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Standard "Anwendung von Hüftprotektoren"

Hüftprotektoren bieten einen effektiven Schutz vor Schenkelhalsbrüchen. Zumindest theoretisch. In der Praxis schmilzt dieser Wert jedoch schnell zusammen. Die Kassen verweigern die Kostenübernahme. Viele Senioren lehnen die unförmigen Unterhosen kategorisch ab. Und schon kleine Anwendungsfehler machen den Schutzeffekt zunichte.


Standard "Anwendung von Hüftprotektoren"


Definition:

  • Jedes Jahr stürzen in Deutschland vier bis fünf Millionen Senioren. Rund jeder dritte selbstständig lebende Mensch zwischen 65 Jahren und 85 Jahren stürzt mindestens einmal pro Jahr. In der Altersgruppe der Senioren über 85 Jahre steigt der Anteil auf über die Hälfte.
  • Besonders gefährdet sind Menschen, die bereits stationär in einem Pflegeheim versorgt werden. Im Vergleich zu ambulant betreuten Senioren stürzen sie zweimal häufiger. Und auch das Geschlecht ist relevant: Das Risiko von sturzbedingten Gesundheitsschäden ist bei alten Frauen höher als bei Männern der gleichen Altersgruppe.
  • In rund einem Drittel dieser Unfälle bleibt es bei kleineren Verletzungen wie etwa Hämatomen oder Schürfwunden. Bei jedem zehnten bis zwanzigsten Sturzopfer kommt es zu größeren Gesundheitsschäden wie etwa zu Frakturen und zu Bänderrupturen.
  • Besonders gefürchtet ist die Oberschenkelhalsfraktur, die in Deutschland rund 120.000 Mal pro Jahr auftritt. Jeder zehnte Betroffene überlebt den ersten Monat nach dem Sturz nicht. Bei rund der Hälfte der Betroffenen steigt als Folge des Sturzes der Pflegebedarf dauerhaft. Ein großer Teil davon könnte durch die Nutzung von Protektoren vermieden werden.
  • Der Fachhandel bietet eine Vielzahl verschiedener Protektoren, die sich im Preis, in der Materialbeschaffenheit und hinsichtlich des Tragekomforts unterscheiden. Bei einigen Produkten sind die Kunststoffpolster in die Unterwäsche eingenäht. Andere Systeme bestehen aus spezieller Unterwäsche, in deren taschenförmige Aussparungen der Protektor eingeschoben wird. Darüber hinaus werden Sicherheitsgürtel mit eingenähten Schutzschalen und Klettverschluss angeboten. Die Gestaltung ermöglicht ein unkompliziertes An- und Ablegen. Es gibt Damen-, Herren- und Unisexmodelle.

  • Es sind auch Hüftprotektorhosen verfügbar, die im Schritt offen (Bild rechts) sind und somit einen leichteren Wechsel des Inkontinenzmaterials ermöglichen. Hüftschutzgürtel können bequem über der Kleidung getragen werden.
  • Hüftprotektoren nutzen je nach Modell zwei unterschiedliche Wirkungsprinzipien. Polsterprotektoren sind etwas voluminöser, können sich aber bei einem Sturz verformen und damit einen Teil der auftretenden Kräfte absorbieren. Hartschalenprotektoren hingegen verteilen die Aufprallenergie auf eine möglichst große Fläche um den zu schützenden Knochen herum.
  • Ein Teil der Schutzwirkung eines Protektors ist ein psychologischer Effekt:
    • Angst vor einem Sturz ist bereits selbst ein relevanter Risikofaktor. Übermäßig besorgte Senioren vermeiden es, zu Fuß unterwegs zu sein. Sie glauben, dass sie dann weniger sturzgefährdet sind. Außerdem achten sie auf jeden ihrer Schritte. Dadurch werden Bewegungsabläufe weniger flüssig. In der Folge erhöht sich die individuelle Unfallgefährdung.
    • Ein Protektor kehrt diese Entwicklung oftmals um. Der Bewohner verlässt sich auf die Schutzwirkung des Protektors. Er traut sich mehr zu, ist häufiger zu Fuß unterwegs und steigert damit seine Kondition. Zudem fokussiert er seine Konzentration nicht mehr allein auf das Gehen. Das Gangbild verbessert sich dadurch. Das Sturzrisiko sinkt.
(Hinweis: Die Studienlage zum Schutzeffekt von Hüftprotektoren ist in den letzten Jahren unübersichtlich geworden. Während um die Jahrtausendwende in Studien fast durchweg eine signifikante Risikominimierung festgestellt wurde, gibt es nun vermehrt Forschungsergebnisse, die keinen solchen Effekt vermuten lassen. Aufgrund unserer bislang guten Erfahrungen mit Hüftprotektoren halten wir aber zunächst an der Empfehlung fest, diese Schutzkleidung weiterhin zu nutzen.)

Grundsätze:

  • Protektoren bieten einen begrenzten Schutz vor Schenkelhalsfrakturen. Als isolierte Maßnahme ist dieses Schutzsystem hingegen unzureichend. Es ist unverzichtbar, dass zusätzlich weitere Präventionsmaßnahmen ergriffen werden.
  • Die Motivation des Bewohners ist ein entscheidender Faktor. Protektorsysteme machen nur dann Sinn, wenn sie auch kontinuierlich getragen werden.
  • Wir respektieren, wenn Bewohner den Protektor als Symbol der Pflegebedürftigkeit ablehnen. Gleichwohl verdeutlichen wir dem Bewohner die Sturzfolgen, wenn er auf ein notwendiges Schutzsystem verzichtet.

Ziele:

  • Wir schätzen das Sturz- und das Verletzungsrisiko jedes Bewohners so genau wie möglich. Wir wägen korrekt ab, ob die Nutzung eines Protektors die Sicherheit des Bewohners wirklich erhöht.
  • Das Körpergefühl insbesondere von demenziell veränderten Senioren bleibt weitgehend erhalten.
  • Die Autonomie des Bewohners wird so weit wie möglich gewahrt. Vor allem sind Betroffene trotz Protektorsystem in der Lage, eigenständig eine Toilette aufzusuchen.

Vorbereitung:

Organisation

  • Wir arbeiten eng mit den Anbietern der Protektoren zusammen. Es ist uns dabei wichtig, über ein möglichst breites Spektrum verschiedenster Systeme verfügen zu können. Nur so ist es möglich, auf die individuellen Bedürfnisse jedes Bewohners eingehen zu können.
(Hinweis: Das Werbematerial von Herstellern und Vertreibern der Hüftprotektoren sollte nicht ungeprüft an Bewohner und Angehörige weitergeleitet werden. Es enthält oft unrealistische Schutzversprechen und unterschlägt zentrale Nachteile und Gefahren.)

Durchführung:

Indikation für die Nutzung von Protektoren

  • Die individuelle Sturzgefährdung unserer Bewohner wird regelmäßig eingeschätzt. Wir erfassen zusätzlich Faktoren, die im Fall eines Sturzes die Verletzungsrisiken erhöhen. Dazu zählen insbesondere Osteoporose sowie Blutgerinnungsstörungen.
  • Bewohner mit erheblichen Risikofaktoren sollten einen Protektor tragen. Sie werden daher über die Vorzüge, Nachteile und Kosten von Protektoren beraten. Wir arbeiten eng mit dem behandelnden Hausarzt zusammen.
  • Wenn der Bewohner in der Vergangenheit gehäuft gestürzt ist, spricht dieses ebenfalls für die zukünftige Nutzung eines Protektors.
  • Bei entsprechenden Grunderkrankungen ist es oftmals unvermeidlich, Medikamente zu verabreichen, zu deren Nebenwirkungen eine Steigerung der Sturzgefahr zählt. In diesem Fall sollte die Anwendung eines Hüftprotektors erwogen werden, um das neu hinzugekommene Risiko zu kompensieren.
  • Viele Bewohner haben übertriebene Angst vor einem Sturz. In diesen Fällen kann die Nutzung von Protektoren auch dann sinnvoll sein, wenn keine relevant erhöhten Risiken vorhanden sind. Die Schutzsysteme geben den Betroffenen die notwendige Selbstsicherheit, um mobil zu bleiben.

Kontraindikationen und Risiken bei der Nutzung von Protektoren

Wir wägen den Sicherheitsgewinn durch die Protektoren mit deren Nachteilen und Risiken ab.

  • Eng anliegende Modelle lassen sich bei einem eiligen Toilettengang häufig nicht schnell genug ausziehen. Die Kleidung wird dann durch Stuhl und durch Urin verschmutzt. (Hinweis: Es ist sinnvoll, verschiedene Modelle zu testen und sich nicht gleich vom ersten Misserfolg abschrecken zu lassen.)
  • Bei demenziell erkrankten Senioren kann das veränderte Körperbild zu Orientierungsstörungen führen und die Verwirrtheit intensivieren.
  • Die Kunststoffschalen können Druck auf die darunter befindlichen Hautbereiche ausüben; dieses insbesondere beim Liegen oder im Sitzen. Das Dekubitusrisiko könnte steigen.

Information des Bewohners und der Angehörigen

  • Wir stellen klar, dass mit Protektoren die Anzahl der Stürze nicht sinken wird. Dieses Schutzsystem wird lediglich das Risiko einer Schenkelhalsfraktur vermindern. Wir weisen auch darauf hin, dass verschiedene Pflegewissenschaftler die Schutzwirkung der Protektoren für vergleichsweise gering halten.
  • Wir vergleichen ggf. die Schutzwirkung eines Hüftprotektors mit der Schutzkleidung eines Eishockeyspielers. Diese Sportler würden niemals ohne Schutzkleidung auf das Eis gehen.
  • Wir machen deutlich, dass Protektoren zumeist weder von den Kassen bezahlt noch von uns gestellt werden. Daraus folgt: Wenn der Bewohner und seine Angehörigen bzw. Betreuer die Kosten nicht tragen können oder wollen, werden keine Protektoren beschafft. Dieses auch bei einem hohen Verletzungsrisiko.
  • Selbst wenn der Hausarzt Hüftprotektoren verordnet und dieses fachlich begründet, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Kasse eine Kostenübernahme ablehnt.
(Hinweis: Es ist sinnvoll, das Thema "Hüftprotektor" bei Angehörigen in der Vorweihnachtszeit anzusprechen. Diese Schutzkleidung ist ein gutes Weihnachtsgeschenk. Zudem werden von Angehörigen geschenkte Protektoren zumeist disziplinierter getragen. Angehörige sollten den Bewohner stets zum Tragen der Protektoren ermuntern.)
  • Wir regen an, dass die Kleidung zukünftig eine Nummer größer gewählt wird, damit der Protektor ausreichend Platz findet. Insbesondere sollte der Bewohner beim Anprobieren neuer Kleidung den Protektor tragen.
  • Bei inkontinenten Senioren ist es sinnvoll, mehrere Exemplare zu beschaffen. Der Bewohner ist dann auch geschützt, wenn eine Protektorhose verschmutzt wurde. Optimal ist eine Anzahl von drei bis fünf Paaren Hüftprotektoren inkl. der Spezialunterhosen.

Sicherstellung der Kooperationsbereitschaft

  • Erfahrungsgemäß ist die Einsicht bei kognitiv gesunden Menschen am höchsten. Auch ein unlängst zurückliegender Sturz erhöht zumeist die Bereitschaft, die Protektoren zu nutzen. Wir fordern den Bewohner beharrlich dazu auf, vorhandene Protektoren auch tatsächlich dauerhaft zu tragen.
  • Zumeist ist der Widerwille gegen das Tragen von Protektoren bei leichter oder bei mittlerer Demenz stärker. Diese Betroffenen verstehen den Zweck von Hüftprotektoren nicht und entfernen diese häufig. Ein solches Verhalten ist problematisch, da in dieser Phase der Bewegungsdrang und somit das Unfallrisiko besonders hoch sind.
  • In späten Phasen der demenziellen Erkrankung baut sich ein etwaiger Widerwille gegen das Tragen von Protektoren ab.
  • Bei Demenzpatienten ist der Tragekomfort besonders wichtig. Die Schalen sollten den Bewohner so wenig wie möglich einschränken. Idealerweise vergisst der Bewohner, dass er einen Protektor trägt.
  • In vielen Fällen lässt sich die Akzeptanz erhöhen, wenn dem Bewohner jedes Mal vor dem Anlegen der Sinn der Protektoren in angemessener Weise erklärt wird.
  • Wenn sich der Bewohner weigert, die Protektoren durchgehend zu tragen, schlagen wir als Kompromiss eine zeitlich begrenzte Nutzung vor. Wir prüfen, ob es beim Bewohner eine tageszeitliche Häufung von Sturzereignissen gibt. In der Folge könnte der Bewohner die Schutzschalen nur am Nachmittag und am Abend tragen, nicht aber am Vormittag. Studien zeigen, dass auch eine derartige phasenweise Nutzung das Verletzungsrisiko erheblich mindert.
  • Die Nutzung in der Nacht ist besonders wichtig, da sich viele Stürze ereignen, wenn ein Bewohner aufwacht und eine Toilette aufsuchen will.
  • Viele Bewohner lehnen Protektoren aus ästhetischen Gründen ab, da sie die Figurlinie beeinträchtigen. Solchen Senioren empfehlen wir, weite Kleidung zu tragen, die die Schutzkleidung überdeckt. Wir suchen zudem nach Modellen, die möglichst flach sind.
  • Ethisch umstritten, aber ggf. sehr effektiv ist die Täuschung eines demenziell erkrankten Bewohners über den Zweck des Protektors. Die Pflegekraft kann einer Bewohnerin erläutern, dass die Protektorunterwäsche der Figurformung dient. Derartige "Schlankheitsgürtel" sind vielen Seniorinnen biografisch vertraut. Sie werden ggf. dann besser akzeptiert.
  • Mitunter ist es schon hilfreich, wenn der beschaffte Protektor eine andere Farbe hat als das medizinische "Kochwäscheweiß". Für Frauen gibt es Protektorhosen daher auch in zartrosa oder in gelb, für Männer in schwarz oder in blau.
  • Bei vielen Männern kann darauf aufgebaut werden, dass Protektoren aus dem Sport oder aus dem Arbeitsleben bekannt sind. Auch schon in den 50er-Jahren wurden im Skisport, im Boxsport oder im Fußball Protektoren genutzt. Für viele langjährige Motorradfahrer ist die Nutzung von Protektorhosen ohnehin vertraut.
  • Pflegekräfte und Angehörige können darauf hinweisen, dass sie selbst auch Protektorhosen tragen, etwa beim Snowboardfahren oder bei der Nutzung von Inlineskates.

Weiteres

  • Wir halten weiche Sitzgelegenheiten bereit, die auch Senioren mit angelegten Protektoren einen bequemen Sitzkomfort ermöglichen.
  • Im Fall einer gleichzeitigen Inkontinenz ist es wichtig, dass der Bewohner die Unterkleidung schnell ausziehen kann und dass insbesondere die parallele Nutzung von Inkontinenzmaterial möglich ist. Wir prüfen dann, welche der am Markt verfügbaren Modelle infrage kommen.
  • Das Greifen mit scharfkantigen Fingernägeln unter den Bund von Protektorhosen ist zu vermeiden, da es zu Materialbeschädigungen kommen kann.
  • Die Pflegekräfte achten auf einen optimalen Sitz des Protektors. Wenn dieser nicht korrekt über dem Oberschenkelhals platziert wird, kann es bei einem Sturz sogar zu einer Intensivierung der einwirkenden Kräfte kommen. Die Energien werden dann in Richtung Oberschenkelhals gebündelt.

Nachbereitung:

Meldung an den Arzt

Bei relevanten Beobachtungen wird ggf. der Hausarzt informiert. Faktoren dabei sind:

  • Standstabilität
  • Körperhaltung
  • Gangbild
  • Kooperationsbereitschaft

Weiteres

  • Das Tragen eines ggf. vorhandenen Hüftprotektors ist ein relevanter Faktor bei der rechtlichen Bewertung eines Sturzereignisses. Daher gilt für alle Bewohner, die über Protektoren verfügen: Direkt nach einem Sturz wird geprüft, ob der Bewohner einen Protektor trug. Falls dieses nicht der Fall sein sollte, wird der Grund dafür geklärt. Beispiel: Der Bewohner hat das Tragen abgelehnt. Alle Informationen werden im Ereignisprotokoll dokumentiert.
  • Für eine möglichst lange Lebensdauer ist eine Waschtemperatur bis 60° C. sinnvoll. Auf diese Weise bleibt die Funktionsfähigkeit auch nach mehr als 200 Waschgängen erhalten.  Nach dem ersten Waschgang kommt es ggf. zu einem leichten Einlaufen. Dieses ist aber bei den Bund- und Hüftmaßen vom Hersteller bereits berücksichtigt.

Dokumente:

  • Berichtsblatt
  • ärztliches Verordnungsblatt
  • Therapieblatt
  • Pflegeplanung / Maßnahmenplanung

Verantwortlichkeit / Qualifikation:

  • alle Pflegekräfte



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