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Standard "Juckreiz (Pruritus)"

Der Zwang, sich 24 Stunden am Tag und in der Nacht kratzen zu müssen, macht vielen Senioren das Leben zur Qual. Wenn keine auslösende Grunderkrankung gefunden werden kann, liegt es an den Pflegekräften, dem Betroffenen Linderung zu verschaffen. Unser Standard fasst einige aussichtsreiche Strategien zusammen.


Standard "Juckreiz (Pruritus)”


Definition:

  • Der Juckreiz (auch "Pruritus") dient dazu, dass Fremdkörper von der Haut durch Kratzen entfernt werden. Dieses ist überaus sinnvoll, etwa wenn ein schädliches Insekt über die Haut läuft.
  • Allerdings können verschiedene Faktoren dazu führen, dass ein unnötiger und ggf. sogar permanenter Juckreiz ausgelöst wird. Das Kratzen auf der Haut lindert den Juckreiz nur temporär. Langfristig werden die Beschwerden verstärkt.
  • Juckreiz ist keine eigenständige Krankheit, sondern ein im Alter sehr häufig auftretendes Symptom. Die Folgen können so peinigend sein, dass die Lebensqualität erheblich beeinträchtigt wird.
  • Auslöser sind oftmals Nieren- oder Leberfunktionsstörungen. Weitere mögliche Ursachen sind Vitaminmangel, Schilddrüsenfunktionsstörungen, Krebserkrankungen oder Allergien.
  • In vielen Fällen kann allerdings auch ein psychologischer Hintergrund vermutet werden. Das Kratzen der Haut ersetzt z. B. unterbewusst körperliche Zuwendung durch den (verstorbenen) Partner.
  • Das Kratzen führt häufig zu Sekundärinfektionen.

Grundsätze:

  • Jede Medikation wird mit dem behandelnden Arzt abgesprochen. Ohne seine Anweisung werden keine Medikamente abgesetzt oder deren Dosierung verändert. Wir raten dem Bewohner von eigenmächtigen Therapieversuchen dringend ab.
  • Jeder Juckreiz, der länger als drei Tage anhält und keine bekannte Ursache hat, rechtfertigt die Vorstellung des Bewohners beim Haut- oder Hausarzt.
  • Wir zeigen stets Verständnis für die Situation des Bewohners.

Ziele:

  • Die Ursache für den Juckreiz wird ermittelt und falls möglich beseitigt.
  • Der Juckreiz selbst wird ausgeschaltet oder zumindest spürbar gelindert.
  • Der Bewohner kennt wirksame Maßnahmen zur Linderung des Juckreizes und wendet diese eigenständig an.
  • Das soziale Leben des Bewohners bleibt erhalten.
  • Infektionen, etwa durch kontaminierte Kratzspuren, werden vermieden.

Vorbereitung:

Informationssammlung

Wir sammeln und dokumentieren alle relevanten Informationen. Diese stellen wir auch dem behandelnden Arzt zur Verfügung.

  • Seit wann leidet der Bewohner unter Juckreiz?
  • Litt der Bewohner schon in der Vergangenheit unter Juckreiz?
  • Welche Medikamente nutzte der Bewohner bislang, um den Juckreiz zu lindern? Wie wirksam waren diese?
  • Wie ist die Haut des Bewohners beschaffen? Ist sie besonders trocken?
  • An welchen Hautbereichen tritt der Juckreiz auf? Ist der Juckreiz auf bestimmte Körperpartien begrenzt oder tritt er generalisiert auf?
  • Gibt es Kratzspuren oder andere Läsionen?
  • Ist die Haut bereits entzündet?
  • Welche Auswirkungen hat der Juckreiz auf die Lebensqualität des Bewohners? Leidet er unter Schlafmangel, Abgeschlagenheit, Nervosität oder Depressionen?
(Hinweis: Die Intensität des Juckreizes kann mittels einer Analogskala erfasst werden. Der Wert "0" steht für "kein Juckreiz" und der Wert "10" für den stärksten vorstellbaren Juckreiz.)

Ursachenforschung

Wir prüfen, ob es offensichtliche Auslöser für den Juckreiz gibt, etwa:

  • trockene, rissige und spröde Haut
  • eigenmächtige Einreibungen mit Alkohol (Franzbranntwein)
  • bekannte Haut- oder Stoffwechselerkrankungen, etwa Neurodermitis oder Diabetes mellitus
  • Nebenwirkungen von Arzneimitteln, etwa Opiate, Hydroxyethylstärke (HAES) oder Acetylsalicylsäure (ASS)
  • allergische Reaktionen
  • zu häufiges Waschen mit alkalihaltiger Seife
  • psychogene Ursachen
  • bekannte Lebererkrankung
  • bekannte Nierenerkrankung
  • Leukämie
  • Morbus Hodgkin
  • Neuropathie
  • Parasitenbefall, etwa durch Milben, Flöhe oder Läuse

Prophylaxemaßnahmen

  • Falls der Juckreiz auf eine Allergie zurückgeführt werden kann, werden die auslösenden Allergene konsequent gemieden.
  • Wärme verstärkt oftmals den Juckreiz. Daher sollte die Raumtemperatur maßvoll gesenkt werden. Gleichzeitig sollte der Bewohner eine leichte Bettdecke nutzen.
  • Der Bewohner sollte lockere und weiche Kleidung tragen, unter der er nicht schwitzt. Bewohnerinnen sollten auf das Tragen eines BHs oder auf Kleidung mit engen Bündchen verzichten.
  • Der Bewohner sollte Kleidung aus Naturmaterialien wählen, etwa (kratzfreie) Baumwolle oder Seide.
  • Der Bewohner sollte ausreichend trinken und eine Dehydration des Körpers vermeiden.
  • Die Fingernägel sollten besonders kurz geschnitten werden. Ecken und Kanten werden gefeilt. Damit werden zusätzliche Läsionen durch das Kratzen vermieden.
  • Nachts sollte der Bewohner Baumwollhandschuhe tragen, damit er sich im Schlaf nicht unbewusst kratzt.
  • Der Bewohner wird aufgefordert, schwere körperliche Aktivitäten zu vermeiden. Dieses vor allem, wenn er dabei schwitzt.
  • Wir verdeutlichen dem Bewohner, dass Stress die Anfälligkeit für Juckreiz erhöht. Sofern er dieses wünscht, vermitteln wir ihm die Grundtechniken des autogenen Trainings oder der progressiven Muskelentspannung.
  • Der Bewohner sollte Sonneneinstrahlung meiden. Ist dieses nicht möglich, ist es wichtig, ein Sonnenschutzmittel mit hohem Lichtschutzfaktor zu verwenden.
  • Ebenso sollte der Bewohner extreme Temperaturreize meiden, wie etwa heißes Föhnen, kalte Außenluft oder heftigen Wind.
  • Wir weisen den Bewohner auf die Infektionsgefahren hin. Aufgekratzte Haut kann sich leicht entzünden. Wir raten dem Bewohner, mit der Hand nur über die juckende Hautstelle zu reiben und nicht mit den Fingernägeln zu kratzen. Alternativ kann er einen Massageball über den betroffenen Bereich rollen lassen.
  • Wir überprüfen, ob der Bewohner Körperpflegemittel nutzt, die den Juckreiz verstärken. Nach Möglichkeit sollte der Bewohner auf Seifen, Waschlotionen, Kosmetika sowie auf Deodorants komplett verzichten.
  • Der Bewohner sollte zur Körperpflege bevorzugt duschen. Vollbäder sind zu vermeiden.
  • Für die Hautpflege nutzen wir rückfettende und Juckreiz lindernde Präparate, also etwa Harnstoff, Glyzerin, Arnica, Polidocanol oder Bisabolol. Die Haut wird am besten täglich mit rückfettenden Pflegeprodukten versorgt; mindestens jedoch nach jedem Baden oder Duschen.
  • Wir informieren alle behandelnden Ärzte über die Erkrankung. Sie sollen bei der Verschreibung von Medikamenten darauf achten, dass diese keinen Juckreiz auslösen oder verstärken.

Durchführung:

äußere Anwendungen

 Wir nutzen traditionelle Mittel zur Bekämpfung von Juckreiz:

  • Wir führen Kälteanwendungen durch, legen also z. B. eine kalte Kompresse oder feuchte Tücher auf die juckende Haut auf.
  • Alternativ führen wir einen Eiswürfel über die Hautstelle.
  • Wir nutzen ein Coldpack, das die Pflegekraft zuvor in ein Handtuch eingewickelt hat.
  • Wir führen Abreibungen der Haut mit Essigwasser durch. Wir nutzen drei Teelöffel Weinessig auf einen Liter Wasser.

medikamentöse Anwendungen

  • Soweit verordnet erhält der Bewohner pharmazeutische Mittel gegen den Juckreiz. Insbesondere Glukokortikoide und Antihistaminika können einen Juckreiz effektiv lindern.
  • Wir beachten, dass Antihistaminika ggf. (ähnlich wie Opioide) die Müdigkeit verstärken und das Sturzrisiko erhöhen.
  • Wirksam gegen Juckreiz sind auch verschiedene Puder. Wir berücksichtigen, dass solche Puder die Haut häufig austrocknen und entfetten.
  • Hautbereiche mit sehr schmerzhaften Schädigungen werden mit Oberflächenanästhetika in Form von Trockenpinselungen behandelt, etwa 5-Prozent-Thesit.

psychologische Faktoren

  • Wenn dem Kratzen psychologische Ursachen zugrunde liegen, regen wir eine Psychotherapie an, insbesondere eine Verhaltenstherapie.
  • Wenn sich der Bewohner stark aufgekratzt hat, verspürt dieser später zumeist Schuldgefühle. Wir nehmen darauf Rücksicht und halten uns mit Vorwürfen entsprechend zurück.
  • Das ständige Kratzen kann zur Isolation des Bewohners führen. Mitbewohner fühlen sich abgestoßen oder fürchten eine Ansteckung. Dieser Entwicklung sollte durch gezielte Informationen begegnet werden.
  • Wir beachten, dass ein anhaltender Juckreiz den Lebenswillen massiv beeinträchtigen kann. Dieses kann auch zu Suizidtendenzen führen.

Nachbereitung:

  • Wir dokumentieren die Hautveränderungen, die dauerndes Kratzen verursacht, insbesondere Krusten, Hyperpigmentierung, Vergröberung und Hautfelderung.
  • Wenn Menschen aus dem Umfeld des Bewohners ebenfalls über Juckreiz klagen, sollte ein sich ausbreitender Parasitenbefall ausgeschlossen werden; etwa durch Läuse, Flöhe, Skabies oder Wanzen.
  • Aufgetretene Probleme bei der Pflege werden im Qualitätszirkel thematisiert.
  • Die Pflegeplanung des Bewohners wird regelmäßig aktualisiert.
  • Relevante Beobachtungen werden umgehend dem behandelnden Arzt mitgeteilt.

Dokumente:

  • Berichtsblatt
  • Vitalzeichenblatt
  • Allergiepass

Verantwortlichkeit / Qualifikation:

  • alle Mitarbeiter



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