK-Bewertung glänzen. Sie gibt die Anweisung aus, die Aktivierung von Senioren zu intensivieren, damit diese bei der Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte eine höhere Selbstständigkeit aufweisen. Die Mitarbeiter sollen sich dabei aber nur auf solche Bewohner konzentrieren, deren kognitive und kommunikative Fähigkeiten lediglich mäßig beeinträchtigt sind. Denn diese Gruppe zählt für den Indikator. Die dafür notwendigen zeitlichen Ressourcen werden bei den Senioren mit schweren Einschränkungen eingespart. Diese Bewohner werden zukünftig weniger gefördert, da sich hier das Engagement nicht lohnt. Schwer altersverwirrte Senioren zählen ohnehin zur Ausschlussgruppe.
    • Eine ganz ähnliche Situation im “Pflegeheim Altstadt”. Hier wurden der PDL von der Geschäftsführung die Leviten gelesen. Die letzte MDK-Prüfung war schmerzhaft. Vor allem die Indikatoren waren deutlich schlechter als bei den konkurrierenden Einrichtungen im Stadtviertel. Bislang wurden die Senioren von den Mitarbeitern eher liebevoll “betüddelt”, was für die Bewohner natürlich ziemlich angenehm und bequem war. Jetzt soll ein anderer Wind wehen. Alle Pflegebedürftigen werden aktiviert. Ob sie wollen oder nicht. Im “Pflegeheim Altstadt” wird es ungemütlich für die alten Menschen.
Tagesablauf gestalten und an Veränderungen anpassen
  • Senioren sollen den Tagesablauf nach individuellen Gewohnheiten und Vorlieben einteilen und bewusst gestalten und ggf. an äußere Veränderungen anpassen. Dieses erfordert planerische Fähigkeiten zur Umsetzung von Alltagsroutinen. Zu beurteilen ist, ob der Bewohner von sich aus festlegen kann, ob und welche Aktivitäten er im Laufe des Tages durchführen möchte, z. B. wann er baden, essen oder zu Bett gehen oder wann er Fernsehen oder spazieren gehen möchte. Solche Festlegungen setzen voraus, dass die zeitliche Orientierung zumindest teilweise erhalten ist. Der Gutachter kann dieses prüfen, indem er sich beispielsweise den bisherigen oder künftigen Tagesablauf schildern lässt.
    • Selbstständig: Der Bewohner kann die beschriebene Aktivität ohne personelle Hilfe durchführen.
    • Überwiegend selbstständig: Die Routineabläufe können weitgehend selbstständig gestaltet werden. Bei ungewohnten Veränderungen ist Unterstützung notwendig. Es reichen z. B. Erinnerungshilfen an einzelne vereinbarte Termine. Überwiegend selbstständig ist ein Bewohner beispielsweise auch dann, wenn seine Kommunikationsfähigkeit oder Sinneswahrnehmung stark beeinträchtigt ist und er daher Hilfe benötigt, um den Tagesablauf mit anderen Menschen abzustimmen.
    • Überwiegend unselbstständig: Der Bewohner benötigt Hilfe beim Planen des Tagesablaufs. Er ist aber in der Lage, Zustimmung oder Ablehnung zu Strukturierungsangeboten zu signalisieren. Er kann eigene Planungen häufig nicht einhalten, da diese wieder vergessen werden. Deshalb ist über den ganzen Tag hinweg eine Erinnerung bzw. Aufforderung erforderlich. Überwiegend unselbstständig ist auch ein Pflegebedürftiger, der zwar selbst planen und entscheiden kann, aber für jegliche Umsetzung personelle Hilfe benötigt.
    • Unselbstständig: Eine Mitwirkung an der Tagesstrukturierung oder an der Orientierung an vorgegebenen Strukturen ist nicht oder nur minimal möglich.
  • Beispiele:
    • Frau Monet ist sehbehindert. Das Radio ist für sie der zentrale strukturierende Faktor im Tagesablauf. Sie hört durchweg den Sender “NDR 2”. Zum Frühstück hört sie den “NDR 2 Morgen”. Es schließen sich der “NDR 2 Vormittag” und der “NDR 2 Nachmittag” an. Die stündlichen Nachrichten sind für sie wichtige Orientierungspunkte, etwa wenn um 15 Uhr der Familienbesuch kommen soll. Sobald am Abend der “NDR 2 Soundcheck” beginnt, macht sie sich bettfertig. Frau Monet ist somit selbstständig.
    • Herr Rubens ist ebenfalls sehbehindert. Er verbringt die meiste Zeit dösend in seinem Sessel und hört gerne Musik. Er hat eine sprechende Uhr, die er aber nur ungern nutzt. Zeitlich ist er häufig desorientiert. Er vergisst oft die Teilnahme am Bewegungstraining oder an der Kochgruppe. Manchmal kommt er auch eine halbe Stunde zu spät oder zu früh zu solchen Veranstaltungen. Die Pflegekraft muss ihn daher an wichtige Termine erinnern. Dann jedoch benötigt Herr Rubens keine weitere Hilfe mehr. Er ist somit überwiegend selbstständig.
Ruhen und Schlafen
  • Bewohner sollen nach individuellen Gewohnheiten einen Tag-Nacht-Rhythmus einhalten und für ausreichende Ruhe- und Schlafphasen sorgen. Dazu gehören die Fähigkeit, die Notwendigkeit von Ruhephasen zu erkennen, sich auszuruhen und mit Phasen der Schlaflosigkeit umzugehen, aber auch somatische Funktionen, um ins Bett zu kommen und die Ruhephasen insbesondere nachts einhalten zu können.
    • Selbstständig: Der Pflegebedürftige kann die beschriebene Aktivität ohne  personelle Hilfe durchführen.
    • Überwiegend selbstständig: Der Bewohner benötigt personelle Hilfe beim Aufstehen oder beim Zu-Bett-Gehen. Dazu zählen etwa Transferhilfen oder zeitliche Orientierungshilfen beim Wecken oder die Aufforderung, schlafen zu gehen. Relevant sind auch einzelne Hilfen wie z. B. das Abdunkeln des Schlafraums. Die Nachtruhe ist zumeist ungestört, nur gelegentlich entsteht nachts ein Hilfebedarf.
    • Überwiegend unselbstständig: Es treten regelmäßig Einschlafprobleme oder nächtliche Unruhe auf. Der Bewohner kann diese größtenteils nicht allein bewältigen. Deshalb sind regelmäßige Einschlafrituale und beruhigende Ansprache in der Nacht notwendig. Überwiegend unselbstständig ist auch ein Pflegebedürftiger, der wegen hochgradiger motorischer Beeinträchtigung regelmäßig in der Nacht personelle Hilfe braucht, um weiterschlafen zu können. Also etwa bei Lagewechseln oder bei Toilettengängen in der Nacht.
    • Unselbstständig: Der Bewohner verfügt über keinen oder nur über einen gestörten Schlaf-Wach-Rhythmus. Dieses gilt etwa für mobile gerontopsychiatrisch erkrankte Senioren und auch für Menschen, die keinerlei Aktivitäten ausüben. Dazu zählen z. B. Patienten im Wachkoma. Unselbstständig sind auch Bewohner, die regelmäßig mindestens dreimal in der Nacht personelle Unterstützung benötigen.
  • Beispiel:
    • Frau Degas leidet unter einer fortgeschrittenen Alzheimerdemenz und ist zeitlich desorientiert. Sie muss mehrfach dazu aufgefordert werden, am Morgen aufzustehen und am Abend ins Bett zu gehen. In der Nacht leidet sie unter Angstattacken, weshalb sie mit erheblichem Zeitaufwand von der Nachtwache beruhigt werden muss. Frau Degas ist somit überwiegend unselbstständig.
    • Herr Macke war zeitlebens starker Alkoholiker. Jetzt leidet er an einem Korsakow-Syndrom, dessen Folgen sich mit einer einsetzenden Demenz überlagern. Herr Macke verfügt über keinen Tag-Nacht-Rhythmus. Das Aufstehen und das Zubettgehen erfolgt nur nach Aufforderung. Er muss dabei permanent beaufsichtigt, kleinschrittig instruiert und immer wieder motiviert werden. Fast jede Nacht steht er mindestens einmal auf und irrt durch die Einrichtung. Die Nachtwache muss ihn dann wieder zu Bett bringen. Auch dabei besteht ein erheblicher Beruhigungs- und Aufforderungsbedarf. Herr Macke ist folglich unselbstständig.
Sich beschäftigen
  • Bewohner sollten die verfügbare Zeit dafür nutzen, um Aktivitäten durchzuführen, die den eigenen Vorlieben und Interessen entsprechen.
  • „Verfügbare Zeit“ ist in diesem Zusammenhang definiert als Zeit, die nicht durch Notwendigkeiten wie Ruhen, Schlafen, Essen, Mahlzeitenzubereitung, Körperpflege, Arbeit etc. gebunden ist („freie“ Zeit). Bei der Beurteilung geht es vorrangig um die Fähigkeit, nach individuellen kognitiven, manuellen, visuellen oder auditiven Fähigkeiten und Bedürfnissen geeignete Aktivitäten der Freizeitbeschäftigung auszuwählen und auch praktisch durchzuführen. Dazu zählen etwa Handarbeiten, Basteln, Bücher oder Zeitschriften lesen, Sendungen im Radio oder im Fernsehen verfolgen, Computer nutzen. Dieses gilt auch für Pflegebedürftige, die Angebote auswählen und steuern können, aber aufgrund somatischer Einschränkungen für die praktische Durchführung personelle Unterstützung benötigen.
    • Selbstständig: Der Bewohner kann die beschriebene Aktivität ohne personelle Hilfe durchführen.
    • Überwiegend selbstständig: Es ist nur in geringem Maße Hilfe erforderlich, z. B. Zurechtlegen und Richten von Gegenständen, z. B. Utensilien wie Bastelmaterial, Fernbedienung, Kopfhörer o. Ä. Dazu zählen auch die Erinnerung an gewohnte Aktivitäten, die Motivation oder die Unterstützung bei der Entscheidungsfindung (Vorschläge unterbreiten).
    • Überwiegend unselbstständig: Der Pflegebedürftige kann sich an den Beschäftigungen beteiligen, aber nur mit (kontinuierlicher) Anleitung, Begleitung oder motorischer Unterstützung.
    • Unselbstständig: Der Bewohner kann an der Entscheidung oder an der Durchführung nicht nennenswert mitwirken. Er zeigt keine Eigeninitiative, kann Anleitungen und Aufforderungen nicht kognitiv umsetzen, beteiligt sich nicht oder nur minimal an angebotenen Beschäftigungen.
  • Beispiele:
    • Frau Spitzwegs liebstes Hobby ist das Fernsehen. Da sie keine Werbung mag, hat sie sowohl ein Netflix- als auch ein Amazon-Prime-Abo. Sie verfügt auch über ein großes Smart-TV-Gerät. Mit dessen Bedienung kommt sie erstaunlich gut zurecht. Es hakt nur an Kleinigkeiten. Sie verliert z. B. häufig die Fernbedienung, die die Pflegekraft dann suchen und bereitlegen muss. Nicht selten ist auch ihre Fernsehbrille verschwunden. Sind diese Anfangsprobleme gelöst, verbringt sie ganze Nachmittage glücklich im Fernsehsessel. Frau Spitzweg ist somit überwiegend selbstständig.
    • Frau Baselitz liebt die Musik und ihre Plattensammlung. Allerdings ist sie motorisch mit der Bedienung ihres Plattenspielers überfordert. Die Pflegekräfte haben auch nicht die Zeit, um alle 30 Minuten eine neue Platte aufzulegen. Frau Baselitz hat daher den alten MP3-Spieler ihrer Enkelin übernommen. Sie benötigt etwas Hilfe beim Aufsetzen der Kopfhörer und beim Laden des Akkus. Auch den filigranen An/Aus-Schalter findet sie nicht auf Anhieb. Ansonsten jedoch kann sie mit dem Gerät problemlos Musik hören. Sie ist somit ebenfalls überwiegend selbstständig.
    • Frau Lüpertz liebt das Bingospielen. Ihre Parkinsonerkrankung macht es ihr jedoch schwer, dem Spielverlauf zu folgen. Aufgrund der motorischen Schwierigkeiten kann sie die Bingokarten nicht treffsicher abstempeln. Hinzu kommen die nachlassenden Konzentrationsfähigkeiten. Eine Mitarbeiterin muss ihr daher beim Abstempeln helfen und sie dazu motivieren, das Spiel zu verfolgen. Frau Lüpertz ist daher “überwiegend unselbstständig”.
    • Herr Liebermann hat als Folge eines Autounfalls massive Hirnschädigungen zurückbehalten. Aus eigenem Antrieb würde er keine Freizeitaktivität aufnehmen. Er muss also z. B. von einer Pflegekraft zur Kochgruppe gebracht werden. Dort beteiligt er sich mit kleineren Handreichungen, wenn er kleinschrittig dazu aufgefordert wird. Er muss durchweg motiviert, beaufsichtigt und angeleitet werden. Nicht selten jedoch ist er völlig passiv und beobachtet lediglich die anderen Teilnehmer. Er ist also unselbstständig.
In die Zukunft gerichtete Planungen vornehmen
  • Der Bewohner soll längere Zeitabschnitte überschauend über den Tag hinaus planen. Dieses kann beispielsweise anhand der Frage beurteilt werden, ob Vorstellungen oder Wünsche zu anstehenden Festlichkeiten wie Geburtstage oder Jahresfeste bestehen. Der Gutachter prüft auch, ob die Zeitabläufe eingeschätzt werden können, z. B. vorgegebene Strukturen wie regelmäßige Termine nachvollzogen werden können. Relevant ist ebenfalls, ob die körperlichen Fähigkeiten vorhanden sind, um eigene Zukunftsplanungen mit anderen Menschen kommunizieren zu können. Es ist auch zu berücksichtigen, wenn stark ausgeprägte psychische Problemlagen (z. B. Ängste) es verhindern, sich mit Fragen des zukünftigen Handelns auseinanderzusetzen.
    • Selbstständig: Der Bewohner kann die beschriebene Aktivität ohne personelle Hilfe durchführen.
    • Überwiegend selbstständig: Der Pflegebedürftige nimmt sich etwas vor, muss aber erinnert werden, dieses auch durchzuführen. Oder er benötigt infolge körperlicher Beeinträchtigungen regelmäßig Hilfe im Bereich der Kommunikation, um sich mit anderen Menschen verabreden zu können.
    • Überwiegend unselbstständig: Der Bewohner plant von sich aus nicht, entscheidet aber mit Unterstützung durch andere Personen. Er muss an die Umsetzung der eigenen Entscheidungen erinnert werden oder benötigt bei der Umsetzung emotionale oder körperliche Unterstützung. Überwiegend unselbstständig ist daher auch ein Pflegebedürftiger, der zwar kognitiv in der Lage ist, selbstständig zu planen und zu entscheiden, der aber so stark somatisch beeinträchtigt ist, dass er für alle Umsetzungsschritte personelle Hilfe benötigt.
  • Unselbstständig: Der Pflegebedürftige verfügt nicht über Zeitvorstellungen für Planungen über den Tag hinaus. Auch bei der Vorgabe von Auswahloptionen wird weder Zustimmung noch Ablehnung signalisiert.
  • Beispiele:
    • Frau Nolde freut sich seit Wochen auf die Konfirmation ihrer jüngsten Enkelin. Die Kleidung, die sie bei der Feier tragen möchte, hat sie rechtzeitig bestellt. Das Geschenk hat sie ebenfalls schon per Otto-Versand geordert. Jetzt kümmert sie sich um einen Termin beim Friseur, der einmal in der Woche in die Einrichtung kommt. Ihre Bezugspflegekraft ist der Ansicht, dass Frau Nolde bei der Planung keine Hilfe benötigt. Sie ist in dieser Hinsicht selbstständig.
    • Herr Holbein ist schwer demenziell erkrankt. Die Pflegekraft weiß, dass er in den vergangenen Jahren sehr gerne seinen Geburtstag mit Gästen feierte. Inzwischen jedoch ist er zeitlich vollkommen desorientiert. Die Pflegekraft fragt ihn im Vorfeld nach seinen Wünschen, etwa ob es Kuchen geben soll. Herr Holbein reagiert auf diese Auswahloptionen aber nicht mehr. Zustimmung oder Ablehnung ist nicht mehr ablesbar. Er ist unselbstständig.
Interaktion mit Personen im direkten Kontakt
  • Der Bewohner soll im direkten Kontakt mit Angehörigen, Pflegekräften, Mitbewohnern oder Besuchern umgehen, Kontakt aufnehmen, Personen ansprechen und auf Ansprache reagieren.
  • Selbstständig: Der Pflegebedürftige kann die beschriebene Aktivität ohne personelle Hilfe durchführen.
  • Überwiegend selbstständig: Der Umgang mit bekannten Personen erfolgt selbstständig, zur Kontaktaufnahme mit Fremden ist Unterstützung erforderlich, z. B. Anregung, zu einem neuen Mitbewohner Kontakt aufzunehmen. Dazu zählt auch die punktuelle Unterstützung bei der Überwindung von Sprech-, Sprach- und Hörproblemen.
    • Überwiegend unselbstständig: Der Bewohner ergreift von sich aus kaum Initiative. Er muss angesprochen oder motiviert werden, reagiert dann aber verbal oder deutlich erkennbar durch andere Formen der Kommunikation (Blickkontakt, Mimik, Gestik). Überwiegend unselbstständig ist auch ein Pflegebedürftiger, der auf weitgehende Unterstützung bei der Überwindung von Sprech-, Sprach- oder Hörproblemen angewiesen ist.
    • Unselbstständig: Der Bewohner reagiert nicht auf Ansprache. Auch nonverbale Kontaktversuche, z. B. Berührungen, führen zu keiner nennenswerten Reaktion.
  • Beispiele:
    • Frau Vermeer hat zeitlebens für eine Lokalzeitung als Fotografin gearbeitet. Sie ist kontaktfreudig und geht ohne Vorbehalte auch auf fremde Menschen zu. Schon wenige Wochen nach ihrem Heimeinzug war sie innerhalb der Gemeinschaft gut vernetzt. Wenn ein neuer Bewohner in die Einrichtung zieht, ist Frau Vermeer zumeist als erstes zur Stelle, um diesen zu begrüßen. Sie ist also selbstständig.
    • Frau Hundertwasser ist nach dem Tod ihrer beiden Schwestern in das Pflegeheim gezogen. Sie zieht sich häufig in ihr Zimmer zurück, obwohl sie sichtlich unter der Isolation leidet. Die Pflegekraft muss sie daher dazu motivieren, den Kontakt mit anderen Bewohnern zu suchen. Aufgrund ihrer Unsicherheit ist dafür viel Ansprache notwendig. Sie ist überwiegend unselbstständig.
Kontaktpflege zu Personen außerhalb des direkten Umfelds
  • Der Bewohner soll bestehende Kontakte zu Freunden, Bekannten und Nachbarn aufrechterhalten. Dazu gehört auch die Fähigkeit, mit technischen Kommunikationsmitteln wie Telefon umgehen zu können, z. B. Besuche verabreden oder Telefon-, Brief- oder eMail-Kontakte.
    • Selbstständig: Der Pflegebedürftige kann die beschriebene Aktivität ohne personelle Hilfe durchführen.
    • Überwiegend selbstständig: Der Bewohner kann planen, braucht aber Hilfe beim Umsetzen. Dazu zählen etwa Erinnerungszettel bereitlegen oder Telefonnummern mit Namen oder mit Bild versehen, das Erinnern und Nachfragen, ob Kontakt hergestellt wurde, oder das Erinnern an Terminabsprachen. Die Pflegekraft wählt die Telefonnummer, der Bewohner führt dann das Gespräch. Oder der Pflegebedürftige beauftragt die Pflegekraft, ein Treffen mit Freunden oder mit Bekannten zu verabreden.
    • Überwiegend unselbstständig: Die Kontaktgestaltung des Bewohners ist eher reaktiv. Er sucht von sich aus kaum Kontakt, wirkt aber mit, wenn beispielsweise die Pflegekräfte die Initiative ergreift. Überwiegend unselbstständig ist auch, wer aufgrund von somatischen Beeinträchtigungen während der Kontaktaufnahme personelle Unterstützung durch die Bezugsperson, z. B. bei der Nutzung von Kommunikationshilfen (Telefon halten) oder bei der Überwindung von Sprech-, Sprach- oder Hörproblemen, benötigt.
    • Unselbstständig: Der Pflegebedürftige nimmt keinen Kontakt außerhalb des direkten Umfelds auf und reagiert nicht auf Anregungen zur Kontaktaufnahme.
  • Beispiele:
    • Frau Munch arbeitete als Biologin für die Land- und Forstwirtschaft. Noch immer hat sie beste Kontakte, die sie aktiv pflegt. Sie verfügt über ein umfangreiches Notizbuch mit den Namen, Adressen und Telefonnummern befreundeter Wissenschaftler. Sie hat sich ein schnurloses Telefon mit großen Tasten gekauft, das sie ohne fremde Unterstützung verwendet. Sie schreibt auch gerne Briefe, die sie ohne Hilfe in einen Umschlag steckt. Diesen adressiert sie selbst. Den Weg zum Briefkasten schafft sie aus eigener Kraft aber nicht mehr. Dieser Hilfebedarf ist aber so gering, dass sie trotzdem insgesamt selbstständig ist.
    • Herr Courbet ist in Frankreich aufgewachsen, zog aber vor seiner Heirat nach Deutschland. Nach dem Tod seiner Frau übersiedelte er in ein Pflegeheim. Seine Kinder und Enkel leben in der Bretagne und können nur selten zu Besuch kommen. Sein Enkel hat ihm daher ein iPad gekauft, damit die Familie per Facetime kommunizieren kann. Dieses funktioniert prinzipiell gut. Allerdings vergisst Herr Courbet immer wieder, das Gerät zu laden. Je nach Tagesform ist er manchmal auch damit überfordert, ein Gespräch zu starten. Er benötigt dann Hilfe von der Pflegekraft. Folglich ist er überwiegend selbstständig.
    • Frau Hundertwasser (aus dem oberen Beispiel) hat noch einen Bruder, der aber ebenfalls hochbetagt ist und sie nicht besuchen kommen kann. Die Pflegekraft weiß, dass Frau Hundertwasser normalerweise einmal in der Woche mit ihrem Bruder telefoniert. Sie erinnert die Bewohnerin daher immer am Samstagnachmittag an das Telefonat. Die Pflegekraft muss dafür die richtige Nummer aus dem Adressbuch suchen, diese wählen und Frau Hundertwasser den Hörer in die Hand legen. Die Bewohnerin ist also überwiegend unselbstständig.



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