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Standard "Pflege von Senioren mit Schwindel"

"Mir wurde plötzlich schwarz vor Augen". Dieser Satz findet sich in vielen Sturzprotokollen, wenn ein alter Mensch unvermittelt das Gleichgewicht verlor. Zusätzlich zur Sturzgefährdung ist Schwindel aber auch ein Warnhinweis für viele Erkrankungen.


Standard "Pflege von Senioren mit Schwindel"


Definition:

  • Damit der Körper die Balance halten kann, ist ein geordnetes Zusammenspiel zwischen den Gleichgewichtsorganen in den Ohren und den anderen Sinnesorganen notwendig; insbesondere den Augen.
  • Bei einem Schwindel (Vertigo) ist das Orientierungsempfinden im Raum beeinträchtigt. Der betroffene Bewohner nimmt Bewegungen seines Körpers und seiner Umwelt wahr, die tatsächlich aber nicht vorhanden sind. Das Gehirn ist nicht in der Lage, diese widersprüchlichen sensorischen Informationen zu verarbeiten. In der Folge verspüren Betroffene Übelkeit, Erbrechen und andere vegetative Symptome. Häufig kommt es auch zu einem Nystagmus (Augenzittern).
  • Durch die altersbedingten Veränderungen gehört der Schwindel zu den am häufigsten beklagten Beschwerden von Senioren. Bei 30 Prozent der über 70-Jährigen schränken Schwindelgefühle die Alltagsaktivitäten spürbar ein. Bei Menschen mit mehr als 80 Lebensjahren steigt dieser Wert auf 80 Prozent.
  • Der Gleichgewichtssinn wird von drei Systemen gesteuert. Schon eine Störung in nur einem dieser Systeme kann zu erheblichem Schwindel führen.
    • Vestibuläres System, insbesondere das Innenohr
    • Visuelles System, also das Auge
    • Tiefensensibilität, also die Registrierung des Muskeltonus
  • Verschiedene Gesundheitsstörungen und andere Faktoren können Schwindelgefühle auslösen:
    • Schädigungen des Innenohrs, etwa Morbus Menière (Menièrekrankheit) sowie Labyrinthitis (Infektion des Innenohrs)
    • Polyneuropathien mit beeinträchtigter Tiefensensibilität
    • Schädigungen des zentralen Nervensystems, etwa als Folge eines Schlaganfalls oder Kleinhirnerkrankungen
    •  Schädigungen der Halswirbelsäule
    •  Nebenwirkungen von Arzneimitteln

  • Es gibt drei typische Formen von Schwindel:
    • Bei einem Schwankschwindel scheint der Boden zu kippen. Der Bewohner fühlt sich, als würde er sich auf einem schlingernden Schiff befinden. (Bild A)
    • Bei einem Drehschwindel hat der Bewohner das Gefühl, in einem Karussell zu sitzen. Er wird in eine Richtung gezogen (etwa nach links) und droht das Gleichgewicht zu verlieren.(Bild B)
    • Ein Liftschwindel erinnert an das Fahren in einem Aufzug. Der Betroffene glaubt, zu sinken oder hochgehoben zu werden. (Bild C)
  • Abhängig von der Dauer der Schwindelsymptome unterscheiden wir zwischen einem Anfallsschwindel und einem Dauerschwindel.
  • Der Betroffene reagiert auf den Schwindel häufig mit Gegenbewegungen. Diese führen zu einer Gangunsicherheit, zum Taumeln oder zu Stürzen. Die meisten älteren Menschen mit lang andauernden Schwindelbeschwerden leiden gleichzeitig auch unter Gangunsicherheit. Schwindel ist in rund zehn Prozent aller Fälle die Ursache eines Sturzes.
  • Aus Angst vor Stürzen schränken viele Senioren ihr tägliches Bewegungspensum mehr und mehr ein. Tatsächlich jedoch erhöhen sie damit langfristig die Unfallgefahr. Daher ist ein zentrales Element zur Therapie von Schwindel ein Gleichgewichts- und Bewegungstraining.
  • Das Gleichgewichtssystem ist lernfähig. Es lässt sich mit gezielten Übungen trainieren. Leichte Störungen in einem Teil des Gleichgewichtssystems werden dann von den anderen kompensiert.
  • Der Begriff “Schwindel” wird nicht immer einheitlich verwendet, sondern beschreibt in der Umgangssprache unterschiedliche Befindlichkeitsstörungen, darunter auch körperliches Schwächegefühl, Benommenheit oder Angst. Wenn also ein Bewohner darüber klagt, dass ihm “schwindelig” ist, sollte genau geprüft werden, was er damit meint.

  • Eine psychogener Schwindel kann die Lebensqualität erheblich einschränken. Vielfach sind es besondere Situationen, die den Schwindel verursachen. Etwa das Überqueren von Brücken, Auto fahren, Fliegen oder Treppen steigen. (Siehe Bild)

Grundsätze:

  • Ebenso wie Schmerzen ist Schwindel oft ein Zeichen für eine organische Fehlfunktion. Eine ärztliche Abklärung ist daher unverzichtbar.
  • Schwindel ist kein schicksalhaftes Leiden, das im Alter hingenommen werden muss. In vielen Fällen ist eine Behandlung möglich und sinnvoll.
  • Wir begreifen Schwindel als eine ernste Einschränkung der Lebensqualität.
  • Bewegung lindert den Schwindel. Bettruhe und Schonung intensivieren den Schwindel.

Ziele:

  • Die Ursache des Schwindels wird gefunden und falls möglich behandelt.
  • Der Bewohner fühlt sich sicher. Er schränkt seine Mobilität nicht ein.
  • Ein Sturz wird vermieden.
  • Die Lebensqualität des Bewohners bleibt erhalten.

Vorbereitung:

Informationssammlung

Wir tragen Informationen zusammen, die für die weitere Behandlung des Schwindels relevant sein könnten:

  • Seit wann leidet der Bewohner unter Schwindel?
  • Unter welchen Begleitumständen tritt der Schwindel auf?
  • Wie macht sich der Schwindel bemerkbar?
  • Welche Strategien hat der Bewohner entwickelt, um mit dem Schwindel umzugehen?
  • Wie lange hält der Schwindel an?
  • Unter welcher Form des Schwindels leidet der Bewohner? Also: Drehschwindel, Liftschwindel oder Schwankschwindel?

Problembestimmung

Wir stellen die Probleme und Risiken zusammen, die vom Schwindel ausgelöst werden:

  • Führt der Bewohner Gegenbewegungen in eine Richtung aus? Droht er zu stürzen? Ist er bereits einmal oder mehrmals gestürzt?
  • Schränkt der Betroffene aus Angst vor Schwindel seine Mobilität ein?
  • Reduziert er seine sozialen Kontakte?
  • Ist dem Bewohner schlecht? Muss er sich übergeben?
  • Sind die Vitalwerte auffällig, insbesondere der Puls und der Blutdruck? Wird dem Bewohner schwarz vor Augen?

Ursachenbestimmung

Wir prüfen, ob uns Anhaltspunkte für mögliche Auslöser des Schwindels vorliegen.

  • Nimmt der Bewohner Medikamente ein, deren Nebenwirkungen den Schwindel verursachen könnten?
  • Leidet der Bewohner unter Durchblutungsstörungen?
  • Gibt es eine bekannte neurologische Erkrankung?
  • Leidet der Bewohner unter Morbus Menière?
  • Leidet der Bewohner gehäuft unter Migräne?
  • Hat der Bewohner Stoffe zu sich genommen, die den Schwindel auslösen könnten? Konsumiert er Drogen oder Alkohol in relevanten Mengen?
  • Steht der Bewohner unter großem Stress? Leidet er an psychischen Erkrankungen? Treten gehäuft Panikattacken auf?
  • Gibt es eine bekannte HNO-Erkrankung?
  • Leidet der Bewohner unter Hypertonie oder unter Hypotonie?

Durchführung:

Gestaltung der Umwelt

  • Alle Maßnahmen im Rahmen der Sturzprophylaxe werden sorgfältig umgesetzt.
    • Der Bewohner sollte auch innerhalb der Einrichtung festes Schuhwerk tragen.
    • Er wird angeleitet, die empfohlenen Gehilfen zu verwenden.
    • Möbel sollten keine herausragenden scharfen Ecken haben.
    • Möbel mit einem unsicheren Stand werden festgestellt oder (soweit möglich) ersetzt.
  • Wir stellen sicher, dass die Klingel stets in Reichweite des Bewohners liegt.
  • Bei allen Tätigkeiten, bei denen dem Bewohner erfahrungsgemäß schwindelig wird, erhält er Unterstützung.
  • Wir bitten den Bewohner, vor dem Aufstehen aus dem Bett nach einer Pflegekraft zu klingeln und auf Hilfe zu warten.
  • Das Bett sollte eine einheitliche Höhe haben, auf die es nach jeder Pflegemaßnahme wieder zurückgestellt wird.
  • Wir achten darauf, dass der Betroffene seine Brille trägt und dass die Glasstärken aktuell sind.
  • Er sollte seine Hörgeräte den ganzen Tag tragen. Verbrauchte Batterien werden rechtzeitig ersetzt.
  • Grunderkrankungen, die den Schwindel auslösen, werden konsequent behandelt.
  • Wir stellen sicher, dass eine Kompressionstherapie konsequent durchgeführt wird.
  • Flüssigkeits- und Elektrolytverluste werden konsequent ausgeglichen.
  • Wir sorgen dafür, dass der Bewohner in seinem Wohnbereich ausreichend Sitzgelegenheiten vorfindet.
  • Permanenter Lärm und ein hoher Geräuschpegel belasten das Gehör und somit auch das Gleichgewichtsorgan. Wir stellen sicher, dass unnötige Lärmquellen vermieden werden. So regeln wir beispielsweise die Lautstärke eines Fernsehers moderat herunter.
  • Wir führen mit dem Bewohner Bewegungsübungen durch. Diese sind im Sitzen, im Stehen und im Gehen möglich. Sie fördern die Neubildung eines angepassten Musters im Kleinhirn, das dann widersprüchliche Informationen kompensiert.

Maßnahmen bei einer akuten Schwindelattacke

  • Wir wirken beruhigend auf den Bewohner ein. Er wird auf einen Stuhl, in einen Sessel oder in sein Bett begleitet.
  • Wir erfassen die Vitalwerte. Dazu zählen insbesondere der Blutdruck, die Pulsfrequenz, die Körpertemperatur sowie der Blutzuckerspiegel.
  • Wenn der Bewohner Hausmittel gegen den Schwindel und die dadurch verursachte Übelkeit einsetzen will, ermöglichen wir ihm dieses. Kamille, Ingwer oder Pfefferminze können die Symptomatik lindern.
  • Der Betroffene wird bis zum Abklingen der Beschwerden nicht allein gelassen. In den folgenden Stunden nach der Normalisierung seines Zustands wird der Bewohner engmaschig überwacht.

Achtung Notfall!

Zumeist ist Schwindel an sich nicht bedrohlich. Wenn allerdings weitere Einschränkungen auftreten, spricht dieses für eine Gesundheitsgefährdung, etwa für einen Schlaganfall oder für einen Herzinfarkt. Bei folgenden Symptomen wird umgehend der Notarzt gerufen:

  • Schwindel nach einem Sturz
  • (stechende) Schmerzen im Brustraum, in die Arme abstrahlende Schmerzen
  • Bewusstseinsverlust
  • undeutliche oder verwaschene Sprache
  • Verlust oder Minderung des Hörvermögens
  • Verlust oder Minderung des Sehvermögens
  • starker Kopfschmerz

Mithilfe bei der ärztlichen Therapie

  • Bei schwerem Schwindel können gemäß der ärztlichen Anordnung Arzneimittel verabreicht werden. Antivertiginosa (Medikamente gegen Schwindel) sowie Antiemetika (Medikamente gegen Übelkeit) sollten jedoch nur über einen Zeitraum von wenigen Tagen appliziert werden. Sedierende Wirkstoffe sind nur beim akuten Drehschwindel sinnvoll, allerdings ebenfalls nicht zur Dauertherapie.
  • Viele dieser Arzneimittel weisen erhebliche Nebenwirkungen auf. Sie verursachen etwa ein Müdigkeitsgefühl und erhöhen somit das Sturzrisiko. Sie stören überdies häufig die “Neujustierung” des Gehirns und verhindern, dass die Störungen eines beeinträchtigten Gleichgewichtsorgans selbstständig korrigiert werden.
  • Medikamente sind daher kein Ersatz für ein Gleichgewichts- und Bewegungstraining.
  • Verschiedene Medikamente können als Nebenwirkung Schwindel auslösen. Gemeinsam mit dem behandelnden Arzt suchen wir ggf. nach alternativen Wirkstoffen.
    • Betablocker
    • Antidepressiva
    • Hypnotika
    • Diuretika
    • Parkinsonmedikamente
    • Muskelrelaxantien
    • Antibiotika
  • Oft ist Schwindel der Ausdruck einer Angststörung. Eine kognitive Verhaltenstherapie hilft dann dabei, Schwindel auslösenden Situationen neutral zu begegnen und somit den Teufelskreis aus Angst und Schwindel zu durchbrechen.

Nachbereitung:

Prognose

  • Viele Senioren haben Angst, dass der Schwindel von einem Tumor ausgelöst wird. Tatsächlich jedoch sind Krebserkrankungen im Gehirn nur sehr selten der Auslöser für Schwindel.
  • Wenn es gelingt, die individuellen Ursachen zu identifizieren, sind Schwindel und Gangunsicherheit im Alter gut therapierbar. Bei einer systematischen klinischen Untersuchung können die häufigsten Auslöser erkannt und ggf. behandelt werden.
  • Allerdings kann es auch ohne eine ärztliche Therapie zu einer Minderung der Symptomatik kommen. Häufig gelingt es dem Gehirn nach einiger Zeit, den Schwindel selbstständig auszugleichen. Das Gehirn lernt, die unzutreffenden Informationen des geschädigten Gleichgewichtsorgans zu ignorieren oder zu korrigieren.

weitere Maßnahmen

  • Alle Beobachtungen werden im Berichtsblatt dokumentiert.
  • Alle relevanten Veränderungen und Beobachtungen werden umgehend dem Hausarzt mitgeteilt.
  • Falls notwendig bitten wir um die Überweisung zu einem Facharzt; insbesondere zu einem Augenarzt und zu einem HNO-Arzt.
  • Die Pflegeplanung / Maßnahmenplanung wird regelmäßig aktualisiert und auf Umsetzbarkeit kontrolliert. Das Sturzrisiko wird immer wieder neu abgeschätzt.

Dokumente:

  • Berichtsblatt
  • Fragen an den Arzt / ärztliche Verordnungen
  • Vitaldatenblatt
  • Pflegenachweis
  • Flüssigkeitsbilanzierung / Trinkprotokoll
  • Mobilisierungs- und Bewegungsplan
  • Pflegeplanung / Maßnahmenplanung

Verantwortlichkeit / Qualifikation:

  • alle Mitarbeiter



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