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Standard "Pflege von Senioren mit Anämie (Blutarmut)"

Eine Anämie entwickelt sich mitunter so langsam, dass zunächst weder der Betroffene noch die Pflegekräfte Verdacht schöpfen. Die anfänglichen Auswirkungen wie etwa Müdigkeit, Blässe, trockene Haut oder Appetitlosigkeit sind bei hochbetagten Senioren alles andere als ungewöhnlich. Mit einem Standard können Sie Ihr Team für das Krankheitsbild sensibilisieren.


Standard "Pflege von Senioren mit Anämie (Blutarmut)"


Definition:

  • Eine Anämie oder "Blutarmut" ist eine Verringerung des Hämoglobinspiegels auf einen Wert von weniger als 12 g/dl bei Frauen und 13,5 g/dl bei Männern. Die Zahl der roten Blutkörperchen ist reduziert, während das Blutvolumen unverändert bleibt.
  • Anämie ist keine zwangsläufige Folge eines hohen Lebensalters. In fortgeschrittenen Lebensphasen ist zwar die Vermehrung des Fettmarks gegenüber dem blutbildenden Knochenmark gesteigert. Bei gesunden Senioren gibt es darüber hinaus aber keine altersbedingten physiologischen Veränderungen der blutbildenden Organe.
  • Allerdings erhöht sich bei hochbetagten Senioren die Anfälligkeit für Blut- und Mangelerkrankungen. Rund 20 Prozent aller selbstständig lebenden Senioren leiden unter einer Anämie. Bei im Pflegeheim versorgten Menschen ist der Anteil deutlich höher.
  • Die Anämie kann eine eigenständige Erkrankung sein. Oft ist sie auch die Folge von chronischen Entzündungen (etwa durch Infektionen oder durch Autoimmunerkrankungen) sowie von Tumorerkrankungen. In der Folge ist die Eisenverwertung des Körpers beeinträchtigt. Die Lebensdauer der roten Blutkörperchen reduziert sich. Oft spricht das Rückenmark nur unzureichend auf das Hormon Erythropoetin an.
  • Die Eisenmangelanämie ist mit einem Anteil von 80 Prozent die häufigste Variante. Eisen ist unverzichtbar für die Bildung der Erythrozyten. Über die Stuhlausscheidung, die Hautabschilferung sowie die Schweißbildung verliert der Körper jeden Tag rund ein Milligramm Eisen.
  • Eine defizitäre Eisenversorgung kann verschiedene Ursachen haben:
    • Chronische Blutungen, vor allem unbemerkte Sickerblutungen aus dem Magen-Darm-Trakt oder aus den Harnwegen.
    • Mangelhafte Zufuhr von Eisen über die Nahrung.
    • Unzureichende Resorption des Eisens als Folge verschiedener Darmerkrankungen.
Hinweis:
  • Zahllose verschiedene Erkrankungen können eine Anämie auslösen. Die sich aus der Grunderkrankung ableitenden Pflegemaßnahmen sowie die notwendige medikamentöse Therapie variieren daher individuell erheblich. Um diesen Standard kompakt zu halten, legen wir im Weiteren den Fokus auf die häufigsten Auslöser, vor allem also auf die Eisenmangelanämie.

Grundsätze:

  • Wir begreifen eine Anämie als eine ernst zu nehmende Krankheit, die behandelt werden kann und sollte.
  • Der oftmals schleichende Verlauf der Krankheit darf nicht dazu führen, dass die Anämie übersehen wird.
  • Wir arbeiten eng mit dem Hausarzt zusammen und besprechen sorgfältig jede Maßnahme. Ohne Zustimmung des Arztes werden insbesondere keine Medikamente abgesetzt.

Ziele:

  • Die Lebensqualität des Bewohners wird erhalten.
  • Gemeinsam mit dem behandelnden Arzt finden wir die Ursache für die Anämie. Eine auslösende Grunderkrankung wird behandelt.
  • Der Bewohner ist kooperativ. Ihm ist bewusst, dass die Therapie ggf. sehr langwierig sein kann.
  • Der Bewohner ernährt sich angemessen.

Vorbereitung:

Achten auf Symptome

Wir achten auf Symptome, die auf eine sich entwickelnde Anämie hinweisen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beschwerden sowohl die Folgen der Anämie als auch der auslösenden Grunderkrankung sind. Bei hinreichenden Anzeichen wird der Bewohner einem Arzt vorgestellt.

  • Der Bewohner sieht blass aus. Das gilt etwa für die Schleimhäute und für die Lippen. Wenn das Unterlied des Auges herabgezogen wird, wird die blasse Bindehaut sichtbar.
  • Er berichtet häufig über ein Kältegefühl.
  • Der Betroffene ist im ganzen Tagesverlauf müde und erschöpft. Er klagt über Kopfschmerzen und über Sehstörungen (“Flimmern”).
  • Selbst bei geringer körperlicher Anstrengung leidet er unter Herzklopfen, unter Herzrasen und unter Atemnot.
  • Der Bewohner berichtet bei körperlicher Belastung von Schwindelgefühlen. Er verspürt häufig Kopfschmerzen und Ohrensausen. Mitunter wird er ohnmächtig.
  • Der Bewohner klagt über Schmerzen im Brustraum (Angina-Pectoris-Beschwerden).
  • Der Bewohner kann sich nicht mehr konzentrieren. Er fällt häufig in Verwirrtheitszustände; dieses insbesondere in der Nacht.
  • Wir bemerken eine trockene und rissige Haut.
  • Im Mundraum sind “Aphthen” sichtbar, also schmerzhafte Erosionen der Mundschleimhaut mit weißlichem Fibrinbelag. Die Mundwinkel sind eingerissen (sog. "Rhagaden“).
  • Der Betroffene klagt über Zungenbrennen und über Schluckbeschwerden als Folge von Schädigungen der Schleimhäute im Mund- und Rachenraum.
  • Der Appetit des Bewohners lässt nach. In der Folge kommt es ggf. zu einem Gewichtsverlust.
  • Die Nägel des Bewohners sind brüchig, haben Längsrillen und sind löffelförmig verformt ("Löffelnägel“ oder "Hohlnägel“). Die Haare sind spröde und brüchig. Sie fallen in großer Zahl aus.
  • Der Bewohner klagt über neurologische Störungen wie etwa ein Kribbeln oder Missempfindungen an Händen und Füßen. Wir beobachten eine Gangunsicherheit.
Hinweise:
  • Da Anämien häufig infolge chronisch entzündlicher Krankheiten oder bei Krebs auftreten, muss jede Anämie zwingend diagnostisch abgeklärt werden. Erforderlich sind insbesondere eine Ernährungsanamnese, ein Ausschluss möglicher Darmerkrankungen sowie bei Frauen eine gynäkologische Untersuchung.
  • Eine sich langsam entwickelnde Anämie kann der Körper kompensieren, indem er die Herzleistung steigert. Der Leistungsabfall bleibt dann lange Zeit unbemerkt. Wenn sich die oben beschriebenen Symptome schnell entwickeln, ist die Gesundheit des Bewohners ggf. ernsthaft bedroht.
  • Die Symptomatik kann abhängig von der individuellen Konstitution sehr gering oder sehr stark ausfallen. Bei einem ansonsten gesunden Senioren übersehen wir ggf. die milden Krankheitszeichen als normale Folgen der Alterung. Leidet der Betroffene hingegen bereits an einer fortgeschrittenen Krebserkrankung, führt die Anämie häufig zu einer erheblichen Verschlechterung des Allgemeinzustands.
  • Auch bei Senioren mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen kommt es oft schon bei geringgradigen Anämien zu einem ausgeprägten Symptombild.

Suche nach Auslösern

Wir prüfen, ob es bekannte Faktoren gibt, die die Bildung einer Anämie fördern oder auslösen können.

  • Der Bewohner ist Vegetarier oder Veganer.
  • Die Ernährung des Bewohners ist seit Monaten einseitig. Etwa als Folge mangelnden Zahnersatzes lebte er zuletzt von einer sog. “Milch-Pudding-Kost”.
  • Der Bewohner musste sich unlängst einem operativen Eingriff im Bauchraum unterziehen. Die OP-Wunden sind noch nicht vollständig abgeheilt.
  • Der Magen des Bewohners wurde operativ entfernt oder verkleinert. Dadurch ist die Eisenresorption beeinträchtigt.
  • In der Krankheitsgeschichte des Betroffenen finden sich verschiedene schwere Darmerkrankungen.
  • Der Bewohner leidet häufig unter Blutungen als Folge von Magen- oder Duodenalulzera. Er ist anfällig für Ösophagusvarizenblutungen.
  • Der Betroffene nimmt Schmerzmittel aus der Gruppe der nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) ein. Diese schädigen den Magen-Darm-Trakt.
  • Die Blutgerinnung ist gestört etwa als Folge einer Antikoagulanzientherapie.
  • Der Bewohner leidet unter einer koronaren Herzerkrankung.
  • Es liegt eine chronische Atemwegserkrankung vor.
  • Der Bewohner leidet unter einem Tumor im Magen-Darm-Trakt.
  • Wir erfragen, ob im familiären Umfeld des Bewohners Anämien aufgetreten sind.

Durchführung:

Pflegemaßnahmen

  • Die Vitalwerte, insbesondere der Blutdruck und der Puls, werden engmaschig überwacht. Dieses ist insbesondere vor körperlich fordernden Aktivitäten und anstrengenden Pflegemaßnahmen notwendig.
  • Der Bewohner wird angehalten, mit seinen Kräften sorgsam umzugehen. Er soll anstrengende Aktivitäten gleichmäßig über den Tag verteilen und ausreichend Pausen einlegen.
  • Der Bewohner soll langsam (etwa aus dem Bett) aufstehen, da es sonst zu einem Blutdruckabfall kommen kann.
  • Bei Schwindelgefühl sollte der Bewohner nach einer Pflegekraft rufen. Diese bleibt so lange bei ihm, bis die Gleichgewichtsstörung wieder abgeklungen ist.
  • Bei deutlicher Kreislaufstörung, Ohnmachtsneigung und ausgeprägter Schwäche wird der Bewohner im täglichen Leben unterstützt. Vor allem die tägliche Körperpflege kann seine Leistungsfähigkeit überfordern.
  • Eine strenge Bettruhe sollte vermieden werden. Sie ist nur bei einer schweren Anämie sowie bei gravierenden Begleiterkrankungen sinnvoll. Gemeinsam mit dem Arzt legen wir fest, welche Mobilisierungsmaßnahmen sinnvoll sind.
  • Bei Bettlägerigkeit werden alle Prophylaxestandards sorgfältig umgesetzt, insbesondere die Dekubitusprophylaxe. Die verminderte Sauerstoffversorgung der Haut lässt das Risiko von Druckgeschwüren deutlich ansteigen.
  • Trockene Haut wird nach dem Waschen mit einer Wasser-in-Öl-Emulsion eingerieben. Rissige Lippen können mit einem Fettstift gepflegt werden. Rhagaden heilen mit Bepanthen-Lippencreme schneller ab.
  • Falls notwendig wird der Stuhl auf okkulte (mit bloßem Auge nicht wahrnehmbare) Blutbeimengungen untersucht. Dabei sollte der Bewohner nach Möglichkeit drei Tage vor der Untersuchung keine Vitamin-C-Präparate oder entsprechende Nahrungsmittel zu sich nehmen. Es könnte sonst zu falsch-positiven Testergebnissen kommen.
  • Wir machen den Bewohner darauf aufmerksam, dass die Eisentabletten eine harmlose schwarze Färbung des Stuhls auslösen. Er soll sich deswegen nicht ängstigen.
  • Falls die Eisenpräparate eine Stuhlverstopfung begünstigen sollten, intensivieren wir unsere Maßnahmen zur Obstipationsprophylaxe. Möglich sind auch eine Diarrhoe und in deren Folge eine Stuhlinkontinenz. In diesem Fall muss der Bewohner mit aufsaugenden Hilfsmitteln versorgt werden.
  • Wir beachten, dass der Verfall der körperlichen Leistungsfähigkeit auch zu einer Erschütterung des Selbstbilds führen kann. Falls wir den Eindruck gewinnen, dass der Bewohner mental unter seiner Situation leidet, suchen wir den Dialog und intensivieren die zwischenmenschliche Betreuung.
  • Bei mobilen und bei teilweise mobilen Senioren verstärken wir die Maßnahmen im Rahmen der Sturzprophylaxe. Bei Gangunsicherheit sollte der Betroffene z. B. mit einem Rollator versorgt werden.
  • Der Flüssigkeitshaushalt hat großen Einfluss auf den Hämoglobinwert. Falls notwendig führen wir eine Ein- und Ausfuhrbilanzierung durch.

Ernährung

Gemeinsam mit dem Arzt und mit einer Ernährungsberaterin definieren wir, welche Ernährungsvorgaben im individuellen Fall zu beachten sind. Je nach auslösender Grunderkrankung wird die Speisenversorgung entsprechend angepasst.

  • Wir stellen sicher, dass der Bewohner ausreichend Flüssigkeit zu sich nimmt. Etwaige Trinkmengenbeschränkungen werden beachtet.
  • Der Bewohner sollte auf den Konsum von schwarzem Tee und von Kaffee verzichten, da diese die Aufnahme von Eisen hemmen können.
  • Wichtig ist eine gute Versorgung mit Vitamin C, etwa aus Obst und aus frischem Gemüse. Dieses Vitamin fördert die Eisenresorption.
  • Sofern keine weltanschaulichen Gründe dagegen sprechen, ermuntern wir den Bewohner, regelmäßig auch Fleisch und Eier zu essen. Wir verdeutlichen ihm, dass tierisches Eisen (etwa aus Fleisch und aus Innereien) besser resorbiert wird als pflanzliches Eisen (beispielsweise aus Hülsenfrüchten, Gemüse oder Getreide).
  • Der Bewohner sollte sich ggf. kaliumreich ernähren. Sinnvoll ist der Konsum von frischem Obst, Trockenobst, Kartoffeln, Salat und Gemüse.
  • Wenn die Mundschleimhaut empfindlich oder bereits geschädigt ist, sollte der Bewohner auf scharf gewürzte und auf harte Lebensmittel verzichten.
  • Wir prüfen, ob sich der Bewohner aufgrund von Zahnschäden einseitig ernährt. Fehlender oder unzureichender Zahnersatz führt oftmals zu einem eingeschränkten Fleischkonsum. Wir organisieren dann ggf. einen Termin beim Zahnarzt.
  • Auch Alkoholabhängigkeit kann eine Fehl- oder Mangelernährung auslösen. Wir setzen ggf. die entsprechenden Standards um.
  • Wenn der Betroffene unter Übelkeit und unter Appetitlosigkeit leidet, prüfen wir, ob dieses von bestimmten Nahrungsmitteln ausgelöst wird. Der Bewohner soll testweise auf diese Speisen verzichten.

Medikation

  • Der Bewohner erhält die ärztlich verschriebenen Eisentabletten. Diese werden bei einem robusteren Magen bevorzugt zwischen den Mahlzeiten eingenommen, also 30 Minuten vor oder zwei Stunden nach der Mahlzeit. Wir nutzen für die Applikation Wasser. Milch ist ungeeignet, da das Kalzium die Eisenresorption vermindert.
  • Wenn der Bewohner unter einem empfindlichen Magen leidet, werden die Eisentabletten direkt nach dem Essen verabreicht. Wir beachten, dass dann jedoch die Eisenresorption reduziert ist.
  • In vielen Fällen können Präparate eingenommen werden, die mit einem magensaftresistenten Überzug versehen sind.
  • Um Wechselwirkungen zu minimieren, empfiehlt sich ggf. die Einnahme der Arzneimittel im zweistündigen Abstand zu anderen Medikamenten.
  • Wir stellen sicher, dass der Bewohner die ärztlich verschriebene Folsäure konsequent einnimmt. Bei einer etwaigen Vitamin-B-Substitution mittels Injektion sorgen wir dafür, dass der Bewohner regelmäßig die Arztpraxis aufsucht.
  • Eine von flüssigen Eisenpräparaten entstandene Zahnverfärbung kann durch eine intensive Zahnreinigung entfernt werden. Die Einnahme mit einem Trinkhalm reduziert die Verfärbungen.

Nachbereitung:

Prognose

  • Wenn die Eisenmangelanämie angemessen behandelt wird, sollten sich die Hämoglobinwerte innerhalb einer Woche normalisieren. Bis zum vollständigen Auffüllen der körpereigenen Eisenspeicher ist eine Therapie von drei bis sechs Monaten erforderlich.
  • Die Lebenserwartung ist bei einer konsequenten Therapie i. d. R. nicht relevant beeinträchtigt.
  • Eine unbehandelte Anämie hingegen führt zu einem gesteigerten Erkrankungs- und Sterblichkeitsrisiko.

weitere Maßnahmen

  • Wir dokumentieren sämtliche Beobachtungen im Berichtsblatt.
  • Alle relevanten Veränderungen werden umgehend dem Hausarzt mitgeteilt.
  • Bei erheblichen Nebenwirkungen durch die verordneten Medikamente prüfen wir gemeinsam mit dem behandelnden Arzt eine Änderung der Medikation.
  • Wenn sich der Gesundheitszustand des Bewohners kurzfristig verschlechtert, wird umgehend der Arzt / Notarzt gerufen.
  • Die Pflegeplanung / Maßnahmenplanung wird regelmäßig aktualisiert und auf Umsetzbarkeit kontrolliert.

Dokumente:

  • Berichtsblatt
  • Fragen an den Arzt / ärztliche Verordnungen
  • Vitaldatenblatt
  • Pflegenachweis
  • Mobilisierungs- und Bewegungsplan
  • Pflegeplanung / Maßnahmenplanung

Verantwortlichkeit / Qualifikation:

  • alle Pflegekräfte



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