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Standard "Oberkörperhochlagerung"

Bei der Oberkörperhochlagerung liegen Vor- und Nachteile nahe beieinander. Den erhöhten Komfort beim Essen, beim Sprechen und beim Fernsehen hat manch Betroffener teuer erkauft; nicht selten mit Schulterkontrakturen oder gar mit einem Dekubitus am Gesäß. Ein guter Standard hilft, derartige Risiken effektiv zu begrenzen.


Standard "Oberkörperhochlagerung"


Definition:

  • Die Oberkörperhochlagerung ist anders als etwa die 30°-, 90°- oder 135°-Position keine Lagerung im Rahmen der Dekubitus- oder Kontrakturenprophylaxe. Sie dient vielmehr dazu, einen immobilen Bewohner vorübergehend aus der Rückenlage zu mobilisieren, etwa wenn dieser essen oder fernsehen möchte.
  • Wenn der Oberkörper des Bewohners erhöht gelagert wird, erleichtert ihm dieses die Atmung. Das Zwerchfell sinkt nach unten und kann sich leichter ausdehnen. Vielen Betroffenen fällt es insbesondere leichter, Bronchialsekret abzuhusten.
  • Zudem macht es diese Lagerungsposition möglich, Speisen und Getränke zu konsumieren, ohne sich zu verschlucken. Tatsächlich ist die Oberkörperhochlagerung die wichtigste Maßnahme im Rahmen der Aspirationsprophylaxe.
  • Durch die Oberkörperhochlagerung wird das zentrale Blutvolumen und somit die kardiale Belastung verringert.

  • Wichtig ist überdies der soziale Aspekt der Hochlagerung. In der Rücken- und Seitenlage ist das Blickfeld auf die Decke und auf die Bereiche rechts und links des Pflegebettes beschränkt. Aus der Sitzposition heraus kann der Bewohner jedoch das gesamte Zimmer überblicken und z. B. sehen, wenn eine Person das Zimmer betritt. Es fällt dem Betroffenen viel leichter, mit seiner Umwelt in Kontakt zu treten. Auch das Lesen, Schreiben oder Telefonieren ist im Sitzen wesentlich angenehmer als im Liegen.
  • Ein weiterer Vorteil dieser Position ist, dass der Bewohner einfacher fernsehen kann. Auch dadurch sinkt das Risiko einer Deprivation.
  • Bei der Körperpflege erleichtert die Oberkörperhochlagerung die Aktivierung des Bewohners. Er kann sich z. B. einfacher an der Reinigung des Gesichts, der Arme und der Hände sowie des Bauchbereichs beteiligen.
  • Eine Oberkörperhochlagerung liegt vor, wenn das Kopfteil um mehr als 30° angewinkelt wird. Sofern das Kopfende nur mit ca. 30° oder weniger hochgestellt wird, liegt eine sog. “halbhohe Oberkörperhochlagerung” vor. Falls der Fußbereich abgesenkt wird und das Kopfteil mit 45° angewinkelt ist, so wird dieses als “Beach-Chair-Lagerung” bezeichnet.

Grundsätze:

  • Die individuellen Lagerungswünsche des Bewohners sind uns wichtig und werden beachtet.
  • Das Lagern ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die viel berufliche Erfahrung erfordert. Daher werden Praktikanten und Pflegeschüler ggf. nur assistierend eingesetzt.
  • Ein Bewohner sollte im Verlauf des Tages immer wieder aus der flachen Rückenlage in eine erhöhte oder besser in eine sitzende Körperposition gebracht werden.
  • Uns ist bewusst, dass im Sitzen das Risiko von Kontrakturen und Dekubitus messbar steigt. Dieses ist jedoch kein hinreichender Grund, um auf die vielen Vorteile dieser Lagerung zu verzichten. Allenfalls wird die Sitzposition zeitlich weiter eingeschränkt.

Ziele:

  • Der Bewohner empfindet die Oberkörperhochlagerung als angenehm.
  • Die Entwicklung eines Dekubitus wird durch eine schonende Lagerung und durch rechtzeitige Umlagerungen vermieden.
  • Der Bewohner entwickelt keine Kontrakturen.
  • Der Bewohner nutzt den erweiterten Bewegungsspielraum, um mehr Tätigkeiten eigenständig durchzuführen und die Abhängigkeit von den Pflegekräften zu reduzieren.

Vorbereitung:

Indikation / Kontraindikation / Risikoermittlung

  • Die Oberkörperhochlagerung kann für verschiedene Zwecke genutzt werden:
    • zur Atemerleichterung; dieses insbesondere bei schwerer Adipositas
    • zur risikoarmen Einnahme von Speisen und Getränken im Rahmen der Aspirationsprophylaxe
    • bei Herz- und Lungenerkrankungen
    • bei Schädel-Hirn-Trauma (SHT)
    • nach ambulanten Eingriffen im HNO-Bereich, bei denen Blutungen möglich sind
    • bei maschineller Beatmung
  • Die Oberkörperhochlagerung kann nicht als Dauerlagerung genutzt werden, da sie die Bildung von Kontrakturen fördert.
  • Bei verschiedenen Kopfverletzungen darf keine Oberkörperhochlagerung durchgeführt werden.
  • Ein weiterer Nachteil ist die schlechte Durchlüftung der unteren Lungenabschnitte.

Material

Wir stellen das Material zusammen, das für die Oberkörperhochlagerung genutzt wird:

  • ggf. ein Frotteehandtuch oder ein Keilkissen (als "Bremse"; s. u.)
  • ggf. ein Stillkissen oder eine Decke (als Unterstützung der Arme bei erschwerter Atmung; s. u.)

Organisation

  • Das Dekubitusrisiko wird regelmäßig per Bradenskala erfasst. Je höher das abgeschätzte Risiko ist, umso kürzer sind die Zeiträume, in denen der Bewohner in der erhöhten Oberkörperhochlagerung belassen wird.
  • Bei verschiedenen Krankheitsbildern ist es erforderlich, den maximalen Anstellwinkel des Kopfteils gemeinsam mit dem behandelnden Arzt zu diskutieren.
  • Wir prüfen, ob das Pflegebett eine “moderne” Abmessung des Kopfteils bietet. Im Idealfall sollte das Kopfteil 90 Zentimeter messen. Modelle mit einem Kopfteil von 70 Zentimetern führen oft dazu, dass der “Knick” des Betts nicht im Bereich der Hüftabknickung liegt. Der Bauch und der Brustkorb würden dadurch eingeengt.
  • Die ausziehbare Bettverlängerung sollte eingefahren werden, sofern der Bewohner nicht über zwei Meter Körpergröße misst. Der zusätzliche Raum im Bereich der Füße erschwert sonst später eine natürliche Sitzhaltung.

Durchführung:

Lagerung

  • Der Bewohner wird an das Kopfende bewegt. Wir nutzen dafür Transfertechniken aus dem Kinästhetikkonzept.
  • Das Kopfende des Pflegebettes wird hochgestellt, bis die gewünschte Position erreicht ist. Für die sitzende Position ist ein Anstellwinkel von nahezu 90° erforderlich. So aufgerichtet sinkt die Aspirationsgefahr beim Essen deutlich. Aus Sicht der Dekubitusprophylaxe ist diese Lagerung jedoch sehr bedenklich. Sie sollte nur kurzzeitig genutzt werden.
  • Wir achten darauf, dass der Rücken gestreckt bleibt.
  • Einengende Kleidung wird geöffnet, damit der Bewohner besser atmen kann.

Variationen und Ergänzungen

  • Wenn das Kopfteil des Bettes höher gestellt wird, kann es dazu kommen, dass der Bewohner in Richtung Fußende rutscht. Durch diese dann verschobene Position im Bett wird der Brustkorb eingeengt. Statt der angestrebten Atemunterstützung wird die Atmung nun zusätzlich erschwert. Zudem steigt durch die Scherkräfte die Dekubitusgefahr. Wir nutzen daher ein zusammengelegtes Frotteehandtuch als "Bremse". Das Handtuch wird unter den Sitzhöckern platziert. Alternativ nutzen wir ein Keilkissen. Die Lage des Bewohners wird so lange korrigiert, bis das Hüftgelenk passend im Knickpunkt zwischen Rückenlehne und Gesäßteil des Bettes liegt.
(Hinweis: Der Effekt dieser Bremse ist zwiespältig. Einerseits senkt sie durch die korrekte Hüftabknickung das Dekubitusrisiko im gesamten Bereich des Rückens und des Gesäßes. Gleichzeitig jedoch erzeugt die “Bremse” jedoch selbst lokal erheblichen Druck.)
  • Falls das Frotteehandtuch als Bremse nicht ausreicht, nutzen wir zusätzlich ein Kissen oder eine Fußstütze als "Bettverkürzer". (Hinweis: Eine weiche Fußstütze ist auch im Rahmen der Spitzfußprophylaxe sinnvoll.)
  • Wenn die Atmung des Bewohners erschwert ist, können die Arme hochgelagert werden. Wir nutzen dafür eine zusammengerollte Decke oder ein Stillkissen. Der Brustkorb ist dann vom Gewicht der Arme entlastet. Die Atemhilfsmuskulatur kann effektiver genutzt werden. Wir beachten dabei, dass sich viele Senioren durch diese Kissen "eingemauert" fühlen. Bei hohen Körpertemperaturen, vor allem bei Fieber, führt diese Positionierung zum Wärmestau. Die Unterlagerung der Arme sollte nicht über einen längeren Zeitrahmen genutzt werden, da diese Haltung die Entwicklung einer Beugekontraktur fördert.
  • Wenn der Bewohner unter Bauchschmerzen leidet oder wenn die Atmung trotz Hochlagerung der Arme noch immer erschwert ist, werden die Knie mit einer Lagerungsrolle unterstützt. (Hinweis: Bei Bewohnern mit Spastiken kann diese Unterlagerung die Symptomatik verstärken.) Die Beine sind leicht außenrotiert und gespreizt.
  • Wenn es der Bewohner wünscht, werden der Rücken und sein Kopf mit einem zusätzlichen Kissen unterlagert.

Nachbereitung:

Kontrollen

  • Die Position des Bewohners während der Oberkörperhochlagerung wird immer wieder kontrolliert und ggf. korrigiert. Die meisten Bewohner rutschen (auch mit eingelegter “Bremse”) langsam aber stetig in Richtung Fußende.
  • Bei unsicheren Bewohnern droht zudem ein Fall seitlich aus dem Bett. Falls notwendig wird der Bewohner in die richtige Lage zurückbewegt und der Anstellwinkel der Rückenlehne gesenkt.
  • Der Rücken und das Gesäß werden regelmäßig auf Hautveränderungen überprüft. Wir nutzen insbesondere den Fingertest, um eine Hautirritation von einem Dekubitus ersten Grades zu unterscheiden.

Dokumentation

  • Die Maßnahme wird im Lagerungs- und Bewegungsplan dokumentiert.
  • Alle relevanten Veränderungen der Gesundheit oder des Verhaltens des Bewohners werden dokumentiert.
  • Ggf. wird die Pflegeplanung bzw. die Maßnahmenplanung angepasst. Wenn es bei der Oberkörperhochlagerung zu keinen Problemen kommt, werden zeitnah weitere Schritte zu einer umfassenderen Mobilisierung geplant. Dazu zählt etwa das Sitzen im Bett ohne Rückenlehne sowie die anschließende Mobilisierung zum Sitzen an der Bettkante.

Dokumente:

  • Berichtsblatt
  • ärztliches Verordnungsblatt
  • Lagerungs- und Bewegungsplan
  • Kommunikationsblatt mit dem Arzt
  • Pflegeplanung

Verantwortlichkeit / Qualifikation:

  • Pflegefachkräfte



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