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Standard "Unterstützung von
Hemiplegiepatienten beim Gehen"
Endlich wieder allein gehen können. Für die meisten
Schlaganfallpatienten ist das der sehnlichst erwartete "große Schritt",
den sie im Rahmen ihrer Rehabilitation erreichen möchten. Motivation
allein reicht aber nicht aus. Unser umfangreich bebilderter Standard
zeigt, welche Faktoren ebenso wichtig sind.
Standard "Unterstützung von
Hemiplegiepatienten beim Gehen"
Definition:
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Für viele Schlaganfallpatienten und für deren
Angehörige ist das Wiedererlernen des Gehens der wichtigste Fortschritt
der Rehabilitation. Die Überwindung der Immobilität wird häufig als
Anzeichen gewertet, dass sich das Leben langsam wieder normalisiert.
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Viele Fortschritte bei der Gesundung können nur
Pflegekräfte objektiv erfassen und messen, wie etwa die Linderung des
Schulter-Hand-Syndroms oder die Verbesserung des Sprachbilds. Die
Bedeutung der ersten eigenen Schritte seit dem Schlaganfall hingegen
ist auch für den Bewohner und für seine Angehörigen sofort
offensichtlich.
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Um dieses Ziel zu erreichen, mobilisieren viele
Senioren oftmals ihre gesamten Energien. Jedes neue Erfolgserlebnis
erhöht die Motivation zusätzlich.
Grundsätze:
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Uns ist bewusst, dass die Mobilisierung ins
Gehen eine deutliche Sturzgefahr mit sich bringt. Wir werden dennoch
bei jedem Bewohner so früh wie möglich damit beginnen, da die
gesundheitlichen Risiken einer fortdauernden Immobilität um ein
Mehrfaches größer sind.
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Bei der Unterstützung beim Gehen gilt: Weniger
Hilfe ist oft die bessere Hilfe. Wer den Bewohner zu sehr unterstützt,
nimmt ihm den Anreiz zur eigenen Aktivität, verändert seine
Bewegungsmuster und fördert letztlich die Immobilität.
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Wir beschränken daher auch die Nutzung von
Hilfsmitteln auf ein Minimum, da diese langfristig dem eigenständigen
Gehen schaden.
Ziele:
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Der Bewohner gewinnt die Fähigkeit zum
eigenständigen Gehen zurück.
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Der Bewohner stürzt nicht.
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Der Bewohner hat keine übertriebene Furcht vor
dem Gehen.
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Das Gehen funktioniert wieder "automatisch",
damit sich der Bewohner beim Gehen auch auf andere Dinge konzentrieren
kann. Insbesondere sollte eine Ablenkung während des Gehens nicht dazu
führen, dass der Bewohner stolpert.
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Langfristig ist der Bewohner in der Lage,
mühelos und flüssig zu gehen. Es ist ihm möglich, auch größere
Distanzen zu überwinden, ohne sich körperlich zu verausgaben.
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Der Bewohner verzichtet auf unnötige
Hilfsmittel wie etwa auf einen Stock.
Vorbereitung:
Voraussetzungen
Wir prüfen, ob der
Bewohner über die notwendigen körperlichen und mentalen Voraussetzungen
verfügt:
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Der Bewohner muss in der Lage sein, sich aus
dem Sitzen in den Stand zu bewegen.
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Der Kreislauf des Bewohners muss so weit
stabilisiert sein, dass dem Bewohner auch bei körperlicher Aktivität im
Stehen nicht schwindelig wird.
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Der Bewohner muss dazu fähig sein, die Lage
seines Körpers zu erspüren und das Gleichgewicht zu halten.
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Der Kopf muss beweglich sein, damit sich der
Bewohner im Raum orientieren kann.
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Der Oberkörper muss so weit beweglich sein,
dass ihn der Bewohner zur Stabilisierung nutzen kann.
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Der mehr betroffene Arm sollte weder hypoton
("schlaff") noch hyperton ("verkrampft") sein.
(Hinweis: Das Gewicht des Arms kann die Körperhaltung erheblich stören.
Dieses ist vor allem dann der Fall, wenn der Arm noch hypoton ist. In
diesem Fall zieht die Masse des Arms den Schultergürtel nach unten. Die
stärker betroffene Schulter hängt also herab. Der Bewohner gleicht
dieses aus, indem er andere Körperabschnitte verschiebt. Letztlich ist
dann die gesamte Körperhaltung asymmetrisch. Dieser Effekt ist auch bei
einem hypertonen Schultergürtel möglich, also bei zu hoher
Muskelspannung.)
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Der Bewohner muss seine Beine und Füße frei
bewegen können. Unverzichtbar sind auch die notwendige Muskelkraft und
die Stabilität, um das eigene Körpergewicht tragen zu können.
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Der Bewohner darf keine übertriebene Angst vor
dem Gehen und vor etwaigen Stürzen haben.
Kooperation mit der
Therapeutin und mit den Angehörigen
-
In welcher Form der Bewohner beim Gehen
unterstützt wird, legt die Therapeutin fest. Die ersten Gehversuche
erfolgen unter ihrer Anleitung. Von ihren Vorgaben wird nicht ohne
vorherige Rücksprache abgewichen.
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Ggf. kann in Zusammenarbeit mit der
Physiotherapie und dem Hausarzt über eine Peronaeusschiene nachgedacht
werden. Diese Schiene kommt bei einer Fußheberschwäche zum Einsatz und
kann das Gangbild verbessern.
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Wenn die Vorgaben der Therapeutin von diesem
Standard abweichen, lassen wir uns von ihr in die jeweiligen Details
einweisen und die Übungen demonstrieren. Dabei übernehmen wechselseitig
die Pflegekraft und die Therapeutin die Rollen des Bewohners und die
der Hilfsperson.
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Wir stellen sicher, dass auch die Angehörigen
in die Grundlagen einer angemessenen Unterstützung eingewiesen werden,
wenn diese z. B. mit dem Bewohner spazieren gehen.
Organisation
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Die Unterstützung erfolgt durch eine
Pflegekraft, zu der der Bewohner ein Vertrauensverhältnis aufgebaut
hat. Idealerweise hat diese Pflegekraft den Bewohner in den Tagen zuvor
schon zum Sitzen an der Bettkante und weiter in den Stand mobilisiert.
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Wir stellen sicher, dass der Bewohner solides
Schuhwerk mit einer rutschfesten Sohle trägt. Geeignet sind bereits
eingetragene Schuhe, da diese den Fuß vor Blasen und vor Druckstellen
schützen. In keinem Fall sollte der Bewohner Pantoffeln tragen. Diese
bieten keinerlei Halt und verändern überdies das Gangbild. Ebenfalls
nachteilig sind Lauf- und Turnschuhe, insbesondere wenn diese extra für
das Training beschafft wurden und sonst nicht getragen werden. Die
flexiblen Sohlen dämpfen die Spürinformationen.
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Wir prüfen, ob der Bewohner Orthesen
("Schienen") nutzen sollte. Damit kann z. B. der Fuß stabilisiert
werden. Allerdings können diese Hilfsmittel auch den Bewegungsablauf
stören.
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Wir prüfen, ob der Bewohner eine Gehhilfe
verwenden sollte. Völlig ungeeignet sind i. d. R. Drei- und
Vierpunktstöcke, da diese nur dann Halt bieten, wenn sich der Bewohner
stark in ihre Richtung lehnt. Ein Gehstock hingegen kann die Ängste vor
einem Sturz lindern und gute Dienste als Balancehilfe leisten.
Allerdings muss der Bewohner in die richtige Handhabung eingewiesen
werden, damit sich auch hier durch die einseitige Unterstützung die
Körperhaltung nicht zu stark verändert. In keinem Fall darf der
Bewohner eine Gehhilfe insgeheim, also ohne vorherige Zustimmung durch
die Therapeutin nutzen.
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Das Aufstehen erfolgt gemäß dem Standard
"Bobath-Konzept: Transfer aus dem Sitzen in den Stand mit seitlicher
Unterstützung". Alternativ wird der Standard "Bobath-Konzept: Transfer
vom Sitzen in den Stand und zurück mit frontaler Unterstützung" genutzt.
Durchführung:
Option 1:
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Die dem Bewohner nähere Hand umgreift den mehr
betroffenen Oberarm. Die Pflegekraft nimmt damit das Armgewicht ab.
Gleichzeitig korrigiert sie die Innenrotation des Schultergelenks am
Oberarm.
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Die andere Hand ergreift die mehr betroffene
Hand in Funktionsstellung. Die Pflegekraft führt den Arm des Bewohners
im Ellenbogen gestreckt. Gleichzeitig übt sie über das Handgelenk einen
leichten Druck in Richtung Schulter aus.
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Wichtig ist, dass sich die rechte und die linke
Schulter des Bewohners in der gleichen Höhe befinden.
(In der Praxis ist immer wieder zu beobachten, dass der Bewohner von
der Pflegekraft seitlich an deren Oberkörper herangezogen wird. Dieses
geschieht vor allem, um einen etwaigen Sturz zu verhindern. Tatsächlich
jedoch reduziert die Pflegekraft die Bewegungsmöglichkeiten des
Bewohners. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Bewohner später
eigenständig gehen kann, wird langfristig herabgesetzt.)
Option 2:
-
Viele Bewohner fühlen sich unsicher. In solchen
Fällen ist es aus Sicherheitsgründen notwendig, eine Hand näher am
Rumpf des Bewohners zu positionieren.
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Die Pflegekraft umfasst mit einer Hand den mehr
betroffenen Oberarm und nimmt damit dem Bewohner das Gewicht ab. Sie
korrigiert gleichzeitig die Innenrotation des Schultergelenks. Die
zweite Hand liegt am Becken an der weniger betroffenen Seite.
Option 3:
-
Bei einigen Bewohnern kann es jederzeit zu
einem Verlust des Gleichgewichts kommen.
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Die Pflegekraft umgreift mit beiden Händen das
Becken des Bewohners. Sie hat nun eine sehr weitgehende Kontrolle über
die Bewegungen des Bewohners.
Weiteres:
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Wenn das Knie des Bewohners instabil wird, kann
die Pflegekraft mit dem eigenen Knie entsprechenden Gegendruck ausüben.
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Der Bewohner soll nun sein Gewicht auf das mehr
betroffene Bein verlagern und mit dem weniger betroffenen Bein einen
Schritt vorwärts gehen.
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Danach wird das weniger betroffene Bein
belastet, um das mehr betroffene Bein einen Schritt nach vorne zu
verlagern. Die Pflegekraft kann diese Bewegung durch einen Schub der
auf der Hüfte aufgelegten Hand nach vorne unterstützen.
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Die Pflegekraft sollte während des Gehens
permanent auf die richtige Distanz zum Bewohner achten. Ist sie zu weit
entfernt, kann sie ihn bei einem sich anbahnenden Sturz nicht
stabilisieren. Ist sie dem Bewohner zu nahe, wird der Rumpf des
Bewohners durch den Oberkörper der Pflegekraft ungewollt stabilisiert.
Nachbereitung:
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Wir hinterfragen stets kritisch, ob die
Unterstützung noch dem aktuellen Hilfebedarf entspricht. Im Verlauf der
Rehabilitation können sich die Reaktionen des Bewohners verändern. Wir
kontaktieren dann die Therapeutin und erörtern eine Anpassung der
Maßnahme.
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Die Maßnahme wird im Lagerungs- und
Bewegungsplan dokumentiert.
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Alle relevanten Veränderungen der Gesundheit
oder des Verhaltens des Bewohners werden dokumentiert.
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Ggf. wird die Pflegeplanung (bzw. die
Maßnahmenplanung) angepasst.
Dokumente:
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Leistungsnachweis
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Lagerungs- und Mobilitätsplan
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Berichtsblatt
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Dokumentenblatt "Meldungen an den Arzt"
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Pflegeplanung / Maßnahmenplanung
Verantwortlichkeit
/ Qualifikation:
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