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Qualitätsindikator "Schwerwiegende Sturzfolgen"

Durch “richtiges Zählen” lässt sich die Kennzahl zu auftretenden Sturzverletzungen erheblich optimieren. Denn längst nicht jeder Sturz zählt für die Indikatorenermittlung.

Qualitätsindikator "Schwerwiegende Sturzfolgen"


  • Mit zunehmendem Alter stürzen Menschen häufiger. Gleichzeitig wächst die Wahrscheinlichkeit, dass sich Senioren bei einem solchen Unfall erheblich verletzen. Studien deuten darauf hin, dass in über zehn Prozent der Stürze von Bewohnern behandlungsbedürftige körperliche Folgen auftreten.
  • Über eine fundierte Sturzprophylaxe können Pflegeheime Einfluss auf diese Risikofaktoren nehmen. Aus diesem Grund wird zukünftig die Anzahl der Stürze mit gravierenden Folgen über einen Qualitätsindikator erfasst und ausgewertet.
Was wird gemessen?
  • Der Indikator misst den Anteil der Bewohner, bei denen es in den vergangenen sechs Monaten in der Einrichtung zu einem Sturz mit gravierenden körperlichen Folgen gekommen ist. Für die Kennzahl werden ausschließlich solche Stürze herangezogen, die zu Verletzungen geführt haben. Dazu zählen primär Wunden sowie Frakturen.
    • Frau Lindenberg stolpert beim Gang zum Aufenthaltsraum über das Kabel des Staubsaugers. Sie schlägt mit der Stirn an den Wohnzimmertisch. Der Hausarzt muss die Wunde mit fünf Stichen nähen.
    • Herr Haagen spürt frühmorgens großen Harndrang. Er klingelt nicht nach der Nachtwache, sondern geht ohne Hilfe zum Badezimmer. Der Bewohner bleibt mit dem Fuß an einer Teppichkante hängen und verliert das Gleichgewicht. Beim erfolglosen Versuch, den Sturz abzufangen, bricht er sich das rechte Handgelenk.
  • Für den Indikator sind auch solche Stürze relevant, die zwar zu keinen offensichtlichen Verletzungen führen, wohl aber die Selbstständigkeit des Bewohners einschränken.
    • Frau Petry rutscht nach dem Mittagessen auf der Pfütze eines umgestoßenen Trinkglases aus. Sie stößt mit der rechten Schulter gegen den Mittagstisch. Der Arzt kann weder eine Fraktur noch eine Bänderverletzung feststellen. Dennoch leidet Frau Petry in den folgenden Wochen unter starken Schmerzen im Bereich des rechten Arms. Sie benötigt zusätzliche Hilfe bei der Körperpflege und beim Kleidungswechsel. Die Bezugspflegekraft passt die Pflege- und Maßnahmenplanung entsprechend an.
    • Herr Drews fällt von der letzten Treppenstufe auf den Boden. Er fängt sich mit der Hand halbwegs ab und verhindert größere Verletzungen. Gleichwohl verdreht er sich das Knie und ist über einige Wochen hinweg auf die Nutzung von Unterarmgehstützen angewiesen. Die Pflegekraft muss die Pflege- und Maßnahmenplanung um entsprechende Hilfeleistungen erweitern.
(Hinweis: Natürlich wäre es auch denkbar gewesen, alle Stürze zu zählen; also auch solche ohne gesundheitliche Schädigungen. Das Problem: Welche Einrichtung würde dann solche Vorfälle noch dokumentieren und sich selbst schaden? Pflegeheime mit einer “ehrlichen” Sturzdokumentation wären benachteiligt im Vergleich zu Einrichtungen, die solche Vorfälle nur nachlässig erfassen. Stürze mit Verletzungsfolgen hingegen lassen sich nicht so einfach unter den Teppich kehren.)
  • Stürze und deren Sturzfolgen bleiben unberücksichtigt, wenn sich der Bewohner im Verantwortungsbereich anderer Personen oder Einrichtungen befand. Dazu zählen etwa Sturzverletzungen während eines Krankenhausaufenthalts oder während eines Ausflugs mit Angehörigen. Sturzverletzungen während eines Spaziergangs sind hingegen aufzuführen, wenn der Bewohner allein unterwegs war.
  • Der MDK wird bei seinen Stichproben auf verschiedene Informationsquellen zurückgreifen, insbesondere auf Sturzprotokolle, auf den Pflegebericht sowie auf die Pflege- und Maßnahmenplanung. Die Pflegedienstleitung sollte sicherstellen, dass sie vor der Datenübermittlung an die Auswertungsstelle all diese Unterlagen vorliegen hat.
  • Bei vielen Stürzen sind deren Auswirkungen auf die Gesundheit, auf die Mobilität und auf die Selbstständigkeit nicht sofort absehbar. Manche Sturzfolgen fallen erst auf, lange nachdem das Sturzprotokoll bereits ausgefüllt und abgeheftet ist. Die PDL muss darauf achten, dass es in der Dokumentation keine Widersprüche gibt. Die Vorgaben der Pflege- und Maßnahmenplanung müssen zu den Angaben im Pflegebericht passen. Im Pflegebericht können Informationen nachgereicht werden, die im Sturzprotokoll noch nicht vorlagen. Dieses ist insbesondere dann wichtig, wenn der MDK bei einer Plausibilitätsprüfung die Dokumentation inspiziert und mit den mündlichen Aussagen des Bewohners abgleicht.
  • Der Indikator wird für zwei Risikogruppen erhoben. Die erste Gruppe sind Senioren, die keine oder nur geringe kognitive Beeinträchtigungen aufweisen. Maßgeblich dabei ist die Wertung des BI-Moduls zwei. Die zweite Gruppe sind Bewohner mit erheblichen kognitiven Einbußen. Diese Trennung macht Sinn. Demenziell erkrankte Senioren stürzen häufiger und verletzen sich deutlich schwerer als orientierte Senioren.
  • Aus der Berechnung ausgeschlossen sind Bewohner, die in ihrer Mobilität so stark eingeschränkt sind, dass sie auch bei einem Positionswechsel im Bett vollständig auf pflegerische Unterstützung angewiesen sind. Diese Senioren können sich ohne personelle Hilfe nicht fortbewegen. Daher sind sie nicht oder nur in deutlich geringerem Maß von Stürzen bedroht.
Was kann schiefgehen?
  • Der Medizinische Dienst inspiziert stichprobenartig, ob die an die Auswertungsstelle übermittelten Daten korrekt sind. Die Prüfer suchen vor allem nach Mängeln, die den Indikator zu Gunsten der Einrichtung verschieben. Der Verdacht liegt dann auf der Hand, dass die Einrichtung mittels einer bewussten Täuschung die Kennzahlen frisiert.
    • Frau Maffay ist im Badezimmer gestürzt. Sie hat sich eine Handgelenksfraktur zugezogen, die mit einem Gipsverband versorgt wurde. In den an die Auswertungsstelle übermittelten Daten jedoch wurde der Sturz nicht genannt. Dieser Flüchtigkeitsfehler hat unangenehme Folgen, als der MDK eine Plausibilitätsprüfung durchführt und Frau Maffay in die Kontrollgruppe wählt. Sie trägt noch immer den Gips und erzählt dem MDK-Prüfer bereitwillig alle Details ihres Sturzes.
    • Herr Bohlen rutscht beim Sitztanz vom Stuhl und fällt zu Boden. Nach der ersten Aufregung stellen alle Beteiligten schnell fest, dass er sich nicht schwer verletzt hat. Allerdings ist Herr Bohlen etwas unsanft auf den Knien gelandet. Diese sind geschwollen und schmerzempfindlich, wodurch ihm nun das Gehen schwerfällt. In der Hoffnung, dass sich die Angelegenheit in ein paar Tagen von allein erledigt, verzichtet die Pflegekraft sowohl auf ein Sturzprotokoll als auch auf eine Anpassung der Maßnahmenplanung. Auch bei der kurz darauf anstehenden Datenübertragung wird der Vorfall verschwiegen. Das Problem: Die Knieschmerzen von Herrn Bohlen klingen nur langsam ab. Dann kündigt sich auch noch der MDK an. Der Prüfer ist doch arg überrascht, als ihm Herr Bohlen bei der Stichprobe von dem Sturz berichtet.
  • Manche Fehler führen aber auch dazu, dass die Einrichtung ungewollt die eigene Kennzahl verschlechtert. Hier ist der MDK nachsichtiger und wird primär beraten.
    • Frau Müller-Westernhagen erhält Besuch von ihren Kindern und Enkeln. Diese nehmen die Seniorin zum Eisessen in den Stadtpark mit. Im Eiscafé rutscht sie auf einer weggeworfenen Waffeltüte aus und bricht sie zwei Finger. Der Pflegedienstleitung ist nicht bewusst, dass Unfälle außerhalb des Einflussbereichs der Einrichtung nicht für den Indikator zählen. Der Prüfer macht die PDL auf diesen Fehler aufmerksam.
    • Herr Gabalier stolpert über seine offenen Schnürsenkel. Er zieht sich eine kleine Wunde am Kinn zu. Die Läsion wird mit einem Pflasterstreifen versorgt. Drei Tage später ist die Abheilung so weit fortgeschritten, dass kein Verband mehr notwendig ist. Die Pflegedienstleitung meldet dennoch, dass es sich um eine “ärztlich behandlungsbedürftige Wunde” gehandelt hat. Das ist falsch. Dieses wäre bei Verletzungen der Fall, die genäht, geklebt oder auf andere Weise von einem Arzt behandelt werden müssen. Durch den Fehler hat die PDL den eigenen Indikatorwert unnötigerweise verschlechtert.
Anmerkungen:
  • Viele Pflegeheime werden strikt darauf achten, dass ihre Indikatoren nicht unnötig beeinträchtigt werden. Da überlegen es sich Pflegekräfte zweimal, ob sie einen Bewohner mit einer unklaren Wunde am Kopf wirklich sofort zum Hausarzt schicken. Am Ende handelt es sich doch nur um eine Bagatellverletzung, die auch in Eigenregie mit einem Klammerpflaster versorgt werden könnte. Sobald ein Arzt zur Verbandsschere greift, dreht sich die Kennzahl fast immer um einen Zähler ins Negative.
  • Und natürlich wird es wieder Diskussionen darüber geben, was überhaupt ein “Sturz” ist. Grundsätzlich liegt ein “Sturz” nur dann vor, wenn eine Pflegekraft den Unfall selbst gesehen hat. Oder wenn es glaubwürdige Zeugen dafür gibt. Ein Beispiel zeigt, wie schnell aus einem “Vorfall” ein “Sturz” wird, der die Kennzahl zuungunsten der Einrichtung verfälscht.
    • Herr und Frau Grönemeyer leben im Pflegeheim. Bei Frau Grönemeyer liegt eine fortgeschrittene Demenz vor. Sie erkennt ihren Ehemann nicht mehr. So auch an diesem Tag. Frau Grönemeyer fühlt sich vom “fremden Eindringling” in ihrem Apartment bedroht. In Panik ergreift sie einen Aschenbecher und trifft ihren Ehemann an der Stirn. Der geht benommen zu Boden. Frau Grönemeyer erkennt ihren Irrtum und will ihm aufhelfen. Dabei überlastet sie ihre Bandscheiben und muss sich vor Schmerzen ebenfalls auf den Boden setzen.
    • Einige Minuten später kommt die Pflegekraft in das Zimmer. Frau Grönemeyer ist völlig aufgelöst, verwirrt und kann sich an den Vorfall nicht erinnern. Herr Grönemeyer will seine Frau nicht beschuldigen und schweigt ebenfalls. Seine Wunde muss mit zwei Stichen genäht werden. Die verletzte Bandscheibe von Frau Grönemeyer und die Schmerzen zwingen diese in den Folgewochen zur Nutzung eines Rollators.
    • Die Pflegekraft kann den Sachverhalt nicht mehr aufklären. Sie nimmt die Vorkommnisse als “Stürze mit schwerwiegenden Verletzungsfolgen” zu Protokoll. Der Indikator für dieses Halbjahr ist gründlich ruiniert.
  • Ein wichtiges Charakteristikum eines Sturzes ist das Aufkommen auf dem Boden oder auf einer anderen niedrigen Ebene. Nur das ist ein Sturz.
    • Frau Forster stolpert über ein Matchbox-Auto, das ihr Urenkel beim Besuch vergessen hat. Sie gerät ins Straucheln, kann sich aber an einem massiven Eichenschrank festhalten. Dabei prallt sie mit dem Gesicht gegen die Schrankwand und bricht sich das Nasenbein. Dieses Geschehen ist ein Unfall, aber kein Sturz. Für einen Sturz hätte Frau Forster auf dem Boden aufkommen müssen. Das Gleiche gilt, wenn ein Bewohner gegen eine Wand oder gegen eine Tür läuft.
  • Der MDK wird sich im Rahmen seiner Prüfung nicht nur für den Sturz interessieren, sondern auch für die Reaktionen darauf. Was hat das Pflegeteam unternommen, um weitere Stürze zu verhindern? Hat die Einrichtung die Vorgaben des Expertenstandards zur Sturzprophylaxe umgesetzt? Spiegeln sich diese in der Pflege- und Maßnahmenplanung wider?
  • Natürlich ist dieser Indikator, genau wie alle anderen Kennzahlen, auch ein wichtiger Hinweisgeber für Optimierungspotenzial. Einrichtungen, die viele Stürze mit schweren Verletzungen aufweisen, sollten zunächst eine Bestandsaufnahme durchführen. Welche Bewohner sind gestürzt? Wo und bei welcher Gelegenheit? War das wirklich alles nur Pech? Welche Faktoren sind für die Unfälle verantwortlich? Sind bauliche Anpassungen notwendig? Oder muss das Personal nachgeschult werden?



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