pqsg mobil
Start Suche Service
Diese Seiten wurden für Smartphones optimiert. Für die PC-Version klicken Sie bitte hier.

Standard "Prävention von Gewalt gegen Pflegebedürftige durch Pflegekräfte"

Durch mehr oder minder intensiven Zwang drängt die Arbeitsagentur Beschäftigungslose in die Pflegebranche. Viele von diesen zwangsverpflichteten Mitarbeitern verfügen jedoch nicht über die notwendigen emphatischen Fähigkeiten, um in diesem herausfordernden Beruf zu bestehen. Es ist dann nur eine Frage der Zeit, bis es zu Kurzschlusshandlungen kommt.


Standard "Prävention von Gewalt gegen Pflegebedürftige durch Pflegekräfte"


Definition:

  • Aggressive Handlungen von Pflegekräften gegen Bewohner, Klienten und Patienten kommen nur selten ans Licht. Diese Thematik wird oftmals sowohl von den Pflegenden, als auch von den Senioren sowie von deren Angehörigen tabuisiert. Schätzungen zufolge könnten 350.000 Pflegebedürftige pro Jahr Opfer von Gewalt durch Pflegekräfte sein.
  • Direkte physische Attacken, etwa Schläge oder Tritte, sind nur eine Form der Gewalt. Auch sexuelle Übergriffe, missbräuchliche Applikationen von Psychopharmaka, Entzug von Mobilitätshilfsmitteln sowie die ungenehmigte Durchführung von Fixierungen zählen dazu. Das Unterlassen notwendiger Hilfen oder medizinischer oder pflegerischer Versorgungsleistungen sowie das zwangsweise Eingeben von Nahrung werden ebenso als Gewalt gewertet.
  • Gewalt in der Pflege entwickelt sich fast immer schrittweise. Sie beginnt mit leichten Formen der Vernachlässigung, wie etwa mit der mangelnden Berücksichtigung von Wünschen und von Bedürfnissen. Wird diese Gewaltspirale nicht unterbrochen, steigern sich die Aggressionen oftmals bis zu massiven physischen Übergriffen.
  • Als wichtige Auslöser dieser Aggressionen gelten Unzufriedenheit und Überlastung im Beruf, die in einem Burn-out-Syndrom münden. Hinzu kommen Hilflosigkeit, Konflikte mit Kollegen oder Spannungen im Privatleben.
  • Derartiges Fehlverhalten kann strafrechtliche Folgen haben. Relevant sind insbesondere folgende Tatbestände:
    • Beleidigung (§ 185 StGB)
    • Sexueller Missbrauch von Kranken und Hilfsbedürftigen (§ 174a StGB)
    • Sexueller Missbrauch Widerstandsunfähiger (§ 179 StGB)
    • Mord (§ 211 StGB)
    • Totschlag (§ 212 StGB)
    • Aussetzung einer hilflosen Person (§ 221 StGB)
    • Fahrlässige Tötung (§ 222 StGB)
    • Körperverletzung (§ 223 StGB)
    • Misshandlung von Schutzbefohlenen (§ 223a StGB)
    • Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB)
    • Freiheitsberaubung (§ 239 StGB)
    • Unterlassene Hilfeleistung (§ 223c StGB)
  • Pflegekräfte sind verpflichtet, Kollegen bei einem Übergriff (falls möglich) zu stoppen. Handgreiflichkeiten müssen an die Pflegedienstleitung gemeldet werden, um eine Wiederholung zu verhindern. (§ 323c StGB)
Hinweise:
  • Die Gewaltprophylaxe muss nicht zwingend in einem Standard erörtert werden. Es ist auch möglich, die erforderlichen Maßnahmen in einem Konzept zu beschreiben.
  • Dieser Standard verzichtet auf eine tiefgehende Beschreibung der sozialpsychologischen Theorie zum Thema Gewalt in der Pflege. Stattdessen konzentriert sich dieser Mustertext auf die praktische Umsetzung der Aggressionsvermeidung.
  • Auf viele zentrale Faktoren bei der Gewaltentstehung hat eine Pflegedienstleitung und erst recht eine Qualitätsbeauftragte keinen oder nur geringen Einfluss; hier vor allem die angespannte Personalausstattung, die räumliche Situation und die Bewohnerstruktur. Insofern ist ein Standard lediglich ein kleines Element einer umfassenden Strategie zur Prophylaxe von Gewaltvorfällen.

Grundsätze:

  • Gewaltlosigkeit ist ein zentrales Element unseres Pflegeverständnisses und unseres Menschenbilds. Wir dulden daher keine Aggressionen durch Pflegekräfte gegen unsere Bewohner.
  • Ein enger Zusammenhalt aller Mitarbeiter ist unverzichtbar. Dieses darf jedoch nicht dazu führen, dass ein gewalttätiges Verhalten einzelner Kollegen verschwiegen und gedeckt wird.

Ziele:

  • Jede Form von Gewalt gegen Bewohner wird vermieden.
  • Wir schaffen ein Umfeld, das der Entwicklung von Aggressionen entgegenwirkt.

Vorbereitung:

Schulung

  • Bereits im Rahmen der Einarbeitung vermitteln wir neuen Kollegen Strategien, um innere Anspannung abzubauen. Wir ermutigen diese, negative Gefühle offen anzusprechen. Außerdem sollen sie bei Konflikten ggf. eine kurze Auszeit nehmen und sich zurückziehen.
  • Wir machen alle Mitarbeiter darauf aufmerksam, dass es besser ist, eine Überforderung zeitnah anzusprechen, bevor es zu Kurzschlussreaktionen kommt.
  • Wir führen regelmäßig Fallbesprechungen durch. Dabei darf es keine falsche Zurückhaltung geben. Jeder Mitarbeiter sollte Konflikte offen ansprechen.
  • Wir führen Rollenspiele durch, um Mitarbeiter Techniken zur Deeskalation zu vermitteln.
  • Falls es das Team wünscht, kann eine Supervision initiiert werden.
  • Den meisten Pflegekräften ist es selbst nicht bewusst, dass sie Gewalt anwenden. Sie halten ihr Handeln häufig für angemessen, etwa weil es eine Reaktion auf aggressives Verhalten des Bewohners ist. Das Thema Gewaltprävention wird daher regelmäßig bei Teamsitzungen angesprochen.
  • Neben einem Erfahrungsaustausch ist vor allem wichtig, eine einheitliche Definition von “Gewalt” zu finden. Für viele Pflegekräfte beginnt Gewalt bereits mit dem Anschreien eines Senioren. Andere sehen diese Schwelle erst bei physischen Handlungen überschritten.

Organisation

  • Bereits im Rahmen der Aufnahme prüfen wir, ob es Hinweise darauf gibt, dass die Versorgung eines neuen Bewohners mental besonders herausfordernd sein könnte. Dieses ist etwa der Fall bei unkooperativen Persönlichkeiten sowie bei Krankheitsbildern, die zu problematischem Verhalten führen. Diese Bewohner sollten gleichmäßig über die Wohnbereiche verteilt werden.
  • Bei der Zuteilung von Bezugspflegekräften achten wir auf eine möglichst gleichmäßige Belastungsverteilung. Es ist zu vermeiden, dass eine Pflegekraft übermäßig viele Senioren versorgen muss, die im zwischenmenschlichen Umgang besonders fordernd sind.
  • Wenn die Versorgung eines bestimmten Pflegebedürftigen mental übermäßig belastend ist, kann die Position der Bezugspflegekraft auch auf zwei Kollegen verteilt werden, die diese Aufgabe abwechselnd übernehmen.
  • Auch die täglichen Aufgaben werden möglichst gerecht verteilt. Es ist zu vermeiden, dass einzelne Kollegen vor allem patientennahe Tätigkeiten durchführen (etwa Ganzwaschungen), während andere Mitarbeiter primär patientenferne Aufgaben übernehmen (Medikamente vorbereiten oder Pflegedokumentation erstellen).
  • Übermotivierte Kollegen werden moderat “gebremst”, bevor es bei ihnen zum Burn-out-Syndrom kommt.

Vermeiden von Konflikten

Gewalt entsteht nicht einseitig, sondern zumeist dadurch, dass sich Konflikte zwischen zwei Seiten “aufschaukeln”. Es ist immer auch sinnvoll, Aggressionen aufseiten des Bewohners zu vermeiden. Pflegemaßnahmen mit hohem Konfliktpotenzial werden daher standardisiert. Etwa:

  • Anwendung von Fixierungssystemen
  • Nutzung von Bettgittern
  • Verhalten bei Nahrungsverweigerung
  • Verhalten bei mangelndem Kooperationswillen
  • Körperpflege mit Wahrung der Intimsphäre
  • Verhalten bei sexuellen Übergriffen auf Pflegekräfte durch Bewohner
  • Pflege von Senioren mit Verwahrlosungstendenzen
  • Pflege von Bewohnern mit gesteigerter Gewaltneigung
  • Pflege von Bewohnern mit Weglauftendenz
  • Pflege von wahnkranken Senioren
  • Pflege von alkoholkranken Senioren
  • Pflege von Menschen mit Halluzinationen / Illusionen

Durchführung:

  • Wenn es zwischen einer Bezugspflegekraft und dem jeweiligen Bewohner wiederholt zu erheblichen Spannungen kommt, kann und sollte die Zuständigkeit auf einen anderen Mitarbeiter übergehen.
  • Alle Mitarbeiter sind verpflichtet, die Pflegedienstleitung zu informieren, wenn sie einen Übergriff beobachten oder diesen vermuten. Ein hinreichender Verdacht ist z. B. das Auftreten von Hämatomen bei einem Bewohner, ohne dass es dafür eine plausible Erklärung gibt.

Nachbereitung:

  • Jeder relevante Übergriff durch eine Pflegekraft auf einen Bewohner wird zur Anzeige bei der Polizei gebracht.
  • Der Mitarbeiter wird von seiner Arbeit freigestellt, bis die Umstände restlos aufgeklärt sind.
  • Der Vorfall wird sorgfältig dokumentiert.

Dokumente:

  • Maßnahmenplanung
  • Pflegebericht

Verantwortlichkeit / Qualifikation:

  • alle Mitarbeiter



pqsg Impressum, AGB / Datenschutz