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Standard "Anwendung von Fixierungssystemen"

Sind freiheitsentziehende Maßnahmen in der Altenpflege ein Auslaufmodell? In den letzten fünf Jahren hat sich die Anzahl der richterlichen Bewilligungen fast halbiert. Bei vielen gerontopsychiatrischen Krankheitsbildern jedoch sind Fixierungen unverzichtbar. Zur Verminderung der Haftungsrisiken sollte dann die richtige Durchführung im QM-Handbuch standardisiert werden.


Standard "Anwendung von Fixierungssystemen"


Definition:

  • Bei einer Fixierung wird der Betroffene mithilfe eines Gurtsystems an einem Ort und in einer Körperposition festgehalten, insbesondere also in der Rückenlage im Bett. Werden lediglich einzelne Gliedmaßen befestigt, spricht man von einer Teilfixierung. Eine Vollfixierung unterbindet die Beweglichkeit nahezu aller Gliedmaßen des Körpers.
  • In der Altenpflege sind verschiedene Varianten von Fixierungen üblich:
    • Ein Bauchgurt dient primär der Verhütung von Stürzen aus dem Pflegebett. Der Bewohner wird dafür mit einem breiten und verstellbaren Gürtel im Bett festgehalten. Hinzu kommen ggf. eine Schrittsicherung oder Schulterhosenträgergurte. Der Bauchgurt wird in Kombination mit hochgefahrenen Bettgittern genutzt. Wir verhindern damit, dass sich der Bewohner quer zu seiner Körperachse dreht und sich dadurch stranguliert.
    • Eine 3-Punkt-Fixierung ergänzt den Bauchgurt um eine Befestigung der beiden Füße. Diese freiheitsentziehende Maßnahme ist sinnvoll, um den Bewohner z. B. beim Essen oder bei der Körperpflege mehr Bewegungsfreiraum einzuräumen.
    • Bei einer 5-Punkt-Fixierung werden der Bauchgurt sowie zusätzliche Gurte für beide Hand- und Fußgelenke genutzt. Eine selbstständige Befreiung sowie Selbstverletzungen werden dadurch nahezu unmöglich. Die Bewegungsfähigkeiten des Bewohners werden im Wesentlichen auf ein Anheben des Oberkörpers begrenzt.

    • Eine 7-Punkt-Fixierung (Bild oben mit Sitzwache) besteht aus den Gurten der 5-Punkt-Fixierung. Zusätzlich legen sich Gurte um den Schritt und um die Schultern herum.
Hinweise:
  • Dieser Standard richtet sich an Einrichtungen, deren Schwerpunkt in der Betreuung gerontopsychiatrischer Senioren liegt, die also etwa eine beschützende Station betreiben. Für reguläre Alten- und Pflegeheime ohne verhaltensauffällige Bewohner greift dieser Standard zu weit. Er sollte dann nicht implementiert oder zumindest deutlich "entschärft" werden.
  • Wir beschreiben hier lediglich die technische Durchführung und die pflegerische Begleitung einer Fixierung. Um auch den juristischen und den ethischen Aspekten gerecht zu werden, ist zwingend die Implementierung weiterer Standards notwendig. So ist die richtige Reaktion auf aggressives Verhalten im QM-Handbuch zu definieren. Zudem muss die Prüfung alternativer Vorgehensweisen standardisiert werden, da freiheitsentziehende Maßnahmen immer nur die letzte Option sind. Ein weiterer sehr wichtiger Punkt ist die rechtssichere Beantragung von freiheitsentziehenden Maßnahmen.

Grundsätze:

  • Die Durchführung der Fixierung gibt die Richtung für das weitere Verhältnis zwischen Pflegekraft und Bewohner vor. Wenn der Mitarbeiter respektvoll mit dem Betroffenen umgeht, fördert das langfristig einen positiven Umgang. Wir vermeiden jedes Verhalten, dass der Bewohner als respektlos und als demütigend empfindet.
  • Fixierungen sind immer riskant. Auch bei einer Beachtung aller Sicherheitsvorkehrungen können Strangulationen und Quetschungen auftreten. Folglich muss der durch die Fixierung angestrebte Sicherheitsgewinn das gleichzeitig vorhandene Risiko deutlich übersteigen.

Ziele:

  • Wir schützen den Bewohner davor, sich selbst zu verletzen oder zu schädigen. Insbesondere wird ein etwaiger Suizid verhindert.
  • Der Bewohner wird durch die Fixierung nicht gefährdet. Vor allem wenden wir Strangulationen ab.
  • Die Lebensqualität des Bewohners wird durch die Fixierung möglichst wenig beeinträchtigt. Er bleibt sozial in der Heimgemeinschaft integriert.
  • Sofern die Fixierung über einen längeren Zeitraum durchgeführt wird, kommt es nicht zu Komplikationen wie Druckgeschwüren oder Kontrakturen.

Vorbereitung:

Personelle Organisation

  • Die richtige Durchführung von Fixierungen ist Teil der Einarbeitung neuer Mitarbeiter. Wir stellen sicher, dass jede Pflegekraft die Handhabung aller im Haus üblichen Gurtsysteme beherrscht.
  • Die Maßnahme wird regelmäßig im Team geübt. Dabei übernimmt ein Mitarbeiter die Rolle des fixierten Bewohners.

Material

  • Wir stellen das notwendige Material zusammen, insbesondere ein geeignetes Gurtsystem, den dazu passenden Magnetschlüssel sowie ggf. das vom Hersteller empfohlene Polstermaterial.
  • Vor jeder Nutzung wird das Gurtsystem auf sichtbare Schäden überprüft. Wir achten vor allem auf schadhafte Nähte. Auch das Magnetschloss wird sorgfältig inspiziert.
  • Das gesamte System darf nur dann eingesetzt werden, wenn es vollständig intakt ist. Es erfolgen keine eigenen Reparaturen oder Basteleien.
  • Die Bettseitenteile werden mit Schutzbezügen versehen. Diese dienen der Polsterung sowie der optischen Aufwertung der ansonsten sehr bedrohlich wirkenden Bettgitter. Zudem verhindern sie, dass Gliedmaßen eingeklemmt werden oder dass sich der Bewohner stranguliert.
  • Zweiteilige Bettgitter sind riskant, da es zu einem mittigen Durchrutschen kommen kann.
  • Die gedruckten Gebrauchsanweisungen der Fixierungssysteme liegen in jedem Wohnbereich zur Einsicht bereit. Auch für alle Erweiterungskomponenten müssen die Anleitungen vorliegen.

weitere Organisation

  • Eine Fixierung darf nur in solchen Räumen erfolgen, die unter ständiger Kontrolle sind.
  • Fenster und Türen werden geschlossen. Wir bitten etwaige Besucher kurz aus dem Zimmer.
  • Das Pflegebett wird auf eine Höhe gebracht, die ein rückenschonendes Arbeiten ermöglicht.

Vorbereitung des Bewohners

  • Der Bewohner soll Schmuck ablegen. Insbesondere bei Halsketten besteht das Risiko, dass diese eine Strangulation verursachen. Falls der Schmuck einen relevanten Sachwert hat, wird er im Schließfach oder im Wertsachenschrank des Wohnbereichs deponiert.
  • Die Taschen des Bewohners werden falls notwendig auf gefährliche Gegenstände überprüft. Dazu zählen vor allem Feuerzeuge, Scheren und andere spitze Gegenstände.
  • Der Bewohner wird über die geplante Fixierung und dessen Gründe informiert. Er wird um Kooperation gebeten.

Durchführung:

Anlegen des Gurtsystems

  • Die Fixierung sollte ruhig und zügig erfolgen. Alle notwendigen Materialien liegen stets griffbereit.
  • Eine Pflegekraft übernimmt das Fixieren, während andere Mitarbeiter (falls notwendig) den Betroffenen festhalten.
  • Bei Bewohnern mit einem Herzschrittmacher ist Vorsicht geboten. Die Pflegekraft muss zwischen dem Magnetschlüssel und dem Herzschrittmacher einen Sicherheitsabstand von mindestens zehn Zentimetern einhalten. Ansonsten kann es zu Tachykardien kommen.
  • Zuerst legen wir den Bauchgurt straff an und lassen dabei eine Handbreit Luft.
  • Danach fixieren wir beide Beine und anschließend die Hände. Beim Fixieren der Hände achten wir darauf, dass der Betroffene keine Faust bildet. Ansonsten könnte die Fixierung danach zu locker sitzen. Die Hand- und Fußgurte müssen straff sitzen, ohne dabei allerdings einzuschneiden. Auch die Atmung darf nicht beeinträchtigt werden.
  • Die Pflegekraft prüft, ob die Stifte und die Platten vollständig eingerastet sind. Danach wird die Fixierung der Gurte am Bett erneut geprüft.
  • Das Bettgitter wird hochgefahren. Die Arretierung des Bettgitters muss einrasten.
  • Im Detail folgen wir bei der Fixierung den Vorgaben des Herstellers, die in den Gebrauchsanweisungen beschrieben sind. (Hinweis: Zur Vermeidung von Redundanzen können Sie darauf verzichten, die genaue Handhabung des Gurtsystems hier im Standard zu beschreiben. Es reicht der Verweis auf das Handbuch des Herstellers.)
  • Der Magnetschlüssel wird so abgelegt, dass wir ihn insbesondere in einem Notfall schnell nutzen können. Der Bewohner darf den Magnetschlüssel nicht erreichen.

Gestaltung des Umfelds

  • Wir legen die Rufanlage so ab, dass der Bewohner diese jederzeit nutzen kann.
  • Wir entfernen auch andere Gegenstände, mit denen der Bewohner sich selbst verletzen oder befreien könnte. Vor allem müssen Feuerzeuge und Streichhölzer aus dem Zimmer des Bewohners entnommen werden.
  • Wir fragen den Bewohner, ob wir für ihn das Radio oder den Fernseher anschalten sollen.
  • Die Zimmertür des Bewohners wird mit einem Hinweis versehen, dass sich Besucher vor dem Eintreten zunächst bei der Stationsleitung oder beim Pflegepersonal melden sollen. Wir machen Freunde und Angehörige einfühlsam auf die durchgeführte Maßnahme und deren Grund aufmerksam. Wir diskutieren, ob Kinder einen fixierten Bewohner besuchen sollten.

Pflege von Senioren während der Fixierung

  • Sofern ärztlich angeordnet erhält der Bewohner eine beruhigende Medikation, um die psychische Belastung zu reduzieren. Die Pflegekraft wirkt ebenfalls besänftigend auf den Bewohner ein.
  • Während der gesamten Fixierung bleibt die Pflegekraft ständig in Hörweite, noch besser in Sichtweite.
  • Eine etwaige Sitzwache am Bett wird nicht an Pflegeschüler oder an ehrenamtliche Mitarbeiter delegiert. Dafür sollte die Bezugspflegekraft eingesetzt werden.
  • Wir beachten, dass ein fixierter Bewohner schutzlos ist. Dieses ist etwa zu beachten, wenn es zuvor zu Konflikten mit anderen Senioren kam, die sich nun am wehrlosen Kontrahenten rächen könnten.
  • Die Vitalwerte des Bewohners werden regelmäßig gemessen, insbesondere Puls und Blutdruck. Die Erfassung ist vor allem dann notwendig, wenn gleichzeitig Sedativa appliziert werden.
  • Die Pflegekraft schätzt auch den mentalen Zustand des Bewohners ein.
  • Sie prüft in regelmäßigen Abständen den korrekten Sitz der Fixierung.
  • Wenn der Bewohner Stuhl- oder Harndrang spürt, wird die Fixierung gelöst, um ihm einen Toilettengang zu ermöglichen. Bei inkontinenten Betroffenen ist die Versorgung mit Inkontinenzmaterial notwendig. Dieses wird regelmäßig kontrolliert und bei Bedarf erneuert.
  • Der Bewohner soll sich im Rahmen seiner Fähigkeiten an der Körperpflege beteiligen. Dafür wird die Fixierung der Arme gelöst. Wir stellen sicher, dass der Bewohner dabei keine potenziell gefährlichen Gegenstände an sich bringen kann, etwa Nagelscheren, Nagelfeilen, Metallkämme oder gläserne Spiegel.
  • Der Bewohner soll die Nahrungsaufnahme soweit möglich eigenständig durchführen. Dafür wird die Fixierung der Arme während der Hauptmahlzeiten gelöst. Falls notwendig sollte Besteck aus Kunststoff und nicht aus Metall verwendet werden.
  • Falls eine temporäre Lösung der Fixierung nicht möglich ist, wird der Bewohner zumindest in eine Oberkörperhochlagerung gebracht, um eine Aspiration zu verhindern. Die Speisen werden ihm vorsichtig angereicht. Sofern erforderlich verwenden wir dafür primär einen Löffel und keine Gabel.
  • Bei der Hautpflege mit Fettcreme achten wir darauf, dass das Präparat gut einzieht. Ansonsten wirkt es als Gleitmittel und erleichtert die eigenmächtige Befreiung aus der Fixierung.
  • Potenzielle Scheuerstellen werden prophylaktisch gepolstert. Bereits entstandene Hautläsionen werden steril abgedeckt und gut gepolstert. Falls möglich sollte die Fixierung dann in anderer Form durchgeführt werden.

Komplikationen

  • Eine Fixierung wird primär in Rückenlage durchgeführt. Diese Körperhaltung ist jedoch mit einer erhöhten Dekubitusgefährdung verbunden. Daher werden die Auflageflächen der Haut engmaschig auf Druckschäden überprüft. Zudem ist es unverzichtbar, Fremdkörper von der Matratze zu entfernen und beim Laken auf Faltenfreiheit zu achten. Soweit dieses möglich ist, werden alle Maßnahmen zur Dekubitusprophylaxe auch bei fixierten Bewohnern durchgeführt.
  • Wenn eine Fixierung längerfristig beibehalten wird, kann es zu Kontrakturen kommen. Wir stellen sicher, dass gefährdete Gelenke regelmäßig durchbewegt werden. Die Fixierung wird dafür einzeln freigegeben.
  • Fixierungen unterbinden eine spontane Nahrungsaufnahme. Wenn der Bewohner einen relevanten Anteil seiner täglichen Kalorien nicht während der Hauptmahlzeiten, sondern “nebenbei” zu sich nimmt, kann es zu einer Gewichtsreduktion kommen. Daher wird das Gewicht des Bewohners regelmäßig ermittelt.
  • Alle Maßnahmen im Rahmen der Thromboseprophylaxe, Obstipationsprophylaxe und Pneumonieprophylaxe werden fortgeführt, soweit dieses während einer Fixierung möglich ist.

Nachbereitung:

Allgemeine Maßnahmen

  • Die Fixierung wird so schnell es geht beendet, spätestens sobald das aggressive Verhalten des Bewohners abgeklungen ist. Die richterlichen Vorgaben werden beachtet.
  • Bei einem Brandschutzalarm wird die Fixierung sofort gelöst.
  • Wenn die Fixierung beendet wird, sprechen wir mit dem Bewohner noch einmal über die Maßnahme. Er kann dann über sein auslösendes Verhalten reflektieren. Ansonsten kann sich seinerseits ein tiefes Misstrauen gegenüber den Pflegekräften entwickeln.
  • Sofern der Betroffene mental zugänglich ist, besprechen wir mit ihm , wie sich Fixierungen zukünftig vermeiden lassen.
  • Wir beachten stets, dass die Durchführung von Fixierungen nicht nur für den Bewohner, sondern auch für die Pflegekraft belastend ist. Vielen Mitarbeitern fällt es schwer, freiheitsentziehende Maßnahmen als Teil ihrer Tätigkeit zu akzeptieren. Daher werden emotionale Strapazen immer auch innerhalb des Teams diskutiert.

Dokumentation

  • Eine sorgfältige Dokumentation der Fixierung ist unverzichtbar. Etwa:
    • Welche Art von Fixierung wurde durchgeführt?
    • Welche Personen haben die Fixierung durchgeführt?
    • Wie lange dauerte die Fixierung an?
    • Wie hat der Betroffene auf die Fixierung reagiert?
    • Aus welchem Grund wurde der Bewohner fixiert? Welche alternativen Maßnahmen wurden zuvor erfolglos ergriffen, um eine Fixierung zu vermeiden?
    • In welcher Form wurde der Zustand des Bewohners während der Fixierung überwacht?
  • Falls sich der Bewohner während der Fixierung verletzt haben sollte, wird dieses dokumentiert. Dazu zählen etwa Schürfwunden und Hämatome. Wir bitten ggf. um eine ärztliche Untersuchung.
  • Die Pflegeplanung / Maßnahmenplanung wird an den aktuellen Zustand des Bewohners angepasst.

Dokumente:

  • Dokumentationsblatt "Freiheitsentziehende Maßnahmen" / Fixierungsprotokoll
  • Berichtsblatt
  • Pflegeplanung / Maßnahmenplanung

Verantwortlichkeit / Qualifikation:

  • alle Pflegekräfte



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