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Standard "
Pflege von Senioren mit einer
Abführmittelabhängigkeit"
Einen alten Menschen von Abführmitteln zu entwöhnen, ist
oft schwieriger, als einen Alkoholiker von der Flasche zu bekommen.
Zumeist ist die Abhängigkeit so weit gefestigt, dass Pflegekräfte wohl
oder übel mit den zahlreichen Folgen leben müssen.
Standard "Pflege von Senioren mit einer Abführmittelabhängigkeit"
Definition:
-
Bedingt durch ballaststoffarme Ernährung,
beeinträchtigte Darmperistaltik oder als Nebenwirkung von Medikamenten
(z. B. Opioide oder Antazida) kann es zu Funktionsstörungen im
Magen-Darm-Trakt kommen. Diese zeigen sich durch eine verzögerte
Darmpassage oder durch Obstipation (Verstopfungen). Laxanzien
(Abführmittel) beschleunigen durch verschiedene Wirkungsmechanismen die
Stuhlentleerung.
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Laxanzien werden in unserer Gesellschaft viel
zu oft und unkritisch eingesetzt. Eine Obstipation lässt sich zumeist
auch durch schonende Strategien vermeiden oder auflösen, etwa durch
mehr ballaststoffreiche Nahrung, vermehrte Flüssigkeitsaufnahme sowie
durch intensivierte körperliche Bewegung.
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Befördert wird der unnötige Konsum auch durch
Werbung im Fernsehen oder in Printprodukten, die den Eindruck erweckt,
dass sich eine ungesunde Lebensführung durch die Einnahme von
Medikamenten kompensieren ließe. Zudem wird eine gute Verträglichkeit
der Laxanzien vorgegaukelt.
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Die Gefahr einer langfristigen
Laxanzieneinnahme besteht darin, dass sich der Körper an die Präparate
gewöhnt. Um eine konstante Stuhlentleerung sicherzustellen, müssen
Betroffene die Dosis ständig erhöhen und immer gravierendere
Nebenwirkungen erdulden.
Grundsätze:
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Abführmittelabhängigkeit ist kein Tabuthema.
Wir sprechen diese Krankheit offen an und verheimlichen sie nicht.
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Jeder Bewohner hat trotz aller Risiken das
Recht, Abführmittel in jeder gewünschten Menge zu sich zu nehmen.
Pflegekräfte können dem Bewohner zwar eine Änderung seines Verhaltens
nahelegen, eine Wegnahme der Präparate ist jedoch nicht möglich.
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Wir enthalten uns jeder moralischen Bewertung
zum Verhalten des Suchtkranken. Unabhängig von der Verschuldensfrage
leisten wir jedes uns mögliche Maß an Hilfe.
Ziele:
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Dem Bewohner sind die Risiken bewusst. Er weiß,
mit welchen gesundheitlichen Folgen der regelmäßige Laxanzienkonsum
verbunden ist.
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Die Abhängigkeit wird überwunden. Der Bewohner
ist in der Lage, ohne Laxanzien abzuführen.
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Falls die Sucht nicht überwunden werden kann,
sollte zumindest die Dosis der regelmäßig eingenommenen Laxanzien
schrittweise reduziert werden. Zudem sollten aggressive Präparate
sukzessive gegen schonendere Wirkstoffe ersetzt werden.
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Wenn der Bewohner nicht willens oder nicht in
der Lage ist, die Sucht zu überwinden, werden zumindest die
gesundheitlichen Risiken reduziert. Wir kompensieren Mangelzustände
durch eine angepasste Ernährung. Körperliche Gefahrensituationen werden
schnell erkannt.
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Es erfolgt keine Suchtverlagerung, etwa zu
Zigaretten oder in Richtung Alkohol.
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Die finanziellen Ressourcen des Bewohners
werden geschont. Der Bewohner kauft keine unnötigen Medikamente.
Vorbereitung:
Verdachtsmomente für
eine Abführmittelabhängigkeit
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Die Diagnose einer Abführmittelabhängigkeit
fällt sehr schwer, wenn diese vom Betroffenen bewusst verschwiegen
wird. I. d. R. sind Suchtkranke psychisch unauffällig. Sie haben im
Laufe der Jahre oder Jahrzehnte Strategien entwickelt, um die Sucht zu
verbergen. Sie offenbaren sich häufig weder den Pflegekräften noch dem
Arzt.
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Oftmals bemerken Pflegekräfte die Sucht erst,
wenn die typischen körperlichen Nebenwirkungen eines jahrelangen
Laxanzienabusus auftreten. Dazu zählt primär Durchfall. Es kann auch zu
Blähungen und zu leichten Bauchkrämpfen kommen. Spätestens, wenn
gravierende Symptome wie Herzrhythmusstörungen, Blasenlähmungen und
Leberstörungen auftreten, sollte der Bewohner nachdrücklich auf eine
Abführmittelabhängigkeit angesprochen werden.
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Wir thematisieren etwaige Suchterkrankungen im
Rahmen des Erstgesprächs. Wenn Essstörungen zu vermuten sind, muss
immer auch nach einer Abführmittelabhängigkeit gefragt werden.
Insbesondere Menschen, die an Bulimie oder an Anorexie leiden,
verwenden häufig Abführmittel. Oftmals ist es dabei sinnvoll, den
Dialog mit den Angehörigen unter vier Augen zu suchen. Mitunter ist die
Sucht innerhalb der Familie bekannt.
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Wenn es hinreichende Anzeichen für einen
Abführmittelmissbrauch gibt, so wird dieser Verdacht im Rahmen einer
Fallbesprechung diskutiert. Häufig haben einzelne Pflegekräfte kleine
Beobachtungen gemacht, die für die Gesamtbetrachtung relevant sind.
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Pflegekräfte reagieren sensibel darauf, wenn
ein Bewohner gehäuft nach Abführmitteln fragt oder zu diesem Thema
Informationen wünscht.
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Pflegekräfte achten auf Medikamente, die im
Wohnumfeld des Bewohners liegen und offensichtlich nicht vom Hausarzt
verschrieben wurden. Die meisten Suchtpatienten bevorzugen kleine
Tabletten oder Tropfen, da diese diskret eingenommen werden können.
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Wie bei anderen Suchtstoffen bedeutet der
Heimeinzug oftmals eine Unterbrechung der gewohnten
Beschaffungsstrategien; also etwa, weil nun keine Apotheke fußläufig zu
erreichen ist. Aufgrund des abrupten Zwangsentzugs kann es zu
gravierenden Komplikationen bis hin zum Darmverschluss kommen.
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Mitunter wird auch offensichtlich, dass der
Suchtkranke Mitbewohner, Angehörige oder Freunde mit der Beschaffung
bei der Apotheke beauftragt. Jüngere Abhängige nutzen Onlineapotheken;
es werden also regelmäßig entsprechende Pakete angeliefert.
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Die Abführmittel müssen auf eigene Kosten
beschafft werden. Bei Bewohnern, die lediglich Taschengeld erhalten,
führt dieses mitunter zu chronischer Geldknappheit. Dieses ist
insbesondere dann auffällig, wenn keine anderen offensichtlichen
Ausgaben vorliegen.
Informationssammlung
Wir sammeln
Informationen, die für die Risikobewertung relevant sind:
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Wie lange nimmt der Bewohner die Laxanzien
bereits ein?
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Welche Laxanzien nimmt der Bewohner ein?
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Wie hoch ist die aktuelle Dosis?
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Musste der Bewohner die Dosis bereits steigern?
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Gelang es dem Bewohner bereits einmal, die
Abhängigkeit zumindest zeitweise zu überwinden?
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Welche Folgen treten auf, wenn der Bewohner die
Laxanzien reduziert oder absetzt?
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Unter welchen Nebenwirkungen der Laxanzien
leidet der Bewohner aktuell?
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Ist der Bewohner gewillt, seine Lebensweise zu
ändern, um den Konsum von Laxanzien unnötig zu machen?
Durchführung:
Beratung des
Bewohners.
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Wir prüfen, welchen Zweck der Bewohner mit der
Abführmitteleinnahme verfolgt.
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In vielen Fällen liegt tatsächlich eine
Verstopfung vor, die der Bewohner medikamentös therapieren möchte.
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Darüber hinaus verwenden insbesondere Frauen
Laxanzien dazu, um eine Gewichtsabnahme anzustreben. Betroffene leiden
häufig zusätzlich unter Bulimie. Nach einer sog. “Fressattacke” nehmen
diese Betroffenen Abführmittel ein, um die Nahrung möglichst schnell
wieder aus dem Körper zu befördern. Wir verdeutlichen diesen
Bewohnerinnen, dass eine Gewichtsreduktion auch deutlich schonender
erreicht werden kann, etwa durch eine Umstellung der Ernährung.
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Mitunter sind Wahnvorstellungen
mitursächlich. Dazu zählt etwa die Annahme, dass der Körper durch den
Stuhl innerlich vergiftet würde, weshalb der Darminhalt so schnell wie
möglich zu entleeren wäre.
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In seltenen Fällen nehmen psychisch Kranke
bewusst Abführmittel ein, um eine Diarrhoe zu provozieren. Sie erhoffen
sich dadurch Aufmerksamkeit und Zuwendung von den Pflegekräften.
-
Wir beraten den Bewohner, wenn er falsche
Vorstellungen über die normale Frequenz eines Stuhlgangs hat. Es ist
völlig ausreichend, wenn er alle drei Tage Stuhlgang hat.
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Wir informieren den Bewohner über
nichtmedikamentöse Optionen, um eine Obstipation zu verhindern. Dazu
zählen insbesondere eine Umstellung der Ernährung sowie körperliche
Bewegung und Sport. Die Vorgaben des Pflegestandards
Obstipationsprophylaxe werden sorgfältig umgesetzt.
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Wir prüfen, ob der Bewohner aufgeschlossen für
naturheilkundliche Verfahren ist. Ggf. akzeptiert er homöopathische
Mittel oder milde Hausmittel als Ersatz für die konventionellen
Abführmittel.
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Wir erläutern dem Bewohner, dass er durch den
Einsatz von Laxanzien in einen Teufelskreis geraten kann. Die
längerfristige Einnahme von Abführmitteln führt häufig zur Gewöhnung
und zu Elektrolytstoffwechselstörungen. In deren Folge kann sich eine
bereits bestehende Obstipation verstärken. Betroffene greifen dann
häufig erneut zum Abführmittel und steigern die Dosierung.
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Wir informieren den Bewohner über die
gesundheitlichen Risiken einer dauerhaften Abführmitteleinnahme.
Insbesondere kann es zu einer strukturellen Schädigung des Darms kommen.
weitere Maßnahmen
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Für die Überwindung der
Abführmittelabhängigkeit ist es notwendig, zunächst den Stuhlgang zu
normalisieren. Dafür muss die Fehlernährung (also insbesondere der
Ballaststoffmangel) beseitigt werden.
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Wenn sich der Bewohner dazu bereit erklärt, den
Missbrauch der Laxanzien zu beenden, so muss dieses schrittweise und
ausschleichend erfolgen. In keinem Fall dürfen die Abführmittel abrupt
abgesetzt werden. Wir arbeiten eng mit dem behandelnden Hausarzt
zusammen, um den langfristigen Entzug zu planen.
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Wir achten auf unerwünschte Nebenwirkungen der
längerfristigen Einnahme von Abführmitteln. Dazu zählen etwa
Flüssigkeitsverluste bis hin zur Exsikkose. Sehr häufig treten auch
Elektrolytverluste auf, insbesondere Kaliumverluste.
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Wir informieren den behandelnden Hausarzt über
jeden Verdacht einer Abführmittelabhängigkeit. Dieses ist notwendig, da
es jederzeit zu Wechselwirkungen mit anderen verschriebenen
Arzneimitteln kommen kann.
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Wir beachten, dass bei einer
Abführmittelabhängigkeit auch das Suizidrisiko erhöht ist.
Nachbereitung:
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Alle Maßnahmen werden sorgfältig dokumentiert.
Insbesondere muss aus der Dokumentation deutlich hervorgehen, dass wir
dem Bewohner regelmäßig Unterstützung bei der Überwindung der Sucht
anbieten. Klar muss auch sein, dass der Bewohner die Laxanzien gegen
unsere Empfehlung einnimmt.
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Die Pflegeplanung bzw. die Maßnahmenplanung
wird an die aktuelle Entwicklung angepasst.
Dokumente:
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Pflegebericht
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Pflegeplanung / Maßnahmenplanung
Verantwortlichkeit
/ Qualifikation:
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Pflegefachkräfte
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Pflegehilfskräfte
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