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Standard "Gedächtnistraining"

Gedächtnistraining für Senioren ist ein kniffliger Balanceakt. Die Teilnehmer sollen gefordert, aber nicht überfordert werden. Gleichzeitig darf der Spaß nicht zu kurz kommen.


Standard "Gedächtnistraining"


Definition:

  • Bei hirnorganisch gesunden Menschen ist es möglich, durch ein mentales Aktivierungstraining (sog. “Gehirnjogging”) die kognitive Leistungsfähigkeit zu steigern. Vor allem bei Kindern und bei Jugendlichen konnte dieser Lerneffekt in verschiedenen Studien nachgewiesen werden. Mittels “Gedächtnistraining” soll dieses Verfahren auch für Demenzkranke eingesetzt werden.
  • Es gibt verschiedenste Übungen, die vom klassischen Kartenspiel (“Memory”) über Buchstabenrätsel bis zum Kreuzworträtsel reichen. Je nach Konzeption wird entweder das Langzeit- oder das Kurzzeitgedächtnis gefördert. Viele Übungen enthalten darüber hinaus auch Bewegungselemente.
  • Die Bezeichnung “Gedächtnistraining” ist etwas irreführend. Wenn ein Sportler nach einer Verletzung trainiert, kann er im Verlauf von einigen Monaten seine physische Leistungsfähigkeit ganz oder zumindest in weiten Teilen zurückerlangen. Bei einer Demenz ist dieses nicht möglich. Gedächtnistraining wird den hirnorganischen Degenerationsprozess weder verlangsamen noch stoppen.
  • Die Aktivierung mentaler Leistungsreserven ermöglicht es im besten Fall, den neuronalen Gewebsuntergang an anderer Stelle zeitweilig zu kompensieren. Es handelt sich also eher um eine Schulung noch vorhandener Fähigkeiten.
  • In der Praxis überschätzen vor allem Angehörige die therapeutische Bedeutung des Gedächtnistrainings und fordern von Pflegekräften einen häufigeren Einsatz. Hauptgrund dafür ist die in der Laienpresse häufig zu findende Behauptung, dass einer Demenz mittels Gedächtnistraining vorgebeugt werden kann. Im Dialog weisen wir dann auf die Grenzen und auf die Risiken dieser Maßnahme hin.

Kartenspiel "Paare" oder "Memory" (gleichzeitiges Aufdecken von Bildkartenpaaren) Hinweise:

  • Der praktische Nutzen des Gedächtnistrainings ist umstritten. Während einige Pflegewissenschaftler und Ärzte komplett von dieser Aktivierung abraten, sehen andere Experten durchaus einen therapeutischen Effekt. Das Pflegeteam sollte daher einen Konsens dazu finden, ob und in welcher Form diese Aktivierung angeboten wird.
  • Auf eine Aufzählung der möglichen Übungen wird hier verzichtet, da es viele Hundert verschiedene Aktivitäten gibt . Eine komplette Liste würde den Rahmen eines Standards sprengen.
  • In diesem Standard erfolgt das Gedächtnistraining primär innerhalb einer Gruppe. Abhängig vom Gesundheitszustand und insbesondere von der Mobilität kann das Gedächtnistraining aber auch als Einzelanwendung erfolgen.

Grundsätze:

  • Der spielerische Faktor hat Vorrang vor therapeutischen Zielen. Das Gedächtnistraining soll unseren Bewohnern Spaß machen und nicht zur Pflicht werden.
  • Die Teilnahme am Gedächtnistraining ist freiwillig.
  • Bewohner werden für gute Leistungen gelobt.
  • Wir legen Wert auf einen freundschaftlichen Umgang unter den Senioren. Der Trainingsleiter wird daher Bewohner, die schlechte Leistungen beim Gedächtnistraining zeigen, vor Spott der Mitbewohner in Schutz nehmen.

Ziele:

  • Der Verfall der Gedächtnisleistung wird zumindest etwas verzögert.
  • Der Bewohner wird sinnvoll beschäftigt. Er langweilt sich nicht.
  • Innerhalb der Gruppe herrscht eine entspannte Atmosphäre. Kein Teilnehmer hat das Gefühl, sich in einer Wettbewerbssituation zu befinden.
  • Die Selbstständigkeit des Demenzpatienten wird gefördert.
  • Wir finden für jeden Demenzpatienten eine passende Herausforderung, die seinen aktuellen mentalen Fähigkeiten entspricht. Er kann also die Aufgaben lösen, muss sich dafür aber etwas anstrengen.
  • Durch viele kleine Erfolge wird das Selbstwertgefühl des Bewohners gestärkt.
  • Die Teilnahme an Gruppenaktivitäten fördert die Einbindung in das soziale Leben.

Vorbereitung:

Indikation

Unter verschiedenen Bedingungen ist ein Gedächtnistraining sinnvoll:

  • In “gesunden” Jahren war der Bewohner intellektuell ausgerichtet. Erfolge bei Denkaufgaben führen bei ihm zu einer Steigerung des Selbstwertgefühls.
  • Eine Demenz liegt noch nicht vor oder sie ist noch im Anfangsstadium. Die mentalen Fähigkeiten sind noch weitgehend erhalten. Der Bewohner möchte sich geistig fit halten.
  • Es gab vor Kurzem eine Veränderung des Umfelds, die zu einem Nachlassen der Konzentration und des Gedächtnisses führte, ohne dass dieses auf hirnorganische Abbauprozesse zurückzuführen wäre. Beispiel: Ein nur leicht demenziell erkrankter Bewohner muss wegen einer Fraktur ins Krankenhaus. Er kehrt nach drei Wochen in einem verwirrten Zustand zurück; mutmaßlich als Folge einer Deprivation.
Ggf. ist die Aktivierungsmaßnahme nicht sinnvoll:
  • Der Bewohner zeigt wenig Interesse am Erhalt seiner kognitiven Fähigkeiten, etwa weil er sich darüber nicht definiert.
  • Die kognitiven Ressourcen haben sich so weit reduziert, dass die Erfolge inzwischen deutlich nachlassen.
  • Der Bewohner reagiert auf die Überforderung mit Frustration. Er äußert sich etwa so: “Ich bin dumm und schaffe das alles nicht!”

Organisation

  • Als Übungsleiter setzen wir erfahrene Pflegekräfte, Ergotherapeuten oder Sozialpädagogen ein. Qualifikation:
    • Erfahrungen in Gruppenarbeit
    • Kommunikationsfähigkeit
    • Kenntnisse über Lehrmethoden in der Erwachsenenbildung
    • Kenntnisse über gerontopsychiatrische Krankheitsbilder
  • Da das Gedächtnistraining hohe Konzentration und Aufmerksamkeit erfordert, ist der Vormittag als Termin die beste Wahl. Jeder Bewohner sollte zweimal in der Woche an einem Gedächtnistraining teilnehmen können. Die Planung wird mit dem Pflegeteam und mit der Hauswirtschaft abgestimmt.
  • Die genauen Termine für das Gedächtnistraining werden regelmäßig am Schwarzen Brett und in der Heimzeitung bekannt gegeben. Terminverschiebungen werden allen teilnehmenden Bewohnern rechtzeitig mitgeteilt. Die Teilnehmer werden aufgefordert, geeignete Kleidung, ihr Hörgerät mit geladenen Batterien und ihre Brille mitzubringen.
  • Gemeinsam mit der Bezugspflegekraft nimmt der Trainingsleiter Kontakt zu neuen Bewohnern auf und lädt diese zum Gedächtnistraining ein. Bezugspflegekräfte werden gebeten, relevante Diagnosen rechtzeitig dem Trainingsleiter mitzuteilen. Dazu zählen neben kognitiven Defiziten auch Bewegungseinschränkungen sowie Seh- und Hörstörungen.
  • Wir erstellen für alle Bewohner eine sorgfältige Bewohnerbiografie. Teil dieser Informationssammlung ist insbesondere die Frage nach bevorzugten Freizeitbeschäftigungen. Der Übungsleiter sollte die wichtigsten biografischen Fakten der Teilnehmer kennen.
  • Ideal ist eine Teilnehmerzahl von neun bis zwölf Personen. Wenn diese Größe deutlich überschritten wird, teilen wir die Bewohner in zwei Gruppen auf, um eine individuelle Betreuung sicherzustellen.
  • Eine Gruppenteilung ist ebenfalls notwendig, wenn das Leistungsniveau innerhalb der Gruppe stark variiert. Eine heterogene Gruppenzusammensetzung aus leicht- und mittelschwer erkrankten Senioren führt dazu, dass einige Teilnehmer überfordert und andere Teilnehmer unterfordert werden.
  • Der Gruppenraum wird reserviert.
(Hinweis: Oftmals findet das Gedächtnistraining im großen Aufenthaltsraum statt. Dieses hat den Vorteil, dass andere Bewohner, die nicht aktiv teilnehmen, das Geschehen verfolgen können. Nachteilig ist ggf. das störende Umfeld.)
  • Falls nötig kann ein Praktikant, ein “Bufdi” (Bundesfreiwilligendienst) oder ein Pflegeschüler bei der Durchführung des Gedächtnistrainings mithelfen.
  • Die Wohnbereiche der teilnehmenden Senioren werden informiert. Bewohner, die nicht selbstständig den Gruppenraum aufsuchen können, werden von Pflegekräften stets dorthin begleitet.
  • Der Trainingsleiter wählt ein passendes Thema für die Übungsstunde, sammelt Ideen und listet das notwendige Material auf.

Vorbereitung des Raums

  • Der Trainingsleiter lüftet den Raum und stellt ggf. die Heizung an.
  • Ausreichend Stühle werden im Halbkreis aufgestellt. Ggf. werden in der Mitte Tische positioniert.
  • Der Raum wird mittels Tischdekoration freundlich gestaltet.
  • Wir stellen Getränke bereit.

Durchführung:

Begrüßung

  • Jeder Bewohner wird vom Trainingsleiter begrüßt.
  • Der Trainingsleiter legt eine Teilnehmerliste an.
  • Es wird sichergestellt, dass alle Bewohner ihr Hörgerät angeschaltet haben und die Brille tragen.
  • Das Telefon wird umgeleitet.
  • Bewohner, die regelmäßig zum Gedächtnistraining erscheinen, nehmen ihre Stammplätze ein. Seh- und hörgeschädigte Senioren sollten in der Nähe des Trainingsleiters sitzen.
  • Wenn viele neue Bewohner hinzugekommen sind, stellt sich jeder Teilnehmer kurz vor.
  • Soweit möglich werden Rollstuhlfahrer aus dem Rollstuhl auf einen Stuhl mobilisiert. Ist dieses nicht möglich, werden ggf. die Seiten- und Fußteile abgenommen.

Verlauf des Gedächtnistrainings

  • Das Gedächtnistraining wird mit einer Übung begonnen, die bereits in der letzten Stunde durchgeführt wurde und von allen Bewohnern gut beherrscht wird. Alternativ dazu kann eine Bewegungsübung als Einstieg genutzt werden.
  • Neue und anspruchsvollere Übungen werden in die Mitte der Stunde gelegt.
  • Eine leichte Übung bildet den Abschluss der Stunde.

Abschluss der Übungsstunde

  • Es wird gemeinsam ein Lied gesungen. Alternativ dazu trägt der Trainingsleiter ein Gedicht vor.
  • Der Trainingsleiter lobt alle Bewohner und dankt für die Teilnahme.
  • Wenn das Gedächtnistraining nur einmal in der Woche stattfindet, kann der Trainingsleiter eine “Hausaufgabe” aufgeben. Die Teilnehmer sollen dafür jeden Tag rund zehn Minuten selbstständig eine Übung durchführen.
  • Jeder Bewohner wird persönlich verabschiedet.
  • Bewohner mit mentalen oder körperlichen Einschränkungen werden in die Obhut der Pflegekraft übergeben und in ihr Zimmer zurückgebracht.

weitere Maßnahmen

  • Den Bewohnern wird regelmäßig etwas zu Trinken angeboten.
  • Der Trainingsleiter baut immer wieder Bewegungsübungen in den Ablauf ein.
  • Der Schwierigkeitsgrad wird so gewählt, dass die Bewohner weder unter- noch überfordert werden.
  • Der Trainingsleiter hält Blickkontakt zu allen Teilnehmern.
  • Der Trainingsleiter macht immer wieder darauf aufmerksam, dass nicht die perfekte Umsetzung entscheidend ist, sondern das Maß, mit dem sich jeder Bewohner einbringt.
  • Der Übungsleiter hilft dem Bewohner, wenn er an körperlichen Einschränkungen leidet. Beispiel: Ein Senior mit Parkinson kann aufgrund des Tremors die Spielkarten nicht vom Tisch aufnehmen.
  • Falls eine Aufgabe nicht innerhalb eines gewissen Zeitrahmens gelöst werden kann, stellt der Übungsleiter die Aufgabe zurück und geht zur nächsten Aktivierung weiter.
  • Es werden regelmäßig Pausen gemacht.
  • "Schüchterne" Bewohner werden gezielt angesprochen und vorsichtig aus der Zurückgezogenheit herausgeholt. Übereifrige Teilnehmer werden sanft gebremst.
  • Leistungsschwächere Bewohner werden bei der Lösung der Übungen unterstützt. Der Trainingsleiter unterbindet jeden Versuch von Mitbewohnern, Druck auf leistungsschwächere Bewohner auszuüben. Der Trainingsleiter muss überdies sicherstellen, dass kein Teilnehmer Angst haben muss, sich zu blamieren.
  • Im Idealfall kommt es zu einer Kooperation der Bewohner untereinander, um das Spielziel zu erreichen.

Nachbereitung:

  • Der Raum wird gelüftet und aufgeräumt.
  • Relevante Beobachtungen werden an die Bezugspflegekräfte weitergegeben.
  • Die Übungsstunde wird protokolliert.
  • Die Teilnahme eines Bewohners am Gedächtnistraining wird immer wieder kritisch hinterfragt; dieses etwa im Rahmen einer Fallbesprechung. Sobald der Demenzkranke aufgrund einer Überforderung offensichtlich nicht mehr von diesem Angebot profitiert, sollte der Schwierigkeitsgrad gesenkt werden. Der Bewohner wird z. B. einer anderen Gruppe zugeteilt. Ist auch dieses nicht mehr sinnvoll, wird kein Gedächtnistraining durchgeführt, sondern andere Angebote wie etwa die 10-Minuten-Aktivierung.
  • Wir führen regelmäßig Befragungen unter den Teilnehmern durch. Sie können dabei Wünsche und Kritik äußern.

Dokumente:

  • Pflegedokumentationsbogen für Beschäftigungsangebote

Verantwortlichkeit / Qualifikation:

  • Trainingsleiter



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