Diese Seiten wurden für Smartphones optimiert.
Für die PC-Version
klicken Sie bitte hier.
Standard
"Aortenaneurysma"
Die Versorgung von Pflegebedürftigen mit einem
Aortenaneurysma ist frustrierend. Zumeist bleiben diese
Gefäßschädigungen asymptomatisch und somit unerkannt, bis es zu einer
Ruptur kommt. Dann jedoch versterben die allermeisten Betroffenen
binnen weniger Minuten, ohne dass Pflegekräfte eingreifen könnten. Umso
wichtiger ist es daher, schon im Vorfeld die Risikofaktoren zu
minimieren.
Standard "Aortenaneurysma"
Definition:
-
Die Aortenwand besteht aus drei Schichten: Eine
äußere Bindegewebsschicht (sog. "Adventitia"; ‚1'), eine mittlere
Muskelschicht (sog. "Media"; ‚2') und eine innere Schicht aus
Gefäßzellen (sog. "Intima"; ‚3'). Bei einem Aortenaneurysma (oder auch
"Gefäßaussackung") sind einzelne Wandschichten oder die gesamte Wand
aufgeweitet. Zentrale Auslöser für diese Schädigung sind
Arteriosklerose in Kombination mit arterieller Hypertonie. Die
Gefäßschädigung tritt häufig mit weiteren Begleiterscheinungen auf;
etwa koronare Herzkrankheit (KHK), arterielle Verschlusskrankheit
(AVK), Diabetes mellitus sowie Adipositas.
-
Mit einem Verhältnis von fünf zu eins tritt ein
Aortenaneurysma vor allem bei Männern auf. Ab einem Lebensalter von 50
Jahren steigt das Risiko erheblich an. Der Erkrankungsgipfel liegt bei
einem Alter über 70 Jahre.
-
In 20 Prozent aller Erkrankungsfälle gab es
bereits zuvor im familiären Umfeld Aortenaneurysmen.
-
Die Gefäßschädigungen können zwar prinzipiell
überall im Körper auftreten. Über 90 Prozent aller Erkrankungen sind
jedoch Bauchaortenaneurysmen. Diese treten häufig unterhalb des Abgangs
der Nierenarterien auf.
Wie unterscheiden drei Formen eines Aneurysmas:
-
Bei einem "Aneurysma verum" (oder auch "echtes
Aneurysma") sind alle Gefäßschichten betroffen. Es kommt zu einer
spindelförmigen, sackförmigen oder rankenförmigen Ausweitung der Aorta
(‚A').
-
Eine bindegewebige Einkapselung ohne
Beteiligung der Gefäßwand wird "Aneurysma spurium" oder "falsches
Aneurysma" genannt. Dieses bildet sich häufig durch mangelhafte
Kompression nach einer Gefäßpunktion (‚B').
-
Bildet sich in der inneren Gefäßwand ein Riss,
kann es zum sog. "Aneurysma dissecans" kommen. Das Blut strömt in
diesen Riss und spaltet die Gefäßschichten auf. Zwischen der inneren
und den äußeren Gefäßschichten bildet sich eine weitere Blutbahn (‚C').
Diese mündet häufig nach kurzer Strecke wieder im ursprünglichen Gefäß
(sog. "Reentry"; ‚D'). Das Blutgefäß wird dadurch strukturell so
geschwächt, dass es zu einer Ruptur und somit zu einem
Volumenmangelschock kommen kann.
Grundsätze:
-
Wenn hinreichende Anzeichen für ein
Aortenaneurysma sprechen, wird immer ein Notarzt gerufen. Die Folgen
eines oder ggf. auch mehrerer Fehlalarme wiegen weniger schwer als eine
verzögerte Behandlung bei einem echten Notfall.
-
Der Notruf erfolgt auch dann, wenn der Bewohner
diesen nicht wünscht, etwa weil er die Gefährdung nicht korrekt
einschätzt.
-
Zwar sind Männer von einem Aortenaneurysma
häufiger betroffen, dennoch muss auch bei Frauen bei Vorliegen der
einschlägigen Symptome stets an eine Gefäßaussackung gedacht werden.
Ziele:
-
Ein Aortenaneurysma wird erkannt, bevor es zu
einer Ruptur kommt.
-
Bis zum Eintreffen des Notarztes wird der
Bewohner korrekt versorgt.
-
Der Bewohner überlebt und erleidet keine
Folgeschäden.
-
Die Schmerzbelastung wird minimiert.
-
Eine Panik des Bewohners wird vermieden.
Vorbereitung:
Symptome
Ein Aortenaneurysma
bleibt häufig asymptomatisch und wird zufällig bei einer
Routineuntersuchung (etwa per Ultraschall) festgestellt. Auftretende
Krankheitszeichen sind anfangs unverdächtig und werden oft fehlgedeutet.
-
Der Bewohner klagt über diffuse Rücken-,
Flanken- oder Thoraxschmerzen. Auf Nachfrage zeigt sich häufig, dass
diese Beschwerden erstmals bei körperlicher Anstrengung aufgetreten
sind, etwa beim Anheben einer Getränkekiste.
-
Bei einer Palpation des Abdomens ist ein
pulsierender Tumor spürbar. Dieses ist aber nur bei schlanken Bewohnern
möglich.
-
Die Pflegekraft stellt bei einer Auskultation
mittels Stethoskop Stenosegeräusche fest.
Erst bei einer sich anbahnenden oder bei einer bereits eingetretenen
Ruptur verstärkt sich das Symptombild:
-
Die Rücken-, Flanken- oder Thoraxschmerzen
intensivieren sich erheblich. Die Beschwerden strahlen in den Rücken
oder in die Arme aus.
-
Wir bemerken eine einsetzende
Schocksymptomatik. Diese ist die Folge eines Blutverlusts von bis zu
eineinhalb Litern in den Retroperitonealraum. Der Bewohner verliert das
Bewusstsein.
-
Es kommt zu einem akuten Abdomen. Insbesondere
beim Husten oder beim Pressen wird der Schmerz als unerträglich und als
stechend empfunden.
-
Wir bemerken eine Pulsdifferenz zwischen den
oberen und den unteren Extremitäten. Im weiteren Verlauf kommt es zu
einer Ischämie (mangelnde Blutversorgung) der unteren Extremitäten.
Durchführung:
Notfalversorgung
-
Wenn es hinreichende Anzeichen für eine
bevorstehende oder bereits eingesetzte Ruptur gibt, wird sofort der
Notarzt gerufen und die Einweisung in das Krankenhaus vorbereitet.
-
Soweit möglich wird der Bewohner in sein Bett
gebracht. Er soll dort Bettruhe halten bis zum Eintreffen des
Notarztes. Alternativ wird er in eine Schocklagerung gebracht.
-
Die Vitalwerte des Bewohners werden engmaschig
überwacht.
-
Der Bewohner darf weder Speisen noch Getränke
zu sich nehmen.
Nachbereitung:
Versorgung nach
Rückkehr aus dem Krankenhaus
-
Viele Aneurysmen sind asymptomatisch und klein.
Sie weisen eine ausreichend dicke Wand auf. Insbesondere bei einem
hohen Operationsrisiko ist es sinnvoll, zunächst auf einen Eingriff zu
verzichten und stattdessen vierteljährlich sonografische Kontrollen
durchzuführen. Es ist dann möglich, chirurgisch einzugreifen, bevor das
Aneurysma einreißt.
-
Zur Vermeidung einer drohenden Ruptur ist eine
dauerhafte Blutdrucksenkung unverzichtbar. Wir stellen sicher, dass der
Bewohner alle verschriebenen Medikamente regelmäßig einnimmt;
insbesondere also die Betablocker. Sein Blutdruck wird regelmäßig
gemessen.
-
Überdies ist zumeist eine
Antikoagulationstherapie mittels Thrombozytenaggregationshemmern (sog.
"Plättchenhemmer") notwendig.
-
Wir stellen sicher, dass die Blut- und
Gerinnungswerte engmaschig erfasst werden.
-
Wir intensivieren die Maßnahmen im Rahmen der
Obstipationsprophylaxe und raten dem Bewohner dazu, beim Stuhlgang
nicht zu pressen.
-
Der Bewohner soll darauf verzichten, schwere
Lasten zu heben. Ruckartige Bewegungen, etwa im Rahmen des
Bewegungstrainings, sind zu vermeiden.
-
Soweit dieses möglich ist, soll der Bewohner
etwaiges Übergewicht abbauen. Durch eine Anpassung der Konsum- und
Ernährungsgewohnheiten wird das Fortschreiten der Arteriosklerose
gebremst.
Erweiterung für die ambulante Pflege:
-
Durch eine stärkere Einbindung von Angehörigen,
Nachbarn oder anderen Dienstleistern muss der Klient von riskanten
Tätigkeiten entlastet werden. Insbesondere soll er darauf verzichten,
seine schweren Einkäufe selbst in die Wohnung zu tragen. Auch das
Heranschaffen von Brennholz oder von Kohle für den Ofen sollte von
anderen Personen übernommen werden.
Prognose
-
Wird ein Bauchaortenaneurysma nicht operiert,
wächst dessen Durchmesser pro Jahr durchschnittlich um fünf Millimeter.
-
Kommt es zu einer Ruptur des Aneurysmas in den
Bauchraum, verblutet der Bewohner oftmals innerhalb weniger Minuten. 70
Prozent aller Betroffenen versterben noch vor Beginn der Notoperation.
Selbst wenn es zu einer Operation kommt, verlieren zwei weitere Drittel
ihr Leben während oder nach dem Eingriff.
-
Die Überlebensaussichten steigen erheblich,
falls das Aneurysma rechtzeitig entdeckt und noch vor einer Ruptur
operiert wird. Die Letalität einer offenen Operation sinkt dann auf
fünf Prozent. Die Fünf-Jahres-Überlebensrate steigt auf 70 Prozent.
Dokumente:
-
Berichtsblatt
-
Vitaldatenblatt
-
Medikamentenblatt
Verantwortlichkeit
/ Qualifikation:
|