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Standard "Pflege von Senioren
mit Trigeminusneuralgie"
Gäbe
es eine Hitparade der stärksten Schmerzen, der Trigeminusneuralgie wäre
ein Platz in den “Top Ten” sicher. Betroffene berichten von
unerträglichen Attacken, die bis zu 100 Mal pro Tag auftreten. Wir
zeigen, wie Pflegekräfte effektiv helfen können.
Standard "Pflege von
Senioren mit Trigeminusneuralgie"
Definition:
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Die Trigeminusneuralgie ist ein heftiger
einseitiger Gesichtsschmerz, der anfallsartig auftritt. Die mit einer
Trigeminusneuralgie verbundenen Beschwerden zählen zu den stärksten
überhaupt und werden von Betroffenen als unerträglich beschrieben.
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Die meisten Erkrankten sind älter als 50 Jahre.
Frauen sind etwas häufiger betroffen als Männer. Die Erkrankung ist
vergleichsweise selten. Pro 100.000 Personen kommt es jährlich zu fünf
Neuerkrankungen.
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Die Beschwerden können idiopathisch, also ohne
erkennbare Ursache auftreten (sog. “klassische Trigeminusneuralgie”).
Als mögliche Auslöser werden Kurzschlüsse zwischen Schmerz leitenden
und nicht Schmerz leitenden Nervenfasern vermutet. Möglicher
Verursacher ist auch die Kompression der sensiblen Trigeminuswurzel
durch ein Gefäß.
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Die Schmerzbelastung kann aber auch die Folge
einer anderen Erkrankung sein (sog. “symptomatische
Trigeminusneuralgie”). Dazu zählen etwa Tumore, Glaukom, Entzündungen sowie
Multiple Sklerose. Mögliche ursächliche Faktoren sind auch
Herpes-Zoster-Infektionen sowie Schädelbasisfrakturen.
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Das Schmerzsyndrom ist auf das
Ausbreitungsgebiet des N. Trigeminus beschränkt. Je nach betroffenem
Nervenast treten die Schmerzen in drei Hauptzonen auf:
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Haut der Augenhöhle und der Stirn
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Gesichtshaut unterhalb der Augenhöhle,
Nasenschleimhaut, Oberlippe sowie Zähne des Oberkiefers
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Haut des Unterkieferbereichs, Unterlippe,
Zahnfleisch und Zähne des Unterkiefers
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Betroffene schildern blitzartig einsetzende
Schmerzen, die oft durch bestimmte Bewegungen wie Kauen oder Sprechen
ausgelöst sind. Unmittelbare Verursacher können aber auch leichte
Berührungen bestimmter Gesichtspartien sein. Die Schmerzen dauern
zumeist wenige Sekunden, können aber nach einigen Minuten erneut
auftreten. Viele Betroffene vermeiden daher das Essen und verlieren
erheblich an Körpergewicht.
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Die Suizidrate unter Betroffenen ist deutlich
erhöht.
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Der neurologische Befund ist bei der
idiopathischen Trigeminusneuralgie normal. Bei symptomatischen
Trigeminusneuralgien hingegen können neurologische Auffälligkeiten wie
Sehminderungen oder Sensibilitätsstörungen gefunden werden.
Grundsätze:
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Schmerz ist immer ein subjektives Empfinden.
Nur der betroffene Bewohner selbst kann einschätzen, wie stark die
Beschwerden sind und in welchem Maß er sich schonen will.
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Jahrelange starke Schmerzen verändern die
Persönlichkeit. Wir gehen entsprechend mitfühlend mit dem Bewohner um.
Ziele:
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Durch eine angemessene medikamentöse Behandlung
werden die Schmerzen auf ein Minimum reduziert.
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Bei unvermeidbaren Schmerzen schaffen wir ein
Umfeld, das die Belastungen für den Bewohner erträglicher macht.
Vorbereitung:
Wir achten auf die
typischen Symptome, die für eine Trigeminusneuralgie sprechen:
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Der Bewohner klagt über blitzartige und heftige
Schmerzattacken. Diese dauern zumeist nur wenige Sekunden.
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Die Attacken können in Serien bis zu 100 Mal
pro Tag auftreten.
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Als Folge der anhaltenden Schmerzbelastung kann
es zu verschiedenen psychischen Folgen kommen, etwa:
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Depressionen bis hin zu Suizidtendenzen
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Angstzustände
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Antriebslosigkeit
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Schlafstörungen
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körperliche Schwäche
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Appetitmangel (Der Betroffene vermeidet das
Essen aus Angst, mit dem Kauen eine Attacke auszulösen.)
Durchführung:
Pflegemaßnahmen
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Wir berücksichtigen, dass der Bewohner durch
die anhaltenden Schmerzen zermürbt ist. Wir achten auf alle Anzeichen,
die auf eine Depression oder gar auf Suizidpläne hindeuten.
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Uns ist bewusst, dass die ständigen
Schmerzattacken zu einem aggressiven Verhalten des Bewohners führen
können. Wir lassen dem Bewohner dann mehr Freiraum und wirken
beruhigend und verständnisvoll auf ihn ein. Wir suchen insbesondere den
Kontakt zu Angehörigen und zu Mitbewohnern. Wir bitten diese um
Verständnis für die unvorhersehbaren Stimmungsschwankungen.
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Wenn das Sprechen gehäuft Anfälle auslöst,
ermöglichen wir es dem Bewohner, die verbale Kommunikation auf ein
Minimum zu reduzieren. Wir stellen Fragen, die der Bewohner mit einer
Geste bejahen oder verneinen kann ("geschlossene Fragen").
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Wir sammeln alle Informationen, die
Rückschlüsse auf individuelle Auslöser eines Anfalls erlauben. So kann
z. B. das Berühren der medialen Ober- und Unterlippe eine
Trigeminusneuralgie auslösen ("triggern"). Es kommen auch vermeintlich
abwegige Ursachen infrage, wie bei manchen Betroffenen etwa Zugluft.
Das Krankheitsbild des Bewohners wird insbesondere im Rahmen von
Fallbesprechungen thematisiert.
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Wenn der Bewohner einen sog.
“Trigeminusneuralgie-Kalender” führt, helfen wir ihm beim Eintragen.
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Falls es der Bewohner wünscht, erhält er
Speisen, die er kaum oder gar nicht kauen muss. Also insbesondere
flüssige oder passierte Speisen. Wir prüfen, ob durch das vermiedene
Kauen die Schmerzbelastung wirklich gesenkt werden kann. Wenn eine
orale Ernährung deutlich erschwert ist, prüfen wir die Nutzung einer
Magensonde. In jedem Fall wird der Ernährungszustand des Bewohners,
also insbesondere sein BMI-Wert, engmaschig überwacht.
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Wenn Kältereize zu einem Anfall führen, achten
wir darauf, dass der Bewohner keine kalten Getränke oder Speiseeis
erhält.
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Wir prüfen, ob der Bewohner vor dem Essen
Schmerzmittel einnehmen sollte.
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Bei vielen Betroffenen lösen
Körperpflegemaßnahmen wie das Rasieren oder das Zähneputzen bereits
eine Trigeminusneuralgie aus. Wir empfehlen dem Bewohner, trotz der
Schmerzbelastung die Körperpflege nicht zu vernachlässigen. Wenn die
Maßnahme von uns durchgeführt wird, achten wir darauf, die
Gesichtsregion nur sehr vorsichtig zu berühren. Eine umfangreichere
Mundpflege kann durch eine rechtzeitige Schmerzmittelapplikation
erträglich gestaltet werden.
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Ggf. eingenommene Medikamente können die
Reaktionsfähigkeit und den Gleichgewichtssinn beeinträchtigen. Wir
intensivieren daher die Maßnahmen im Rahmen der Sturzprophylaxe. Die
Arzneimittel können überdies zu Müdigkeit und zu
Konzentrationsproblemen führen. Wir berücksichtigen diese
Einschränkungen insbesondere bei Beschäftigungsangeboten.
ärztliche Therapie
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Wir sammeln wichtige Daten für den behandelnden
Arzt, soweit der Bewohner (etwa aufgrund einer Demenz) Fragen nicht
mehr beantworten kann. Relevant sind etwa zurückliegende Traumata,
entzündliche Prozesse sowie Multiple Sklerose, Tumorwachstum, Herpes
Zoster, Fehlbildungen im Kopfbereich oder Fehlstellungen des
Kiefergelenks, Augenkrankheiten. Wichtig ist auch eine genaue Abschätzung der
Symptomatik, also etwa Sehstörungen, Gleichgewichtsbeeinträchtigungen
usw. Häufig kommt es auch zu Rötungen im betroffenen Hautbereich sowie
zu einer gesteigerten Sekretion von Tränen-, Nasen- und Speicheldrüsen.
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Carbamazepin führt bei vielen Betroffenen zu
einer deutlichen Schmerzreduktion. Das Medikament kann aber die
Herztätigkeit beeinflussen. Wir achten daher insbesondere auf Symptome
einer Herzrhythmusstörung. Recht häufig sind auch Schwindel und
Müdigkeit.
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Wir bitten den behandelnden Arzt um eine
wirksame Bedarfsmedikation, um Schmerzspitzen kompensieren zu können.
Eine Behandlung mit Analgetika ist allerdings häufig erfolglos, da die
Schmerzattacken sehr kurz, dafür aber sehr intensiv sind.
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Sind alle Optionen ausgeschöpft, erfolgt ggf.
eine mikrochirurgische Operation, um die Irritation des N. Trigeminus
zu reduzieren. Alternativ können Teile des Nervs durchtrennt werden;
das ist insbesondere bei Senioren oftmals sinnvoll.
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Bei einer symptomatischen Trigeminusneuralgie
unterstützen wir die Behandlung der auslösenden Grunderkrankung.
Nachbereitung:
Prognose
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In vielen Fällen treten Trigeminusneuralgien
nur vorübergehend auf; dieses oft im Abstand von vielen Monaten oder
Jahren.
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Anhaltende Trigeminusneuralgien können in vier
von fünf Fällen medikamentös behandelt werden, sodass der Bewohner
weitgehend schmerzfrei ist.
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Ist eine medikamentöse Therapie erfolglos,
bleibt als letzte Option ein operativer Eingriff. Dieser ist in 90
Prozent der Fälle dauerhaft erfolgreich.
weitere Maßnahmen
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Die Pflegeplanung bzw. die Maßnahmenplanung
wird regelmäßig aktualisiert. Wir berücksichtigen insbesondere das
phasenweise Ansteigen und Nachlassen der Schmerzbelastung.
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Alle relevanten Beobachtungen werden dem
behandelnden Hausarzt mitgeteilt.
Dokumente:
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Pflegeplanung
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Berichtsblatt
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Dokumentationsbogen "Fragen an den Arzt"
Verantwortlichkeit
/ Qualifikation:
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