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Standard "Hitzschlag: Prophylaxe und Notfallmaßnahmen"

Der Rekordsommer 2003 wird vielen Pflegekräften noch lange in unguter Erinnerung bleiben. Zahlreiche Senioren starben am Hitzschlag. Mit einem Notfallstandard können Sie sicherstellen, dass alle Mitarbeiter die Gefahr richtig einschätzen und angemessen handeln.


Standard "Hitzschlag: Prophylaxe und Notfallmaßnahmen"


Definition:

  • Im Alter lässt die Fähigkeit nach, sich an sommerliche Außentemperaturen anzupassen. Ursächlich dafür ist nicht zuletzt der nachlassende Wasseranteil im menschlichen Körper.
  • Große Hitze am Tag in Kombination mit einer unzureichenden Abkühlung in den Nachtstunden stellt für Senioren einen erheblichen Stressfaktor dar. Ein alternder Organismus ist häufig nur noch unzureichend in der Lage, über eine beschleunigte Atmung und vermehrtes Schwitzen Wärme an die Umgebung abzugeben, um damit die Körperkerntemperatur im Normalbereich zu stabilisieren.
  • Sobald die Außentemperatur die Körpertemperatur übersteigt, kann die thermische Belastung nur noch durch Schwitzen und die damit verbundene Verdunstung gesenkt werden. Die Verwendung von sommerlicher Kleidung allein reicht nicht mehr aus.
  • Wenn der Bewohner zu viel Flüssigkeit verloren hat, wird auch die Schweißsekretion unmöglich. Dadurch wird die Wärmeabgabe zusätzlich erschwert.
  • Verschärfend wirkt sich eine demenzielle Erkrankung aus, wenn diese dazu führt, dass der Bewohner auf ein Durstgefühl oder auf Hitzeeinwirkung nicht angemessen reagieren kann.
  • Eine Hyperthermie ist eine Erhöhung der Körpertemperatur, ohne dass sich der Sollwert im Hypothalamus verändert hätte. Es liegt also kein vom Körper "gewolltes" Fieber vor. Ursache ist fast immer eine zu hohe Wärmezufuhr von außen, etwa im Sommer oder in der Sauna.
  • Je nach Schwere der Symptome werden mehrere Formen der Hyperthermie unterschieden:
    • Bei einem Hitzekollaps (“Hitzeerschöpfung”) kommt es zu einem wärmebedingten Weitstellen der Blutgefäße. Ein großer Teil des Bluts staut sich in den Beinen (es "versackt"). Die vermehrte Ausscheidung von Schweiß destabilisiert den Flüssigkeitshaushalt. In der Folge leiden Betroffene unter einem Schwächegefühl bis hin zur Ohnmacht.
    • Hitzekrämpfe sind die Folge von Natriummangel. Vor allem bei körperlicher Aktivität schwitzt der Bewohner große Mengen von Natrium aus. Dieses begünstigt das Auftreten von Krämpfen und Muskelzuckungen.
    • Die Hitzeerschöpfung kann in einen Hitzschlag übergehen. Hier führt die Kombination von zwei Faktoren zur Lebensgefahr. Einerseits wird dem Körper durch die hohen Außentemperaturen zu viel Wärme zugeführt. Gleichzeitig ist die Fähigkeit des Körpers gestört, die Wärme wieder abzugeben. Dieses etwa, weil die Kleidung zu dick ist oder die Schweißproduktion gehemmt ist. Es drohen ein Herzkreislaufversagen und ein Hirnödem.
    • Ebenfalls potenziell lebensbedrohlich ist der Sonnenstich (“Insolation”). Hier führt die dauerhafte Einstrahlung von Sonnenlicht auf den Kopf und auf den Nackenbereich zu schweren Störungen. Die Beschwerden (s. u.) können erst Stunden nach dem Aufenthalt in der Sonne auftreten. Bewohner mit nur gering behaarter Kopfhaut sind besonders gefährdet.

Grundsätze:

  • Bei einer Hyperthermie bleiben fiebersenkende Maßnahmen ohne Wirkung.
  • Wenn hinreichende Anzeichen für einen Hitzschlag sprechen, wird immer ein Notarzt gerufen. Die Folgen eines oder ggf. auch mehrerer Fehlalarme wiegen weniger schwer als eine verzögerte Behandlung bei einem echten Notfall.
  • Der Notruf erfolgt auch dann, wenn der Bewohner diesen nicht wünscht, etwa weil er die Gefährdung nicht korrekt einschätzt.
  • Die schriftliche Patientenverfügung wird beachtet, insbesondere bei einer Reanimation.

Ziele:

  • Die individuelle Gefährdung wird korrekt ermittelt.
  • Der Bewohner passt sein Verhalten an die Außentemperaturen an und vermeidet damit das Auftreten einer Überwärmung.
  • Eine sich entwickelnde Überwärmung wird rechtzeitig erkannt. Durch geeignete Maßnahmen werden die gesundheitlichen Schäden minimiert.

Vorbereitung:

Risikoerkennung

Wir prüfen, welche Bewohner besonders gefährdet sind. Relevant sind folgende Risikofaktoren:

  • Störungen des Herz-Kreislauf-Systems
  • Hypohidrosis (verminderte Produktion von Schweiß)
  • zu geringe Flüssigkeitsaufnahme
  • Einnahme von Diuretika (auch eigenmächtig zur Gewichtsreduktion) oder Konsum von anderen Arzneimitteln mit Einfluss auf den Wasserhaushalt oder auf den Kreislauf
  • Alkohol- und Medikamentenmissbrauch
  • Adipositas
  • zu warme Kleidung auch im Sommer
  • Hitzschlag oder ähnliche Vorkommnisse in der Vergangenheit
  • andere wasserverbrauchende Erkrankungen, chronische Leiden und Stoffwechselzustände (z. B. Diabetes)
  • Unterbringung in thermisch ungünstigen Räumen, also insbesondere auf der Südseite
  • Immobilität, die verhindert, dass der Bewohner eigenständig kühlere Orte aufsuchen kann
  • Verwirrtheit oder Sprachdefizite, die den Bewohner davon abhalten, bei Überwärmung Hilfe zu holen

Prophylaxemaßnahmen

Bei einer Außentemperatur von über 30 °C treffen wir Vorsichtsmaßnahmen, um unsere Bewohner vor Überwärmung zu schützen:

  • Unter Vermeidung von Zugluft werden die Räume des Bewohners in den Morgenstunden oder in der Nacht gelüftet. Tagsüber wird der Wohnbereich verschattet.
  • Sofern vorhanden, soll der Bewohner einen Raum mit Klimaanlage aufsuchen.
  • Wir empfehlen dem Bewohner, sich nicht länger als einige Minuten dem direkten Sonnenlicht auszusetzen. Wir achten insbesondere darauf, dass demente Senioren Schattenplätze aufsuchen.
  • Der Bewohner soll einen Sonnenschutz tragen, vor allem eine Kopfbedeckung.
  • Der Bewohner soll luftdurchlässige Kleidung tragen, also Baumwolle, Wolle oder Leinen. Wir wirken insbesondere auf solche Senioren ein, die aufgrund von gesellschaftlichen Konventionen keine legere Kleidung tragen möchten.
  • Der Bewohner soll (in Maßen) einen Ventilator nutzen. Falls er über keinen verfügt, wäre dieses ein Geschenkvorschlag für die Angehörigen.
  • Der Bewohner sollte wenig stehen, sondern liegen oder mit hochgelegten Beinen im Sessel sitzen. Durch eine leichte Hochlagerung der Beine wird ein Versacken des Bluts vermieden.
  • Wir raten dem Bewohner, körperliche Aktivitäten zu reduzieren oder auf die frühen Morgen- und späten Abendstunden zu verschieben.
  • Der Bewohner soll ausreichend Flüssigkeit zu sich nehmen. Ideal sind zwei bis drei Liter pro Tag.
  • Bei hohen Temperaturen soll der Bewohner auf den Genuss von Alkohol verzichten.
  • Auch der Konsum von scharfen Speisen sollte vermieden werden.
  • An warmen Tagen erfolgt eine regelmäßige Kontrolle der Körpertemperatur.

Durchführung:

Symptome

Wir achten auf Symptome, die für eine Hyperthermie sprechen:

  • Erstes Anzeichen ist häufig eine ungewöhnliche Unruhe des Bewohners. Er klagt über Erschöpfung, über Kopfschmerzen und über Schwindel.
  • Der Pflegebedürftige berichtet über ein Flimmern vor den Augen oder über Ohrensausen.
  • Der Bewohner berichtet, dass ihm schlecht wäre. Er übergibt sich.
  • Die Sprache des Pflegebedürftigen ist verwaschen, das Bewusstsein ist getrübt.
  • Die Haut des Bewohners ist rot, trocken und heiß. Oder: Die Haut ist aschgrau, kalt und weißlich.
  • Die Atmung ist flach.
  • Der Puls ist beschleunigt, der Blutdruck ist ungewöhnlich niedrig.
  • Eine rektale Temperaturmessung oder die Messung im Ohr ergibt eine erhöhte Körpertemperatur; oft über 40 °C.
  • Trotz hoher Lufttemperaturen schwitzt der Bewohner nicht. Die Haut ist trocken.
  • Es kommt zu Muskelkrämpfen.
  • Bei einem Sonnenstich hat der Bewohner einen heißen und hochroten Kopf, während die restliche Körperhaut unauffällig bleibt. Es kommt überdies zu Tachykardie und zu Nackensteifigkeit.

Alarmierung des Arztes

Wir prüfen, ob es notwendig ist, einen Notarzt zu informieren. Dieses ist i. d. R. erforderlich bei:

  • schwerer Symptomatik (siehe oben)
  • bestehenden Herzkreislauferkrankungen
  • bekannte Schädigung der Niere
  • sobald der Bewohner Bewusstseinsstörungen zeigt

Notfallmaßnahmen

Falls das Risiko einer Gesundheitsschädigung besteht, leiten wir die entsprechenden Notfallmaßnahmen ein:

  • Der Notarzt wird verständigt.
  • Wir wirken beruhigend auf den Bewohner ein. Dadurch normalisiert sich die Atmung.
  • Der Pflegebedürftige wird in den Schatten gebracht. Die Kleidung wird geöffnet; im Idealfall wird er bis auf die Unterwäsche entkleidet.
  • Der überhitzte Körper wird langsam mit feuchten Tüchern auf den Armen und auf der Stirn abgekühlt.
  • Wir kontrollieren die Vitalzeichen und den Bewusstseinszustand.
  • Der Oberkörper wird in 30° hochgelagert. Bei Bewusstlosigkeit wird der Pflegebedürftige in eine stabile Seitenlage gebracht.
  • Wenn die Atmung und das Herzkreislaufsystem versagen, wird der Bewohner wiederbelebt.
  • Die Krankenhauseinweisung wird vorbereitet (gemäß Standard "Krankenhauseinweisung").
  • Bei Ankunft des Rettungstransportwagens und des Notarztes wird das Rettungspersonal ausführlich eingewiesen.
  • Die Dokumente werden übergeben.

Maßnahmen bei leichteren Verläufen

Bei einer milderen Symptomatik sehen wir zunächst von der Alarmierung des Notarztes ab.

  • Wir erfassen engmaschig die Vitaldaten, insbesondere also Puls, Blutdruck und Körpertemperatur.
  • Der Bewohner wird in sein Zimmer begleitet. Er wird flach gelagert.
  • Die Atmung des Bewohners wird kontrolliert. Ggf. wird er in einer atemunterstützenden Position gelagert.
  • Die Haut wird überwacht, insbesondere also die Farbe und die Schweißproduktion.
  • Der Pflegebedürftige wird entkleidet. Auf den Kopf und auf den Rumpf legen wir kühlende Umschläge auf. Er wird (wenn überhaupt) nur mit einem Bettbezug zugedeckt.
  • Der Bewohner erhält elektrolythaltige Getränke, sofern keine Aspirationsgefahr aufgrund einer Bewusstseinseintrübung besteht.

Nachbereitung:

Maßnahmen nach Abfahrt des Bewohners im Rettungstransportwagen

  • Das Ereignis wird sorgfältig dokumentiert.
  • Die Pflegedienstleitung und die Heimleitung werden (sofern noch nicht geschehen) informiert.
  • Ggf. werden die Angehörigen informiert.

Maßnahmen bei Verbleiben des Bewohners in der Einrichtung

  • Der Zustand des Pflegebedürftigen wird überwacht, bis sich die Werte wieder im Normbereich befinden.
  • Der Bewohner sollte in den folgenden drei bis vier Tagen seine Kräfte sparen und jede Anstrengung vermeiden.
  • Die Pflegeplanung / Maßnahmenplanung wird angepasst, um zukünftig ähnliche Vorkommnisse zu vermeiden.

Prognose

  • Als Folge von Ödemen kann es im Gehirn zu bleibenden Schäden kommen, die mit neurologischen Störungen verbunden sein können.
  • Kommt es zu einem hypovolämischen Schock, schädigt dieses ggf. dauerhaft die Nieren.

Dokumente:

  • Berichtsblatt
  • Vitaldatenblatt
  • Medikamentenblatt
  • Pflegeplanung / Maßnahmenplanung

Verantwortlichkeit / Qualifikation:

  • alle Pflegekräfte



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