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Qualitätsindikator "Aktualität der Schmerzeinschätzung"

Schmerzmanagement ist Teamwork. Ärzte und Pflegekräfte sind gleichermaßen daran beteiligt. Das neue Kennzahlensystem soll aber nur den pflegerischen Anteil bewerten. Daher beschränkt sich der Indikator auf das Schmerzassessment.

Qualitätsindikator "Aktualität der Schmerzeinschätzung"


  • Viele ältere Menschen leiden an Schmerzen, erhalten aber keine angemessene ärztliche Therapie. Dafür gibt es verschiedenste Ursachen. Senioren mit fortgeschrittener Demenz können den Pflegekräften ggf. nicht mitteilen, wenn sie Beschwerden haben. Andere Bewohner verheimlichen die Schmerzen, weil sie nicht “jammern” möchten. Oder weil sie glauben, dass Schmerzen im Alter normal sind. Und in schlecht geführten und personell unterbesetzten Einrichtungen werden selbst eindeutige Hinweise mitunter schlicht ignoriert.
  • Es braucht keine prophetische Gabe, um vorauszusehen, dass der Bereich des Schmerzmanagements zu Diskussionen zwischen Pflegekräften und dem MDK führen wird. Es gibt gleich Expertenstandards zu diesem Thema; jeweils für die akute und chronische Form. Deren Vorgaben sollten sorgfältig umgesetzt werden. Dabei reicht es nicht, jede Menge Pflegestandards in das QM-Handbuch zu stopfen. Es ist wichtig, dass die Mitarbeiter die Inhalte der Richtlinien auch anwenden. Der MDK wird ohne Zweifel die neuen Fachgespräche dafür nutzen, um die Kenntnisse der Pflegekräfte zu überprüfen.
  • Die Durchführung von Schmerzassessments ist für die meisten Einrichtungen nichts Neues. Schon die alte QPR fragte, ob eine systematische Schmerzeinschätzung erfolgt. Sogar die geforderten Inhalte bleiben weitgehend unverändert.
Was wird gemessen?
  • Im Vergleich zu den alten Pflegenoten ändert sich erstaunlich wenig. Auch der neue Pflege-TÜV erwartet von Pflegeheimen, dass diese regelmäßig prüfen, ob Bewohner an Schmerzen leiden. Falls dieses der Fall ist, müssen Pflegekräfte ein weitergehendes Assessment durchführen. Wichtige Kriterien der Informationssammlung sind die Schmerzintensität sowie die Lokalisation. Erfasst werden sollten außerdem die Schmerzqualität, die Dauer der Beschwerden, etwaige zeitliche Verlaufsmuster, verstärkende oder lindernde Faktoren sowie die Auswirkungen des Schmerzes auf das Alltagsleben.
  • Die Durchführung dieser Schmerzeinschätzung wird mittels einer Kennzahl überwacht. Der Indikator misst den Anteil der Bewohner mit länger anhaltenden Schmerzen, bei denen eine Schmerzeinschätzung durchgeführt wurde. Das Assessment darf nicht älter sein als drei Monate. Anders als in vielen anderen Indikatoren gibt es hier keine Zweiteilung anhand der kognitiven Fähigkeiten. Die Schmerzerfassung von orientierten und von verwirrten Senioren wird mit einer gemeinsamen Kennzahl gemessen.
  • Der Indikator befasst sich mit länger andauernden Schmerzen. Einmalige Beschwerden, also etwa sporadisch auftretende Kopfschmerzen, sind für die Indikatorenerhebung nicht relevant. Auch kurzfristige Wundschmerzen etwa nach einem ambulanten Eingriff werden nicht berücksichtigt.
  • Detaillierte Vorgaben zur praktischen Umsetzung gibt es im neuen Prüfmodell nicht. Es ist also davon auszugehen, dass Pflegeeinrichtungen weiterhin unter den gängigen Schmerzskalen wählen können. Grundsätzlich ist eine Eigeneinschätzung einer Fremdeinschätzung (sofern möglich) vorzuziehen. Bei orientierten Senioren können NRS (Numerische Rang Skala), VRS (Verbale Rating Skala) oder VAS (Visuelle Analog Skala) genutzt werden. Liegt eine Demenz vor, wären BESD (Beurteilung von Schmerzen bei Demenz) und BISAD (Beobachtungsinstrument für das Schmerzassessment bei alten Menschen mit Demenz) eine gute Wahl. Alternativ kann die Schmerzeinschätzung auch in Form einer pflegefachlichen Einschätzung erfolgen. Hauptsache, die Vorgaben der Expertenstandards werden eingehalten.
Was wird nicht gemessen?
  • Der Qualitätsindikator beschränkt sich nur auf den ersten Schritt der Schmerztherapie, also auf die Erfassung der Beschwerden. Alle weiteren Prozesse in Richtung Schmerzfreiheit werden nicht mehr bewertet. Die Kennzahl erfasst also nicht, ob der Bewohner nach der Schmerzeinschätzung zügig einem Arzt vorgestellt wurde. Ob der Pflegebedürftige dort eine Therapie erhielt und ob diese erfolgreich war, zählen ebenfalls nicht. Das kann zu kuriosen Ergebnisverzerrungen führen.
    • Herr Brecht leidet an fortgeschrittener Demenz, ist weitgehend desorientiert und kommuniziert verbal nicht mehr. Folglich kann er seiner Bezugspflegekraft auch nicht mitteilen, dass er seit Wochen an Schmerzen im Bauchraum leidet. Irgendwann bemerkt die Pflegekraft, dass irgendwas mit Herrn Brecht nicht stimmt. Er benimmt sich eigenartig, hat keinen Appetit mehr, liegt apathisch im Bett und zeigt Abwehrbewegungen bei der Grundpflege. Die Pflegekraft füllt daher den BISAD-Bogen aus. Das Ergebnis (fünf Punkte) lässt auf eine hohe Wahrscheinlichkeit für Schmerzerleben schließen. Die Pflegedienstleitung nimmt den BISAD-Score aber nicht ernst. Eine Vorstellung beim Hausarzt lehnt sie auch ab. Der Arzt will keine Hausbesuche durchführen. Das Personal im Pflegeheim ist auch gerade knapp. Keiner kann Herrn Brecht in die Praxis fahren. Das Thema versandet irgendwann. Ergebnis: Herr Brecht hat weiterhin Schmerzen, bekommt keine Therapie und dämmert dem Blinddarmdurchbruch entgegen. Der Qualitätsindikator jedoch ist gerettet, da die geforderte Schmerzeinschätzung ja durchgeführt wurde. Es reagiert nur niemand darauf.
  • Der Grund für die thematische Beschränkung des Indikators ist einfach. Die Kennzahl darf nur solche Prozesse bewerten, die maßgeblich von Pflegekräften verantwortet werden. Und das ist im Bereich des Schmerzmanagements die Schmerzeinschätzung. Vielleicht hätte man noch messen können, ob die Pflegekräfte nach der Schmerzeinschätzung den Arzt informiert haben.
  • Alle weiteren Schritte jedoch haben Pflegekräfte nicht mehr in der Hand. Nur der Arzt entscheidet über die Diagnostik und über die Therapie. Ansonsten könnte das Pflegeheim mit einer schlechten Kennzahl dafür bestraft werden, dass der Hausarzt keine wirksame Schmerztherapie durchführt.
Mängelsuche
  • Eine Einschätzung ist nicht notwendig, wenn der Bewohner keine Beschwerden hat. Ob dieses wirklich der Fall ist, wird bei MDK-Prüfungen ohne Frage für Streit sorgen.
  • Die erste “Falle” ist die eigene Pflegedokumentation.
    • Herr Grass hat keine Schmerzen. Das zumindest hat die Pflegeeinrichtung an die Auswertungsstelle gemeldet. Ob das auch stimmt, soll nun der MDK kontrollieren. Herr Grass zählt zur Stichprobe. Der Prüfer blättert zunächst in der Pflegedokumentation. Im Berichtsblatt steht an mehreren Tagen, dass Herr Grass über Schmerzen in der Schulter klagt. Im Medikamentenblatt ist sogar die regelmäßige Applikation von Schmerzmitteln vermerkt. Offenbar halten die Beschwerden schon seit Wochen an. Entgegen den Angaben der Einrichtung lag zum Zeitpunkt der Ergebniserfassung ganz offensichtlich eine Schmerzsymptomatik vor.
  • Jeder Bewohner, dem kontinuierlich Analgetika verabreicht werden, ist ein “Risikopatient”. Dieses gilt auch für Senioren mit einer stabilen Schmerzsituation. Bei diesen Betroffenen muss täglich erfragt werden, ob die aktuelle Medikation noch ausreicht.
  • Aber nicht nur die Pflegedokumentation ist verräterisch. Schon ein Blick in das Wohnumfeld kann einen MDK-Prüfer misstrauisch machen.
    • Frau Kästner hat laut Datenmeldung ebenfalls keine Schmerzen. Und auch sie wird in die Kontrollgruppe gezogen. Dem MDK-Prüfer fallen sofort die üppigen Medikamentenschachteln ins Auge. Für einmalige Schmerzen wird die rüstige Seniorin wohl kaum eine N3-Packung von Ibuprofen 400 mg brauchen. Tatsächlich berichtet Frau Kästner davon, dass sie unter einer chronischen Polyarthritis leidet. Ihrem Arzt vertraut sie aber nicht. Die 100er-Tabletten-Box bringt ihr die Schwiegertochter mit. Nach Aussage von Frau Kästner interessieren sich die Pflegekräfte für ihre gefährliche Selbstmedikation nicht sonderlich. Eine Schmerzeinschätzung gab es bislang nicht.
  • Es müssen nicht zwangsläufig Medikamente sein, die auf chronische Schmerzen schließen lassen. Auch die Anwendung nicht medikamentöser Techniken zur Beschwerdelinderung sollte jede Pflegekraft aufmerksam machen.
    • Frau Tucholsky erhält Besuch vom MDK, da sie in die Stichprobe gezogen wurde. Der Prüfer stutzt, als er neben dem Bett ein TENS-Gerät (transkutane elektrische Nervenstimulation) liegen sieht. Die Seniorin erzählt, dass sie das System vor drei Monaten für 175 Euro im Teleshopping gekauft hat, um ihre hartnäckigen Rückenschmerzen zu lindern. Der MDK-Mitarbeiter findet das erstaunlich. Eigentlich sollte Frau Tucholsky keine dauerhaften Schmerzen haben.
  • Unangenehme Konsequenzen drohen auch, wenn der MDK bei angeblich schmerzfreien Demenzpatienten Verhaltensweisen beobachtet, die auf Beschwerden hindeuten.
    • Frau von Kleist ist bettlägerig und leidet unter einer fortgeschrittenen Alzheimerkrankheit. Nach Ansicht der Bezugspflegekraft hat sie keine Schmerzen. So meldete es die Pflegeeinrichtung auch an die Auswertungsstelle. Als der MDK die Plausibilität prüft, kommen dem MDK-Mitarbeiter Zweifel. Er glaubt, ein verkrampftes Gesicht sowie eine Schonhaltung zu erkennen. Die Lautäußerungen der Seniorin deutet er als ein Weinen und Klagen. Somit ist Frau von Kleist nicht schmerzfrei. Die Bezugspflegekraft ist erstaunt. So verhält sich die Bewohnerin schon seit Monaten. Ergebnis: Die Einrichtung hätte längst eine Schmerzeinschätzung durchführen müssen.
  • Wenn eine Einrichtung vorgibt, eine Schmerzerfassung durchgeführt zu haben, muss sie dieses auch belegen können.
    • Frau Kafka leidet unter chronischer Migräne. Aus diesem Grund führt die Pflegeeinrichtung regelmäßige Schmerzeinschätzungen durch. Das zumindest geht aus den Daten hervor, die an die Auswertungsstelle übermittelt wurden. Tatsächlich blättert der MDK ebenso rat- wie erfolglos in der Pflegedokumentation. Der Prüfer kann keinen Auswertungsbogen finden. Auf Nachfrage bei der Bezugspflegekraft erfährt er, dass tatsächlich keine Assessments durchgeführt wurden. Dafür fehlt seit Monaten das Personal.
Fazit:
  • Über die Aussagekraft dieses Indikators kann man sicherlich streiten. Fakt ist aber, dass das Thema Schmerz große Bedeutung in der Altenpflege hat. Es musste somit - in welcher Form auch immer - in das Kennzahlensystem aufgenommen werden. Mag sein, dass sich in Zukunft eine bessere Definition für die zu messenden Abläufe findet. Bis dahin müssen Pflegeheime mit dem aktuellen Prüfinstrument leben.
  • Was den eigentlichen Qualitätsindikator betrifft, so ist nur ein Ergebnis akzeptabel: 100 Prozent. Plausible Ausreden, warum eine Schmerzeinschätzung vergessen oder nicht dokumentiert wurde, gibt es nicht. Jede halbwegs gut geführte Einrichtung darf sich hier keine Blöße geben und muss eine sehr hohe Quote erreichen. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass schon wenige unterbliebene Schmerzeinschätzungen dazu führen, dass die betroffene Einrichtung eine wirklich miese Kennzahl aufweisen wird.
  • Daher ist es wichtig, dass wirklich alle Schmerzrisikopatienten als solche identifiziert werden. Im Zweifel ist es besser, eine Handvoll unnötiger Schmerzeinschätzungen durchzuführen, als sich vom MDK hier Nachlässigkeit vorhalten zu lassen.
    • Frau Böll leidet phasenweise an Migräne. Die Kopfschmerzen kommen und gehen. In manchen Jahresquartalen ist sie komplett schmerzfrei, dann gibt es wieder Perioden mit aufeinanderfolgenden Attacken. Die Bezugspflegekraft möchte sichergehen und fragt täglich nach etwaigen Schmerzen. Außerdem erfasst sie alle Vierteljahre die Schmerzbelastung im Detail, um langfristige Veränderungen erkennen zu können.
  • Das bedeutet Papierkrieg und Bürokratie: Also viele Formulare ausfüllen, um sie im Zweifel dem MDK vorzeigen zu können. Die alte Transparenzprüfung lässt schön grüßen!



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