pqsg mobil
Start Suche Service
Diese Seiten wurden für Smartphones optimiert. Für die PC-Version klicken Sie bitte hier.

Pflege und Betreuung von Korsakow-Patienten

Korsakowpatienten sind eine Klientel, um die sich niemand reißt. Die Betreuung ist aufwendig und nervenaufreibend. Gleichzeitig weigert sich in vielen Fällen der MDK, für die zumeist körperlich fitten Senioren überhaupt eine Pflegebedürftigkeit anzuerkennen.


Pflege und Betreuung von Korsakow-Patienten


Definition:

  • Beim Korsakow-Syndrom handelt es sich um eine irreversible neurologische Folgeerkrankung des Alkoholismus, die mit hirnorganischen Leistungsfunktionsstörungen verbunden ist. Gestört sind insbesondere das Kurz- und das Ultrakurzgedächtnis. In vielen Fällen ist auch das Langzeitgedächtnis beeinträchtigt.
  • Diese Lücken versuchen Betroffene mitunter durch Konfabulation zu überdecken. Sie berichten also von Ereignissen, die ihrer Phantasie entsprungen sind. Die Konfabulation ist als Frühsymptom des Korsakow-Syndroms diagnostisch wegweisend.
  • Typisch für die Erkrankung sind außerdem Apathie, Aggressionen, Antriebslosigkeit sowie Gefühlsverflachung. Betroffene können schlecht mit jeder Form von Kritik umgehen.
  • Korsakow-Patienten sind sich häufig ihrer Erkrankung nicht bewusst. Sie verstehen nicht, dass sie in einem Pflegeheim versorgt werden müssen. Entsprechend gering ist die Bereitschaft der Betroffenen zur Kooperation.
  • In der Praxis ist es aufgrund des ähnlichen Symptombilds häufig schwierig, ein Korsakow-Syndrom von einer Alzheimer-Krankheit abzugrenzen. Bewohner leben weitgehend in der Vergangenheit und erinnern sich häufig nicht an Begebenheiten, die erst vor kurzer Zeit passiert sind.
  • Als Auslöser für das Korsakow-Syndrom wird eine metabolische Störung als Folge eines Vitamin-B1-Mangels angenommen.
(Hinweis für Qualitätsbeauftragte: Die Krankheitsbilder Demenz und Korsakow sind sich so ähnlich, dass dieser Standard (falls möglich) “in einem Rutsch” mit dem Themenkomplex Demenz implementiert werden sollte. Damit wird Arbeitszeit gespart.)

Grundsätze:

  • Konfabulation ist keine Form des Lügens, sondern Ausdruck der Hilflosigkeit des Bewohners und des Versuchs, seine Würde zu wahren.
  • Wir dulden keine Denkansätze, die Korsakow als verdiente Strafe für frühere Alkoholexzesse werten.
  • Unsere Möglichkeiten zur Versorgung von Betroffenen sind begrenzt. Wenn das Krankheitsbild unsere pflegerischen Fähigkeiten übersteigt, ist die Verlegung in eine entsprechende Facheinrichtung unvermeidbar. Dieses ist insbesondere dann der Fall, wenn der Bewohner häufig aggressiv handelt.

Ziele:

  • Der Bewohner wird motiviert, aktiv an seiner Therapie mitzuwirken.
  • Der Bewohner gewinnt zumindest einen kleinen Teil seiner Selbstversorgungsfähigkeit zurück.
  • Wir helfen, die Ausfälle der Merkfähigkeit und des Kurzzeitgedächtnisses so weit wie möglich zu kompensieren.
  • Wir erleichtern es dem Bewohner, sich in seiner neuen Umgebung zu orientieren.
  • Die motorischen Fertigkeiten des Bewohners werden gefördert.
  • Wir geben dem Bewohner eine feste Tagesstruktur und erleichtern es ihm damit, sich zeitlich zu orientieren.
  • Depressive Phasen sowie Angststörungen werden überwunden.
  • Der Bewohner bleibt sozial integriert. Kontakte zu Freunden und zu Angehörigen werden gefördert. Der Bewohner beteiligt sich aktiv am sozialen Leben innerhalb der Einrichtung.
  • Es gelingt, einen Dialog zwischen der Pflegekraft und dem Bewohner zu etablieren.
  • Der Bewohner versteckt seine mentalen Defizite nicht hinter der Konfabulation.

Vorbereitung:

Symptome

Wir achten auf Symptome, die für ein Korsakow-Syndrom sprechen. Wir kontaktieren den Arzt bei entsprechenden Beobachtungen. Wir bitten um eine fachärztliche Meinung.

  • Das Denken des Bewohners ist verlangsamt. Er ist nicht mehr in der Lage, sich zu konzentrieren.
  • Die Merkfähigkeit des Bewohners ist eingeschränkt. Er ist nur noch sehr begrenzt dazu fähig, sich neues Wissen anzueignen.
  • Der Bewohner ist bestrebt, seinen Zustand zu verbergen.
  • Der Bewohner konfabuliert. Er berichtet von Ereignissen, die er ganz offensichtlich so nicht erlebt hat, die aber von ihm selbst als wahr empfunden werden. Häufig lassen sich in seinen Geschichten einzelne Bruchstücke von realen Erlebnissen erkennen.
  • Das Kurzzeitgedächtnis und das Zeitgefühl sind sehr stark beeinträchtigt.
  • Die emotionale Befindlichkeit schwankt zwischen depressiven Phasen, Antriebslosigkeit, Euphorie und Aggressionen.
  • Es kommt zu einem Kontrollverlust, insbesondere hinsichtlich der Sexualität. Der Bewohner zeigt exhibitionistisches, voyeuristisches oder pädophiles Verhalten.

Organisation

  • Bei der Zuteilung der Bezugspflegekräfte versuchen wir, zwei Kriterien zu berücksichtigen:
    • Die Bezugspflegekraft sollte Erfahrungen im Umgang mit Korsakow-Betroffenen haben. Dieses ist zumeist erst nach mehrjähriger Berufspraxis möglich.
    • Da es sich häufig um sehr ‘schwierige’ Persönlichkeiten handelt, müssen die Belastungen möglichst gleichmäßig und gerecht unter den Kollegen verteilt werden. Es muss verhindert werden, dass Korsakow-Patienten vornehmlich von einer kleinen Anzahl von Pflegekräften betreut werden, nur weil diese über entsprechende Erfahrung verfügen.
  • Die Biografiearbeit mit Korsakow-Patienten ist schwierig. Anders als Demenzkranke versuchen sie, Lücken in ihrem Lebensweg durch Konfabulation zu füllen. Wenn Pflegekräfte diese Angaben ungeprüft übernehmen, ist die Bewohnerbiografie entsprechend fehlerhaft. Wir suchen daher den Kontakt zu Freunden und zu Verwandten und prüfen zentrale Inhalte nach.
  • Wir stellen sicher, dass der Bewohner nicht mit Alkohol in Kontakt kommt. Wir bitten insbesondere Angehörige, auf das Mitbringen von alkoholhaltigen Getränken oder Süßwaren zu verzichten. Wir sensibilisieren Mitbewohner ebenfalls für diese Problematik.
  • Wenn der Bewohner unter Verwirrtheitszuständen und unter Orientierungsstörungen leidet, geben wir ihm entsprechende Hilfestellung. Dazu zählen etwa ein Namensschild an seiner Zimmertür und Wegweiser zur Toilette sowie zu den Tagesräumen. Wir stellen eine große Uhr im Wohnraum des Bewohners auf. Im Speisesaal wird der Stuhl des Bewohners individuell markiert.
  • Wir dekorieren das Zimmer des Bewohners mit vertrauten Gegenständen. Wir beachten dabei, dass sich der “Zeithorizont” des Bewohners im Verlauf der Erkrankung in Richtung Vergangenheit und Jugend bewegt. Die Gegenstände müssen also aus einer Zeit stammen, an die sich der Bewohner noch erinnert. Ein Beispiel: Aktuelle Fotos seiner Urenkel haben ggf. keine emotionale Bedeutung für den Bewohner. Er weiß nicht, dass er Urenkel hat.
  • Wir sind uns darüber im Klaren, dass das Verhältnis zu Angehörigen und zu Freunden durch die langjährige Alkoholsucht erheblich beschädigt sein kann. Gleichzeitig steigert das Korsakow-Syndrom die Aggressionsneigung. Das Risiko ist also erhöht, dass Besuche unharmonisch enden.
  • Wir klären mit dem behandelnden Arzt, ob der Bewohner zusätzlich zum normalen Speisenangebot Nahrungsergänzungsmittel benötigt, insbesondere B1-Vitaminpräparate.

Durchführung:

Kommunikation

  • Wir beachten, dass der Bewohner nur kleine Informationsmengen behalten kann und dieses auch nur für eine kurze Zeit. Wir formulieren daher kurz und deutlich; soweit möglich in Hauptsätzen ohne Nebensätze.
  • Wir stellen Fragen, die sich mit “ja” oder mit “nein” beantworten lassen. Beispiel: “Soll ich den Fernseher anmachen?”
  • Wir vermeiden offene Fragen. Beispiel: “Welches Getränk möchten Sie haben?”. Wenn eine Frage mit mehreren Optionen beantwortet werden kann, geben wir diese vor. Beispiel: “Möchten Sie Wasser oder Saft trinken?”
  • Pflegekräften muss klar sein, dass diese Art der Kommunikation an einen Befehlston erinnert. Bei vielen Betroffenen führt dieses zu einer kompletten Verweigerung der Kooperation. Durch eine freundliche Stimme und durch eine einladende Mimik versuchen wir, diesem Eindruck vorzubeugen.
  • Es ist damit zu rechnen, dass der Bewohner allerlei Ausflüchte nutzen wird, um unangenehme Tätigkeiten oder die Teilnahme an einer Therapie zu vermeiden. Die Pflegekraft muss daher bestimmt, aber freundlich auftreten und dem Bewohner keinen Spielraum zum Ausweichen lassen.

Einüben von Strukturen

Aufgrund der hirnorganischen Schädigung sind viele Betroffene kaum noch in der Lage, ihr Leben sinnvoll zu organisieren. Mit einer straffen Strukturierung des Lebens lassen sich diese Defizite teilweise kompensieren.

  • Wir entwickeln einfache Handlungsketten, die der Bewohner täglich und immer gleich abarbeiten kann. Dieses etwa beim Ankleiden oder bei der Körperpflege. Wichtig ist, dass von diesen Prozeduren nicht abgewichen wird.
  • Beispiel: Wir sagen dem Bewohner: “Bitte ziehen Sie die Unterhose an!” Nun warten wir ab, bis der Bewohner die Unterhose angezogen hat. Danach sagen wir: “Bitte ziehen Sie die Strümpfe an!”. Erneut warten wir ab, bis der Bewohner auch diesen Teilschritt ausgeführt hat.
  • Die Komplexität dieser Handlungsketten wird stetig den Fähigkeiten des Bewohners angepasst. Bei einer Verschlechterung seines mentalen Zustands werden die Prozeduren vereinfacht und die Unterstützung durch die Pflegekraft intensiviert.
  • Eine Überforderung des Bewohners ist zu vermeiden. Korsakow-Patienten reagieren auf Überforderung nicht selten mit kompletter Verweigerung jeder Kooperation.
  • Die Pflegekraft kontrolliert, ob die Maßnahme vom Bewohner korrekt durchgeführt wurde. Dieses ist insbesondere bei solchen Pflegemaßnahmen notwendig, die für die Gesunderhaltung des Bewohners relevant sind. Dazu zählen etwa die Einnahme wichtiger Medikamente und die Blutzuckermessung bei Diabetes mellitus.
  • Wir beachten den Einfluss des Korsakow-Syndroms auf die Pflegeschwerpunkte der Expertenstandards. Beispiele:
    • Viele Korsakow-Patienten sind nicht motiviert, das Bett zu verlassen. Trotz erhaltener Mobilität steigt das Risiko, dass sie ein Druckgeschwür entwickeln.
    • In manchen Fällen ist die Antriebslosigkeit so bestimmend, dass der Bewohner trotz Harndrang keine Toilette aufsucht. Obwohl also keine relevanten körperlichen Risikofaktoren vorliegen, wird der Betroffene inkontinent.
    • Viele Betroffene leiden unter Gangunsicherheit und unter einer erhöhten Sturzgefährdung. Wir achten daher auf eine konsequente Sturzprophylaxe.

Maßnahmen bei Konfabulation

Eine Folge der hirnorganischen Veränderungen sind Gedächtnislücken. Die Betroffenen sind oftmals nicht mehr in der Lage, während eines Gesprächs beim Thema zu bleiben. Um diese Schwächen zu verbergen, füllen Korsakow-Patienten die Lücken mit spontanen Fantasien. Häufig dreht sich diese Konfabulation um Wunschthemen oder um innere Konflikte des Bewohners.

  • Die Häufigkeit und die zentralen Inhalte der Konfabulation werden erfasst und dokumentiert.
  • Der Bewohner wird einfühlsam darauf hingewiesen, wenn er konfabuliert. Er soll erkennen, dass seine Fantastereien vom Gesprächspartner als solche erkannt werden. Wir bezichtigen den Bewohner aber niemals der Lüge.
  • Dem Bewohner wird verdeutlicht, dass er sich für seine Gedächtnislücken nicht schämen muss und dass es besser ist, offen über die Defizite zu reden.
  • Wenn der Bewohner im Gespräch abschweift, wird er einfühlsam wieder zum Thema zurückgeführt.
  • Wenn wir bemerken, dass den Bewohner ein innerer Konflikt quält, bieten wir ihm an, offen über dieses Thema zu sprechen.

Reaktionen auf mentale Verflachung und auf Aggressionen

Eine zentrale Folge des Korsakow-Syndroms sind die Verflachung des Gefühlslebens sowie die Aggressionsneigung. Dieses kann zu Problemen im zwischenmenschlichen Umgang führen.

  • Jeder Pflegekraft muss bewusst sein, dass ein Korsakow-Patient ohne jede rationale Erklärung aggressiv reagieren kann. Bei Bewohnern, die bereits mehrfach auffällig wurden, gelten erhöhte Sicherheitsstandards. Dazu zählt insbesondere, dass weibliche Pflegekräfte nicht allein die Grundpflege leisten.
  • Pflegekräfte erzielen im Umgang mit betroffenen Bewohnern zumeist die besten Resultate, wenn sie freundlich aber bestimmt auftreten.
  • Weitere Probleme, auf die sich Pflegende einzustellen haben, sind Antriebslosigkeit und Angstzustände.
  • Die meisten Korsakow-Patienten sind sich ihrer Einschränkungen nicht bewusst und daher nicht kooperationsbereit. Sie sind folglich insbesondere nicht motiviert, sich an der aktivierenden Pflege zu beteiligen. Pflegekräfte müssen sich also darauf einstellen, dass der Umgang mit diesen Bewohnern anstrengend und frustrierend sein kann.
  • Viele Betroffene sind jedoch bereit, Absprachen zu treffen. Solange die Pflegekraft selbst davon nicht abweicht, besteht die Aussicht, dass sich auch der Bewohner daran hält. Diese Vereinbarungen können z. B. regeln, in welchem Maß Körperhygiene betrieben wird, wann und in welchem Ausmaß sich der Bewohner wäscht, wie oft die Unterwäsche gewechselt wird usw.
  • Es kann leicht zu Missverständnissen kommen. Betroffene beziehen Gespräche unter Dritten schnell auf sich und nehmen an, man rede über sie.
  • Die oberflächliche Stimmung von Korsakow-Patienten ist häufig schwankend und von außen leicht beeinflussbar. Um zu erfahren, wie es dem Bewohner wirklich geht, ist viel Erfahrung mit dem Betroffenen und mit dem Krankheitsbild erforderlich.

Beschäftigung

Bei der Beschäftigung achten wir darauf, dass wir primär solche Fähigkeiten ansprechen, die noch vorhanden sind:

  • Wir bieten dem Bewohner Raum für kreative Hobbys, insbesondere Malen oder Töpfern. Häufig wählen Erkrankte dabei Motive mit persönlichen Bezügen. Ggf. kann es gelingen, auf diese Weise mit dem Betroffenen in einen tieferen Dialog einzutreten.
  • Viele Korsakow-Patienten haben sich die Liebe zur Musik bewahrt. Sie hören also zumindest gerne Musik. In vielen Fällen beteiligen sie sich auch gerne an entsprechenden Freizeitaktivitäten wie der Rhythmusgruppe oder an der Sitztanzgruppe.
  • Haustiere bieten oftmals einen guten Zugang zu Korsakow-Patienten. Daher soll sich der Bewohner im Rahmen seiner Fähigkeiten an der Versorgung der Haustiere beteiligen. Wir regen auch einen Besuch durch den Tierbesuchsdienst an.

Nachbereitung:

allgemeine Maßnahmen

  • Es ist damit zu rechnen, dass sich die Symptomatik ausweitet und in der Intensität zunimmt. Daher muss die Pflege immer wieder neu auf die Möglichkeiten und auf die Einschränkungen des Betroffenen ausgerichtet werden. Dieses muss sich insbesondere in der Pflegeplanung widerspiegeln.
  • Wir beachten, dass ein Korsakow-Syndrom zumeist im Verbund mit anderen typischen Spätfolgen des Alkoholmissbrauchs auftritt. Dazu zählen z. B. Fettleber, Leberzirrhose und Ösophagusvarizen.
  • Alle Maßnahmen und Angebote werden sorgfältig dokumentiert.
  • Wir bieten unseren Pflegekräften regelmäßig Supervision an.

Aussichten

  • Eine Therapie ist derzeit nicht bekannt.
  • Die Prognose ist schlecht. Der Verlauf ist fortschreitend oder bestenfalls stagnierend. Nur in seltenen Fällen kommt es zu einer Besserung.
  • Wenn der Bewohner weiterhin Alkohol konsumiert, ist mit einem raschen Fortschreiten der Symptomatik zu rechnen.

Dokumente:

  • Pflegebericht
  • Pflegeplanung

Verantwortlichkeit / Qualifikation:

  • alle Mitarbeiter



pqsg Impressum, AGB / Datenschutz