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Pflegestandard "chronische Niereninsuffizienz"

Eine Niereninsuffizienz bleibt lange Zeit unentdeckt - nur um dann umso gravierender in die Lebensqualität einzugreifen. Viele betroffene Senioren stellen auf stur. Denn selbst eine strikte Befolgung der strengen Ernährungsvorschriften bewahrt einen Betroffenen mitunter nicht vor der Dialyse. Pflegekräfte stehen vor einer schweren Aufgabe.


Pflegestandard "chronische Niereninsuffizienz"


Definition:

  • Mit steigendem Lebensalter nimmt die Leistungsfähigkeit der Nieren schrittweise ab. Pro Jahr reduziert sich die Entgiftungsleistung des Organs um rund ein Prozent. Bei hochbetagten Senioren ist daher auch ohne Grunderkrankungen und typische Symptome davon auszugehen, dass die Nieren nur noch einen Bruchteil der ursprünglichen Leistung erbringen.
  • Bei einer chronischen Niereninsuffizienz ist diese Entwicklung deutlich beschleunigt. Die Degeneration des Nierengewebes erfolgt innerhalb von Monaten oder wenigen Jahren. Im Gegensatz zur akuten Niereninsuffizienz ist der Funktionsverlust unumkehrbar.
  • Die Nieren haben große Reservekapazitäten. Erst wenn 50 Prozent des Nierengewebes beeinträchtigt sind, werden die körperlichen Folgen spürbar. Entsprechend spät erfolgt ggf. die ärztliche Diagnose. Die Nierenschädigung fällt zumeist zufällig bei Blutuntersuchungen auf.
  • Die chronische Niereninsuffizienz wird in fünf Stadien eingeteilt. Das Organversagen beginnt zunächst asymptomatisch mit dem ersten Stadium. Im weiteren Krankheitsverlauf reduziert sich das Leistungsvermögen der Nieren schrittweise. Das fünfte Stadium ist bei einer terminalen Niereninsuffizienz erreicht, wenn die Funktionsfähigkeit der Nieren vollständig erloschen ist.
(Hinweis: Dieser Standard ist ausgerichtet auf Bewohner, die noch keine Dialyse benötigen. Die Versorgung von dialysepflichtigen Senioren ist in separaten Standards definiert, etwa im Standard "Pflege von Senioren mit einem Shunt".)

Grundsätze:

  • Wir wägen stets ab zwischen den Einschränkungen, die sich aus der Krankheit ergeben, und der Lebensqualität des Bewohners. Wir respektieren den Wunsch des Bewohners, wenn sich dieser maßvoll über Diätvorschriften hinwegsetzen will. Eine Heilung der Krankheit ist selbst bei vollständiger Kooperation nicht zu erwarten.
  • Wir arbeiten eng mit dem Hausarzt zusammen und besprechen sorgfältig jede Änderung der Versorgung. Ohne Zustimmung des Arztes werden insbesondere keine Medikamente abgesetzt.
  • Wenn sich der Gesundheitszustand eines Bewohners relevant verschlechtert, wird umgehend der Arzt / Notarzt gerufen.

Ziele:

  • Die harnpflichtigen Substanzen im Blut werden reduziert.
  • Eine Hypertonie wird abgebaut.
  • Ödeme werden ausgeschwemmt.
  • Eine Mangelernährung wird vermieden.
  • Ein Fortschreiten der Nierenerkrankung wird verlangsamt oder komplett gestoppt.

Vorbereitung:

Risikofaktoren

Wir prüfen, welche Risikofaktoren beim Bewohner vorhanden sind. Bei einer hohen individuellen Gefährdung ist es wichtig, die Funktion der Nieren regelmäßig vom Arzt prüfen zu lassen. Je mehr Risikofaktoren vorliegen, umso wahrscheinlicher ist es, dass auftretende verdächtige Symptome tatsächlich auf eine chronische Niereninsuffizienz weisen. Folgende Kriterien sind relevant:

  • Der Bewohner leidet unter Diabetes mellitus.
  • Es liegen chronische Entzündungen wie Glomerulonephritis (Entzündung der Nierenkörperchen) oder Pyelonephritis (Entzündung des Nierenbeckens) vor.
  • Der Bewohner hat über mehrere Jahre in größeren Mengen Schmerzmittel eingenommen; zum Beispiel Paracetamol.
  • Der Bewohner leidet unter Bluthochdruck (Hypertonie).
  • In der Vergangenheit erfolgte bereits einmal eine Harnsteinbehandlung.
  • Der Bewohner leidet unter Nierentumoren oder unter Nierenarterienstenosen.

Symptome

Wir achten auf die Symptome einer chronischen Niereninsuffizienz:

  • Auf der Haut des Bewohners bilden sich kleine Kristalle, die einen quälenden Juckreiz auslösen.
  • Die Haut des Bewohners ist trocken, schuppig und hat eine gelb-graue Farbe.
  • Der Bewohner zeigt Symptome einer Anämie (Blutarmut).
  • Der Bewohner riecht aus dem Mund nach Urin.
  • Der Bewohner klagt oft über Übelkeit. Er muss sich übergeben.
  • Es kommt immer häufiger zu Durchfällen.
  • Der Appetit des Bewohners ist erheblich beeinträchtigt. Das Geschmacks- und Geruchsempfinden des Bewohners ist gestört.
  • Die Blutungsneigung ist erhöht. Schon geringe Krafteinwirkungen von außen führen beim Pflegebedürftigen zu Hämatomen.
  • Wir bemerken krankhafte Veränderungen an den Knochen des Bewohners.
  • Der Blutdruck des Bewohners ist erhöht. Er berichtet zudem über “Herzstolperer”.
  • Der Pflegebedürftige klagt häufig über Kopfschmerzen. Er ist unkonzentriert und leidet unter Gedächtnisstörungen.
  • Es kommt zu Bewusstseinseinschränkungen bis hin zu komatösen Zuständen.
  • Der Bewohner erleidet Krampfanfälle.
  • Am Körper des Bewohners werden durch die Überwässerung Ödeme sichtbar. Die Wassereinlagerungen in den Beinen oder in den Armen bilden sich auch dann nicht zurück, wenn die Extremität erhöht gelagert wird.

Durchführung:

Medikamentöse Therapie

  • Bei einer Niereninsuffizienz werden Medikamente verlangsamt ausgeschieden. Sie bleiben also länger im Körper und können sich bei konstant anhaltender Medikamentenzufuhr anhäufen. Es kommt zu einer sog. „Kumulation“ im Blut. Letztlich kann die Konzentration ein toxisches Niveau erreichen. Wenn Medikamente über die Nieren ausgeschieden werden, müssen diese also ggf. niedriger dosiert werden.
  • Vor allem Digitalisglykoside werden schnell überdosiert. Die Folge sind Herzrhythmusstörungen, Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen sowie Verwirrtheitszustände. Daher muss die Wirkung der Digitalisglykoside nach der Einnahme überwacht und dokumentiert werden. Die Dosierung muss kritisch hinterfragt und ggf. gemeinsam mit dem behandelnden Arzt angepasst werden.
  • Bei den meisten Betroffenen ist eine Behandlung der Hypertonie notwendig. Dafür werden häufig ACE-Hemmer eingesetzt. Diese haben eine schützende Wirkung auf die Nieren. 
  • Wir stellen sicher, dass der Bewohner die Medikamente zur Blutdrucksenkung regelmäßig einnimmt. Überdies wird der Blutdruck engmaschig überwacht. Wir verdeutlichen dem Bewohner, dass ein gut eingestellter Blutdruck ein Fortschreiten der Niereninsuffizienz verlangsamt.
  • Zur Regulation der Flüssigkeitsausscheidung werden Diuretika eingesetzt.
  • Wir stellen sicher, dass alle behandelnden Ärzte über die chronische Niereninsuffizienz informiert sind. Es ist wichtig, dass keine Nieren schädigenden Substanzen verschrieben werden, zum Beispiel NSAR.
  • Die eigenmächtige Einnahme von Medikamenten muss strikt unterbleiben. Insbesondere sollte der Bewohner darauf verzichten, Schmerzmittel ohne ärztliche Rücksprache zu konsumieren.

Beobachtung des Bewohners / Selbstbeobachtung

  • Es ist wichtig, den Zustand des Bewohners engmaschig zu überwachen. Relevante Beobachtungen werden zeitnah dem Hausarzt mitgeteilt. Bei bedrohlichen Veränderungen wird der Notarzt informiert.
  • Die Bildung von Ödemen ist eine häufige Folge der chronischen Niereninsuffizienz. Es ist wichtig, diese Flüssigkeitsansammlungen rechtzeitig zu erfassen. Periphere Ödeme, etwa an den Armen oder an den Beinen, sind einfach zu erkennen, da die Extremitäten erheblich anschwellen.
  • Ödeme im Bereich der Lunge führen zu einer Störung der Atemfunktion. Der Bewohner klagt über Kurzatmigkeit oder über Luftnot bei körperlicher Anstrengung, also etwa beim Treppensteigen.
  • Das Gewicht des Bewohners wird einmal täglich unter vergleichbaren Bedingungen ermittelt. Also etwa morgens nach dem Toilettengang vor dem Frühstück. Eine plötzliche Gewichtszunahme von mehreren Hundert Gramm pro Tag deutet auf eine Wasserverschiebung und somit auf eine Verschlechterung der Nierenfunktion hin.
  • Wenn die Haut des Bewohners blass wirkt oder wenn der Bewohner über Juckreiz klagt, sind das mögliche Anzeichen einer einsetzenden Urämie (“Harnvergiftung”).
  • Ödeme haben oftmals eine kreislaufbelastende Wirkung. Die Vitalwerte des Bewohners werden daher regelmäßig kontrolliert. Dazu zählen insbesondere der Puls, der Blutdruck und die Atmung.
  • Eine Verschlechterung der Nierenfunktion führt bei vielen Betroffenen zu Knochenschmerzen. Sie wirken müde oder benommen. Der Bewohner klagt über Taubheitsgefühl oder über ein Kribbeln in den Beinen.
  • Aufgrund der Immobilität ist das Risiko erhöht, dass der Bewohner einen Dekubitus, eine Thrombose oder eine Obstipation erleidet. Die entsprechenden Prophylaxestandards werden gewissenhaft umgesetzt.

Ernährung

  • Der Bewohner sollte sich eiweißarm ernähren. Eine frühzeitige Reduktion der Eiweißzufuhr auf 0,6 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht wirkt sich günstig auf die Nierenrestfunktion aus.
  • Wenn beim Bewohner ein erhöhter Phosphatwert festgestellt wurde, sollte er den Konsum von Nüssen, Milch, Milchprodukten, Vollkornprodukten, Fleisch und Fertigprodukten einschränken.
  • Pflegebedürftige mit erhaltener Diurese (Harnausscheidung durch die Nieren) sollten rund zweieinhalb Liter pro Tag trinken. Durch eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr können harnpflichtige Substanzen verdünnt werden. Wenn die Erkrankung weiter fortschreitet, lässt sich die Diurese mit Schleifendiuretika angeregen.
  • Der empfohlene Salzkonsum ist davon abhängig, wie hoch der Salzverlust über die Nieren ist. Gegebenenfalls soll der Bewohner auf Konserven, auf Fertiggerichte, auf Räucherwaren und auf salzige Knabbereien verzichten. Eine salzarme Ernährung ist nicht in jedem Fall notwendig.
  • Wenn der Bewohner unter Ödemen leidet, ist es sinnvoll, den Salzkonsum zu beschränken. Die individuellen Obergrenzen werden vom Arzt vorgegeben. Wir führen ggf. eine Flüssigkeitsbilanzierung durch.
  • Der Bewohner sollte den Nikotin- und Alkoholkonsum einstellen.
  • Wir berücksichtigen - sofern möglich - die Getränkewünsche des Bewohners. Die Flüssigkeitsaufnahme sollte über den ganzen Tag gleichmäßig verteilt sein.
  • Der Bewohner sollte Lebensmittel mit einem hohen Kaliumanteil meiden. Dazu zählen etwa Bananen, Tomaten, Aprikosen, Dörrobst, weiße Bohnen, Linsen, Kresse, Kürbis, Grünkohl, Blumenkohl, Artischocken, Endivien, Kartoffeln, Nüsse und Schokolade.

Körperpflege

  • Trotz bester Pflege lässt es sich in fortgeschrittenen Krankheitsstadien nicht vermeiden, dass der Nierenkranke nach Urin riecht. Daher ist eine sorgfältige Körperpflege wichtig.
  • Der urinähnliche Mundgeruch kann teilweise neutralisiert werden. Wir führen mehrmals täglich eine umfassende Mundpflege durch und nutzen dafür erfrischendes Mundwasser.
  • Bei Urämie auftretender Juckreiz kann mit kühl-feuchten Umschlägen sowie mit Bädern gelindert werden.
  • Die Haut von Senioren mit chronischer Niereninsuffizienz ist zumeist sehr dünn, trocken und empfindlich, weil sich im Gewebe harnstoffpflichtige Stoffe einlagern. Entsprechend vorsichtig muss die Körperpflege erfolgen.

weitere Maßnahmen

  • Wir helfen dem Bewohner bei der Verarbeitung von Ängsten. Wir stehen ihm jederzeit für ein Gespräch zur Verfügung. Wir hören aktiv zu und lassen den Bewohner bestimmen, über welche Themen er reden möchte.
  • Wir ermuntern den Bewohner, soziale Kontakte weiterhin zu pflegen.
  • Wir beziehen die Angehörigen aktiv ein. Wir informieren über das Krankheitsbild sowie über die sich daraus ergebenden Folgen, wie etwa die Diät.
  • Solange sich der Bewohner belastbar fühlt, kann und sollte er sich maßvoll körperlich bewegen.
  • Viele Betroffene schlafen besser, wenn in der Nacht das Kopfteil des Bettes etwas hochgestellt wird.

Nachbereitung:

Allgemeine Maßnahmen

  • Der Zustand des Bewohners wird engmaschig überwacht. Die Ergebnisse werden dokumentiert.
  • Alle relevanten Veränderungen werden umgehend dem Hausarzt mitgeteilt.
  • Die Pflegeplanung wird regelmäßig aktualisiert und auf Umsetzbarkeit kontrolliert.

Prognose

  • Mit einer frühzeitigen konservativen Therapie kann eine Niereninsuffizienz auch über einen längeren Zeitraum kompensiert werden. Dennoch ist diese Störung nicht heilbar. Langfristig sind viele Betroffene auf eine Dialysebehandlung oder auf eine Nierentransplantation angewiesen. Aktuell werden in Deutschland rund 70.000 Menschen dialysiert.
  • Die häufigste Todesursache bei Senioren mit chronischer Niereninsuffizienz ist nicht das urämische Koma. Die meisten Betroffenen sterben am Herzversagen oder am Lungenödem als Folge der Hyperhydration.

Dokumente:

  • Berichtsblatt
  • Fragen an den Arzt / ärztliche Verordnungen
  • Vitaldatenblatt
  • Pflegenachweis
  • Flüssigkeitsbilanzierung / Trinkprotokoll
  • Mobilisierungs- und Bewegungsplan
  • Pflegeplanung

Verantwortlichkeit / Qualifikation:

  • alle Pflegekräfte



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