Diese Seiten wurden für Smartphones optimiert.
Für die PC-Version
klicken Sie bitte hier.
Standard "Getränke anreichen in
der ambulanten Pflege"
In der Trinkförderung haben sich "Hilfsmittel"
eingebürgert, die diesen Namen nicht verdienen. Ganz oben auf der Liste
steht die Schnabeltasse, die für zahllose Aspirationspneumonien
verantwortlich ist. Dennoch wollen viele pflegende Angehörige auf
dieses Utensil nicht verzichten.
Standard "Getränke anreichen
in der ambulanten Pflege"
Definition:
-
Viele Senioren nehmen zu wenig Flüssigkeit zu
sich. Dieses führt zu verschiedensten Gesundheitseinschränkungen, etwa
zu Obstipation, zu Verwirrtheitszuständen oder sogar zu Organversagen.
-
In den meisten Fällen sind dafür das
nachlassende Durstgefühl sowie ein unzureichendes Problembewusstsein
ursächlich. Der alte Mensch wäre körperlich durchaus in der Lage,
ausreichend zu trinken. Er vergisst es aber. Oder er trinkt bewusst zu
wenig, etwa um einen ungewollten Harnverlust zu verhindern.
-
Oftmals führen auch körperliche Einschränkungen
dazu, dass der Klient zu wenig Getränke konsumiert. Er hat also Durst
und weiß auch, dass er trinken muss. Dieses scheitert jedoch daran,
dass er aufgrund motorischer Beeinträchtigungen den Becher nicht
greifen kann. Mitunter haben Betroffene auch erhebliche Schmerzen etwa
in den Schultern und können daher kein Trinkglas sicher halten.
-
Andere Senioren leiden unter Schluckstörungen.
Oder sie können als Folge von Sehbehinderungen das Trinkgefäß nicht
erkennen. Es ist dann Aufgabe der Pflegekräfte, den Klienten anzuleiten
und zu unterstützen.
-
Die Hilfe bei der Flüssigkeitsaufnahme ist ein
Kriterium der (kommenden) Qualitätsprüfung. Der MDK kontrolliert, ob
verschiedene Vorgaben erfüllt sind. So wird von uns erwartet, dass wir
unsere Hilfeleistungen stets an die aktuellen Einschränkungen anpassen.
Gleichzeitig sind wir dazu angehalten, soweit wie möglich die Wünsche
des Klienten zu berücksichtigen.
(Hinweis: Dieser Standard behandelt primär die körperlichen Probleme,
die den eigenständigen Getränkekonsum beeinträchtigen. Faktoren wie
Depressionen oder Demenzen haben wir an anderer Stelle thematisiert.
Das Eingeben von Speisen ist im Standard "Kochen und Essen anreichen"
beschrieben. Das Thema Flüssigkeitsmangel wird im Standard
"Dehydratationsprophylaxe" vertieft.)
Grundsätze:
-
Beim Anreichen der Getränke beachten wir stets
die Grundsätze der aktivierenden Pflege. Der Klient erhält nur so viel
Unterstützung, wie er tatsächlich benötigt. Er soll die
Flüssigkeitsaufnahme möglichst eigenständig durchführen. Dieses ist
auch dann unverzichtbar, wenn eine vollständige Übernahme durch die
Pflegekraft deutlich schneller und für alle Beteiligten bequemer wäre.
-
Es gibt keine Universallösung für alle
Klienten. Bei jedem Pflegebedürftigen liegen andere Einschränkungen
vor. Die optimale Strategie kann letztlich nur durch das
Versuch-und-Irrtum-Prinzip ermittelt werden.
Ziele:
-
Der Klient nimmt ausreichend Flüssigkeit zu
sich.
-
Er verschluckt sich nicht und erleidet keine
Aspirationspneumonie.
-
Der Klient verliert die Angst vor dem Trinken
und vor einer etwaigen Atemnot. Wir stärken damit sein Selbstvertrauen.
-
Gemeinsam mit dem Pflegebedürftigen, seinen
Angehörigen und der Ergotherapeutin finden wir die bestmöglichen
Hilfsmittel, die ihm trotz aller Einschränkungen einen möglichst
eigenständigen Getränkekonsum ermöglichen.
Vorbereitung:
Prüfung der
Voraussetzungen
Alle Pflegekräfte
müssen die Gefahren von Aspirationen und den dadurch ausgelösten
Pneumonien kennen. Daher erhält der Klient nur dann oral Flüssigkeiten,
wenn er diese auch tatsächlich hinreichend sicher schlucken kann.
Folgende Voraussetzungen müssen erfüllt sein:
-
Der Klient ist wach, also weder somnolent noch
komatös. Er ist zumindest soweit zur Situation orientiert, dass er
versteht, dass er jetzt trinken soll.
-
Er kann aufrecht sitzen und diese Position für
einige Minuten halten.
-
Der Pflegebedürftige kann orale und pharyngeale
Bewegungen ausführen. Er ist also beispielsweise in der Lage, den Mund
zu schließen sowie Zungentransport- und Kehlkopfbewegungen
durchzuführen.
-
Der Klient kann hinreichend kräftige
Hustenstöße ausführen, um im Notfall Flüssigkeit aus den Luftwegen zu
befördern.
(Hinweis: Wenn der Zustand des Klienten keine orale
Flüssigkeitsapplikation zulässt, sollte die zeitnahe Anlage einer PEG
erwogen werden.)
Auswahl und
Beschaffung geeigneter Getränke
Wir beraten den
Klienten bei der Auswahl und bei der Lagerung geeigneter Getränke.
Abhängig vom Krankheitsbild sind dabei etwa folgende Faktoren relevant:
-
kalorienreiche oder kalorienarme Getränke
-
Getränke mit oder ohne Kohlensäure
-
alkoholhaltige oder alkoholfreie Getränke
-
Säfte mit oder ohne Fruchtfleisch
-
zimmerwarme, kühle oder kalte Getränke.
Hinweis:
-
Säfte mit viel Fruchtfleisch begünstigen eine
Aspiration. Dieses gilt auch für eiskalte und für kohlensäurehaltige
Getränke.
-
Bei starken Schluckstörungen ist es dem
Klienten oftmals gar nicht möglich, Flüssigkeiten oral zu sich zu
nehmen. In diesem Fall kann es sinnvoll sein, das Wasser mit
Dickungsmittel zu gelieren. Die Flüssigkeit bekommt dann eine breiige
Konsistenz. Dieses Vorgehen wird nicht von allen Betroffenen
akzeptiert, da der Geschmack oftmals unangenehm ist. Hier können die
Pflegekräfte das Aroma verbessern, indem sie etwas Fruchtsaft
hinzugeben.
Beschaffung
geeigneter Hilfsmittel
-
Gemeinsam mit der Ergotherapeutin prüfen wir,
welche Hilfsmittel für den Klienten geeignet sind. Sofern eine
ärztliche Verordnung vorliegt, werden die Kosten oftmals von der
gesetzlichen Pflegekasse übernommen.
(Hinweis: Ob sich der offizielle Weg zur Kostenübernahme wirklich
lohnt, muss jede Familie selbst entscheiden. Die meisten Hilfsmittel
sind nicht teuer. Ein Rillenbecher kostet rund sieben Euro.
Vakuumbecher oder etwa Trinkbecherhalter sind mit fünf Euro pro Stück
noch preisgünstiger.)
-
Bei geschwächten Klienten sollte eine Tasse
nicht zu schwer sein.
(Hinweis: Eine große Kaffeetasse aus Porzellan kann 300 bis 400 Gramm
wiegen. Hinzu kommt das Getränk. Das Gesamtgewicht "zieht" erheblich an
den Armen, wenn man es drei oder vier Minuten halten muss. Die
vertraute Lieblingstasse ist also nicht immer die erste Wahl.)
-
Bei motorischen Einschränkungen können Becher
mit einem großen Griff genutzt werden. Ist ein beidhändiges Führen
notwendig, empfehlen wir Trinkgefäße mit zwei Griffen. Auch sehr
zittrige Klienten führen solche Tassen zumeist sicher zum Mund.
Alternativ prüfen wir, wie ein Klient mit einem Rillenbecher
zurechtkommt.

-
Eine für viele Klienten gute Option ist die
Nutzung von Trinkhalmen. Bei kurzen Trinkhalmen muss der Klient oder
die Pflegekraft das Trinkgefäß unterhalb des Kopfes festhalten. Es gibt
aber auch Trinkschläuche mit einer Länge von mehr als einem halben
Meter. Diese können dann "freihändig" genutzt werden, etwa indem der
Trinkbehälter auf dem Seitentisch abgestellt wird. Längere Trinkhalme
sollten mit einem Rücklaufstopp ausgestattet sein. Der Klient kann die
Flüssigkeit wie gewohnt ansaugen. Wird der Trinkvorgang unterbrochen,
fließt das Getränk nicht den ganzen Weg durch den Trinkhalm zurück. Für
den Klienten ist das Trinken dadurch schonender. Außerdem wird die
ungewollte Luftaufnahme beim Saugen reduziert.
-
Die Verwendung von Schnabeltassen ist zu
vermeiden, da diese eine Überstreckung des Kopfes fördern. Zudem ist es
dem Klienten kaum möglich, die einfließende Flüssigkeitsmenge zu
steuern. Gleichwohl werden diese Hilfsmittel in der familiären
Versorgung häufig eingesetzt. Zum Zeitpunkt der Pflegeaufnahme durch
den ambulanten Dienst hat sich der Klient dann bereits an die
Schnabeltasse gewöhnt.
(Hinweis: Mitunter ist bei Schnabeltassen auch der gegenteilige Effekt
zu beobachten. Demenziell erkrankte Klienten erfassen die
Funktionsweise einer Schnabeltasse nicht und trinken daher zu wenig.
Dieses liegt daran, dass die Verwendung einer Schnabeltasse biografisch
nicht verankert ist. Der Demenzkranke hat so ein Hilfsmittel in seinem
bisherigen Leben nie genutzt und kann deshalb jetzt nichts damit
anfangen.)
-
Bei sehr geschwächten oder bei sterbenden
Senioren nutzen wir ggf. einen Sauger. Der Saugreflex ist zumeist bis
zum Tod noch vorhanden.
-
Ein Sicherheitsbecher verfügt über einen
speziellen Aufsatz, der pro Schluck nur eine begrenzte Menge an
Flüssigkeit abgibt. Das Getränk fließt kontrolliert aus einer
länglichen Öffnung in den weit auslaufenden Rand.
(Hinweis: Wenn das Getränk zu schnell in den Mund einfließt, schließt
sich der Kehldeckel nicht rechtzeitig. Ein Teil der Flüssigkeit gerät
dann in die Luftröhre.)
-
Ein Becher oder Glas darf keine scharfen Kanten
aufweisen. Wenn die Gefahr besteht, dass der Klient in das Trinkgefäß
beißt, sollte ein Modell aus Kunststoff gewählt werden.
-
Wenn der Klient nicht in eine sitzende Position
mobilisiert werden kann, bieten sich Vakuumbecher an. Diese verfügen
über eine Trinktülle und einen geschlossenen Deckel. Je nach Modell
wird die Flüssigkeit durch Saugen oder durch einen Knopfdruck
freigegeben.
Beratung der
Angehörigen
-
Alleinstehende Senioren erhalten ihre Speisen
oftmals von einem mobilen Dienstleister ("Essen auf Rädern"). Viele
Pflegebedürftige jedoch essen gemeinsam mit ihrer Familie. Dann ist es
wichtig, dass die Angehörigen in der Lage sind, dem Klienten die
Flüssigkeit korrekt einzugeben. Wir leisten dahin gehende Beratung.
Insbesondere trainieren wir das Eingeben von Getränken gemeinsam mit
dem Klienten und mit seinen Familienangehörigen.
Durchführung:
-
Die Pflegekraft legt dem Klienten den
Trinkbehälter in die Hand. Falls notwendig führt sie diesen nun zum
Mund des Pflegebedürftigen. Der Klient belässt dabei seine Hände auf
dem Glas oder auf dem Becher.
(Nach Möglichkeit bahnt die Pflegekraft die Bewegung nur an. Sie gibt
also lediglich einen ersten Impuls, woraufhin der Klient den Becher
dann selbst zum Mund führt. Alternativ stabilisiert die Pflegekraft nur
den Arm des Klienten.)
-
Bei warmen Getränken soll der Klient zunächst
nur einen kleinen Schluck nehmen und die Temperatur prüfen.
-
Die Pflegekraft unterstützt ggf. den Kopf des
Klienten. Sie gibt schluckweise Flüssigkeit ein. Sie wartet jeweils ab,
bis der Pflegebedürftige geschluckt hat.
-
Nach jedem Schluck neigt die Pflegekraft den
Becher wieder zurück. Sie verhindert damit, dass Flüssigkeit in den
Mund des Klienten fließt, während sich dieser noch auf den
Schluckvorgang konzentriert.
-
Die Pflegekraft achtet auf den Mundschluss. Sie
führt ggf. einen Kieferkontrollgriff durch.
-
Wichtig ist auch, dass die Pflegekraft auf die
Gestik und auf die Mimik des Klienten achtet. Sie kann daran z. B.
ablesen, ob der Klient Angstreaktionen zeigt, weil er kurz vor einem
Verschlucken ist.
-
Wenn der Pflegebedürftige zu hastig trinkt,
setzt die Pflegekraft den Becher kurz ab, da es ansonsten schnell zu
einer Aspiration kommt.
Nachbereitung:
-
Nach dem Trinken fragt die Pflegekraft, ob es
dem Klienten geschmeckt hat und ob er gut schlucken konnte.
-
Die Serviette wird entfernt und ggf. dafür
genutzt, um die Lippen des Klienten zu trocknen.
-
Viele Klienten nehmen beim Trinken neben der
Flüssigkeit ungewollt auch Luft auf. Daher ist es sinnvoll, dass der
Pflegebedürftige noch einige Minuten sitzend verbleibt und aufstoßen
kann. Erst danach bringt ihn die Pflegekraft wieder in eine liegende
Position.
-
Der Hilfebedarf von Klienten bei der
Flüssigkeitsaufnahme kann sich verändern. Die Pflegekraft prüft daher
regelmäßig, ob der Pflegebedürftige Fort- oder Rückschritte macht. In
enger Abstimmung mit dem Klienten, mit dessen Angehörigen und mit der
Ergotherapeutin erwägen wir eine Anpassung der Hilfsmittelversorgung
und der Unterstützungsmaßnahmen. Die Pflege- und Maßnahmenplanung wird
regelmäßig aktualisiert.
Dokumente:
-
Berichtsblatt
-
Pflegeplanung / Maßnahmenplanung
-
Flüssigkeitsbilanzierung
-
Fragen an den Arzt
Verantwortlichkeit
/ Qualifikation:
|