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Standard "Pflege von Senioren mit einer posttraumatischen Belastungsstörung"
Bombenangriffe,
getötete Eltern, Verschleppung, Vergewaltigung und Vertreibung. 70
Jahre lang hat die Kriegsgeneration ihre schrecklichen Erinnerungen
verdrängen können. Jetzt lassen demenzielle Erkrankungen diese
Schutzwände bröckeln. Dann reicht schon die Tagesschau, um die
grauenhaften Bilder im Kopf wieder lebendig werden zu lassen.
Standard "Pflege von Senioren mit einer posttraumatischen Belastungsstörung"
Definition:
-
Belastungsstörungen sind psychische Reaktionen
auf krisenartige Lebenssituationen oder auf Lebensveränderungen. Sie
können auch bei psychisch bislang unauffälligen Menschen auftreten.
-
Bei einer akuten Belastungssituation reagiert
der Betroffene zeitnah auf das Ereignis, etwa mit Schlafstörungen, mit
Panikzuständen oder mit sozialem Rückzug. Die Symptomatik klingt aber
nach einigen Stunden oder nach einigen Tagen wieder ab. Eine akute
Belastungsreaktion wird umgangssprachlich als “Nervenzusammenbruch”
bezeichnet.
-
Bei einer posttraumatischen Belastungsreaktion
ist der zeitliche Abstand zwischen dem Ereignis und der Reaktion mit
oftmals mehreren Monaten bis hin zu Jahrzehnten deutlich größer. Die
Beeinträchtigungen können phasenweise und mit schwankender Intensität
auftreten. Das zugrunde liegende Ereignis ist i. d. R. eine
lebensbedrohliche Situation, wie etwa Folter, Entführung, Mord,
Vergewaltigung oder Kriegsgeschehnisse.
-
Die meisten Betroffenen schaffen es, durch
Ablenkung und durch aktive Betätigung die Vorkommnisse so weit zu
verdrängen, dass sie nicht mehr permanent im Bewusstsein präsent sind.
Diese bislang erfolgreich eingesetzten Verdrängungsmechanismen sind
jedoch häufig nutzlos, sobald der Betroffene pflegebedürftig wird.
Mitursächlich dabei ist oft eine einsetzende demenzielle Erkrankung,
die insbesondere die Fähigkeit zur Selbstkontrolle schwächt. Hinzu
kommt die Ausdünnung des sozialen Netzes. In vielen Fällen können auch
aktuelle Erlebnisse ältere Traumata reaktivieren. Dieses etwa, wenn ein
naher Verwandter stirbt oder wenn der Bewohner einen Unfall hat, der
ihn zur Bettruhe und zur Inaktivität zwingt.
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Bei Senioren kann es daher auch viele Jahrzehnte nach dem Vorfall zu einer Reaktivierung des Traumas kommen.
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In sog. "Flashbacks" (oder
“Nachhallerinnerungen”) brechen dann die Erinnerungen wieder auf. Der
Bewohner hat das Gefühl, dass sich das Trauma in diesem Augenblick
wiederholt und "real" ist. Ihm gelingt keine Trennung zwischen der
Gegenwart und der Vergangenheit. Diese Flashbacks können etwa durch
visuelle Eindrücke, durch Geräusche, durch Gerüche oder durch taktile
Eindrücke ausgelöst werden.
Grundsätze:
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Das Thema "posttraumatische Belastungsstörung"
wird in unserer Einrichtung nicht tabuisiert. Sofern es für die
seelische Gesundheit unserer Bewohner zuträglich ist, arbeiten wir mit
ihm auch sehr belastende Themen wie sexuelle Gewalt oder
Kriegshandlungen auf.
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Gewalterfahrungen und insbesondere sexuelle
Traumata sind nicht auf weibliche Pflegebedürftige beschränkt. Auch
männliche Bewohner können das Opfer derartiger Verbrechen sein.
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Gleichwohl dürfen posttraumatische
Belastungsstörungen nicht als allgemeines Erklärungsmodell für alle
Arten von psychischen Störungen herhalten. Viele Menschen der
Kriegsgeneration haben die NS-Zeit ohne seelische Verletzungen
überstanden und auch später keine entsprechenden Traumata durchlebt.
Etwaige Verhaltensauffälligkeiten haben dann andere Ursachen.
-
Die Pflege und die Betreuung von betroffenen
Senioren ist insbesondere für die Bezugspflegekraft eine fordernde und
schwierige Tätigkeit. Wir berücksichtigen bei allen Maßnahmen stets
auch die Belastungsgrenzen unserer Mitarbeiter.
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Pflegekräfte haben bei der Versorgung von
Senioren mit posttraumatischen Belastungsstörungen nur sehr
eingeschränkte Möglichkeiten. Es ist insbesondere wichtig, die eigenen
Grenzen zu erkennen. Wir führen keine psychotherapeutischen
Behandlungen durch. Dieses ist die ausschließliche Aufgabe von
Fachärzten und von Psychotherapeuten.
-
Die Einbindung des Bewohners in das soziale
Umfeld der Einrichtung ist entscheidend bei der Verarbeitung eines
Traumas. Ein sozial isolierter Traumapatient hat keine Aussicht, das
Belastungssyndrom zu überwinden.
Ziele:
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Der Bewohner spürt, dass wir seine Probleme ernst nehmen.
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Die seelischen Nöte des Bewohners werden für uns sichtbar und begreifbar.
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Wir finden die Auslöser (“Trigger”), die die Flashbacks beim Bewohner verursachen und vermeiden diese.
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Wir ermöglichen es dem Bewohner, sich aktiv mit seinen traumatischen Erinnerungen auseinanderzusetzen.
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Wir schützen unsere Pflegekräfte vor übermäßigen psychischen Belastungen.
Vorbereitung:
Symptome
Posttraumatische
Belastungsstörungen deuten sich vielfach an, noch bevor es zu
schwerwiegenden Verhaltensstörungen kommt. Es gibt häufig auch
biografische Bezüge, die auf eine Traumatisierung hinweisen. Es ist
wichtig, solche Störungen frühzeitig zu entdecken und ggf. auch
mithilfe eines Therapeuten aufzuarbeiten. Wenn der Betroffene später
eine Demenz entwickelt, werden die Informationssammlung und etwaige
Therapiemaßnahmen deutlich erschwert.
-
Der Bewohner hat nächtliche Albträume. Er
schläft unruhig, spricht ggf. im Schlaf. Zudem kommt es zum Einnässen,
obwohl dafür keine auslösenden körperlichen Beeinträchtigungen
vorliegen. Wir beobachten Kotschmiererei.
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Der Bewohner leidet unter Panikattacken. (Hinweis: Die Hälfte aller Patienten mit Panikattacken hat traumatische Erfahrungen.)
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Der Bewohner vermeidet bestimmte Situationen, etwa Dunkelheit.
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Bewohnerinnen kleiden sich bewusst unauffällig, vermeiden Schmuck, Make-up und weibliche Frisuren.
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Der Bewohner ist anderen Menschen gegenüber misstrauisch und vorsichtig.
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Bewohnerinnen sind sexuell überaktiv und zeigen Verhalten, das von anderen Menschen als "schamlos" empfunden wird.
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Es kommt zum sozialen oder zum emotionalen Rückzug. Der Bewohner neigt zu depressiven Stimmungen.
-
Der Bewohner vermeidet Kontakt mit Menschen
einer bestimmten Sprachgruppe / ethnischen Herkunft oder mit Menschen
in Uniform. Der Bewohner entwickelt Antipathien gegen bestimmte
Pflegekräfte, gegen Mitbewohner oder gegen andere Personen, für die es
keine nachvollziehbaren Gründe gibt. Es kommt zu unberechtigten
Schuldzuweisungen oder zu verbalen Angriffen.
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Der Bewohner zeigt Suchtverhalten.
-
Es gibt Informationen über zurückliegende Suizidversuche oder über psychiatrische Behandlungen.
-
Bei der Körperpflege bemerkt die Pflegekraft Narben, die auf Folter oder auf andere Gewaltanwendungen hindeuten.
-
Im Rahmen der Biografiearbeit gibt es zeitliche
Lücken, weil sich der Bewohner zu bestimmten Lebensabschnitten nicht
äußern möchte. Dieses Indiz ist umso relevanter, wenn der Bewohner
ansonsten sehr auskunftsfreudig ist.
-
In der Biografie gibt es Hinweise auf andere
einschneidende Erlebnisse, etwa auf einen Hausbrand, auf ein
Hochwasser, auf einen Unfall usw.
-
Der Bewohner war ein politischer Gefangener im
NS-Regime oder in der sowjetisch besetzten Zone bzw. in der späteren
DDR. Er trägt eine tätowierte Kennzeichnung für Häftlinge in den
Konzentrationslagern.
-
Bei Bewohnern mit Migrationshintergrund
beachten wir die geschichtlichen Ereignisse in deren Heimatland.
Beispiele: Viele Senioren mit vietnamesischen Wurzeln leiden unter den
Erinnerungen an den Indochinakrieg und an den Vietnamkrieg. Bei alten
Menschen mit osteuropäischer Abstammung kann es im Verlauf des Prager
Frühlings oder des Ungarischen Volksaufstands zu traumatischen
Erlebnissen gekommen sein. Bei ehemaligen italienischen Gastarbeitern
könnte z. B. ein Erdbeben in der Kindheit zu quälenden Erinnerungen
geführt haben.
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Die Biografie des Bewohners lässt auf Beziehungsstörungen schließen. Er hatte zahlreiche Beziehungen mit zumeist kurzer Dauer.
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Die Bewohnerin hat ein Kind, das zwischen
Herbst 1945 und Sommer 1946 geboren wurde, das also mit einiger
Wahrscheinlichkeit aus einer Vergewaltigung hervorging. Häufig ist das
Verhältnis zu diesem Kind schlechter als zu Geschwistern, die vorher
oder danach geboren wurden.
(Bei Bewohnerinnen mit osteuropäischen Wurzeln ist ein Zeitraum von 1939 bis 1945 relevant.)
-
Der Bewohner zeigt bei bestimmten
Pflegemaßnahmen Angstreaktionen, also insbesondere erhöhten Puls,
beschleunigte Atmung, gesteigerte Schweißproduktion oder Versteifungen
der Extremitäten. Betroffene Senioren lassen die Maßnahme passiv über
sich ergehen. Oder aber sie zeigen aggressives Verhalten und wehren
sich nach Leibeskräften, schreien, treten, beißen und kratzen.
Informationssammlung
-
Wir führen eine sorgfältige Biografiearbeit
durch. Uns ist bewusst, dass viele Bewohner bestimmte Ereignisse aus
Scham nicht von sich aus ansprechen werden.
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Wir suchen den Dialog mit den Angehörigen.
Falls wir das Gefühl haben, dass auch diese bestimmte Geschehnisse
verschweigen, machen wir sie auf die Bedeutung der Biografiearbeit
aufmerksam. Wir können den Bewohner nur dann angemessen pflegen, wenn
wir über alle relevanten Informationen verfügen.
Durchführung:
Zuweisung der Bezugspflegekraft
-
Wir achten bei der Zuweisung der
Bezugspflegekraft darauf, dass diese eine angemessene Betreuung
sicherstellen kann. Die Kriterien ergeben sich aus der auslösenden
Traumatisierung. Etwa: gleichgeschlechtliche Pflegekraft, Vermeidung
von Pflegekräften mit einem bestimmten Akzent (etwa russisch oder
englisch) oder einer bestimmten Hautfarbe (etwa dunkelhäutig).
-
Zudem sollte die Bezugspflegekraft Erfahrungen
im Umgang mit traumatisierten Senioren haben. Dieses ist i. d. R. erst
nach mehreren Berufsjahren der Fall.
-
Falls notwendig erhalten diese
Bezugspflegekräfte eine entsprechende Fortbildung im Rahmen externer
oder interner Seminare. (Hinweis: Derartige Schulungen dauern zumeist
einen Tag und kosten ca. 100 Euro.)
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Wenn die Bezugspflegekraft krank ist oder Urlaub hat, sollte der Kreis der Vertretungskräfte möglichst klein sein.
(Hinweis: Das Bezugspflegesystem ist bei der Betreuung von Senioren mit
einer posttraumatischen Belastungsstörung sehr wichtig. Häufig entsteht
zwischen dem Bewohner und der Bezugspflegekraft ein enges Verhältnis.
In biografischen Gesprächen öffnen sich dann ggf. die Pflegebedürftigen
und berichten über schreckliche Erfahrungen.)
Flashback
-
Bei einem Flashback ist der Bewohner in den
Erinnerungen an die Vergangenheit gefangen. Wir versuchen, ihn aus
diesem Zustand zu lösen.
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Wir lenken den Bewohner ab, etwa indem wir ihn anleiten, seine Wahrnehmung gezielt auf das Hier und Jetzt zu fokussieren.
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Nach einem Flashback suchen wir den Dialog mit
dem Bewohner. Wir fragen ihn, was den Flashback ausgelöst haben könnte.
Derartige Auslöser (“Trigger”) sollten soweit möglich zukünftig
vermieden werden.
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Wir sammeln diese Informationen und thematisieren diese in Fallbesprechungen.
(Hinweis: Viele Trigger sind offensichtlich; wie etwa Sirenengeheul
oder Silvesterfeuerwerk. Dazu kommen “unscheinbare” Auslöser, die
individuell geprägt sind. Ehemalige Insassen eines Konzentrationslagers
können also empfindlich auf Hundegebell, Lautsprecherdurchsagen oder
den Geruch von Desinfektionsmitteln reagieren.)
Gespräche
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Wir stehen dem Bewohner jederzeit zur Verfügung, wenn dieser über seine Situation sprechen möchte.
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Wir achten auf eine vertrauensvolle Umgebung, insbesondere führen wir die Gespräche ohne die Anwesenheit anderer Bewohner.
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Die Pflegekraft vermittelt ein Gefühl der Geborgenheit und der Akzeptanz.
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Wir vermeiden Suggestivfragen, etwa wenn die Pflegekraft bereits einen konkreten Verdacht hat und diesen bestätigen will.
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Wir vermeiden es, allzu neugierig nachzufragen.
Wenn der Bewohner offenkundig über ein Thema nicht sprechen will,
drängen wir ihm ein Gespräch darüber nicht auf. Im Zweifel überlassen
wir es den Fachärzten und Psychotherapeut zu entscheiden, wie weit
"nachgebohrt" werden soll.
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Wir unterlassen jede moralische Bewertung; etwa
dass "die Deutschen" als Kriegsauslöser für die Vertreibung "selber
schuld" sein. Die Pflegekraft achtet aber auch auf Distanz, z. B. wenn
ein Bewohner den Wunsch nach Rache an einem Peiniger äußert oder
allgemein "die Russen" oder "die Franzosen" ablehnt.
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Wir bewahren diese Neutralität auch, wenn der
Betroffene offenbart, dass er selbst Täter war, also etwa feindliche
Soldaten tötete oder Gefangene misshandelte. Derartige Informationen
werden strikt vertraulich behandelt und weder Mitarbeitern noch
Angehörigen mitgeteilt. Sie werden auch nicht schriftlich fixiert.
Berührungen
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Körperlicher Kontakt kann z. B. für ein
Missbrauchsopfer schwer zu ertragen sein. Da aber Berührungen
insbesondere bei pflegebedürftigen Senioren nicht vermeidbar sind,
achten wir darauf, dass diese nicht zu belastend für den Bewohner sind.
-
Die Berührungen werden vorher angekündigt,
damit sich der Bewohner auf sie einstellen kann. Dem Bewohner wird
immer ein kurzer Augenblick gelassen, damit er widersprechen kann, wenn
er die Berührung nicht wünscht. Das kann etwa ein Zurückzucken, ein
Laut oder ein mimischer Ausdruck sein. Auch bei bewusstlosen Senioren
erfolgt eine solche Ankündigung.
-
Wir berücksichtigen, dass es verschiedene
Intensitäten von Berührungen gibt. Leichte Berührungen wie etwa an der
Hand oder an der Schulter sind zumeist unproblematisch. Bei einem
entsprechenden Vertrauensverhältnis toleriert der Bewohner i. d. R.
auch Berührungen am Kopf, im Gesicht, am Bauch oder an den Beinen. Eine
Berührung im Intimbereich hingegen ist insbesondere bei Opfern
sexueller Gewalt häufig kaum möglich.
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Kritisch sind auch die Verabreichung von
Vaginalzäpfchen, die Anwendung rektaler Abführmittel, rektales
Ausräumen, das An- und Ausziehen der Bewohnerin sowie (ganz wichtig!)
Fixierungsmaßnahmen.
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Wenn nötig wird eine Pflegemaßnahme unterbrochen und zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgenommen.
Hinweise:
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Im Dialog mit dem behandelnden Arzt lassen sich
häufig Alternativen zu Zäpfchen, Darmeinläufen mittels Irrigator,
digitalen Entleerungen und ähnlichen Maßnahmen finden.
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Der sofortige Abbruch einer Pflegemaßnahme bei
Abwehrreaktionen ist entscheidend. Denn häufig ist nicht die Berührung
als solche der Trigger für den Flashback, sondern das Gefühl des
Ausgeliefertseins. Wenn der Bewohner ein Mitspracherecht hat, verliert
die aktuelle Situation ihr Bedrohungspotenzial.
Weiteres
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Wir achten strikt auf die Schamgrenzen.
Senioren werden z. B. nicht entblößt auf den Toilettenstuhl gesetzt,
wenn ein Dritter dieses beobachten kann.
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Die Anzahl der anwesenden Pflegekräfte bei
sensiblen Maßnahmen wird auf ein Minimum reduziert. Dieses insbesondere
bei der Intimpflege, beim Toilettengang oder bei der Katheterisierung.
Vor allem werden diese Senioren nicht durch Pflegevisiten belastet, in
deren Rahmen eine Pflegekraft eine intime Maßnahme durchführt und
andere Pflegekräfte das Geschehen beobachten. Dieses gilt auch für die
Ausbildung von Pflegeschülern.
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Wir prüfen, ob der Bewohner kurzfristig
Psychopharmaka (wie etwa Benzodiazepine) erhalten sollte. Der Einsatz
muss aufgrund des Suchtpotenzials gut begründet sein.
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Wir ermuntern den Bewohner, sich am sozialen
Leben innerhalb der Einrichtung zu beteiligen und insbesondere die
Freizeitangebote wahrzunehmen.
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In vielen größeren Städten gibt es
Selbsthilfegruppen für Opfer von posttraumatischen Belastungsstörungen.
(Problem: Häufig stellen dort jüngere Betroffene die Mehrheit der
Teilnehmer.)
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Sofern der Bewohner konfessionell gebunden ist, vermitteln wir auf Wunsch den Kontakt zu einem Seelsorger.
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Bei Angehörigen verfolgter Minderheiten wie
Juden, Roma, Sinti oder Homosexuellen kann es Schwierigkeiten geben,
diese zur Nutzung einer Dusche zu bewegen. In den Vernichtungslagern
wurden die Gaskammern als Duschen getarnt. Wir bieten dann z. B. Teil-
oder Vollbäder an.
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Pflegekräfte sind während des Nachtdiensts
gehäuft mit Flashbacks konfrontiert. Dieses liegt daran, dass der
Bewohner bei der Durchführung einer Pflegemaßnahme nicht richtig wach
ist. Das nächtliche Anleuchten mit einer Taschenlampe verängstigt ihn
zusätzlich. Pflegekräfte müssen entsprechend einfühlsam vorgehen.
Nachbereitung:
Prognose
Wenn
der Bewohner eine Psychotherapie erhält, die ggf. durch Psychopharmaka
unterstützt wird, können die Belastungen erheblich reduziert werden.
Dieses gilt auch im hohen Alter.
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Unterbleibt die Behandlung, kann sich das
Leiden weiter chronifizieren. Das Risiko für Depressionen und für
Abhängigkeitserkrankungen steigt.
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Sowohl die Rückbildung wie auch das weitere
Fortschreiten der Belastungsstörung erfolgen nicht linear, sondern
wellenförmig. Es kann immer Fortschritte und Rückschläge geben.
Behandlung in einer Fachklinik
Falls
notwendig regen wir die fachärztliche Behandlung (soweit möglich) in
einer darauf spezialisierten Klinik an. Eine derartige Therapie ist
unter folgenden Bedingungen sinnvoll:
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Der Bewohner ist als Folge der Belastungsstörung auch mit unserer Hilfe nicht mehr in der Lage, seinen Alltag zu bewältigen.
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Die bisher erfolgte ambulante Therapie brachte keinen hinreichenden Erfolg.
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Zusätzlich zu den Symptomen der
Belastungsstörung kommen weitere relevante Krankheitsbilder wie etwa
schwere Depressionen, Angststörungen, Persönlichkeitsstörungen oder
Suchterkrankungen.
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Es gibt hinreichende Anzeichen für eine Suizidgefährdung.
Weiteres
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Wir nutzen Supervision, um die Kräfte unserer Pflegekräfte zu schonen und einen Burn-out zu vermeiden.
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Der behandelnde Arzt wird über alle relevanten Veränderungen umgehend informiert.
Dokumente:
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Pflegebericht
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Pflegeplanung
Verantwortlichkeit / Qualifikation:
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