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Standard "Beobachtung des Pulses"
Der
TV-Arzt beugt sich zum Patienten, tastet nach der Halsschlagader und
stellt fest: "Der Puls ist schwach". Derweil zählen Pflegekräfte daheim
im Fernsehsessel die fachlichen Fehler. Das Messen des Pulses ist
eine knifflige Tätigkeit, insbesondere wenn zusätzlich die Pulsqualität
erspürt werden soll.
Standard
"Beobachtung des Pulses"
Definition:
Der Puls ist das
regelmäßige Ausdehnen und Zusammenziehen der arteriellen Blutgefäße.
Dieses Geschehen wird ausgelöst durch die Pumpleistung des Herzens.
Ausgehend von der linken Herzkammer breitet sich eine Druckwelle durch
die Arterien aus, die bei oberflächlich gelegenen Blutgefäßen mittels
der aufgelegten Finger erspürt werden kann. Jede gefühlte Druckwelle
entspricht einem Herzschlag.
Die Pulskontrolle ermöglicht die Bestimmung der
Pulsfrequenz und der Pulsqualität. Der Puls kann an verschiedenen
Taststellen erspürt werden. Die wichtigsten sind:
-
am Handgelenk unterhalb des Daumenballens
(Arteria radialis)
-
am Oberarm (Arteria brachialis)
-
an der Schläfe (Arteria temporalis)
-
an der Halsschlagader (Arteria carotis)
-
in der Kniekehle (Arteria poplitea)
-
am vorderen Fußrücken (Arteria dorsalis pedis)
-
an der Knöchelinnenseite (Arteria tibialis
posterior)
Grundsätze:
-
Die Kontrolle des Pulses erlaubt wichtige
Rückschlüsse auf die aktuelle Herz- und Kreislaufsituation des
Bewohners.
-
Bei einem Schock oder bei unregelmäßigem Puls
wird der Puls immer an zentralen Gefäßen (etwa Halsarterie) gemessen.
In peripheren Blutgefäßen (etwa am Handgelenk) kann die Druckwelle zu
schwach für eine Ertastung sein.
-
Bei regelmäßigen Pulsmessungen ist darauf zu
achten, dass diese immer unter gleichen Bedingungen ermittelt werden,
also etwa immer nach dem Essen und im Sitzen.
Ziele:
-
Die Pulsfrequenz des Bewohners wird korrekt
bestimmt.
-
Zusätzliche Informationen wie die Pulsqualität
werden ermittelt.
-
Fehlerquellen, wie etwa das Abtasten mit dem
Daumen, werden vermieden.
-
Gesundheitsschädigungen werden frühzeitig
erkannt.
Vorbereitung:
allgemeine Maßnahmen:
-
Das korrekte Pulsfühlen ist Teil der
Einarbeitung neuer Mitarbeiter. Zudem wird die Maßnahme regelmäßig bei
Pflegevisiten überprüft.
-
Erfahrene Mitarbeiter, die insbesondere die
Pulsqualität sicher bestimmen können, geben ihr Wissen an Kollegen
weiter. Dieses kann insbesondere durch praktische Übungen beim Bewohner
sichergestellt werden.
Indikation der Messung:
-
Die Vitalsituation des Bewohners soll
routinemäßig bestimmt werden. Dieses geschieht ohne besondere Gründe in
regelmäßigen Abständen.
-
Die Wirkung oder Wechselwirkungen von
Medikamenten auf die Herzfrequenz sollen bestimmt werden.
-
Es liegt eine Vergiftung vor.
-
Der Bewohner wurde vor kurzer Zeit operiert
oder leidet unter einer Herz-Kreislauferkrankung.
-
Arterielle Durchblutungsstörungen sollen
festgestellt werden.
-
In Notfallsituationen soll die
Kreislauffunktion überwacht werden.
-
Die Kreislaufbelastbarkeit bei Maßnahmen zur
Mobilisierung soll überwacht werden.
Vorbereitung des Bewohners:
-
Der Bewohner sollte vor der Messung mindestens
30 Minuten nicht körperlich aktiv gewesen sein.
-
Ggf. wird geprüft, ob der Bewohner den Puls
eigenständig messen kann.
-
Der Bewohner wird über die anstehende Maßnahme
informiert und um Zustimmung gebeten.
-
Beim Messen des Radialispulses sollte der
Bewohner sein Handgelenk entspannen und leicht vorgebeugt sitzen. Ggf.
kann er mit einer Unterlage unterstützt werden.
Durchführung:
notwendiges Material:
-
Uhr mit Sekundenzeiger
-
alternativ: Pulsuhr
-
ggf. Stethoskop
Fehlerquellen:
-
Der Daumen hat einen relativ starken eigenen
Puls und darf nicht für die Messung verwendet werden. Dieses könnte
dazu führen, dass eigene Pulswellen mit der des Bewohners verwechselt
und mitgezählt werden.
-
Der Anpressdruck ist zu gering. Dadurch können
nicht alle Pulse erkannt werden.
-
Der Anpressdruck ist zu groß. Dieses
unterdrückt die Pulswellen.
Technik des Pulsfühlens:
Messung
am Handgelenk:
-
Die Pflegekraft fühlt nach der Muskelsehne in
der Mitte des Handgelenks. Sie lässt nun die Finger langsam nach außen
gleiten, also zur Daumenseite des Handgelenks. Vor dem Knochen sollte
eine kleine Kuhle zu erspüren sein.Hier ist der Puls deutlich spürbar.
-
Für die Messung sollte ein Zeigefinger genutzt
werden. Die anderen Finger bleiben abgehoben.
-
Die Fingerkuppe der messenden Pflegekraft
sollten mit mäßigem Druck gegen die Speichenarterie gepresst werden.
-
Die Hand des Bewohners kann in die freie Hand
der Pflegekraft gelegt werden.
-
Die Messung findet über einen Zeitraum von 15
Sekunden statt. Der erste Puls wird als "Null" gezählt und fällt somit
aus der Messung heraus. (Dieser Punkt ist in der Literatur umstritten.
Mitunter wird empfohlen, den ersten Puls als "Eins" mitzuzählen.)
-
Der gemessene Wert wird mit dem Faktor 4
multipliziert und als "Schläge pro Minute" dokumentiert.
-
Bei Menschen mit einem sehr langsamen oder
ungleichmäßigen Puls wird die komplette Minute gemessen und dieser Wert
vermerkt.
(Hinweis: Davon abweichend gibt es auch Messtechniken mit zwei oder mit
drei gleichzeitig aufgelegten Fingern.)
Messung an der
Halsschlagader:
-
Die
Pflegekraft legt ihren Zeige- und den Mittelfinger in die Vertiefung
rechts oder links von der Luftröhre. Hier ist der Puls deutlich spürbar.
-
Alles Weitere siehe oben.
-
Diese Messtechnik wird von vielen Senioren als
unangenehm empfunden. Überdies kann durch einen zu großen Druck die
Arterie komprimiert werden. In der Folge würde die Blutversorgung in
Richtung Hirn beeinträchtigt.
Messwerte:
Normwerte:
-
bei einem Erwachsenen rund 75 Schläge pro Minute
-
bei Senioren leicht darüber; bis 85 Schläge pro
Minute
Tachykardie:
-
Diese liegt vor, wenn die Pulsfrequenz einen
Wert von 100 Schlägen pro Minute überschreitet.
-
Bei einer physiologischen Tachykardie wird die
erhöhte Pulsfrequenz etwa durch körperliche Anstrengung oder Aufregung
(Angst, Zorn, Freude usw.) ausgelöst.
-
Auch der Konsum großer Mengen Koffein und
Nikotin sowie ausgiebige Mahlzeiten können zu einer zeitweiligen
Tachykardie führen.
-
Bei einer pathologischen Tachykardie liegt eine
Erkrankung vor, die die Herzfrequenz ansteigen lässt, etwa:
-
Fieber (pro °C Temperaturanstieg 8 bis 12
Schläge pro Minute zusätzlich)
-
Herzinsuffizienz oder andere
Herzerkrankungen
-
Blut- oder Flüssigkeitsverlust
-
Anämie, also ein Mangel an roten
Blutkörperchen
-
Hyperthyreose, also eine
Schilddrüsenüberfunktion
-
Schock
-
Vergiftung oder medikamentöse Nebenwirkungen
-
starke Schmerzen
-
Die Tachykardie kann zu Blässe, Müdigkeit,
Schwindelgefühlen oder sogar zur Bewusstlosigkeit führen.
Bradykardie
-
Bei gut trainierten Menschen oder im Schlaf
kann die Pulsfrequenz auf 50 bis 60 Schläge pro Minute sinken, ohne
dass dieses ein Anzeichen für eine Erkrankung ist. Auch Hungern kann
eine Bradykardie auslösen.
-
Bei einer pathologischen Bradykardie ist die
Verlangsamung die Folge einer Erkrankung. Etwa:
-
Herzleitungsstörung
-
Arzneimittelüberdosierung
-
Hypothyreose, also eine
Schilddrüsenunterfunktion
-
Stoffwechselerkrankungen
-
Hirndrucksteigerung, etwa nach einem Unfall
oder einem Schlaganfall. Reizung des Nervus vagus (Hirnnerv)
-
Bei weniger als 40 Schlägen pro Minute
besteht Lebensgefahr.
Asystolie:
-
Bei fehlendem Puls aufgrund von Herzstillstand
sind Wiederbelebungsmaßnahmen einzuleiten, sofern der Bewohner diesem
Vorgehen zuvor nicht ausdrücklich schriftlich widersprochen hat.
Pulsdefizit:
-
Wenn nicht jeder Herzschlag zu einer tastbaren
Druckwelle durch das arterielle Gefäßsystem führt, kann dieses zu einer
scheinbaren Bradykardie führen.
-
Um ein Pulsdefizit festzustellen, müssen über
einen Zeitraum von 60 Sekunden von zwei Pflegekräften gleichzeitig der
Puls gefühlt und das Herz per Stethoskop abgehört werden. Beide Werte
werden dann miteinander verglichen.
Rhythmus:
Pulsarrhythmie:
-
Die Zeitabstände zwischen den Pulsen sind
ungleichmäßig.
-
Es ist nicht ungewöhnlich, dass sich der Puls
beim Einatmen beschleunigt und sich beim Ausatmen verlangsamt.
-
Vereinzelte Unregelmäßigkeiten sind kein
Anzeichen für eine Krankheit.
-
Bei einem gehäuften Auftreten sind
Pulsarrhythmien ein Anzeichen für ein krankhaftes Geschehen.
Extrasystolen:
-
Außerhalb des regulären Grundrhythmus kommt es
zu zusätzlichen unphysiologischen Herzmuskelkontraktionen. Diese können
vorzeitig, verspätet, einzeln oder gehäuft auftreten.
-
Einzelne Extrasystolen sind kein Anzeichen für
eine Erkrankung. Erst wenn diese gehäuft auftreten, ist eine Behandlung
notwendig.
-
Extrasystolen lassen sich leicht erspüren, da
ihnen eine kompensatorische Pause folgt. Die Zeitspanne bis zum
nächsten Herzschlag ist also verlängert.
Zwillingspuls:
-
Ein Zwillingspuls liegt vor, wenn jeder Systole
regelmäßig eine Extrasystole folgt. Die Pflegekraft spürt also zwei
Schläge, die von einer Schlagpause gefolgt werden.
-
Vor allem eine Digitalis-Überdosierung kann
dieses Phänomen auslösen.
absolute Arrhythmie:
-
Die Schlagfolge des Herzens folgt keinem
erkennbaren Muster und ist vollständig unregelmäßig.
Pulsqualität:
Wir unterscheiden zwei Kriterien:
-
Harte oder weiche Spannung: Die Spannung
(Härte) kann man als Widerstand gegen den Druck erspüren, den man beim
Blutdruckmessen selbst auf das Blutgefäß ausübt.
Die Füllung hängt von der Elastizität der
Arterien und der pro Herzschlag ausgeworfenen Blutmenge ab. Es kann
also ertastet werden, ob die Arterie zwischen den Pullschlägen prall
gefüllt ist.
Folgende Pulsqualitäten sind relevant:
-
Der Puls ist weich und gut gefüllt. Dieses ist
der Normalzustand bei einem gesunden Bewohner.
-
Der Puls ist hart und lässt sich kaum oder gar
nicht unterdrücken. Dieses Bild tritt häufig auf bei Bluthochdruck oder
Druckerhöhung im Gehirn.
-
Druckpuls. Der Puls ist hart und die Arterien
sind voll gefüllt. Die Pulsfrequenz ist verlangsamt. Hier kann ein
Vagusreiz vorliegen, der zumeist durch Druckanstieg im Gehirn
verursacht wird.
-
Der Puls ist weich und sehr leicht zu
unterdrücken: Es könnte ein zu niedriger Blutdruck vorliegen oder eine
Herzinsuffizienz.
-
Fadenförmiger Puls. Der Puls ist schwer zu
ertasten, die Pulsfrequenz ist beschleunigt, die Gefäße sind schwach
gefüllt. Diese Symptome treten auf bei Schock, hohem Blutverlust,
Kreislaufversagen sowie kurz vor Todeseintritt.
Nachbereitung:
-
Falls die Messung misslingt oder wenn der
gemessene Wert deutlich von den ansonsten üblichen Werten abweicht,
wird die Messung nach fünf Minuten wiederholt.
-
Bei allen Abweichungen von der normalen
Pulsqualität wird direkt im Anschluss der Blutdruck ermittelt.
-
Bei gravierenden Abweichungen wird umgehend ein
Arzt gerufen.
-
Die Ergebnisse der Pulsmessung und alle
weiteren relevanten Beobachtungen werden dokumentiert. Notiert werden
immer auch die Begleitumstände der Messung, also etwa "Messung im
Liegen, Bewohner ist aufgeregt usw.".
-
Bei Verdacht auf Durchblutungsstörungen an den
unteren Extremitäten kann eine Pflegekraft zusätzlich auch dort den
Puls ermitteln.
-
Falls notwendig erstellen wir einen Pulsstatus.
Dafür ertasten wir den Puls an vielen verschiedenen Punkten und
dokumentieren, wie gut der Puls jeweils gespürt werden kann. Falls der
Bewohner später unter einem möglichen Gefäßverschluss leidet, können
die neuen Beobachtungen mit den alten verglichen werden.
Dokumente:
Verantwortlichkeit
/ Qualifikation:
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