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Standard
"Beobachtung der Urinausscheidung"
Durch die konsequente Beobachtung der
Urinausscheidung können Pflegekräfte viele Krankheiten
frühzeitig erkennen. In der Praxis jedoch scheitert eine solide
Kontrolle oftmals am unterschiedlichen Wissensstand der
Mitarbeiter. Schließlich kann eine Rotfärbung des Harns vieles
bedeuten: vom unersättlichen Genuss roter Rüben bis zur
lebensgefährlichen Blutung.
Standard "Beobachtung der Urinausscheidung"
Definition:
-
Urin (oder Harn) wird in den Nieren
aus dem Blut ausgefiltert und in die Harnblase
befördert. Hier wird der Urin gesammelt, und die
Harnblase füllt sich. Das Füllvolumen wird mittels
Rezeptoren in der Blasenwand gemessen. Der Mensch
verspürt Harndrang.
-
Urin besteht zu 95 bis 98 Prozent aus Wasser. Dazu
kommen noch Anteile an Harnstoff, Kreatinin, Harnsäure
sowie verschiedene organische wie anorganische Salze,
Phosphor oder Schwefelsäure.
Verschiedene Inhaltsstoffe kommen im Urin nur bei
Erkrankungen vor und sind somit wichtige diagnostische
Indikatoren: z.B. Zucker, Eiweiß, Azeton oder Blut.
Grundsätze:
-
Die sorgfältige Beobachtung
und Untersuchung von Urin ist ein wichtiger
Bestandteil pflegerischen Wirkens.
-
Jede Veränderung der
Urinausscheidung kann ein wichtiges Indiz auf eine
Erkrankung sein.
-
Wir akzeptieren, dass das
Hantieren mit Urin Ekelgefühle erzeugen kann,
insbesondere bei Praktikanten, Pflegeschülern und
Zivildienstleistenden.
Ziele:
-
Krankhafte Veränderungen
sollen rechtzeitig erkannt und möglichen Krankheiten
zugeordnet werden.
-
Alle Pflegekräfte sollen
möglichst einheitliche Maßstäbe zur Beurteilung der
Harnableitung ansetzen.
Vorbereitung:
Anamnese
Die Pflegekraft ermittelt im Dialog
mit dem Bewohner wichtige Daten. Etwa:
-
Hat der Bewohner Schmerzen
beim Wasserlassen?
-
Hat die Größe des Harnstrahls
abgenommen?
-
Gab es in der Vergangenheit
Erkrankungen der harnableitenden Systeme? Wie wurden
diese behandelt?
-
Musste sich der Bewohner
jemals Operationen in diesem Bereich unterziehen?
körperliche Inaugenscheinnahme
Die Pflegekraft ermittelt wichtige
körperliche Indizien für eine Erkrankung der
harnableitenden Systeme. Etwa:
-
Wie ist die Hautfarbe des
Bewohners? Hat der Bewohner eine schmutzig-fahle
Hautfarbe (Anzeichen für Harnvergiftung)?
-
Wie riecht der Bewohner? Ist
der Geruch von Harn wahrnehmbar?
-
Hat der Bewohner erhöhten
Blutdruck (ein Indiz auf eine Nierenerkrankung)?
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Nimmt der Bewohner weder zu
viel noch zu wenig Flüssigkeit zu sich? Gibt es
Anzeichen für eine Exsikkose?
-
weitere Daten:
Körpertemperatur, Füllungszustand der Halsvenen,
Atemnot, Azidose, Mundgeruch, Übelkeit, Erbrechen,
Ödembildung, Hautturgor, Anzeichen für einen Schock,
Bewusstseinslage
Durchführung:
Gewinnung von Mittelstrahlurin
-
Die Pflegekraft führt eine
Intimtoilette durch.
-
Bei Männern wird die Vorhaut
zurückgestreift und die Glans penis desinfiziert.
-
Bei Frauen werden die großen
und kleinen Schamlippen, die Harnröhrenöffnung und
die Vagina mittels Tupfern desinfiziert.
-
Der Bewohner wird gebeten,
Wasser zu lassen, den Harnstrahl dann aber zu
unterbrechen. Ggf. wird eine Penisklemme eingesetzt.
-
Die Pflegekraft füllt den
Urin in ein dafür vorgesehenes steriles Gefäß.
Dieses darf nicht von innen angefasst werden.
-
Wenn Bewohnerinnen etwa
aufgrund von Inkontinenz nicht in der Lage sind, den
Harnstrahl zu unterbrechen, wird dieses auf dem
Laborzettel vermerkt.
-
Wenn der Urin in einem Labor
untersucht werden soll, so wird dieser umgehend auf
den Weg gebracht.
Diagnostik per Streifenschnelltest
-
Wir öffnen das Röhrchen mit
den Teststreifen und entnehmen einen Teststreifen.
Danach wird das Röhrchen wieder fest verschlossen.
-
Wir stecken den Streifen in
einen Becher mit frischem (!) Urin und warten die
vom Hersteller vorgegebene Zeitspanne ab.
-
Wir vergleichen die
Verfärbungen des Streifens unter weißem Licht (kein
Neonlicht!) mit den Vergleichschablonen des
Herstellers.
Messen des spezifischen Gewichts
-
Die Pflegekraft stellt ein
Urometer (Senkwaage) und einen genormten
Messzylinder bereit.
-
Der frisch gelassene Urin
wird in den Messzylinder gegossen.
-
Das Urometer schwimmt im Harn
und darf den Zylinderrand nicht berühren.
-
Die Pflegekraft liest das
spezifische Gewicht an der Skala ab. Bezugspunkt ist
der untere Rand des Flüssigkeitsspiegels in
Augenhöhe.
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Das Urometer ist auf 20°C
Harntemperatur geeicht (alternativ 15°C,
Herstellerinformation beachten).
-
Wenn der Harn kälter als 20
°C ist, wird pro 3°C ein Teilstrich abgezogen.
-
Wenn der Harn wärmer als 20
°C ist, wird pro 3°C ein Teilstrich addiert.
Durchführung:
Kriterium
Normalwert
unbedenkliche Abweichungen und
deren Ursachen
krankhafte Abweichung
mögliche Ursachen für die
krankhafte Abweichung
Anzahl der Entleerungen pro Tag
4 bis 6 Entleerungen pro Tag
leichte Abweichungen bei ungewöhnlich
großer oder geringer Flüssigkeitszunahme
Inkontinenz, also eine gestörte
Funktion der Harnblase, die zu einem ungewollten
Harnabgang führt
-
Versagen des
Verschlussmechanismus
-
Insuffizienz der
Beckenbodenmuskulatur
-
Hormonmangel
-
Harnwegsinfektion
-
Obstruktion / Fremdkörper
-
Tumor
-
Störungen der Sensorik
-
psychosomatische Ursachen
Pollakisurie, also eine Entleerung
kleiner Harnmengen, die häufiger als 7 Mal pro Tag
auftritt, die 24-Stunden Menge ist normal
-
überaktive Blase
-
Blaseninstabilität
-
Verlegung im Blasenhals
-
Harnblasenentzündung
-
Störung der Blaseninnervation
-
Hormonstörungen
-
Prostataerkrankung
Nykturie, also häufiges nächtliches
Wasserlassen
-
Ausschwemmung von Ödemen
infolge von Herzinsuffizienz
-
Blasenentleerungsstörung
-
fortgeschrittene
Niereninsuffizienz
-
ggf. Gewohnheit
Harnmenge
1000 ml bis 2000 ml innerhalb von 24
Stunden
-
Verminderung der Harnmenge
durch starkes Schwitzen etwa im Sommer
-
Erhöhung der Harnmenge bei
großer Flüssigkeitszufuhr
Oligurie, also die verminderte
Fähigkeit, Urin zu bilden und diesen auszuscheiden. Eine
Oligurie liegt vor, wenn die Harnmenge unterhalb von 500
ml in 24 Stunden liegt oder nur 20 ml pro Stunde
ausgeschieden werden
-
Flüssigkeitsverlust z.B.
Schwitzen, Fieber, Durchfall, Erbrechen, Blutverlust
-
Geringe Flüssigkeitsaufnahme
Oligoanurie / inkomplette Anurie
-
hypovolämischer Schock (durch
Verminderung des zirkulierenden Blut- oder
Plasmavolumens)
-
akutes Nierenversagen
-
Verlegung der Harnwege
Anurie, also die Reduktion der
Harnausscheidung auf weniger als 100 ml in 24 Stunden
Echte Anurie:
-
hypovolämischer Schock (durch
Verminderung des zirkulierenden Blut- oder
Plasmavolumens)
-
akute Pyelonephritis
(bakterielle Infektion der oberen Harnwege)
-
Glumerulopathie
-
Vergiftungen, z.B.
Quecksilber
-
Falsche Anurie: Verlegung der
Harnwege, z.B. Harnröhrenverschluss
Polyurie, also die Ausscheidung von
krankhaft großen Urinmengen. Dieses ist bei Harnmengen
der Fall, die 2500 ml pro Tag überschreiten
-
Diabetes insipidus (Störung
der Diurese durch Verminderung der Wasserabsorption)
-
Diabetes mellitus
-
Einnahme von Diuretika
-
übermäßige Flüssigkeitszufuhr
-
Hyperkalzämie (Form einer
Elektrolytstörung mit Anstieg der
Kalziumkonzentration im Serum)
Harnverhalt, also die Unfähigkeit die
gefüllte Harnblase kontrolliert zu entleeren. Symptome
sind:
-
Überdehnung der Blase
-
häufiges Wasserlassen, aber
nur in kleinen Mengen
-
Inkontinenz (Überlaufblase)
-
Verengung der Harnröhre, etwa
durch eine Prostatavergrößerung, Tumore, Trauma oder
operative Eingriffe
-
starke Schmerzen
-
Querschnittläsion (Schädigung
des Rückenmarks)
-
Neurogene Störungen, z.B.
Multiple Sklerose
-
Bandscheibenvorfall
-
Verabreichung von Analgetika
-
Scham oder Angst
-
erhöhter Restharn. Dieser
liegt vor, wenn die Menge des Urins, der nach einer
Miktion in der Blase verbleibt, ein Volumen von 10
bis 30 ml deutlich übersteigt. Dieses wird per
Ultraschalldiagnostik überprüft.
-
Prostatavergrößerung
-
sonstige Harnröhrenverengung
-
Starre des inneren Rings
Farbe und Aussehen
Urin ist normalerweise klar und
bernsteingelb. Je nach Konzentration kann die Farbe
schwanken. Wenn die Konzentration steigt, verändert sich
die Farbe von hellgelb zu einem dunklen Gelb.
Farbveränderungen durch Medikamente:
-
grün, etwa durch Triamteren©
-
blau, etwa durch
Amitriptylin©
-
rot-orange, etwa durch
Levodopa©, Methyldopa©, Metronidazol©
-
goldgelb, etwa durch
Vitamin-B-Präparate oder Abführmittel
-
braungrün etwa bei
Kohletabletten
Farbveränderungen durch Lebensmittels
-
rot, etwa durch rote Beete,
rote Rüben, Rhabarber
-
Schleim
-
Fettgehalt
-
anorganische Phosphate
-
Störungen des Calciumwechsels
-
Bildung von Flocken und
Schlieren
-
Infektionen im
Urogenitalbereich, die zu einer Eiterbeimengung
führen
-
rötliche bis fleischfarbene
Färbung mit Eintrübungen
-
vermehrte Beimengung von
Erythrozyten, etwa in Folge von Nieren- bzw.
Harnsteinen oder Tumorbildung
-
herabgesetzte Blutgerinnung
-
bierbraun bis grünlich-dunkle
Färbung mit gelblichem Schaum
-
Gallenwegs- oder
Lebererkrankungen
-
Diabetes insipidus
-
Diabetes mellitus
-
diverse Infektionen
(Pseudomonasfarbstoff)
-
dunkelgelb-bräunliche
Einfärbung
Geruch
frisch gelassener Urin riecht
unauffällig
-
stechender Ammoniakgeruch
infolge der Zersetzung einige Zeit nach dem
Ausscheiden
-
Geruchsveränderungen infolge
des Genusses entsprechender Lebensmittel, etwa
Spargel
-
obstartig durch Azeton im
Urin
-
Entgleisung des
Stoffwechsels, etwa ausgelöst durch Diabetes
mellitus, Nahrungsmittelmangel oder durch
fortwährendes Erbrechen
-
Einwirkung von Bakterien bei
Infektionen der ableitenden Harnwege
-
Zellzerfall infolge von
bösartigem Tumorwachstum im Bereich der ableitenden
Harnwege
pH-Wert
Der Harn ist zumeist schwach sauer,
hat also einen pH-Wert von 5 bis 6
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Rein pflanzliche Ernährung
kann den pH-Wert auf bis zu 7,2 ansteigen lassen.
-
Eine stark fleischliche
Ernährung senkt den pH-Wert auf bis zu 4,5.
-
Absinken des pH-Wertes
unterhalb von 4,5
-
erhöhter Eiweißzerfall
infolge von Tumorwachstum
-
diabetische
Stoffwechselstörungen
-
Durchfall
-
Fieber
-
Ansteigen des pH-Wertes
oberhalb von 7,2
-
Entzündungen der Nieren oder
ableitenden Harnwege
-
stoffwechselbedingte Alkalose
(Störung im Säure-Basen-Haushalt)
spezifisches Gewicht
Der Urin eines gesunden Menschen hat
ein spezifisches Gewicht von 1.015 bis 1.025 g/l
-
Eine stärkere Konzentration
führt zu einem höheren spezifischen Gewicht.
-
Eine schwächere Konzentration
führt zu einem geringeren spezifischen Gewicht.
-
Das spezifische Gewicht
übersteigt deutlich einen Wert von 1.25 g/l. Die
Flüssigkeitszufuhr ist normal bis leicht erhöht. Der
Urin ist hellgelb.
-
Albuminurie, also die
Ausscheidung von Albumin (ein Protein) im Urin.
-
Glukosurie, also die erhöhte
Ausscheidung von Glukose im Harn
-
der Harn hat eine geringe
Konzentration und ein niedriges spezifisches Gewicht
unter 1.006 g/l.
-
Hyposthenurie, eine
Funktionsstörung der Leber
-
annäherndes Gleichbleiben der
Harnkonzentration, egal ob der Bewohner viel oder
wenig Flüssigkeit zu sich nimmt (Isosthenurie oder
"Harnstarre")
-
mangelnde Konzentrations- und
Verdünnungsfähigkeit der Niere bei
Niereninsuffizienz
Form des Harnstrahls
Der normale Harnstrahl ist gerade,
kräftig und nicht unterbrochen
gedrehter oder gespaltener Harnstrahl
Verengung oder Verklebung der
Harnröhre
schwacher Harnstrahl
Tumorwachstum im Bereich der Blase
oder Blasenumgebung
Harnstrahl wird fortgesetzt
unterbrochen
Verlegung der Harnröhre, etwa durch
Blasensteine oder Tumore
nach Ende der Miktion tröpfelt Urin
nach
Erweiterung der Harnröhre
Urin tröpfelt permanent nach
Überlaufinkontinenz
Nachbereitung:
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Alle Beobachtungen werden
sorgfältig dokumentiert und dem Arzt mitgeteilt.
-
Alle relevanten Veränderungen
werden umgehend dem Hausarzt mitgeteilt.
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Bei einer potenziellen
Gesundheitsbedrohung, etwa bei einer Anurie oder bei einer Oligurie,
wird umgehend der Notarzt informiert.
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Die Pflegeplanung wird
regelmäßig aktualisiert und auf Umsetzbarkeit
kontrolliert.
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Ggf. aufgetretene Probleme
werden im Qualitätszirkel thematisiert.
Dokumente:
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Berichtsblatt
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Leistungsnachweis
medizinische Behandlungspflege
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Fragen an den Arzt
Verantwortlichkeit /
Qualifikation:
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