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Standard "Nutzung von Bettseitenteilen"

Die intensive Kritik an Fixierungen in der Pflege hat dazu geführt, dass Bettseitenteile selbst dann kaum noch genutzt werden, wenn gute Argumente für deren Verwendung sprechen. Wir haben für Ihr Team einen leicht verständlichen Standard zusammengestellt.


Standard "Nutzung von Bettseitenteilen"


Definition:

  • Moderne Pflegebetten verfügen über hochfahrbare Bettseitenteile an beiden Seiten. Sie werden auch als “Bettgitter”, als "Seitengitter" oder als "Geländer" bezeichnet. Primär dienen sie dazu, einen Sturz aus dem Bett zu verhindern. Viele Senioren sind nachts unruhig. Wenn sie von Zuhause breitere Betten gewöhnt sind, kann es leicht dazu kommen, dass sie bei einer Drehung im Schlaf über die Bettkante hinaus rollen.
  • Überdies geben Bettseitenteile dem Senioren bei verschiedenen Pflegemaßnahmen Halt, wie etwa beim Waschen oder beim Eincremen des Rückens. Hier kann der immobile Pflegebedürftige mit einer Hand das Bettseitenteil ergreifen und sich somit in der Seitenlage halten. Die Begrenzung vermittelt dem Bewohner ein Gefühl der Sicherheit, da er bei der Pflegemaßnahme nicht aus dem Bett fallen kann.
  • Zudem können Bettseitenteile die Mobilität innerhalb des Betts steigern. Pflegebedürftige können sich an den Gittern festhalten und sich dadurch leichter ohne fremde Hilfe umlagern.
  • Bei der Nutzung von Bettseitenteilen kann es zu verschiedenen Verletzungen kommen. Der Kopf oder die Extremitäten können sich zwischen den Streben verfangen. Insbesondere bei demenziell erkrankten Senioren ist es häufig zu beobachten, dass diese ihre Beine zwischen die Matratze und das Bettseitenteil stecken und sich dann Druck- und Schürfwunden zufügen. Auch Frakturen der Finger, der Arme oder der Beine sind nicht selten. Es gab auch verschiedene Fälle von Strangulationen.
(Hinweis: Die allermeisten der tödlichen Unfälle mit Bettseitenteilen sind auf technische Unzulänglichkeiten zurückzuführen. Oftmals entsprachen die Spaltmaße nicht den aktuellen Normen, etwa weil ein veraltetes Bett genutzt wurde. Mitunter sind auch falsche Umrüstungen oder nicht reparierte Defekte am Bett ursächlich.)

  • Kritisch diskutiert wird die Nutzung von Bettseitenteilen, um einen Bewohner gegen seinen Willen im Pflegebett festzuhalten. Als alleiniges Hilfsmittel zur Fixierung sind Bettseitenteile nicht geeignet, da viele Senioren in der Lage sind, das Hindernis zu überklettern. Im Gegenteil kommt es gerade beim Übersteigen eines Bettseitenteils zu einem Sturz, der dann aufgrund der größeren Fallhöhe mit schwereren Verletzungen verbunden ist. Bettseitenteile werden daher nur unterstützend eingesetzt bei der Fixierung mittels Fixierungsgurten.
  • Bettseitenteile können insbesondere bei demenziell erkrankten Senioren negative Assoziationen hervorrufen. Die Seitenwände erinnern oft an Kinderbetten, an Laufställe oder gar an Gefängnisgitter. Der Bewohner kann zu der Überzeugung kommen, dass er für etwas bestraft werden soll.
  • Die zahlreichen Nachteile und Risiken führen dazu, dass Pflegeheime heute gehalten sind, die Nutzung von Bettseitenteilen bei kognitiv beeinträchtigten Senioren möglichst zu vermeiden.
  • Der Einsatz von Bettseitenteilen ist Bestandteil des Indikatorensets der neuen Qualitätsprüfung durch den MDK. In diesem Qualitätsindikator wird der Anteil der Bewohner ermittelt, bei denen durchgehende Bettseitenteile zum Einsatz kommen. Berücksichtigt werden dabei nur Senioren mit erheblichen oder mit schweren kognitiven Beeinträchtigungen. Diese Betroffenen können nicht selbst entscheiden, ob Bettseitenteile genutzt werden sollen oder nicht. Grundlage ist der Zeitraum von vier Wochen vor dem Erhebungstag. Der ermittelte Wert wird mit den Quoten anderer Pflegeheime verglichen. Ein möglichst niedriger Wert gilt als Indikator für eine gute Qualität.
  • Darüber hinaus können auch formale Fehler bei der Nutzung von Bettseitenteilen zu einer Abwertung der Qualitätsbewertung führen. Wichtig ist etwa die Bestätigung von kognitiv unbeeinträchtigten Bewohnern, dass diese einer etwaigen Nutzung von durchgehenden Bettseitenteilen zustimmen. Fehlt dieser Nachweis, stellt der MDK ein “Defizit mit eingetretenen negativen Folgen für den Bewohner” fest.

Grundsätze:

  • Seitenteile können das eigene Bett zum Gefängnis machen. Der permanente Einsatz dieser Hilfsmittel ist daher nur dann zulässig, wenn alle Alternativen erfolglos geblieben sind und die Nutzung unverzichtbar ist.
  • Für unruhige, desorientierte und gleichzeitig mobile Senioren sind Seitenteile grundsätzlich ungeeignet. Die Gefahr des Darübersteigens ist zu groß.

Ziele:

  • Der Einsatz von permanent hochgefahrenen Bettseitenteilen wird auf ein absolutes Minimum reduziert.
  • Wenn der Einsatz von Bettseitenteilen unverzichtbar ist, werden Gefahrensituationen vermieden.
  • Für die Nutzung von Bettseitenteilen gibt es eine klare Rechtsgrundlage. Es ist jederzeit klar, ob und in welchem Umfang Bettseitenteile eingesetzt werden dürfen.

Vorbereitung:

Organisation

  • Wenn wir ein neues Modell von Pflegebetten erstmals in unserer Einrichtung nutzen, weisen wir alle Mitarbeiter in die Bedienung ein. Dieses ist Aufgabe des Medizinproduktebeauftragten. Zudem muss sich jede Pflegekraft mit der Betriebsanleitung des Pflegebetts vertraut machen.
  • Die richtige Nutzung von Bettseitenteilen ist Bestandteil der Einarbeitung neuer Mitarbeiter.
  • Wir führen regelmäßige Pflegevisiten durch, um die korrekte Durchführung zu überprüfen.
  • Nur eine Minderheit der Bewohner ist willens, “ohne Weiteres” in das Hochfahren der Bettseitenteile einzuwilligen. Die Zustimmungsquote lässt sich steigern, indem Betroffenen detailliert die Vorzüge erklärt werden. Insbesondere bei drohenden Krampfanfällen u. Ä. ist die Zustimmung dann leichter zu erhalten.

Material

  • Wir nutzen nur moderne Pflegebetten, deren Seitenteile die aktuellen Industrienormen erfüllen. Hier sind etwa die maximalen Spaltmaße zwischen der Liegefläche und dem Bettseitenteil festgelegt.
  • Wir verwenden nur geeignete, nicht zu weiche Matratzen nach DIN 13014 mit einer Höhe von zehn bis maximal zwölf Zentimetern.
  • Wir nutzen technisch einwandfreie, intakte Seitengitter, die sicher einrasten. Diese müssen als Zubehör für das jeweilige Bettenmodell freigegeben oder bereits im Bett integriert sein.
  • Pflegebetten mit defekten Seitenteilen werden nicht mehr verwendet. Wir leiten stattdessen eine Reparatur durch eine Fachwerkstatt ein.

rechtliche Einordnung

  • Die Nutzung von Bettseitenteilen (in Kombination mit Haltegurten) zur Fixierung ist nur dann statthaft, wenn alle milderen Alternativen ausgeschöpft wurden. Insbesondere muss die Nutzung eines Niedrigbetts, von Hüftprotektoren oder von zusätzlichen Vorlegematten geprüft werden.
  • Eine potenzielle Freiheitsentziehung liegt nur vor, wenn die Bettseitenteile an beiden Seiten hochgefahren werden. Oder wenn das Bett mit einer Seite an der Wand steht und das Bettseitenteil der gegenüberliegenden Seite hochgestellt wird.
  • Die Frage, ob ein richterlicher Beschluss eingeholt werden muss, ist von verschiedenen Faktoren abhängig:
    • Zunächst muss geklärt werden, ob dem Betroffenen die Freiheit überhaupt entzogen werden kann. Wenn der Bewohner noch in der Lage ist, sich aus einem Sessel zu erheben oder neben dem Bett zu stehen, würde ihn ein Bettgitter in seiner Freizügigkeit einschränken. Der Richter müsste daher zustimmen, bevor die Seitenteile dauerhaft hochgefahren werden.
    • Viele Krankheitsbilder führen jedoch dazu, dass der Bewohner keine zielgerichteten Bewegungen ausführen kann; also etwa bei umfassenden Lähmungen. In diesem Fall dient das Bettseitenteil nur dem Zweck, den Pflegebedürftigen davor zu schützen, nach einer unwillkürlichen Drehbewegung aus dem Bett zu fallen.
    • Ein weiterer Faktor ist die Einwilligungsfähigkeit. Der Bewohner muss also verstehen, welchem Zweck das Hochfahren der Bettseitenteile dient und welche Gefahren drohen, wenn darauf verzichtet wird. Im Zweifel sollte der behandelnde Hausarzt die Einwilligungsfähigkeit feststellen. Ist diese gegeben, kann der Bewohner selbst (und ohne Richter) wirksam darüber entscheiden, ob das Bettgitter hochgefahren wird.
    • Zu unserer rechtlichen Absicherung muss die Einwilligung des Bewohners schriftlich vorliegen.
    • Ist der Bewohner zwar bewegungsfähig, aber nicht einwilligungsfähig, ist ein richterlicher Beschluss notwendig. Nur im Notfall können für kurze Zeit (i. d. R. 24 Stunden) ohne richterliche Zustimmung die Bettseitenteile hochgefahren werden; also insbesondere bei Selbstgefährdung.
    • Wenn absehbar ist, dass die Maßnahme über einen längeren Zeitraum durchzuführen ist, muss das Gericht zeitnah informiert werden.
    • Nicht genehmigungspflichtig ist das Hochfahren der Bettseitenteile im Rahmen von Pflegemaßnahmen, wie etwa der Ganz- oder der Teilwäsche im Bett. Dieses setzt voraus, dass die Bettseitenteile nach Abschluss der Maßnahme sofort wieder gesenkt werden.

    • Ggf. nutzen wir ein Teilbettgitter am Kopfende des Betts. Dieses schützt vor einem Sturz aus dem Bett und beugt gleichzeitig der Gefahr des Darübersteigens vor. Geteilte Bettseitenteile, die den Betroffenen nicht davon abhalten, das Bett am Fußende selbst zu verlassen, bedürfen keiner richterlichen Genehmigung.

Alternativen zum Bettgitter

In vielen Fällen kann das Hochfahren von Bettseitenteilen vermieden werden.

  • Das Bettseitenteil wird nur an einer Seite hochgefahren. Wir legen eine gerollte Bettdecke oder eine sog. "Poolnudel" unter die Matratze auf der gegenüberliegenden Matratzenseite. Die Matratze hebt sich dadurch an der Bettkante etwas an. Es entsteht ein Gefälle, das die Gefahr eines nächtlichen Herausrollens aus dem Bett deutlich senkt.
  • Wir lagern den Bewohner in einer Nestlagerung. Dafür wird auf beiden Seiten des Körpers je eine Lagerungsschlange "anmodelliert". Die Lagerungsschlangen halten den Bewohner in Position und verhindern den Sturz aus dem Bett.
  • Zusätzlich dazu kann eine Sportmatte vor dem Bett des Bewohners abgelegt werden. Diese dämpfen einen etwaigen Sturz und bieten gleichzeitig guten Halt, wenn man auf ihnen steht.
  • Eine weitere Alternative sind Niederflurbetten. Diese können bis auf Bodennähe heruntergefahren werden. Stürze aus großer Höhe sind dann nicht mehr zu befürchten.
  • Ist kein Niederflurbett verfügbar, legen wir ggf. die Matratze direkt auf den Boden. Zur besseren Durchlüftung der Matratze kann der Lattenrost untergelegt werden. Ein solches "Bettnest" wird insbesondere gerne von Demenzpatienten angenommen. Nachteilig ist, dass Pflegemaßnahmen für die Mitarbeiter anstrengender sind und den Rücken zusätzlich belasten.
  • In vielen Fällen ist auch der Einsatz von breiteren Betten erfolgsversprechend. Die meisten Pflegebetten sind 90 Zentimeter breit. Wer bislang breitere Betten gewöhnt war, kann sich schon mit einer unbedachten Drehbewegung selbst aus dem Bett befördern. Die Nutzung von Betten mit einer Breite von 100 oder besser 120 Zentimetern kann viele Bettgitter überflüssig machen.
  • Oftmals soll durch Bettseitenteile verhindert werden, dass Bewohner in der Nacht unbemerkt aus dem Bett aufstehen und im Wohnbereich umherirren oder auf dem Weg zur Toilette stürzen. In diesem Fall sind Sensor- und Klingelmatten die deutlich sinnvollere Option. Damit wird zwar kein Sturz verhindert, dafür aber ist sichergestellt, dass der Bewohner direkt nach dem Aufstehen von einer Pflegekraft unterstützt werden kann.
  • Hinzu kommen die Maßnahmen der klassischen Sturzprophylaxe, also etwa Stoppersocken, Hüftprotektoren sowie Balance- und Gleichgewichtstraining.

Durchführung:

anstellen und absenken der Bettseitenteile

(Hinweis: Die korrekte Durchführung wird je nach Modell abweichen.)

  • Wir stellen vor dem Absenken oder Anheben der Bettseitenteilholme sicher, dass sich keine Gliedmaßen des Bewohners im Bewegungsbereich der Holme befinden. Wir vermeiden dadurch Quetschungen und Verletzungen.
  • Anstellen des Seitenteils: Wir ziehen die Bettseitenteilholme hoch, bis diese in der obersten Position an beiden Enden hörbar einrasten. Es sollte dann nicht mehr möglich sein, diese nach unten zu verschieben. Wir kontrollieren das korrekte Einrasten durch Druck auf die Bettseitenteilholme von oben.
  • Absenken des Seitenteils: Wir heben die Bettseitenteilholme ein Stück an. Die Pflegekraft drückt nun den Entriegelungshebel und senkt die Bettseitenteilholme behutsam ab. Die Bettseitenteile werden nicht ungebremst fallen gelassen. Die Pflegekraft führt das Bettseitenteil beim Absenken mit der zweiten Hand bis zur unteren Rastung.
  • Das Kopf- und das Fußende des Bettseitenteils werden immer in die gleiche Höhe gebracht.

weiteres

  • Bei bewegungsunruhigen Bewohnern wird zum Schutz vor Verletzungen eine Polsterung am Bettseitenteil angebracht. Diese verhindert das Einklemmen von größeren Gliedmaßen oder das Strangulieren. Es kann aber dennoch dazu kommen, dass sich der Bewohner eine Hand oder einen Fuß einklemmt.
  • Bei besonders kleinen oder untergewichtigen Bewohnern ist ggf. ein zusätzlicher Schutz zur Verringerung der Seitenteilspaltabstände erforderlich. Wir verwenden dann z. B. Schutzpolster.
  • Eine Polsterung führt auch zu einer deutlichen Einschränkung des Sichtfelds. Damit wird ggf. einer Deprivation Vorschub geleistet.
  • Falls Antidekubitusmatratzen oder andere Patientenlagerungssysteme genutzt werden, kann ggf. die wirksame Höhe der Seitengitter von mindestens 22 Zentimetern über der unbelasteten Matratze nicht garantiert werden. In diesem Fall muss ein Aufsatz auf die Bettseitenteile zum zusätzlichen Schutz gegen das Herausfallen des Bewohners aus dem Bett installiert werden (sog. "Seitengittererhöhung").
  • Die Mechanik des Bettseitenteils ist regelmäßig auf etwaige Beschädigungen zu kontrollieren. Diese Prüfung sollte nicht nur vor dem Anbringen der Bettseitenteile erfolgen, sondern auch regelmäßig während der Nutzung.
  • Wenn Bettseitenteile genutzt werden, sperren wir die elektrische Lageverstellung des Betts. Es besteht sonst Quetschgefahr der Gliedmaßen.
  • Wir achten strikt darauf, dass die Rufanlage in Reichweite des Bewohners abgelegt wird.
  • Als alleiniges Mittel zur Fixierung sind Bettseitenteile nicht geeignet. Die Pflegekraft sollte stets bedenken, dass es immer dazu kommen kann, dass Senioren in einem Moment ihre Kräfte und ihre Willensstärke bündeln könnten. Bewohner, die über Monate kaum in der Lage waren, sich seitlich zu drehen, überklettern dann unvermittelt ein Bettseitenteil. Dieses etwa, wenn sie im Wahn um ihr Leben fürchten, z.B. weil sie glauben, dass ihr Bett in Flammen steht.
  • Bewohner, deren Bettseitenteile hochgefahren werden, müssen möglichst engmaschig überwacht werden.

Nachbereitung:

  • Alle Beobachtungen werden sorgfältig dokumentiert.
  • Die Pflegeplanung / Maßnahmenplanung des Bewohners wird regelmäßig aktualisiert; insbesondere hinsichtlich der Nutzung des Bettgitters und der Haltegurte.

Dokumente:

  • Pflegebericht
  • Pflegeplanung / Maßnahmenplanung
  • Betriebsanleitung des Pflegebettes
  • Zubehörliste des Herstellers

Verantwortlichkeit / Qualifikation:

  • alle Mitarbeiter



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