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Tipps für die MDK-Prüfung: Bedarfsmedikation
Normalerweise
reagieren Ärzte höchst allergisch auf jeden Versuch, ihre Kompetenzen
zu beschneiden. Ganz anders bei Bedarfsmedikationen. Hier lassen sich
viele Mediziner ganz gerne die Diagnosestellung samt Therapieanordnung
aus der Hand nehmen. Für Pflegekräfte ist das riskant. Neben
haftungsrechtlichen Gefahren drohen auch Konflikte bei der MDK-Prüfung.
Tipps für die MDK-Prüfung: Bedarfsmedikation
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Eine Bedarfsmedikation ist eine
symptomabhängige ärztliche Verordnung von Arzneimitteln zusätzlich zur
laufenden Medikation. Die angeordneten Wirkstoffe werden
stellvertretend für den Arzt von Pflegekräften appliziert, sobald beim
Bewohner die genannten Beschwerden auftreten oder zuvor definierte
Messwerte erreicht sind.
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Bedarfsmedikationen müssen verschiedene
Vorgaben erfüllen. Wichtig ist vor allem, dass der Bedarf präzise
definiert ist. Es darf für Pflegekräfte keinen Raum für
Interpretationen geben. Verschiedene Informationen sind folglich
unverzichtbar:
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der verordnende Arzt
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das Anordnungsdatum
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die Indikation (also der Bedarf)
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die Einzeldosis
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die Maximaldosis für 24 Stunden
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Dieses fügt sich nahtlos in die “6-R-Regel”
ein, die Pflegekräfte bei jeder Medikamentenverabreichung beachten
müssen. So auch bei Bedarfsmedikationen:
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richtiger Bewohner / Klient
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richtiges Medikament
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richtige Dosierung
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richtige Zeit
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richtige Applikation
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richtige Dokumentation
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Die korrekte Umsetzung von Bedarfsmedikationen
ist auch Gegenstand der externen Qualitätsprüfung. Um dem MDK die dafür
notwendigen Instrumente in die Hand zu geben, wurden die
Qualitätsprüfungsrichtlinien entsprechend aktualisiert.
stationäre Pflege
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Die neue stationäre QPR fordert, dass die
Einnahme von Medikamenten den ärztlichen Verordnungen entspricht. Die
Pflegekräfte müssen die Weiterleitung aller erforderlichen
Informationen an die behandelnden Mediziner sicherstellen.
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Hält das Pflegeheim die Vorgaben nicht ein, so
wird der Prüfer schnell eine D-Wertung vergeben, weil ein Defizit mit
eingetretenen negativen Folgen für den Bewohner vorliegt. Dieses ist
etwa dann der Fall, wenn die Medikamentengabe von der ärztlichen
Verordnung abweicht, ohne dass dafür nachvollziehbare Gründe vorliegen.
Ein besonderes Augenmerk werden die Prüfer auf die Situation von
Bewohnern mit chronischen Schmerzen legen. Erhalten diese die ärztlich
verordneten Medikamente nicht, so ist auch hier eine D-Wertung
unvermeidlich.
ambulante Pflege
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Die kommende ambulante QPR setzt nahezu
identische Eckpunkte. Auch bei mobilen Pflegediensten werden die Prüfer
sehr genau auf etwaige Nachlässigkeiten bei der Medikation achten,
insbesondere im Rahmen des Schmerzmanagements. Hier prüft der MDK
beispielsweise, ob die ärztlichen Verordnungen zur Schmerztherapie
vollständig umgesetzt werden. Die Gabe von Schmerzmedikamenten muss den
Anordnungen des Arztes entsprechen. Kontrolliert wird gleichzeitig, ob
die Pflegekräfte die Wirkung von Schmerzmedikamenten beobachten und
relevante Auffälligkeiten dem behandelnden Arzt mitteilen.
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Explizit fordert der MDK, dass bei einer
Bedarfsmedikation die auslösenden Symptome beschrieben sind. Es müssen
zudem eindeutige Dosierungshinweise vorliegen. Falls der Arzt bei der
Formulierung der Bedarfsmedikation unpräzise war, müssen Pflegekräfte
aktiv werden. Die Prüfer verlangen dann eine nachvollziehbare
Kommunikation mit dem verordnenden Mediziner.
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Verstöße gegen diese Vorgaben führen sehr
schnell zu empfindlichen Abwertungen; zumeist direkt hinab zur
“D-Wertung”. Das macht Sinn, denn wie könnte man einen Schmerzpatienten
mehr schädigen, als mit der Vorenthaltung der verordneten Medikamente?
Auswirkungen auf die Praxis
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Eher unproblematisch sind Bedarfsmedikationen
immer dann, wenn der Bedarf an einfach messbare Vitaldaten gebunden
wird. Beispiel: Ein Medikament soll verabreicht werden, sobald ein
bestimmter Blutdruck erreicht wird oder sobald das Fieber eine
bestimmte Temperatur überschreitet.
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Doch nicht immer ist es so einfach. Unzulässig wäre folgende Bedarfsmedikation eines Tumorpatienten.
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“[...] bei Schmerzen, Morphin Tropfen zwei Prozent, 24 Tropfen [...]”
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Hier ist die Bedarfsdefinition mangelhaft. “Bei
Schmerzen” ist eine wachsweiche Formulierung, die im Zweifelsfall alles
Mögliche bedeutet. Eine Pflegekraft könnte auf die Idee kommen,
sämtliche Schmerzen mit diesem Präparat zu bekämpfen, also auch
Kopfschmerzen, Knieschmerzen oder Zahnschmerzen. Der Arzt möchte aber
ganz offensichtlich nur tumorbedingte Schmerzspitzen mit dem Morphin
abmildern. Dann jedoch sollte er das auch genauso schreiben, also:
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“[...] bei Schmerzspitzen im Bauchraum, die der Bewohner als unerträglich beschreibt [...]”
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Noch gravierender ist die Problematik im
Bereich der Sedativa. Hier ist es überaus kompliziert, eine Verordnung
zu formulieren, die gleichzeitig eindeutig und praxistauglich ist. Ein
Beispiel:
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Frau Müller ist 80 Jahre alt und leidet unter
Alzheimerdemenz. Vor allem in der Nacht zeigt sie
Verhaltensauffälligkeiten. Sie steht aus ihrem Bett auf und irrt
orientierungslos auf dem Wohnbereich umher. Sie wirkt verängstigt und
ruft nach ihrem Mann, der aber schon vor 20 Jahren verstorben ist. Die
Nachtwachen können sie kaum beruhigen und informieren schließlich den
Arzt über die Situation.
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Der Arzt möchte seiner Patientin natürlich helfen. Er vermerkt im Medikamentenblatt beispielsweise:
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“[...] Melperon 10 ml (zwei Messlöffel) bei Unruhe [...]”
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oder alternativ
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In der Praxis haben solch weiche Formulierungen
die Folge, dass Pflegekräfte selbst entscheiden, wann sie das
Neuroleptikum applizieren. Also:
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Wenn Frau Müller völlig aufgelöst die Flure
durchstreift, erhält sie das Melperon. So weit so gut. Das wollte der
Arzt ja auch so. In der Folgezeit weitet sich Schritt für Schritt die
Anwendung aus. Falls Frau Müller aufrecht im Bett sitzt und ohne
Unterlass schreit, erhält sie das Medikament ebenfalls. Sie ist ja
fraglos “unruhig”. Und irgendwann greift die Pflegekraft auch dann zur
Saftflasche, wenn Frau Müller im Gemeinschaftsraum nach Fr. Schulze
schlägt, weil sie diese für einen Dämonen hält. Es besteht ja “Bedarf”.
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Eine Pflegekraft, die eine solche
Bedarfsmedikation ausführt, entscheidet eigenständig über den Einsatz.
Sie macht sich quasi selbst zum "Behelfsarzt".
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Kommt es zu einer Gesundheitsschädigung, etwa
als Folge einer Überdosierung, riskiert die Pflegekraft sowohl straf-
als auch zivilrechtliche Konsequenzen.
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Stößt der MDK im Rahmen einer externen
Qualitätsprüfung auf derartige Ungereimtheiten, droht eine negative
Bewertung, wie oben beschrieben.
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Die Applikation eines Sedativums “bei Unruhe”
kann als freiheitsentziehende Maßnahme gewertet werden. Die Anwendung
von “ruhigstellenden Medikamenten” ist jetzt Bestandteil der
stationären Qualitätskontrolle. Es droht somit auch im Prüfkriterium
“freiheitsentziehende Maßnahmen” eine Abwertung auf die Stufe “D”, weil
der Einsatz der freiheitsentziehenden Maßnahme nicht nachvollziehbar
ist.
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Eine rechtskonforme Lösung dieses Dilemmas ist
tatsächlich recht mühselig. Die Pflegekraft muss dem Arzt für die
häufigsten Problemlagen einen klar definierten Bedarf vorschlagen, etwa:
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“[...] Melperon 10 ml (zwei Messlöffel), wenn
Frau Müller in der Nacht desorientiert im Wohnbereich umherirrt,
emotional sehr erregt ist und sich nicht innerhalb von zwanzig Minuten
beruhigen lässt. [...]”
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“[...] Melperon 10 ml (zwei Messlöffel), wenn
Frau Müller gewaltsam gegen Mitbewohner vorgeht, dieses offenbar die
Folge der Desorientierung ist und sie sich nicht innerhalb von zwanzig
Minuten beruhigen lässt. [...]”
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usw.
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Zugegeben, da ist eine Menge Text zu schreiben. Aber eine andere rechtssichere Option gibt es nicht.
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Vielen Pflegedienstleitungen ist ein solches
Vorgehen immer noch zu heikel. Oder zu mühselig. Sie untersagen die
Durchführung von Bedarfsmedikationen. Stattdessen wird stets der Arzt
telefonisch kontaktiert, über die Beobachtungen informiert und um eine
Anordnung gebeten. Die Praxen sind aber nicht rund um die Uhr geöffnet.
Und selbst innerhalb der Sprechzeiten sind die meisten Mediziner über
ständige Rückfragen der Pflegekräfte nicht eben erfreut.
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Sogar der MDK kommt nicht selten zu einer
restriktiven Einschätzung. Manche Prüfer behaupten bei externen
Qualitätskontrollen, dass Bedarfsmedikationen nicht zulässig seien.
Oder sie stellen so hohe organisatorische Anforderungen, dass die
Durchführung von Bedarfsmedikationen in der Praxis unmöglich wird.
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Und zu guter Letzt gibt es auch Ärzte, die
Bedarfsmedikationen strikt ablehnen. Weitergedacht bedeutet das, dass
die Pflegekräfte sie vor jeder bedarfsabhängigen Verabreichung etwa von
Betäubungsmitteln kontaktieren müssen. Das muss der Mediziner dann aber
auch so schriftlich festlegen. Und bei einer Notlage muss er
tatsächlich rund um die Uhr erreichbar sein.
Fazit:
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Mit einem Verzicht auf Bedarfsmedikationen
berauben sich Ärzte und Pflegeteams eines effektiven Mittels, um die
eigenen Abläufe zu beschleunigen. Zudem wird es fast unmöglich, zeitnah
auf unerwartete Schmerzsituationen zu reagieren. Das muss nicht sein.
Wenn Bedarfsmedikationen eindeutig sowie ohne Interpretationsspielraum
formuliert sind, ist die Applikation ohne größere Risiken leistbar.
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Bei Bedarfsmedikationen sollten Pflegekräfte
stets auf die Schriftform bestehen, vor allem bei Risikoapplikationen
wie etwa von hochpotenten Opioidanalgetika. Dafür besteht zunächst die
Option, vom Arzt eine Verordnung per Fax anzufordern. Eine Kopie der
Verordnung wird dann in der Dokumentationsmappe abgelegt. Kooperative
Hausärzte sind oftmals auch gewillt, bei einem Hausbesuch direkt in die
Pflegedokumentation einzutragen, wenn diese bereitgelegt wird.
Ansonsten besteht nur die Möglichkeit, mit der Dokumappe unterm Arm
direkt in die Arztpraxis zu fahren.
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Und trotz aller Begeisterung für die
Entbürokratisierung in der Altenpflege, darf eines nicht vergessen
werden: Bei der medikamentösen Versorgung ist eine lückenlose
Dokumentation immer die erste Pflicht. Das vergessene Handzeichen bei
einer Paracetamol-Tablette mag man durch das neue Mitarbeitergespräch
beim MDK vielleicht noch ausbügeln können. Hat der MDK jedoch Zweifel
an einer Fentanyl-Therapie, wird keine Konversation mehr helfen.
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