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Standard "Pflege von Senioren mit Hyperthyreose"

Die Behandlung einer Schilddrüsenüberfunktion ist vergleichsweise einfach. Der "Knackpunkt" ist, die Gesundheitsstörung überhaupt erst einmal zu erkennen. Die meisten Krankheitszeichen fallen bei multimorbiden Senioren zunächst nicht weiter auf. Und so können Betroffene nur darauf hoffen, dass eine aufmerksame Pflegekraft die Symptome richtig deutet.


Standard "Pflege von Senioren mit Hyperthyreose"


Definition:

  • Mit der Produktion von Hormonen steuert die Schilddrüse verschiedene Stoffwechselprozesse im gesamten Körper. Bei einer Hyperthyreose ist die Ausschüttung dieser Botenstoffe krankhaft gesteigert. Der Körper läuft dann permanent "auf Hochtouren".
  • Rund 0,5 bis 0,25 Prozent aller Senioren leiden unter einer Hyperthyreose. Frauen sind bis zu 10-mal häufiger als Männer betroffen.
  • Eine Hyperthyreose kann verschiedene Ursachen haben:
    • Häufigster Auslöser ist eine sog. "Schilddrüsenautonomie". Als Folge etwa von Jodmangel versagen die Steuerungsprozesse der Schilddrüse durch den Hypothalamus und durch die Hypophyse. Die Schilddrüse produziert also ungehemmt Botenstoffe und gibt diese an den Körper ab. Die Hormonproduktion kann dabei in gut abgegrenzten Tumoren erfolgen (in sog. "Adenomen") oder diffus im gesamten Gewebe der Schilddrüse.
    • Als weitere Ursache kommt Morbus Basedow in Betracht, also eine Immunreaktion gegen TSH-Rezeptoren. In der Folge ist die Synthese von Schilddrüsenhormonen beeinträchtigt. Die Schilddrüse wird permanent zur Produktion von Schilddrüsenhormonen angeregt.
    • Vergleichsweise selten sind entzündliche Prozesse innerhalb der Schilddrüse, Schilddrüsenkarzinome oder eine versehentliche Überdosierung von Schilddrüsenhormonpräparaten.
  • Verschiedene Behandlungen sind möglich:
    • Orale Thyreostatika sind Medikamente, die die Synthese der Schilddrüsenhormone hemmen und damit die Schilddrüsenfunktion normalisieren. Allerdings ist die Anwendung dieser Arzneimittel zeitlich begrenzt und i.d.R. eine Zwischenlösung bis zum Beginn der ursächlichen Therapie.
    • Langfristig ist ggf. eine Radiojodtherapie sinnvoll. Dabei wird radioaktives Jod in den Körper eingebracht, das sich in der Schilddrüse anreichert. Durch die Strahlung werden die hormonbildenden Zellen der Schilddrüse teilweise zerstört. Der restliche Körper hingegen wird nur einer geringen Radioaktivität ausgesetzt.
    • Eine weitere Option ist die operative Resektion von Schilddrüsengewebe. Der Chirurg entfernt dabei aber nur einen Teil der Schilddrüse. Die im Körper verbleibenden Gewebereste reichen dann aus, um zukünftig Schilddrüsenhormon in gewünschter Menge zu produzieren. Ein solcher Eingriff ist riskant, weil eine versehentliche Beschädigung von Nervengewebe die Funktion der Stimmbänder und die Atmung beeinträchtigen kann. Überdies ist eine Verletzung der Nebenschilddrüsen möglich, wodurch der Kalzium- und der Phosphatstoffwechsel gestört werden.
  • Bei alten Menschen wird i.d.R. die Radiojodtherapie bevorzugt; bei jungen Menschen der chirurgische Eingriff.
  • Eine irrtümliche Applikation von jodhaltigen Medikamenten oder von Röntgenkontrastmitteln kann zu einer thyreotoxischen Krise führen. Deren Symptome entsprechen denen der Hyperthyreose, treten aber noch einmal deutlich stärker auf. Der Bewohner ist in Lebensgefahr.

Grundsätze:

  • Eine zeitnahe Diagnose ist wichtig für den Erfolg der Therapie. Überdies ist der diagnostische Aufwand für den Mediziner vergleichsweise gering. Daher ist es sinnvoll, bereits bei geringen Verdachtsmomenten den behandelnden Arzt zu kontaktieren.

Ziele:

  • Eine Hyperthyreose wird frühzeitig erkannt und therapiert.
  • Komplikationen wie die thyreotoxische Krise werden vermieden.
  • Die Lebensqualität des Bewohners wird so weit wie möglich erhalten.

Vorbereitung:

Symptome einer Hyperthyreose

Wir achten auf die typischen Symptome einer Hyperthyreose.

  • Bei 70 bis 90 Prozent der Betroffenen bildet sich eine Struma, also eine Vergrößerung der Schilddrüse.
  • Betroffene leiden unter Nervosität, Angstzuständen, Unruhe, Schlaflosigkeit und unter anderen psychischen Veränderungen.
  • Es zeigt sich ein Fingertremor, also das unkontrollierte Zittern oder Zucken der Finger.
  • Es kommt zur Tachykardie und zu Herzrhythmusstörungen (Vorhofflimmern).
  • Die Haut des Bewohners ist warm und feucht.
  • Die Körpertemperatur ist erhöht.
  • Wir bemerken eine ex- und/oder inspiratorische Insuffiziens und/oder Stimmveränderungen.
  • Der Bewohner kann Wärme, etwa Sommerhitze, kaum ertragen.
  • Die Muskulatur insbesondere im Bereich der Oberschenkel ist geschwächt ("Myopathie").
  • Als Folge des gesteigerten Energiebedarfs hat der Bewohner ständig Hunger, verliert aber trotzdem an Gewicht.
  • Die Stuhlfrequenz ist gesteigert. Der Bewohner hat häufig Durchfall oder andere Magen-Darm-Beschwerden.
  • Das Kopfhaar des Bewohners dünnt sich aus und wird weich.
  • Die Fingernägel sind brüchig.
  • Der Bewohner leidet an einer Fettleber.
  • Es kommt zum typischen Symptombild von M. Basedow.
  • Die Augäpfel treten aus der Augenhöhle hervor ("Exophthalmus").
  • Der Lidschlag erfolgt seltener. Die Lider und die Bindehaut sind entzündet und ggf. angeschwollen.
  • Der Bewohner klagt über Fremdkörpergefühl und über Lichtempfindlichkeit.
  • Der Blick ist starr. Das Sehvermögen nimmt ab. Insbesondere sieht der Betroffene doppelt.
  • Im Bereich der Vorderseite der Unterschenkel (am Schienbein) wird in einigen Fällen eine blaurote, grobporige Bindegewebsneubildung sichtbar ("Prätibales Myxödem"). Der Bereich wirkt gerötet oder geschwollen. Im Gegensatz zum kardial bedingten Beinödem bleibt beim Myxödem keine Delle zurück, wenn es eingedrückt wird.
Hinweise:
  • Bei Menschen über 60 Jahre verläuft eine Hyperthyreose oftmals zunächst symptomarm. Es treten dann Krankheitszeichen auf, die fälschlicherweise dem Alterungsprozess zugeschrieben werden, wie etwa Gewichtsreduktion, Herzrhythmusstörungen, Herzinsuffizienz sowie depressive Stimmungsphasen. Entsprechend spät wird die Erkrankung dann erkannt und behandelt.
  • Wenn wir hinreichende Anzeichen für eine mögliche Erkrankung feststellen, kontaktieren wir den behandelnden Arzt. "Hinreichend" bedeutet dabei bereits das Auftreten einzelner Symptome. Der Arzt kann mittels Blutuntersuchung, Sonografie sowie Szintigrafie eine Diagnose erstellen.
  • Wir stellen sicher, dass der Bewohner die groben Zusammenhänge seiner Erkrankung versteht. Ihm muss bewusst sein, wie wichtig die sorgfältige Umsetzung der ärztlichen Anordnungen ist. Dazu zählt insbesondere die pünktliche Einnahme der verschriebenen Medikamente.

Symptome einer thyreotoxischen Krise

Wir achten auf Symptome, die für eine thyreotoxische Krise sprechen. Wir rufen dann unverzüglich einen Notarzt und bereiten die Krankenhauseinweisung vor.

  • Eine derartige Stoffwechselentgleisung verursacht hohes Fieber (>41 °C.) sowie schwere Tachykardie (>150/Min).
  • Es kommt zur Übelkeit und zum Erbrechen. Der Bewohner ist dehydriert.
  • Der Bewohner ist antriebsarm. Die Muskelschwäche erfasst auch die körpernahe Muskulatur und den Schultergürtel.
  • Der Pflegebedürftige wirkt desorientiert. Das Bewusstsein ist eingetrübt. Letztlich wird der Bewohner komatös.

Durchführung:

  • Wir stellen sicher, dass allen behandelnden Ärzten die Hyperthyreose bekannt ist. Eine lückenlose Information ist z.B. dann relevant, wenn ein Arzt einen demenziell erkrankten Senioren nach etwaigen Schilddrüsenschädigungen befragt, dieser aber aufgrund der mentalen Defizite nicht korrekt antwortet. Die Applikation eines jodhaltigen Präparats hätte dann ggf. erhebliche Folgen.
  • Der Bewohner erhält orale Thyreostatika; also Medikamente, die die Schilddrüsenfunktion hemmen. Diese Tabletten müssen pünktlich eingenommen werden; soweit möglich direkt nach dem Aufstehen vor dem Frühstück. Ggf. erfolgt die Verabreichung frühmorgens bereits durch den Nachtdienst. Die Pflegekraft achtet auf Nebenwirkungen wie Übelkeit, Magen-Darm-Beschwerden sowie Hautausschläge. In diesem Fall ist unverzüglich der Arzt zu informieren.
  • Zur Linderung der Tachykardie werden oftmals zusätzliche Betablocker appliziert. Es ist wichtig, dass zur Erfolgskontrolle die Vitalzeichen wie Blutdruck, Puls und Pulsqualität engmaschig überwacht werden. Bei unregelmäßigem Puls zählt die Pflegekraft  über eine komplette Minute aus und achtet dabei auch auf Unregelmäßigkeiten ("Herzstolperer").
  • Wir stellen sicher, dass der Bewohner keine weiteren Medikamente ohne Rücksprache mit dem behandelnden Arzt einnimmt. Dieses gilt vor allem für Schmerzmittel wie Acetylsalicylsäure.
  • Eine vergleichsweise seltene, dafür aber gefährliche Komplikation ist die Agranulozytose, in deren Verlauf der Granulozyten-Wert absinkt. Granulozyten sind eine Variante der weißen Blutkörperchen. Der Bewohner wird sehr empfindlich für Infektionen, die sich durch plötzliches Fieber bemerkbar machen. In diesem Fall erfolgt eine entsprechende Meldung an den Arzt / Notarzt.
  • Wir schaffen eine möglichst ruhige Umgebung, um einer Nervosität entgegenzuwirken. Jede Form von Hektik sollte vermieden werden, ggf. ist sogar Bettruhe sinnvoll.
  • Als Folge der Diarrhö kann es zum Flüssigkeitsdefizit kommen. Dieses muss durch eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr ausgeglichen werden. Wir stellen für den Bewohner Getränke bereit und animieren diesen zum Trinken. Anregende Getränke wie Kaffee, Schwarztee und Energydrinks sind ungeeignet, weil sie die Unruhe und Nervosität steigern. Besser sind Kräutertees mit beruhigender Wirkung.
  • Der Bewohner soll das Rauchen einstellen. Nikotinkonsum belastet die Augen und steigert das Risiko eines Rezidivs.
  • Die Raumtemperatur wird so gewählt, dass sie der Bewohner als angenehm empfindet; i.d.R. ein Wert von 20°C und darunter.
  • Wenn der Bewohner stark schwitzt, ist eine regelmäßige Körperpflege besonders wichtig. Wir bieten dem Bewohner dabei Hilfe an. Starke Schweißbildung steigert das Risiko von Intertrigo. Wir intensivieren die entsprechenden Prophylaxemaßnahmen.
  • Wir ermahnen den Bewohner, regelmäßig den Hausarzt aufzusuchen. Unverzichtbar ist z.B. die regelmäßige Kontrolle der Schilddrüsenwerte und des Blutbilds.
  • Das Gewicht des Bewohners wird regelmäßig erfasst. Der hohe Grundumsatz löst oftmals einen Gewichtsverlust aus. Der Bewohner sollte daher stets ausreichend Nahrung zu sich nehmen. Ist dieses nicht erfolgreich, kann er zusätzlich hochkalorische Speisen konsumieren.
  • Der Zustand der Augen bei Senioren mit Morbus Basedow wird engmaschig überwacht. Durch das Austrocknen der Hornhäute kann es zu Entzündungen im Bereich der Lider und der Bindehäute kommen. Wir applizieren auf ärztliche Anordnung künstliche Tränenflüssigkeit sowie ggf. entzündungshemmende Augentropfen. Ggf. soll der Bewohner bei Lichtempfindlichkeit eine Sonnenbrille tragen.
  • Viele Betroffene empfinden es als angenehm, wenn das Kopfende hochgefahren wird. Dadurch wird der Lymph- und Blutabfluss gefördert.

Nachbereitung:

Prognose:

  • Eine frühzeitige Erkennung senkt das Risiko von Komplikationen deutlich.
  • Durch eine Radiojodtherapie oder durch eine Schilddrüsenresektion kann die Hyperthyreose i.d.R. erfolgreich therapiert werden. Allerdings kann es dazu kommen, dass zu viel Gewebe der Schilddrüse zerstört wird. Der Bewohner muss dann postoperativ die Schilddrüsenhormone lebenslang oral ersetzen.
  • Nach einer Schilddrüsenoperation ist es wichtig, auf etwaige Komplikationen zu achten. Wir kontaktieren den Arzt, wenn der Bewohner über Heiserkeit, Atem- oder Sprachprobleme klagt. Wichtig ist auch eine umfassende Aspirationsprophylaxe. Wir unterstützen den Bewohner ggf. beim Essen und beim Trinken. Er sollte keine krümelnden Produkte zu sich nehmen.
  • Bei einer Entfernung der Schilddrüse kann es zu einer versehentlichen Verletzung der Nebenschilddrüsen kommen, ohne dass dieses zunächst bemerkt wird. Betroffene klagen dann ggf. über Zittern und Muskelkrämpfe als Folgen des Kalziummangels.
  • Bei Morbus Basedow kommt es bei jedem zweiten betroffenen Senioren zu einer vollständigen Rückbildung der Symptome. Bei einem schweren Verlauf ist als Spätschaden des Drucks auf den Sehnerv das Erblinden des Bewohners möglich. Ggf. ist ein operativer Eingriff erforderlich.
  • Eine thyreotoxische Krise führt in 30 bis 50 Prozent aller Fälle zum Versterben des Bewohners.

Dokumente:

  • Berichtsblatt
  • Vitaldatenblatt
  • Medikamentenblatt

Verantwortlichkeit / Qualifikation:

  • alle Pflegekräfte



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