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Standard "Schweigepflicht in der
stationären Pflege"
Ein
harmloser Kaffeetratsch hier, eine kleine Info da - und schon macht ein
neues Gerücht die Runde. Häufig verstoßen Pflegekräfte damit gegen die
gesetzliche Schweigepflicht und riskieren neben der Kündigung auch noch
eine Haftungsklage. Mit einem Standard können Sie den Informationsfluss
steuern.
Hinweis: Hinsichtlich der
Schweigepflicht von Pflegekräften gibt es nur wenig aussagekräftige
Literatur. Zu wichtigen Grenzfällen existiert überdies kaum
Rechtsprechung. Wir haben uns daher bei der Gestaltung dieses Standards
an der deutlich ausführlicher beschriebenen ärztlichen Schweigepflicht
orientiert. Bei einem erheblichen persönlichen Risiko und bei einer
unklaren Rechtslage sollten Pflegekräfte eine Beratung etwa durch
einen Verbands- oder Gewerkschaftsanwalt in Anspruch nehmen.
Standard
"Schweigepflicht in der stationären Pflege"
Definition:
-
Die Schweigepflicht zählt zu
den wichtigsten Berufspflichten aller Mitarbeiter in unserer
Einrichtung. Die Bewohner können jederzeit darauf vertrauen, dass
sensible Informationen nicht unberechtigt an Dritte weitergegeben
werden. Die Schweigepflicht hat allerdings Grenzen. Unter bestimmten
Bedingungen sind wir berechtigt, auch vertrauliche Daten weiterzuleiten.
-
Alle geschützten Sozialdaten
und personenbezogenen Daten fallen unter die Verschwiegenheit.
Mitarbeiter dürfen diese Informationen nur nutzen und verarbeiten, wenn
dieses für die Erfüllung der pflegerischen Aufgaben notwendig ist.
-
Auch innerhalb des Hauses
dürfen Informationen nur an solche Kollegen weitergegeben werden, die
diese für die Versorgung des Bewohners benötigen. Gesundheitliche
Informationen dürfen daher i. d. R. nicht an Mitarbeiter der
Hauswirtschaft oder der Verwaltung verraten werden.
-
Die Pflicht zur
Verschwiegenheit besteht auch dann, wenn der Mitarbeiter nicht mehr in
der Einrichtung arbeitet oder wenn der Bewohner bereits verstorben ist.
-
Wenn ein Mitarbeiter die
Schweigepflicht nicht beachtet, kann dieses eine Abmahnung oder eine
Kündigung zur Folge haben. Verstöße können zudem eine Geld- oder sogar
eine Haftstrafe nach sich ziehen. Ggf. hat der Bewohner zudem Anspruch
auf Schadensersatz und Schmerzensgeld.
Grundsätze:
-
Oftmals befinden sich
Pflegekräfte im Unklaren darüber, ob sie Informationen weitergeben
sollten. Im Zweifelsfall ist es immer sinnvoll, den Bewohner direkt
darauf anzusprechen und ihn selbst entscheiden zu lassen.
-
Uns ist bewusst, dass der
Umgang mit der Schweigepflicht stets eine Gratwanderung ist.
Insbesondere der Ehepartner und andere nahe Familienangehörige wünschen
von uns, dass wir sie über den Gesundheitszustand des Bewohners
informieren. Wir werden jedoch stets die Privatsphäre des Bewohners
schützen. Dieses auch dann, wenn wir damit der Erwartungshaltung
Dritter nicht gerecht werden. Eine Verwandtschaftsbeziehung allein ist
keine Berechtigung für eine Informationsweitergabe.
-
Die Weitergabe von sensiblen
Daten ist zu brisant, als dass wir uns auf mündliche Vereinbarungen
verlassen. Insbesondere eine Entbindung von der Schweigepflicht sollte
stets schriftlich erfolgen. Wir vermeiden damit, dass uns vonseiten des
Bewohners oder seines Betreuers vorgehalten wird, dass wir
unberechtigterweise Informationen an Dritte weitergegeben haben.
-
Wir halten soweit möglich
Rücksprache mit dem behandelnden Arzt und sprechen das weitere Vorgehen
gemeinsam ab. Ggf. besteht seitens des Arztes sogar eine
Offenbarungspflicht.
Ziele:
-
Die Privatsphäre des
Bewohners wird geschützt.
-
Es entwickelt sich ein
Vertrauensverhältnis zwischen Pflegekraft und Bewohner. Der Bewohner
ist bereit, der Pflegekraft auch sensible Informationen mitzuteilen, da
er weiß, dass diese Daten vertraulich behandelt werden.
-
Es besteht Klarheit darüber,
welche Informationen wir mit welchen Dritten teilen dürfen. Unsere
Mitarbeiter werden vor unberechtigten Anschuldigungen geschützt.
Vorbereitung:
-
Jeder Mitarbeiter erhält
noch vor Beginn seiner Tätigkeit eine Schweigepflichterklärung zur
Unterschrift. Dazu zählen auch Verwaltungskräfte, Praktikanten,
Auszubildende sowie ehrenamtliche Mitarbeiter. Bei angestellten
Pflegekräften ist die Schweigepflichterklärung Bestandteil des
Arbeitsvertrags.
-
Neue Mitarbeiter werden im
Rahmen der Einarbeitung über die Schweigepflicht informiert sowie über
die daraus resultierenden Folgen für die tägliche praktische Arbeit.
-
Die Bezugspflegekraft sucht
in den ersten Wochen nach Heimeinzug den Kontakt mit dem Bewohner, um
das Thema Schweigepflicht anzusprechen. Der Bewohner soll festlegen,
welche Angehörigen in welchem Umfang über seinen Gesundheitszustand
informiert werden dürfen. Dieses wird schriftlich fixiert. Nach
Möglichkeit sollte dieses Gespräch unter vier Augen geführt werden,
damit sich der Bewohner nicht von anwesenden Angehörigen unter Druck
gesetzt fühlt.
Durchführung:
allgemeine
Vorgaben
-
Der Bewohner kann uns von
der Schweigepflicht durch eine ausdrückliche Einwilligung entbinden.
Damit diese überhaupt gültig ist, muss der Bewohner einwilligungsfähig
sein. Er muss die mentalen Fähigkeiten haben, um die Bedeutung und die
Tragweite seiner Einwilligung zu erkennen und sachgerecht zu
beurteilen. Bewohner mit einer fortgeschrittenen demenziellen
Erkrankung können folglich keine gültige Einwilligung erteilen. In
diesen Fällen ist der Betreuer bzw. der gesetzliche Vertreter zu
kontaktieren.
-
Wenn eine Pflegekraft
persönliche Informationen erlangt, die für die Versorgung nicht
relevant sind, so darf sie diese weder an Kollegen noch an Vorgesetzte
weitergeben. Bei biografischen Daten ist die Abwägung ggf. schwierig.
Beispiel: Eine Bewohnerin offenbart, dass sie während des Kriegs Opfer
von sexuellem Missbrauch war. Dieses ist normalerweise strikt
vertraulich zu behandeln. Solch eine Information kann jedoch bei einer
fortschreitenden demenziellen Erkrankung pflegerelevant werden. Dieses
etwa, wenn die Bewohnerin aggressiv auf osteuropäische Pflegekräfte
oder auf männliche Pflegekräfte reagiert. In diesem Fall kann es
sinnvoll sein, die Kollegen über die Problematik zu informieren.
-
Andere Informationen werden
konsequent ignoriert. Beispiel: Der Bewohner berichtet der Pflegekraft,
dass er sich als Soldat mitschuldig an Kriegsverbrechen gemacht hat.
Eine Wiederholungsgefahr besteht heute natürlich nicht mehr. Diese
Daten werden also weder dokumentiert noch an andere Pflegekräfte
weitergegeben.
-
Die Schweigepflicht gilt
nicht, wenn keine Rückschlüsse auf die Identität des Bewohners möglich
sind. Beispiel: Eine Pflegekraft berichtet im Rahmen einer externen
Fortbildung über das Krankheitsbild eines Bewohners. Sie nennt dabei
keine Namen. Auch sind die Informationen nicht so detailliert, dass
Rückschlüsse auf die Identität des Bewohners möglich sind.
-
Im eigenen Familienkreis
kann die Pflegekraft über Erlebnisse während ihrer Arbeit sprechen,
wenn sichergestellt ist, dass Dritte die Informationen keiner Person
zuordnen können. Es dürfen also weder der Name des Bewohners genannt
werden noch seine Zimmernummer und andere Umstände, aus denen auf seine
Identität geschlossen werden kann.
-
Bei Fallbesprechungen ist
darauf zu achten, dass nur solche Mitarbeiter anwesend sind, die mit
der Pflege des Bewohners betraut sind und dafür auf die Informationen
angewiesen sind.
-
Am Telefon geben wir
sensible Informationen nur dann weiter, wenn die Identität des Anrufers
geklärt ist und der Informationstransfer berechtigt ist. Während des
Gesprächs bitten wir unbeteiligte Dritte aus dem Raum und verschließen
die Tür.
-
Wir stellen stets sicher,
dass Unbefugte sensible Gespräche nicht belauschen können. Inhaltlich
sensible Gespräche sollten daher nicht auf Fluren oder in sonstigen
öffentlichen Räumen geführt werden. Dafür sollte stets ein separates
Zimmer mit verschließbaren Türen gewählt werden.
-
Wir geben grundsätzlich
keine Informationen an Personen weiter, deren Identität nicht
zweifelsfrei geklärt ist. Wenn die Pflegekraft Zweifel an der
Berechtigung für eine Informationsweitergabe hat, sollte sie stets den
Informationstransfer zunächst verweigern und in Ruhe die Rechtslage
klären.
-
Problematisch dabei ist,
dass die Schweigepflicht auch gegenüber vorgesetzten Personen besteht.
Die Pflegekraft muss also ggf. den Inhalt des Geheimnisses gegenüber
der Pflegedienstleitung und der Heimleitung verschweigen. Es darf nur
diskutiert werden, ob überhaupt ein Informationstransfer an diesen
Dritten erlaubt ist oder nicht. Dieses ist insbesondere relevant bei
Bezugspflegekräften, die ggf. eine enge persönliche Bindung zum
Bewohner aufbauen und dessen Vertrauen genießen.
Schweigepflicht
gegenüber Angehörigen
-
Wir versuchen stets, das
Informationsbedürfnis der Angehörigen mit dem Recht des Bewohners auf
Privatsphäre in Einklang zu bringen. Wenn Angehörige Informationen
wünschen, deren Weitergabe der Bewohner nicht ausdrücklich zugestimmt
hat, so verweigern wir die Auskunft. Wir bleiben dabei stets freundlich
und verweisen auf die Schweigepflicht. Wir bitten die Angehörigen, den
Bewohner direkt zu befragen.
-
Wenn der Wunsch der
Angehörigen verständlich ist, suchen wir ggf. den Kontakt zum Bewohner.
Wir legen ihm nahe, uns diesbezüglich von der Schweigepflicht zu
entbinden. Wir können dann die Angehörigen informieren.
-
Wenn der Bewohner eine
Pflegekraft aus eigenem Antrieb wegen eines bestimmten Problems in
Beisein von Angehörigen anspricht, gilt die Schweigepflicht in diesem
speziellen Themenbereich nicht mehr. Aufgrund seines schlüssigen
Verhaltens ist davon auszugehen, dass er an der Geheimhaltung des
Gesprächsinhaltes kein Interesse hat. Die Pflegekraft darf nun weitere
Erläuterungen etwa zur Therapie geben.
-
Unproblematisch ist es, wenn
die Informationen nur in eine Richtung fließen. Wenn also die
Pflegekraft vom Angehörigen Informationen erhält, ohne ihm im Gegenzug
vertrauliche Informationen preiszugeben. Es liegt an der Pflegekraft,
einen Dialog mit Angehörigen so zu gestalten, dass die Schweigepflicht
nicht verletzt wird.
Schweigepflicht
gegenüber dem Arzt
-
An den behandelnden Arzt
können relevante Informationen i. d. R. weitergegeben werden. Es ist
davon auszugehen, dass der Bewohner diesem Informationsaustausch
zustimmt, da dieses seiner Gesundheit dient.
-
Bei telefonischen Anfragen
des Hausarztes prüfen wir zunächst die Identität des Anrufers; etwa
durch den Abgleich der im Telefondisplay angezeigten Rufnummer mit der
Telefonnummer der Arztpraxis.
-
Nur wenn es der Bewohner
ausdrücklich (schriftlich!) wünscht, halten wir Informationen auch
gegenüber dem behandelnden Arzt zurück. Wir machen den Bewohner aber
nachdrücklich darauf aufmerksam, dass dadurch der Therapieerfolg
gefährdet wird. In diesem Fall legen wir dem Bewohner einen Wechsel zu
einem anderen Arzt nahe, dem er dann hoffentlich mehr Vertrauen
entgegenbringt.
-
Auch hier gibt es einen
rechtfertigenden Notstand, der den Informationstransfer trotz einer
gegenteiligen Anordnung durch den Bewohner ermöglicht. Beispiel: Der
Bewohner ist in Lebensgefahr. Die Behandlung ist nur möglich, wenn der
Arzt alle dafür notwendigen Informationen erhält.
-
Ärzte, die nicht mit der
Behandlung des Bewohners betraut sind, erhalten keine Informationen.
Schweigepflicht
gegenüber anderen Berufsgruppen
-
Telefonischen
Informationsersuchen durch die Polizei ist stets skeptisch zu begegnen.
Ein erheblicher Prozentsatz dieser Kontaktaufnahmen erfolgt in falschem
Namen, also etwa durch die Presse, durch Detekteien, durch Nachbarn
oder durch Angehörige. Diese Vorsicht ist auch notwendig bei Anrufen
durch die Staatsanwaltschaft, durch Gerichte usw.
-
Die Information an die
Polizei beschränkt sich auf den Familiennamen, den Geburtsnamen, den
gebräuchlichen Vornamen, den Geburtstag und -ort sowie auf die
Staatsangehörigkeit. Medizinische Informationen geben wir nur dann
weiter, wenn Gefahr für die Gesundheit des Bewohners besteht. Dieses
ist etwa der Fall, wenn der Bewohner seit längerer Zeit nicht
auffindbar ist und Medikamente benötigt. Ein Informationstransfer ist
nicht statthaft, wenn dieser offensichtlich zum Nachteil des Bewohners
ist. Beispiel: Der Bewohner hat am Vorabend angeblich einen Unfall
verursacht und ist vom Unfallort geflüchtet. Die Polizei möchte nun
wissen, ob der Bewohner bei seiner Rückkehr in die Einrichtung
alkoholisiert war.
-
Betreuer werden nur dann
über den Gesundheitszustand des Bewohners informiert, wenn die Sorge
für die Gesundheit sowie die Zustimmung zur Heilbehandlung zu deren
Aufgabengebiet gehört.
-
Anfragen von Anwälten, die
den Bewohner vertreten, werden nur dann beantwortet, wenn eine gültige
(auf den Anwalt lautende) Vollmacht sowie eine
Schweigepflichtentbindung durch den Bewohner vorliegt.
Informationsweitergabe
trotz bestehender Schweigepflicht
-
Unter bestimmten Umständen
ist es erforderlich, dass wir vertrauliche Informationen weitergeben,
ohne dass der Bewohner zuvor zugestimmt hat. Der Bruch der
Schweigepflicht darf jedoch nur als letztes Mittel erwogen werden, wenn
keine Alternativen mehr in Betracht kommen.
-
Es liegt ein
rechtfertigender Notstand vor. Das Leben oder die Gesundheit des
Bewohners oder einer anderen Person ist bedroht. Durch die Weitergabe
der vertraulichen Information lässt sich die Gefahr abwenden. Dem
Anspruch des Bewohners auf Geheimhaltung steht also ein wichtigeres,
höherwertiges Rechtsgut gegenüber. Soweit möglich halten wir
Rücksprache mit dem behandelnden Arzt. Beispiel: Der Bewohner ist
HIV-positiv und lehnt die Verwendung von Kondomen (trotz eindringlicher
Ermahnung durch uns) ab. Er hat eine sexuelle Beziehung zu einer
Mitbewohnerin, die von der Infektion nichts weiß. Das Recht der
Mitbewohnerin auf körperliche Unversehrtheit ist ggf. höher
einzuschätzen als das Geheimhaltungsinteresse des Bewohners.
-
Es liegt eine mutmaßliche
Einwilligung vor. Aus zwingenden Gründen ist es zu diesem Zeitpunkt
nicht möglich, die Zustimmung des Bewohners zur Informationsweitergabe
einzuholen. Es ist aber mit großer Sicherheit davon auszugehen, dass
der Bewohner der Informationsweitergabe zustimmen würde, wenn man ihn
fragen könnte. Beispiel: Der Bewohner ist im Sterbeprozess. Die
Pflegekraft weiß, dass sich der Bewohner mit seiner Tochter nach langem
Streit versöhnen möchte. Eine Informationsweitergabe an die Tochter hat
er aber nicht explizit erlaubt. Die Pflegekraft kann nun trotzdem die
Tochter über den Zustand des Bewohners informieren, damit sie den Vater
rechtzeitig besuchen kann. Die Pflegekraft geht davon aus, dass dieses
der Bewohner so wünschen würde.
-
Der gesamte Prozess muss
sorgfältig dokumentiert werden. Dazu zählt etwa eine genaue
Beschreibung der Ausgangssituation. Die Pflegekraft muss überdies
sorgfältig schildern, welche alternativen Optionen zur Gefahrenabwehr
sie probiert hat und warum diese erfolglos blieben.
Nachbereitung:
-
Alle zwei Jahre werden
sämtliche Mitarbeiter erneut über die Schweigepflicht belehrt. Dieses
kann gemeinsam mit anderen Belehrungen erfolgen, also etwa zur Hygiene
oder zum Umgang mit Medizinprodukten.
Dokumente:
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Formular "Entbindung von der
Schweigepflicht"
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Heimvertrag
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Verpflichtung zur Wahrung
der Sozial-, Daten- und Geschäftsgeheimnisse
Verantwortlichkeit / Qualifikation:
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