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Standard
"Gedächtnistraining"
Gedächtnistraining für Senioren ist ein kniffliger
Balanceakt. Die Teilnehmer sollen gefordert, aber nicht überfordert
werden. Gleichzeitig darf der Spaß nicht zu kurz kommen.
Standard
"Gedächtnistraining"
Definition:
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Bei hirnorganisch gesunden
Menschen ist es möglich, durch ein mentales Aktivierungstraining (sog.
“Gehirnjogging”) die kognitive Leistungsfähigkeit zu steigern. Vor
allem bei Kindern und bei Jugendlichen konnte dieser Lerneffekt in
verschiedenen Studien nachgewiesen werden. Mittels “Gedächtnistraining”
soll dieses Verfahren auch für Demenzkranke eingesetzt werden.
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Es gibt verschiedenste
Übungen, die vom klassischen Kartenspiel (“Memory”) über
Buchstabenrätsel bis zum Kreuzworträtsel reichen. Je nach Konzeption
wird entweder das Langzeit- oder das Kurzzeitgedächtnis gefördert.
Viele Übungen enthalten darüber hinaus auch Bewegungselemente.
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Die Bezeichnung
“Gedächtnistraining” ist etwas irreführend. Wenn ein Sportler nach
einer Verletzung trainiert, kann er im Verlauf von einigen Monaten
seine physische Leistungsfähigkeit ganz oder zumindest in weiten Teilen
zurückerlangen. Bei einer Demenz ist dieses nicht möglich.
Gedächtnistraining wird den hirnorganischen Degenerationsprozess weder
verlangsamen noch stoppen.
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Die Aktivierung mentaler
Leistungsreserven ermöglicht es im besten Fall, den neuronalen
Gewebsuntergang an anderer Stelle zeitweilig zu kompensieren. Es
handelt sich also eher um eine Schulung noch vorhandener Fähigkeiten.
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In der Praxis überschätzen
vor allem Angehörige die therapeutische Bedeutung des
Gedächtnistrainings und fordern von Pflegekräften einen häufigeren
Einsatz. Hauptgrund dafür ist die in der Laienpresse häufig zu findende
Behauptung, dass einer Demenz mittels Gedächtnistraining vorgebeugt
werden kann. Im Dialog weisen wir dann auf die Grenzen und auf die
Risiken dieser Maßnahme hin.
Kartenspiel "Paare" oder
"Memory" (gleichzeitiges Aufdecken von Bildkartenpaaren)
Hinweise:
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Der praktische Nutzen des
Gedächtnistrainings ist umstritten. Während einige
Pflegewissenschaftler und Ärzte komplett von dieser Aktivierung
abraten, sehen andere Experten durchaus einen therapeutischen Effekt.
Das Pflegeteam sollte daher einen Konsens dazu finden, ob und in
welcher Form diese Aktivierung angeboten wird.
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Auf eine Aufzählung der
möglichen Übungen wird hier verzichtet, da es viele Hundert
verschiedene Aktivitäten gibt . Eine komplette Liste würde den Rahmen
eines Standards sprengen.
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In diesem Standard erfolgt
das Gedächtnistraining primär innerhalb einer Gruppe. Abhängig vom
Gesundheitszustand und insbesondere von der Mobilität kann das
Gedächtnistraining aber auch als Einzelanwendung erfolgen.
Grundsätze:
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Der spielerische Faktor hat
Vorrang vor therapeutischen Zielen. Das Gedächtnistraining soll unseren
Bewohnern Spaß machen und nicht zur Pflicht werden.
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Die Teilnahme am
Gedächtnistraining ist freiwillig.
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Bewohner werden für gute
Leistungen gelobt.
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Wir legen Wert auf einen
freundschaftlichen Umgang unter den Senioren. Der Trainingsleiter wird
daher Bewohner, die schlechte Leistungen beim Gedächtnistraining
zeigen, vor Spott der Mitbewohner in Schutz nehmen.
Ziele:
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Der Verfall der
Gedächtnisleistung wird zumindest etwas verzögert.
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Der Bewohner wird sinnvoll
beschäftigt. Er langweilt sich nicht.
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Innerhalb der Gruppe
herrscht eine entspannte Atmosphäre. Kein Teilnehmer hat das Gefühl,
sich in einer Wettbewerbssituation zu befinden.
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Die Selbstständigkeit des
Demenzpatienten wird gefördert.
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Wir finden für jeden
Demenzpatienten eine passende Herausforderung, die seinen aktuellen
mentalen Fähigkeiten entspricht. Er kann also die Aufgaben lösen, muss
sich dafür aber etwas anstrengen.
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Durch viele kleine Erfolge
wird das Selbstwertgefühl des Bewohners gestärkt.
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Die Teilnahme an
Gruppenaktivitäten fördert die Einbindung in das soziale Leben.
Vorbereitung:
Indikation
Unter
verschiedenen Bedingungen ist ein Gedächtnistraining sinnvoll:
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In “gesunden” Jahren war der
Bewohner intellektuell ausgerichtet. Erfolge bei Denkaufgaben führen
bei ihm zu einer Steigerung des Selbstwertgefühls.
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Eine Demenz liegt noch nicht
vor oder sie ist noch im Anfangsstadium. Die mentalen Fähigkeiten sind
noch weitgehend erhalten. Der Bewohner möchte sich geistig fit halten.
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Es gab vor Kurzem eine
Veränderung des Umfelds, die zu einem Nachlassen der Konzentration und
des Gedächtnisses führte, ohne dass dieses auf hirnorganische
Abbauprozesse zurückzuführen wäre. Beispiel: Ein nur leicht demenziell
erkrankter Bewohner muss wegen einer Fraktur ins Krankenhaus. Er kehrt
nach drei Wochen in einem verwirrten Zustand zurück; mutmaßlich als
Folge einer Deprivation.
Ggf. ist die Aktivierungsmaßnahme
nicht sinnvoll:
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Der Bewohner zeigt wenig
Interesse am Erhalt seiner kognitiven Fähigkeiten, etwa weil er sich
darüber nicht definiert.
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Die kognitiven Ressourcen
haben sich so weit reduziert, dass die Erfolge inzwischen deutlich
nachlassen.
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Der Bewohner reagiert auf
die Überforderung mit Frustration. Er äußert sich etwa so: “Ich bin
dumm und schaffe das alles nicht!”
Organisation
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Als Übungsleiter setzen wir
erfahrene Pflegekräfte, Ergotherapeuten oder Sozialpädagogen ein.
Qualifikation:
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Erfahrungen in
Gruppenarbeit
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Kommunikationsfähigkeit
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Kenntnisse über
Lehrmethoden in der Erwachsenenbildung
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Kenntnisse über
gerontopsychiatrische Krankheitsbilder
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Da das Gedächtnistraining
hohe Konzentration und Aufmerksamkeit erfordert, ist der Vormittag als
Termin die beste Wahl. Jeder Bewohner sollte zweimal in der Woche an
einem Gedächtnistraining teilnehmen können. Die Planung wird mit dem
Pflegeteam und mit der Hauswirtschaft abgestimmt.
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Die genauen Termine für das
Gedächtnistraining werden regelmäßig am Schwarzen Brett und in der
Heimzeitung bekannt gegeben. Terminverschiebungen werden allen
teilnehmenden Bewohnern rechtzeitig mitgeteilt. Die Teilnehmer werden
aufgefordert, geeignete Kleidung, ihr Hörgerät mit geladenen Batterien
und ihre Brille mitzubringen.
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Gemeinsam mit der
Bezugspflegekraft nimmt der Trainingsleiter Kontakt zu neuen Bewohnern
auf und lädt diese zum Gedächtnistraining ein. Bezugspflegekräfte
werden gebeten, relevante Diagnosen rechtzeitig dem Trainingsleiter
mitzuteilen. Dazu zählen neben kognitiven Defiziten auch
Bewegungseinschränkungen sowie Seh- und Hörstörungen.
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Wir erstellen für alle
Bewohner eine sorgfältige Bewohnerbiografie. Teil dieser
Informationssammlung ist insbesondere die Frage nach bevorzugten
Freizeitbeschäftigungen. Der Übungsleiter sollte die wichtigsten
biografischen Fakten der Teilnehmer kennen.
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Ideal ist eine
Teilnehmerzahl von neun bis zwölf Personen. Wenn diese Größe deutlich
überschritten wird, teilen wir die Bewohner in zwei Gruppen auf, um
eine individuelle Betreuung sicherzustellen.
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Eine Gruppenteilung ist
ebenfalls notwendig, wenn das Leistungsniveau innerhalb der Gruppe
stark variiert. Eine heterogene Gruppenzusammensetzung aus leicht- und
mittelschwer erkrankten Senioren führt dazu, dass einige Teilnehmer
überfordert und andere Teilnehmer unterfordert werden.
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Der Gruppenraum wird
reserviert.
(Hinweis: Oftmals findet das
Gedächtnistraining im großen Aufenthaltsraum statt. Dieses hat den
Vorteil, dass andere Bewohner, die nicht aktiv teilnehmen, das
Geschehen verfolgen können. Nachteilig ist ggf. das störende Umfeld.)
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Falls nötig kann ein
Praktikant, ein “Bufdi” (Bundesfreiwilligendienst) oder ein
Pflegeschüler bei der Durchführung des Gedächtnistrainings mithelfen.
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Die Wohnbereiche der
teilnehmenden Senioren werden informiert. Bewohner, die nicht
selbstständig den Gruppenraum aufsuchen können, werden von
Pflegekräften stets dorthin begleitet.
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Der Trainingsleiter wählt
ein passendes Thema für die Übungsstunde, sammelt Ideen und listet das
notwendige Material auf.
Vorbereitung
des Raums
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Der Trainingsleiter lüftet
den Raum und stellt ggf. die Heizung an.
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Ausreichend Stühle werden im
Halbkreis aufgestellt. Ggf. werden in der Mitte Tische positioniert.
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Der Raum wird mittels
Tischdekoration freundlich gestaltet.
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Wir stellen Getränke bereit.
Durchführung:
Begrüßung
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Jeder Bewohner wird vom
Trainingsleiter begrüßt.
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Der Trainingsleiter legt
eine Teilnehmerliste an.
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Es wird sichergestellt, dass
alle Bewohner ihr Hörgerät angeschaltet haben und die Brille tragen.
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Das Telefon wird umgeleitet.
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Bewohner, die regelmäßig zum
Gedächtnistraining erscheinen, nehmen ihre Stammplätze ein. Seh- und
hörgeschädigte Senioren sollten in der Nähe des Trainingsleiters sitzen.
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Wenn viele neue Bewohner
hinzugekommen sind, stellt sich jeder Teilnehmer kurz vor.
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Soweit möglich werden
Rollstuhlfahrer aus dem Rollstuhl auf einen Stuhl mobilisiert. Ist
dieses nicht möglich, werden ggf. die Seiten- und Fußteile abgenommen.
Verlauf
des Gedächtnistrainings
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Das Gedächtnistraining wird
mit einer Übung begonnen, die bereits in der letzten Stunde
durchgeführt wurde und von allen Bewohnern gut beherrscht wird.
Alternativ dazu kann eine Bewegungsübung als Einstieg genutzt werden.
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Neue und anspruchsvollere
Übungen werden in die Mitte der Stunde gelegt.
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Eine leichte Übung bildet
den Abschluss der Stunde.
Abschluss
der Übungsstunde
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Es wird gemeinsam ein Lied
gesungen. Alternativ dazu trägt der Trainingsleiter ein Gedicht vor.
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Der Trainingsleiter lobt
alle Bewohner und dankt für die Teilnahme.
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Wenn das Gedächtnistraining
nur einmal in der Woche stattfindet, kann der Trainingsleiter eine
“Hausaufgabe” aufgeben. Die Teilnehmer sollen dafür jeden Tag rund zehn
Minuten selbstständig eine Übung durchführen.
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Jeder Bewohner wird
persönlich verabschiedet.
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Bewohner mit mentalen oder
körperlichen Einschränkungen werden in die Obhut der Pflegekraft
übergeben und in ihr Zimmer zurückgebracht.
weitere
Maßnahmen
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Den Bewohnern wird
regelmäßig etwas zu Trinken angeboten.
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Der Trainingsleiter baut
immer wieder Bewegungsübungen in den Ablauf ein.
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Der Schwierigkeitsgrad wird
so gewählt, dass die Bewohner weder unter- noch überfordert werden.
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Der Trainingsleiter hält
Blickkontakt zu allen Teilnehmern.
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Der Trainingsleiter macht
immer wieder darauf aufmerksam, dass nicht die perfekte Umsetzung
entscheidend ist, sondern das Maß, mit dem sich jeder Bewohner
einbringt.
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Der Übungsleiter hilft dem
Bewohner, wenn er an körperlichen Einschränkungen leidet. Beispiel: Ein
Senior mit Parkinson kann aufgrund des Tremors die Spielkarten nicht
vom Tisch aufnehmen.
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Falls eine Aufgabe nicht
innerhalb eines gewissen Zeitrahmens gelöst werden kann, stellt der
Übungsleiter die Aufgabe zurück und geht zur nächsten Aktivierung
weiter.
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Es werden regelmäßig Pausen
gemacht.
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"Schüchterne" Bewohner
werden gezielt angesprochen und vorsichtig aus der Zurückgezogenheit
herausgeholt. Übereifrige Teilnehmer werden sanft gebremst.
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Leistungsschwächere Bewohner
werden bei der Lösung der Übungen unterstützt. Der Trainingsleiter
unterbindet jeden Versuch von Mitbewohnern, Druck auf
leistungsschwächere Bewohner auszuüben. Der Trainingsleiter muss
überdies sicherstellen, dass kein Teilnehmer Angst haben muss, sich zu
blamieren.
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Im Idealfall kommt es zu
einer Kooperation der Bewohner untereinander, um das Spielziel zu
erreichen.
Nachbereitung:
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Der Raum wird gelüftet und
aufgeräumt.
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Relevante Beobachtungen
werden an die Bezugspflegekräfte weitergegeben.
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Die Übungsstunde wird
protokolliert.
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Die Teilnahme eines
Bewohners am Gedächtnistraining wird immer wieder kritisch hinterfragt;
dieses etwa im Rahmen einer Fallbesprechung. Sobald der Demenzkranke
aufgrund einer Überforderung offensichtlich nicht mehr von diesem
Angebot profitiert, sollte der Schwierigkeitsgrad gesenkt werden. Der
Bewohner wird z. B. einer anderen Gruppe zugeteilt. Ist auch dieses
nicht mehr sinnvoll, wird kein Gedächtnistraining durchgeführt, sondern
andere Angebote wie etwa die 10-Minuten-Aktivierung.
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Wir führen regelmäßig
Befragungen unter den Teilnehmern durch. Sie können dabei Wünsche und
Kritik äußern.
Dokumente:
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Pflegedokumentationsbogen
für Beschäftigungsangebote
Verantwortlichkeit / Qualifikation:
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