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Standard
"Pflege von Senioren
mit einem Reizdarmsyndrom"
Patienten
mit einem Reizdarmsyndrom brauchen ein dickes Fell. Bis zur Diagnose
gehen nicht selten Monate ins Land. Und am Ende wird die Ursache dann
irgendwo zwischen Hirngespinst und Depression einsortiert. Wir zeigen
Ihnen, wie Pflegekräfte einem betroffenen Senioren wirklich helfen
können.
Standard
"Pflege von Senioren mit einem Reizdarmsyndrom"
Definition:
-
Ein Reizdarm (auch
"Reizkolon") ist eine unphysiologisch veränderte Motilität des Dünn-
und des Dickdarms. Diese tritt oftmals in Verbindung mit emotionalem
Stress auf. Organische Auslöser sind nicht feststellbar.
-
Als mögliche Auslöser werden
eine reduzierte viszerale Reizwahrnehmungsschwelle, eine veränderte
Darmmotilität sowie eine Beeinträchtigung der intestinalen
Barrierefunktion vermutet.
-
Als weitere Ursachen
diskutieren Ärzte auch Infektionen, die eine gesteigerte Konzentration
von Abwehrzellen und immunologischen Botenstoffen in der
Darmschleimhaut verursachen. Bei rund einem Viertel der
Reizdarmpatienten kam es vor dem Einsetzen der Beschwerden zu einer
gastrointestinalen Infektion. Vor allem Salmonellenerkrankungen
steigern das Risiko.
-
Von erheblicher Bedeutung
ist auch die mentale Konstitution des Betroffenen. Bei vielen Menschen
“schlägt” Stress auf den Magen und auch auf den Darm.
-
In Industrieländern leidet
jeder Fünfte unter einem Reizdarmsyndrom. Frauen sind etwa doppelt so
häufig betroffen wie Männer. Der Altersgipfel liegt bei 30 bis 40
Jahren.
-
Abhängig davon, welche
Symptome bestimmend sind, unterscheidet man zwischen drei verschiedenen
Formen des Reizdarmsyndroms:
-
Reizdarmsyndrom, bei dem
Verstopfungen im Vordergrund steht
-
Reizdarmsyndrom, bei dem
Durchfall im Vordergrund steht
-
Reizdarmsyndrom, bei dem
Bauchschmerzen im Vordergrund stehen
-
Ein Reizdarmsyndrom liegt
vor, wenn verschiedene Kriterien erfüllt sind:
-
Es kommt zu Beschwerden
wie Bauchschmerzen oder Blähungen. Diese dauern länger als drei Monate
an und gehen offensichtlich vom Darm aus.
-
Die Lebensqualität des
Bewohners ist erheblich beeinträchtigt.
-
Es ist sichergestellt,
dass die Beschwerden nicht von anderen Erkrankungen mit einem ähnlichen
Symptombild verursacht werden.
Grundsätze:
-
Wenn sich ein Bewohner krank
fühlt, dann ist er krank. Wir sind uns stets bewusst, dass auch
Krankheiten ohne feststellbare organische Ursache für den Betroffenen
sehr belastend sein können.
-
Wir schützen jeden
betroffenen Bewohner vor dem Vorwurf, sich die Krankheit lediglich
einzubilden.
Ziele:
-
Auftretende Schmerzen werden
gelindert.
-
Der Bewohner kann regelmäßig
abführen. Eine Obstipation und eine Diarrhö werden überwunden.
-
Der Bewohner fühlt sich an-
und ernst genommen.
-
Es können sich keine
organischen Krankheiten unbemerkt entwickeln, deren Symptombild
fälschlicherweise dem "Reizdarmsyndrom" zugeschrieben wird.
Vorbereitung:
Symptome
Wir
achten auf Symptome, die auf ein Reizdarmsyndrom hindeuten:
-
Der Bewohner klagt über
krampfartige Bauchschmerzen, Druck- und Völlegefühl und über ein
aufgeblähtes Abdomen ("Blähbauch").
-
Die Schmerzen treten zumeist
morgens sowie in wechselnder Intensität und Lokalisation auf. In der
Nacht ist der Bewohner zumeist beschwerdefrei.
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Die Defäkationsfrequenz
schwankt.
-
Sie kann sich erhöhen. Es
kommt zu flüssigerem Stuhlgang bis zur Diarrhöe.
-
Sie kann aber auch
abnehmen. Der Bewohner scheidet dann trockenen und harten Stuhl aus
oder leidet unter Obstipation.
-
Es kommt zu
Schleimbeimengungen im Stuhl.
-
Bei einigen Betroffenen kann
eine druckschmerzhafte “Darmwalze” im linken Unterbauch ertastet
werden, also eine Ansammlung von trockenem Stuhl im Dickdarm.
-
Die Beschwerden lassen
zumeist nach, sobald der Bewohner Stuhl abgesetzt hat oder es zum
Abgang von Darmgasen gekommen ist. Gleichwohl klagen Betroffene dann
darüber, dass sie ihren Darm beim Stuhlgang nicht ausreichend entleeren
können.
-
Die Beschwerden bessern
sich, wenn der Bewohner abgelenkt wird, etwa an Festtagen oder bei
einem Ausflug. Gleichzeitig verstärkt sich die Symptomatik, sobald der
Betroffene vom Heimalltag gelangweilt wird und mehr Zeit mit sich
selbst verbringt.
Abgrenzung:
-
Wenn wir eine
Gewichtsabnahme, einen Leistungsknick, Nachtschweiß, nächtliche
Beschwerden, Fieber oder Blut im Stuhl feststellen, spricht dieses
gegen ein Reizdarmsyndrom. Dann handelt es sich häufig um Erkrankungen
der Leber, der Gallenblase oder der Bauchspeicheldrüse, beispielsweise
Gallensteine, Fettleber oder Entzündungen.
-
Ein ähnliches Symptombild
verursachen Nahrungsmittelunverträglichkeiten, also etwa Milch und
Milchprodukte im Fall von Laktoseintoleranz. Problematisch sind auch
Pflaumen, Birnen und Apfelsaft bei Sorbitunverträglichkeit sowie
weitere Obstsorten bei Fruktoseintoleranz.
Mithilfe
bei der ärztlichen Diagnostik
-
Wir stellen sicher, dass der
Bewohner von einem psychosomatisch geschulten Hausarzt versorgt wird.
Wenn etwa aufgrund des Heimeinzugs ohnehin ein Arztwechsel erfolgen
muss, vermitteln wir ihm einen Mediziner, der nach unserer Erfahrung
qualifiziert ist.
-
Die Diagnose erfolgt durch
das Ausschlussprinzip. Durch technische Untersuchungen und
Labordiagnostik werden organische Krankheiten mit ähnlicher Symptomatik
nach und nach ausgeschlossen. Wir unterstützen den Arzt, indem wir
relevante Informationen insbesondere über die bisherige
Krankheitsgeschichte zusammenstellen. Relevant sind auch Medikamente,
die von anderen Ärzten verschrieben wurden, Selbstmedikationen sowie
uns bekannte psychiatrische Erkrankungen.
-
Die Ursachensuche darf nicht
verfrüht mit der Diagnose "Reizdarm" beendet werden. Wenn ein
Betroffener erst seit kurzer Zeit unter der Symptomatik leidet, ist ein
Reizdarm als Auslöser eher unwahrscheinlich.
-
Wir raten dem Bewohner dazu,
sich eine Überweisung zum Gastroenterologen geben zu lassen.
Insbesondere bei alten Menschen ist immer eine Blut- und
Stuhluntersuchung sowie eine Koloskopie (Darmspiegelung) sinnvoll, um
die im Alter zunehmenden organischen Auslöser von Darmbeschwerden
auszuschließen.
-
Eine ursächliche Therapie
des Reizdarmsyndroms existiert nicht. Viele Betroffene gehen aber
gelassener mit ihren Symptomen um, wenn sie erfahren, dass sie an
keiner bedrohlichen Erkrankung leiden.
Durchführung:
Ernährung
-
Die Beschwerden werden oft
durch Unverträglichkeiten von Lebensmitteln gefördert. Durch gezielte
Auslassversuche können die Lebensmittel aufgedeckt werden, die
individuell beim Bewohner die Symptome mitverursachen. Der Betroffene
soll dafür ein Ernährungstagebuch führen.
-
Für Patienten mit
Reizdarmsyndrom ist es häufig schwierig, große Portionen zu
verstoffwechseln. Bei Durchfällen sollte der Bewohner daher statt drei
großer Mahlzeiten lieber fünf kleinere Mahlzeiten zu sich nehmen. Wir
achten zudem darauf, dass der Bewohner seine Speisen ausreichend
durchkaut.
-
Wenn der Bewohner primär
unter Obstipation leidet, sollte er ballaststoffreiche Mahlzeiten zu
sich nehmen. Wir raten ihm zu Getränken mit wenig Kohlensäure. Die
Darmpassage kann durch Quellmittel (Flohsamenschalen oder Weizenkleie)
sowie durch einen erhöhten Flüssigkeitskonsum erleichtert werden.
-
Gegen Blähungen sind
Fencheltee sowie Produkte mit Kümmel oder Anis wirksam. Der betroffene
Bewohner sollte stark blähende Nahrungsmittel wie Bohnen, Kohl und
Zwiebeln meiden.
-
Der Bewohner soll den Konsum
von Alkohol auf ein Minimum reduzieren oder im Idealfall komplett
einstellen.
ärztliche
Therapie
-
Um die Beschwerden zumindest
zeitweilig zu lindern, können verschiedene Medikamente eingenommen
werden. Schmerzmittel sowie krampflösende Arzneimittel helfen gegen die
Bauchkrämpfe. Abführmittel (Laxanzien) können eine Verstopfung
beseitigen. All diese Wirkstoffe sollten jedoch nicht zu häufig oder
gar dauerhaft eingenommen werden.
-
Bei einigen Betroffenen
haben sich niedrig dosierte Antidepressiva als effektiv erwiesen. Diese
Arzneimittel regulieren das Nervensystem des Darms und lindern damit
die Symptome.
-
In einigen Fällen wirken
auch kognitive Verhaltenstherapie, eine psychodynamische Therapie und
darmbezogene Hypnose.
-
Wir prüfen, ob der Bewohner
ohne ärztliche Anordnung Abführmittel nutzt. Die Vorgaben des Standards
"Pflege von Senioren mit einer Abführmittelabhängigkeit" werden
umgesetzt.
weitere
Maßnahmen
-
Wir verdeutlichen dem
Bewohner, dass es sich bei der Erkrankung um keine lebensbedrohliche
Störung handelt. Sobald er dieses verinnerlicht, gibt es eine große
Chance, dass sich die Symptomatik bessert.
-
Wir zeigen dem Bewohner, wie
er sich durch progressive Muskelentspannung, Biofeedback, Meditation
oder Yoga entspannen kann.
-
Wir prüfen stets, ob es
Anzeichen für eine sich entwickelnde Depression oder für Angstzustände
gibt. Wir raten dem Bewohner dann, eine psychotherapeutische Betreuung
zu nutzen.
-
Der Bewohner soll sich im
Rahmen seiner körperlichen Fähigkeiten bewegen. Wir animieren ihn
insbesondere zur Teilnahme an unserer Tanz- und Gymnastikgruppe.
-
Wir prüfen, ob ihm eine
Wärmflasche oder ein warmes Bad Entspannung bringt.
-
Ggf. werden die im Standard
"Obstipationsprophylaxe" beschriebenen Maßnahmen umgesetzt;
insbesondere also die Verabreichung von rektalen Entleerungshilfen
(etwa Mikroklyst).
-
Wir bieten dem Bewohner eine
engmaschige Gewichtskontrolle an.
-
Ggf. terminieren wir das
Screening Ernährungsmanagement in einem kürzeren Intervall.
Nachbereitung:
Prognose
-
Die meisten Betroffenen
leiden lebenslang unter den Beschwerden. Die Schmerzbelastung kann im
Laufe der Jahre zunehmen. Allerdings entwickeln sich daraus zumeist
keine organischen Darmerkrankungen.
-
Wenn die auslösenden
Faktoren bekannt sind und weitgehend vermieden werden, ist eine
Besserung möglich.
-
Ein Reizdarm kann gemeinsam
mit einem Reizmagen auftreten oder in diesen übergehen.
-
Wenn sich die Symptomatik
allerdings ändert, ist eine erneute ärztliche Vorstellung erforderlich.
Es ist möglich, dass sich eine organische Erkrankung entwickelt hat,
deren Symptome anfänglich dem Reizdarm zugeschrieben werden.
weitere
Maßnahmen
-
Alle relevanten
Beobachtungen werden dokumentiert.
-
Ggf. wird der Arzt über
wichtige Veränderungen des Gesundheitszustands informiert.
-
Ggf. wird die Pflegeplanung
/ Maßnahmenplanung angepasst.
Dokumente:
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Berichtsblatt
-
Vitaldatenblatt / Gewicht
-
Trinkprotokoll
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Durchführungsnachweis
-
Leistungsnachweis
medizinische Pflege
-
Fragen an den Arzt
-
Pflegeplanung
Verantwortlichkeit / Qualifikation:
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