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Standard "Alkoholintoxikation (Alkoholvergiftung)"

Mit steigendem Lebensalter und dem Auftreten von Grunderkrankungen sinkt die Alkoholtoleranz. Für langjährige Trinker ist das nicht ohne Risiko. Eine Dosis, die sie jahrzehntelang vertragen haben, bringt sie nun an den Rand des Komas.


Standard "Alkoholintoxikation (Alkoholvergiftung)"


Definition:

  • Der Genuss größerer Alkoholmengen stellt eine erhebliche Belastung für den menschlichen Körper dar. Ein hoher Blutalkoholspiegel führt beim Konsumenten zu vielfältigen physischen und mentalen Ausfallerscheinungen. Letztlich droht eine Alkoholintoxikation sowie bleibende Gesundheitsschäden bis hin zum Tod.
  • Die maximal verträgliche Alkoholmenge ist abhängig vom Lebensalter, von der körperlichen Konstitution, von etwaigen Grunderkrankungen sowie von einer ggf. langjährigen Gewöhnung ("Trinkfestigkeit"). Ein zentrales Risiko ist dabei die Atemlähmung, da Alkohol das Nervensystem dämpft.
  • Problematisch ist dabei, dass es langjährige Konsumenten oft gelernt haben, den Rauschzustand auch bei hoher Alkoholisierung zu überspielen. Das klinische Stadium kann also über den realen Vergiftungsgrad des Körpers täuschen. Ein toxischer Blutspiegel ist folglich erreicht, bevor der Betroffene eine eindeutige Symptomatik zeigt und wir eingreifen können.
  • Bereits geringe Alkoholdosen beeinträchtigen die Glukoseneubildung in der Leber, wes­wegen es in schweren Rauschzuständen zu riskanten Hypogly­kämien kommen kann.
  • Auch nach Wegnahme des Alkohols kann sich der Blutalkoholspiegel noch erhöhen. Nur 20 Prozent des Alkohols werden bereits im Magen resorbiert. Der Rest wird erst über den Dünndarm aufgenommen, also mit einer ggf. erheblichen Verzögerung.

Grundsätze:

  • Ausfallerscheinungen dürfen niemals pauschal dem Alkoholspiegel zugeschrieben und dann ignoriert werden. Wir müssen stets auch an andere Faktoren denken. Auch ein Alkoholiker kann eine Hirnblutung erleiden.
  • Im Umgang mit stark alkoholisierten Senioren ist immer mit aggressiven Reaktionen zu rechnen. Dieses auch bei Bewohnern, deren Verhalten im nüchternen Zustand stets korrekt ist.
  • Eine Alkoholintoxikation ist mehr als ein Rausch. Es handelt sich um einen lebensgefährlichen Zustand, der sofortiges Handeln erfordert.
  • Wenn hinreichende Anzeichen für eine Gesundheitsgefährdung sprechen, wird immer ein Notarzt gerufen. Die Folgen eines oder ggf. auch mehrerer Fehlalarme wiegen weniger schwer als eine verzögerte Behandlung bei einem echten Notfall.
  • Der Notruf erfolgt auch dann, wenn der Bewohner diesen nicht wünscht, etwa weil er im Rausch die Gefährdung nicht korrekt einschätzt.

Ziele:

  • Eine Alkoholintoxikation wird zeitnah erkannt. Wir schätzen korrekt ein, ob eine Gesundheitsgefährdung besteht.
  • Die Vitalfunktionen des Bewohners werden bis zum Eintreffen des Notarztes stabilisiert.
  • Bei einem Verbleib des Bewohners in unserer Einrichtung stellen wir sicher, dass er sich von den Folgen der Alkoholintoxikation erholt.

Vorbereitung:

Symptome

Wir achten auf Symptome, die für eine Alkoholvergiftung sprechen:

  • zahlreiche leere Getränkedosen und -flaschen im Umfeld des Bewohners
  • übersteigertes Selbstbewusstsein, Euphorie oder Enthemmung
  • kindliches oder aggressives Verhalten
  • nachlassendes Konzentrationsvermögen
  • undeutliche und wirre Sprache; oft in Form von Monologen
  • verlangsamte Reaktionen
  • Koordinationsstörungen; insbesondere eine beeinträchtigte Feinmotorik sowie Gangunsicherheiten
  • Alkoholgeruch in der Atemluft des Bewohners ("Alkoholfötor" oder umgangssprachlich "Fahne")
  • gerötetes Gesicht als Folge der Erweiterung der peripheren Blutgefäße
  • gerötete Augen
  • gestörtes Temperaturempfinden, das etwa zu unangemessener und nicht zur Witterung passender Kleidung führt
  • Übelkeit und Erbrechen
  • ständiger Harndrang oder Einnässen als Folge der erhöhten Harnproduktion
  • in schweren Fällen Bewusstlosigkeit (“alkoholische Narkose”) und respiratorische Insuffizienz

Informationssammlung

Falls der Verdacht einer Alkoholintoxikation besteht, muss die Pflegekraft entscheiden, ob ein Notfall vorliegt oder nicht. Dieses auch, wenn sie den Bewohner nur oberflächlich kennt, etwa weil sie erst seit kurzer Zeit in unserer Einrichtung arbeitet. Wir stellen sicher, dass in der Pflegedokumentation alle dafür relevanten Informationen verfügbar sind.

  • Ist eine Alkoholabhängigkeit bei dem Bewohner bekannt?
  • Zu welchem Alkoholikertyp zählt der Pflegebedürftige?
  • Konsumiert der Bewohner Drogen? Besteht eine Medikamentenabhängigkeit?
  • Welche Verhaltensänderungen treten beim Bewohner gewöhnlich unter Alkoholeinfluss auf? Vor allem: Kam es in der Vergangenheit bereits zu aggressivem Verhalten?

Durchführung:

Entscheidung über die Alarmierung des Notarztes

Wir prüfen, ob der Zustand des Bewohners die Alarmierung des Notarztes erfordert. Dieses ist der Fall, wenn eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist:

  • Der Bewohner ist bewusstlos. Die Schutzreflexe sind unter dem Alkoholeinfluss reduziert. Der Pflegebedürftige könnte z. B. am Erbrochenen ersticken.
  • Der Bewohner hat sich bereits mehrfach übergeben, ohne dass sich sein Zustand verbessert hat.
  • Die Atmung und der Puls zeigen Auffälligkeiten.
  • Ein Mischkonsum liegt vor, also Alkohol in Kombination mit anderen Suchtmitteln.
  • Der Pflegebedürftige nimmt Medikamente ein, die in Kombination mit Alkohol zu riskanten Wechselwirkungen führen können.
  • Die Pupillen sind erweitert oder reaktionslos.
  • Ein Alkoholkonsum in dieser Menge ist ungewöhnlich für den Bewohner. Er trinkt sonst keinen oder deutlich weniger Alkohol.
  • Der Pflegebedürftige ist bereits im Rausch. Er hat die Absicht, die Einrichtung zu verlassen und / oder den Alkoholgenuss fortzusetzen.
  • Der alkoholisierte Bewohner hat im Rausch die Selbstbeherrschung verloren und ist aggressiv. Es besteht eine relevante Gefahr für den Bewohner, für Mitbewohner oder für Pflegekräfte. (Hinweis: Bei einem solchen Szenario sollte insbesondere im Nachtdienst auch die Alarmierung der Polizei geprüft werden.)
Hinweis:
  • Nicht sinnvoll ist die Nutzung eines Promillerechners. Selbst wenn ein halbwegs akkurater Wert ermittelt werden kann, bleibt dieser ohne Aussagekraft. Ein langjähriger Alkoholiker „verträgt“ deutlich mehr Alkohol als ein Gelegenheitskonsument.
  • Hilfreich kann die Nutzung der Glasgow-Koma-Skala sein, um das Ausmaß der Bewusstseinsstörung abzuschätzen.
  • Alkoholisierte Bewohner werden nicht selten liegend oder sitzend am Boden aufgefunden. Hier sollte stets geprüft werden, ob sich ein Sturz ereignet hat und ob sich der Pflegebedürftige in diesem Zusammenhang verletzt hat. Schmerzäußerungen sind dabei nicht zwingend zu erwarten, da der Alkohol selbst Frakturschmerzen überdecken kann.

Vorgehen bei einem minderschweren Alkoholrausch

  • Wenn keine akute Gefährdung für die Gesundheit erkennbar ist, kann der Bewohner in der Einrichtung bleiben.
  • Im Umgang mit stark alkoholisierten Bewohnern ist es wichtig, nicht zu schreien und keinen körperlichen Zwang anzuwenden. Lärm sowie physischer Druck führen oftmals zu gewalttätigen Reaktionen.
  • Nach Zustimmung des Bewohners werden alle Alkoholbestände eingesammelt und vorläufig verwahrt. Sie werden aber nicht weggeschüttet, da es sich um das Eigentum des Pflegebedürftigen handelt.
  • Dem Bewohner wird ein Toilettengang angeboten. Verunreinigungen mit Erbrochenem, Stuhl oder Urin werden beseitigt.
  • Er wird in sein Bett begleitet, damit er sich dort ausschlafen kann. Wir stellen sicher, dass er gut zugedeckt ist. Wärme ist lebenswichtig, da der Autoregulationsmechanismus zum Erhalt der Kerntemperatur unter Alkoholeinfluss beeinträchtigt ist.
  • Der Bewohner wird nicht liegend auf einer harten Oberfläche zurückgelassen. Es droht die Entwicklung eines Druckgeschwürs.
  • Wir stellen eine Nierenschale oder ein anderes Gefäß an das Bett des Pflegebedürftigen, falls sich dieser übergeben muss.
  • In den folgenden Stunden überprüft die Pflegekraft in regelmäßigen Abständen den Zustand (und die Anwesenheit) des Bewohners. Besonders wichtig ist die Kontrolle der Atmung. Dieses ist auch Aufgabe der Nachtwache.
  • Wir rechnen insbesondere mit suizidalem Verhalten. (Hinweis: 30 Prozent aller Suizidversuche erfolgen in alkoholisiertem Zustand.)
  • Der Abbau des Alkohols erfolgt mit etwa 0,1 Promille pro Stunde (bei der Frau) bis 0,2 Promille pro Stunde (beim Mann). Er kann weder durch duschen, Kaffeetrinken, frische Luft oder Bewegung beschleunigt werden.
  • Wir stellen sicher, dass der Bewohner am nächsten Morgen ausschlafen kann.
  • Wir machen dem Pflegebedürftigen am nächsten Tag keine Vorwürfe, sondern suchen einen konstruktiven Dialog.
  • Bei einem einfachen Rausch ist ein kurzfristiges Alkoholentzugssyndrom zu erwarten (“Kater” oder “Hangover”). Dieser beschränkt sich aber auf Kopfschmerzen, allgemeines Unwohlsein und Erbrechen.
Hinweis:
  • Bei einer bestehenden Alkoholabhängigkeit und einem schweren Rauschzustand kann es zu einem Entzugsdelir kommen. Es besteht dann Lebensgefahr.

Vorgehen bei einer bedrohlichen Alkoholintoxikation

  • Wir verständigen den Notarzt.
  • Die Krankenhauseinweisung wird vorbereitet.
  • Die Pflegekräfte sollten Ruhe ausstrahlen und Hektik vermeiden.
  • Der Bewohner wird bis zum Eintreffen des Notarztes nicht allein gelassen.
  • Ein bewusstloser Pflegebedürftiger wird in eine stabile Seitenlage gebracht. Die Atemwege werden freigemacht. Dieses ist unverzichtbar, da die Schutzreflexe ggf. erloschen sind und der Pflegebedürftige oftmals auch einen gefüllten Magen hat.
  • Wir schützen den Bewohner mit einer Decke oder mit einem Mantel vor dem Auskühlen.
  • Der Bewohner erhält keinen weiteren Alkohol, auch wenn er diesen verlangt.
  • Die Vitalwerte werden engmaschig überwacht, insbesondere Blutdruck, Puls und Atmung.
  • Bei Herzkreislaufstillstand wird der Bewohner sofort reanimiert. Die Reanimation wird fortgesetzt, bis der Notarzt eingetroffen ist oder bis das Herz des Bewohners wieder schlägt und die Atmung sich normalisiert.
  • Die Pflegekraft prüft (falls möglich) den Blutzuckerwert. Es kann eine Unterzuckerung eintreten.
  • Wir prüfen das Zimmer des Bewohners. Relevant ist etwa die Frage, ob der Pflegebedürftige neben Alkohol auch andere Rauschmittel konsumiert hat; also etwa Medikamente oder Drogen.
  • Alle Werte, Beobachtungen und durchgeführte Maßnahmen werden dokumentiert und dem eintreffenden Notarzt mitgeteilt. Wir informieren ihn auch darüber, wie viel Alkohol konsumiert wurde.

Nachbereitung:

  • Das Ereignis wird sorgfältig dokumentiert.
  • Die Pflegedienstleitung und die Heimleitung werden (sofern noch nicht geschehen) informiert.
  • Ggf. werden die Angehörigen informiert.
  • Zentrales Bestreben muss sein, die Sucht langfristig zu überwinden. Die Vorgaben des Standards "Pflege von alkoholabhängigen Senioren" werden umgesetzt. Wir diskutieren insbesondere die Notwendigkeit einer Entzugstherapie.

Dokumente:

  • Berichtsblatt
  • Vitaldatenblatt
  • Pflegeplanung / Maßnahmenplanung
  • Medikamentenblatt

Verantwortlichkeit / Qualifikation:

  • alle Pflegekräfte



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