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Standard "Fallbesprechung" (stationäre Pflege)
Instrumente
wie Pflegevisiten, Dienstübergaben oder Fallbesprechungen zählten
bislang zu den - etwas angestaubten - Klassikern des
Qualitätsmanagements. Mit Einführung der entbürokratisierten
Pflegedokumentation und der neuen Pflegegrade gewinnen Werkzeuge zur
Informationsweitergabe wieder erheblich an Bedeutung.
Standard "Fallbesprechung" (stationäre Pflege)
Definition:
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Eine Fallbesprechung ist eine rund
zwanzigminütige Versammlung mehrerer Pflegekräfte, dessen zentrales
Thema die Pflegesituation eines bestimmten Bewohners ist. Am Treffen
nehmen auch Mitarbeiter weiterer Funktionsbereiche teil, falls diese an
der Pflege und an der Versorgung des jeweiligen Senioren beteiligt sind. Falls
möglich werden zusätzlich der behandelnde Arzt und externe Therapeuten
dazu gebeten.
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Wir verstehen Fallbesprechungen als ein
zentrales Instrument zur Sicherung der internen Qualität.
Fallbesprechungen dienen dazu, dass alle beteiligten Mitarbeiter einen
einheitlichen Wissensstand zu Pflegeproblemen und zu Ressourcen jedes
Bewohners haben. Gleichzeitig gilt es, gemeinsame Lösungsstrategien zu
entwickeln, die vom gesamten Team mitgetragen werden.
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Fallbesprechungen sind geeignete Instrumente,
um neu eingestellte Pflegekräfte oder Auszubildende mit der
Pflegesituation einzelner Bewohner vertraut zu machen.
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Dieses ist insbesondere wichtig bei
Krankheitsbildern wie Demenz, die mit herausforderndem und
risikogeneigtem Verhalten verbunden sind. Da hier Sichtweisen
verschiedener Mitarbeiter zusammengefügt werden, entsteht häufig für
alle ein ganz neues Bild von der Realität des Pflegebedürftigen.
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In den meisten Fällen kristallisieren sich dann
ganz von allein konkrete Strategien und Maßnahmen heraus, die dann vom
ganzen Team mitgetragen werden.
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Eine Fallbesprechung ist abzugrenzen von einem
(eher beiläufigen) Gespräch etwa während der Kaffeepause oder im Rahmen
einer Dienstübergabe. Solche Diskussionen entstehen im Gegensatz zu
einer Fallbesprechung aus der Situation heraus, sind also nicht geplant
und werden auch nicht extra protokolliert.
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Im Gegensatz zu einer Pflegevisite wird eine
Fallbesprechung ohne den Bewohner, dafür aber ggf. mit anderen
Professionen und Funktionsbereichen durchgeführt.
Grundsätze:
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Alle Teilnehmer konzentrieren sich auf ihre
Aufgabe. Gegenstand der Diskussion ist ausschließlich die pflegerische
Situation des Bewohners.
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Fallbesprechungen leben von den
unterschiedlichen Wahrnehmungen und Erfahrungen aller Teilnehmer. Die
Beiträge aller Mitarbeiter können dabei durchaus subjektiv gefärbt
sein. Auch kleine und unscheinbare Informationen können relevant sein.
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Für alle Pflegekräfte sind die in einer
Fallbesprechung definierten Maßnahmen bindend, sobald diese in der
Pflegeplanung / Maßnahmenplanung eingetragen sind. Eine Pflegekraft
weicht davon nur ab, wenn dieses zwingend notwendig ist; also etwa,
falls die Gesundheit eines Pflegebedürftigen bedroht ist. Die
individuelle Verantwortung jeder Pflegekraft für ihr persönliches
Verhalten bleibt also erhalten.
Ziele:
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Jeder Bewohner wird regelmäßig zum Thema einer
Fallbesprechung.
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Alle für die Pflege relevanten Informationen
werden ausgetauscht.
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Gemeinsam werden Ideen, Vorschläge und
Lösungswege erarbeitet.
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Denkblockaden in Problemsituationen werden im
gemeinsamen Gespräch bewusst gemacht und abgebaut.
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Die Wirksamkeit von Behandlungsstrategien wird
überprüft.
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Arbeitsabläufe bei der Versorgung eines
Bewohners werden optimiert.
-
Die Bewohnerzufriedenheit und die
Mitarbeiterzufriedenheit werden gesteigert.
Vorbereitung:
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Die Fallbesprechung kann zeitlich an die
Schichtübergabe gekoppelt werden. Ideal ist der Übergang von der Früh-
zur Spätschicht, da sich viele Bewohner nach dem Mittagessen hinlegen
und die Arbeitsbelastung vergleichsweise gering ist. Wenn eine
Fallbesprechung mit der Dienstübergabe verbunden wird, sollte die
Dienstübergabe auf das Wesentliche beschränkt werden, damit für die
Fallbesprechung mehr Zeit bleibt.
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Die Häufigkeit der routinemäßig angesetzten
Fallbesprechungen ist abhängig vom Pflegegrad des Bewohners. Liegt ein
Pflegegrad von 1, 2 oder 3 vor, findet eine Fallbesprechung alle sechs
Monate statt. Ist ein Bewohner in die Pflegegrade 4 oder 5 eingestuft,
wird er alle drei Monate zum Thema einer Fallbesprechung.
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Ggf. kann eine Fallbesprechung kurzfristig
angesetzt werden. Dieses etwa, wenn der behandelnde Hausarzt oder
Therapeut im Haus ist und dazu bereit ist, sich an einer
Fallbesprechung zu beteiligen.
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Fallbesprechungen erfolgen zudem zur
Vorbereitung einer Begutachtung zur Vergabe eines Pflegegrads. Sie
können auch angesetzt werden, wenn sich der Zustand eines Bewohners
kurzfristig verändert hat und die Pflege neu ausgerichtet werden muss.
Ein weiterer Anlass für eine Fallbesprechung sind berechtigte
Beschwerden etwa durch Angehörige.
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Von erheblicher Bedeutung sind
Fallbesprechungen bei ethischen Problemen mit erheblicher Tragweite.
Innerhalb des rechtlichen Entscheidungsraums können Pflegekräfte eine
gemeinsame Problemlösung entwickeln. Ein Beispiel: Ein alkoholkranker
Bewohner möchte, dass Pflegekräfte für ihn Spirituosen kaufen.
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Die Moderation sollte von der Bezugspflegekraft
übernommen werden. Alternativ fungiert die Pflegedienstleitung oder die
Wohnbereichsleitung als Moderator.
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Die Pflegedokumentation liegt für jeden
einsehbar während der Fallbesprechung auf dem Tisch. Es ist wichtig,
dass alle relevanten Unterlagen bereitliegen. Wenn eine Fallbesprechung
aufgrund fehlender Informationen abgebrochen werden muss, ist das für
alle Beteiligten sehr frustrierend.
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Der Besprechungstermin wird per Hauspost allen
beteiligten Mitarbeitern rechtzeitig bekannt gegeben. Falls sinnvoll
werden auch externe Partner eingeladen; also etwa Therapeuten,
Seelsorger oder Betreuer. (Die Anwesenheit von Ärzten bei einer
Fallbesprechung ist eine absolute Rarität. Dieses liegt am Zeitmangel
ebenso wie am mangelnden Bewusstsein vieler Ärzte für die Rolle der
Pflege.)
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Wir prüfen, ob Angehörige ebenfalls zur
Fallbesprechung eingeladen werden sollten. (Dieser Punkt sollte
grundsätzlich im Team besprochen werden. Im Sinne des
Informationsaustausches ist die Beteiligung von Angehörigen sinnvoll.
Mitunter ist es für Angehörige jedoch schwierig, in der Fallbesprechung
die notwendige persönliche Distanz und Sachlichkeit zu wahren.)
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Es sollte sichergestellt sein, dass alle
Beteiligten pünktlich erscheinen und bis zum Ende der Fallbesprechung
bleiben können. Ein ständiges Kommen und Gehen ist zu vermeiden.
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Der Moderator wählt den passenden Ort für die
Besprechung aus. Dieser sollte genug Platz für die Mitarbeiter, ein
Flipchart usw. bieten.
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Der Moderator stellt das notwendige Material
bereit. Dazu zählen insbesondere farbige Pappkarten, Stifte, Magnete
usw.
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Eine Pflegekraft bleibt für Bewohner,
Angehörige und externe Partner als Ansprechpartner im Wohnbereich
verfügbar. Die Fallbesprechung sollte nicht ohne zwingenden Grund
gestört oder gar unterbrochen werden.
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Vor dem Besprechungsraum wird ein "Bitte nicht
stören"-Schild angebracht.
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Schnurlose Telefone und Smartphones werden
umgeleitet bzw. abgeschaltet.
Durchführung:
"roter Faden"
Es ist sinnvoll, die
Fallbesprechung inhaltlich zu gliedern. Etwa:
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Die Teilnehmer werden begrüßt.
-
Eine Pflegekraft wird damit beauftragt, ein
Protokoll über die Ergebnisse der Fallbesprechung zu erstellen.
(Hinweis: Sie können dafür unser Musterprotokoll nutzen. Viele
Dokumentationsanbieter haben überdies eigene Musterprotokolle im
Angebot.)
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Der Moderator stellt den Bewohner vor und fasst
die wesentlichen Fakten zu seinem Krankheitsbild und den verbliebenen
Ressourcen zusammen. (In der Literatur wird der Moderator oft als
“Fallbringer” bezeichnet.) Er stützt sich dabei auch auf die
Pflegedokumentation; insbesondere auf die Pflegeplanung bzw. auf die
Maßnahmenplanung. Relevant sind zudem auch juristische Aspekte wie etwa
eine bestehende Betreuung oder Vorgaben zur Fixierung.
-
Der Moderator erklärt, warum der Bewohner das
Thema dieser Fallbesprechung ist. Er benennt die Probleme, die sich aus
dem Gesundheitszustand des Bewohners ergeben. Es können auch Hinweise
von externen Personen einfließen, etwa von Angehörigen, die relevante
Beobachtungen gemacht haben.
-
Der Moderator trägt auch die Eigeneinschätzung
des Bewohners vor, soweit ihm diese bekannt ist.
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Der Moderator fragt, ob andere Teilnehmer über
ergänzende Informationen zum Zustand des Bewohners verfügen. Es darf in
dieser “Blitzlicht-Phase” ausdrücklich neben nachprüfbaren Fakten auch
das “Bauchgefühl” angesprochen werden.
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Jeder aus der Teilnehmergruppe darf nun
Verständnisfragen stellen.
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Die Teilnehmer diskutieren über Faktoren, die
das Problem positiv oder negativ beeinflussen.
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Gemeinsam werden die Ziele definiert. Dabei
sind insbesondere diese Kriterien relevant:
-
Ist das Ziel erreichbar und wünschenswert?
-
Sind die Ziele mit realistischem Aufwand
umsetzbar?
-
Wird der Bewohner den Zielen und den
Maßnahmen zur Umsetzung zustimmen?
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Welche Erwartungen hinsichtlich des
Krankheitsverlaufs sind realistisch?
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Der Moderator sammelt Lösungsvorschläge.
Diese können auf einem Flipchart oder auf Pappkarten visualisiert
werden.
-
Die Teilnehmer beraten darüber, welche Ideen
sich umsetzen lassen und welche Einzelschritte dafür erforderlich sind.
Wir prüfen, welche anderen Funktionsbereiche (Hauswirtschaft, soziale
Dienste) eingebunden werden müssen.
-
Der Moderator sortiert die Ideen nach
Praxistauglichkeit. Ein weiteres Kriterium ist die Priorität. Wenn also
im jeweiligen Bereich dringender Handlungsbedarf besteht, hat dieses
Ziel Vorrang.
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Die ersten Interventionsmaßnahmen werden
geplant.
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Die Teilnehmer einigen sich auf einen
Folgetermin.
anzusprechende Themen
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Medizinische Behandlungspflege und
Zusammenarbeit mit dem Hausarzt, etwa
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aktuelle ärztliche Diagnosen
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aktueller Zustand des Bewohners
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Auswikungen des gesundheitlichen Zustands auf
die Lebensqualität, etwa Schmerzen oder Mobilitätseinschränkungen
-
Prognose des Hausarztes über die weitere
gesundheitliche Entwicklung
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geplante medizinische Maßnahmen; etwa
anstehende Operationen
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Anordnungen des Hausarztes
-
Therapietreue des Bewohners (sog.
“Compliance”)
-
erforderliche Prophylaxemaßnahmen (Dekubitus,
Kontrakturen, Aspiration usw.)
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notwendige Kontrollmaßnahmen
-
Informationsaustausch mit dem Hausarzt
-
Pflegeplanung bzw. Maßnahmenplanung, etwa
-
Pflegeprobleme
-
Pflegeressourcen
-
Veränderungen des Gesundheitszustands
-
Wirksamkeit der bisherigen Pflegemaßnahmen
-
Wirksamkeit der extern durchgeführten
therapeutischen Maßnahmen
-
Veränderungen des Arbeitsaufwands, ggf.
notwendige Höhergradung des Bewohners
-
ggf. notwendige neue Pflegehilfsmittel
-
Reaktionen des Bewohners, insbesondere die
Bereitschaft zur Kooperation mit Pflegekräften
-
psychosoziale Betreuung, etwa
-
Integration in den Wohnbereich
-
mentaler Status (etwa Depressionen)
-
Verhaltensauffälligkeiten (etwa aggressives
oder autoaggressives Verhalten)
Fragestellungen
Das Problem und die
möglichen Lösungen lassen sich zumeist mit wenigen präzisen Fragen
erfassen:
-
Wie zeigt sich das Problem? Unter welchen
Bedingungen tritt es auf?
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Welche Lösungsstrategien wurden bislang
verfolgt? Wie erfolgreich waren diese? Warum blieben die Erfolge aus?
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Wer hat eine Lösungsidee?
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Welche der bisher vorgebrachten Ideen hat die
besten Erfolgsaussichten? Und warum?
-
Wer ist für die Umsetzung verantwortlich? Wer
hilft dabei? Bis zu welchem Zeitpunkt sollten sich Erfolge einstellen?
-
Anhand welcher Kriterien soll der Erfolg
gemessen werden?
Gesprächsführung
-
Die Teilnehmer sollten das Gefühl gewinnen,
dass ihre Ansichten Relevanz haben. Der Moderator sollte die Diskussion
nicht gezielt auf eine bestimmte Lösung hinlenken.
-
Entscheidungen der Mehrheit werden umgesetzt,
auch wenn diese nicht mit den Prioritäten des Moderators übereinstimmen.
-
Der Moderator schreitet ein, wenn sich die
Diskussion "im Kreis dreht". Nach 20 Minuten sollte die Fallbesprechung
abgeschlossen sein. (Hinweis: Verschiedene Pflegeexperten sehen die
Dauer einer Fallbesprechung bei bis zu 90 Minuten. Wir halten einen
solchen Zeiteinsatz jedoch in der Realität für nicht leistbar.)
-
Vorgesetzte, insbesondere die
Pflegedienstleitung, sollten sich aktiv in die Diskussion einbringen.
Die Teilnehmer sollten nicht das Gefühl bekommen, dass sie von den
schweigenden Vorgesetzten beobachtet und bewertet werden.
-
Die Ergebnisse, Aufträge und
Verantwortlichkeiten müssen präzise formuliert werden. Vage Aussagen
sind zu vermeiden.
-
Während der Besprechung wird weder geraucht
noch Kaffee getrunken oder gegessen. Keiner sieht ohne wichtigen Grund
auf sein Smartphone.
-
Gespräche werden ruhig und sachlich geführt.
Jede Form von Machtkämpfen wird vom Moderator unterbunden.
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Lob und Kritik dürfen geäußert werden. Ebenso
dürfen Konflikte angesprochen werden.
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Jeder darf mitreden. Jeder lässt den anderen
ausreden.
-
Bei offenen Punkten dürfen Fragen gestellt
werden.
-
Es werden keine Nebengespräche geführt.
Nachbereitung:
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Das Protokoll wird erstellt und per Hauspost an
die Teilnehmer verschickt.
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Alle Mitarbeiter, die nicht an der Besprechung
teilnehmen konnten, erhalten ebenfalls eine Kopie.
-
Die Kenntnisnahme des Protokolls wird per
Unterschrift bestätigt.
-
Eine Kopie des Protokolls wird für vier Wochen
der Pflegedokumentation des Bewohners beigelegt. Nach Ablauf dieser
Frist wird das Dokument in einem zentralen Ordner im Büro abgelegt.
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Die Bezugspflegekraft aktualisiert die
Pflegeplanung / Maßnahmenplanung anhand der neu festgelegten Ziele und
Maßnahmen.
Dokumente:
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Pflegedokumentation / Pflegeplanung
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Teilnehmerliste
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Protokoll
Verantwortlichkeit
/ Qualifikation:
-
Wohnbereichsleitung
-
ggf. Pflegedienstleitung
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