pqsg mobil
Start Suche Service
Diese Seiten wurden für Smartphones optimiert. Für die PC-Version klicken Sie bitte hier.

Standard "Spielenachmittag in der Tagespflege"

Aus Spielspaß wird schnell Frust, wenn einem Tagesgast das verkehrte Spiel angeboten wird. Ein Parkinsonkranker wird sich für Mikado ebenso wenig begeistern wie ein Alzheimerpatient für Memory. Wir zeigen Ihnen, wie Sie den Spielenachmittag passend zu den jeweiligen Krankheitsbildern planen und durchführen.


Standard "Spielenachmittag in der Tagespflege"


Definition:

  • Das Spiel zu zweit oder in einer größeren Gruppe ist einerseits ein angenehmer Zeitvertreib. Spiele haben aber immer auch einen therapeutischen Effekt. Die Kommunikation wird ebenso gefördert wie die soziale Interaktion oder die motorischen Fähigkeiten.
  • Viele Spielkonzepte sind sehr alt und den Tagesgästen seit ihrer Kindheit bekannt. Die Spielregeln und der Spielverlauf sind also sehr tief im Gedächtnis verankert und bleiben auch bei einer einsetzenden Demenz zunächst erhalten.
  • Viele Senioren konzentrieren sich in ihrem Alltagsdenken auf ihre Defizite. Also auf das, was sie nicht mehr können. Sie geraten in einen sich selbst verstärkenden Kreislauf aus negativer Denkweise, nachlassender Motivation und dem Verlust weiterer Ressourcen. Spiele können dazu dienen, diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Der Tagesgast erkennt, dass er noch etwas kann.

  • Im Spiel ist emotionales Handeln eher akzeptiert als im realen Leben. Der Tagesgast muss hier seine Gefühle nicht unterdrücken. Dieses ist insbesondere in der Frühphase einer demenziellen Erkrankung sehr entlastend. Im Alltag muss der Betroffene mehr und mehr Kräfte darauf verwenden, um emotionale Impulse zu unterdrücken, die Selbstkontrolle zu bewahren und seine Fassade gegenüber dem sozialen Umfeld aufrecht zu erhalten.
(Hinweis: Tatsächlich stammen viele der heutigen Spieleklassiker aus den 60er-Jahren, wie etwa Malefiz. Und viele andere internationale Spiele wurden in den 60er-Jahren in Deutschland eingeführt und populär, wie etwa Scrabble. Brettspiele hatten in dieser Phase als Freizeitgestaltung einen sehr hohen Stellenwert und sind i. d. R. entsprechend biografisch verankert.)
  • Das Beschäftigungsangebot ist relevant für die externe Qualitätsprüfung durch den MDK. Daher ist es wichtig, dass unsere Angebote verschiedene Kriterien erfüllen.
    • Es wird von uns erwartet, dass wir die Bedürfnisse des Tagesgasts in Erfahrung bringen, etwa durch Befragung oder durch Beobachtung der Reaktionen auf ein Angebot.
    • Wir sind gehalten, Beschäftigungsangebote zu machen, die den Bedürfnissen und den gesundheitlichen Beeinträchtigungen unserer Tagesgäste entsprechen. Der MDK erwartet überdies, dass wir Unterstützung dabei leisten, dass der Tagesgast diese Angebote auch annehmen und daran teilnehmen kann.

Grundsätze:

  • Uns ist bewusst, dass viele Senioren ungern spielen, weil es ihrem Rollenbild widerspricht. Wir motivieren daher zur Teilnahme, drängen aber nicht.
  • Eine Spielstunde kann nur bis zu einem bestimmten Grad geplant werden, da sich vieles spontan entwickelt.
  • Der spielerische Faktor hat Vorrang vor therapeutischen Zielen. Die Spielstunde soll unseren Tagesgästen Spaß machen.

Ziele:

  • Die Tagesgäste erleben Freude und Spaß. Sie sollen ihr Interesse am Spielen erhalten oder neu entdecken.
  • Der Tagesgast wird von etwaigen Schmerzen und von Sorgen abgelenkt. Die Selbstheilungskräfte werden aktiviert.
  • Wir steigern das Selbstwertgefühl. Der Tagesgast hat das Gefühl: “Ich kann noch etwas!”
  • Die soziale Interaktion zwischen den Tagesgästen wird gestärkt. Insbesondere findet ein neuer Tagesgast schnell Anschluss. Tagesgäste, die sich ansonsten zurückziehen, werden wieder im gesellschaftlichen Leben der Einrichtung integriert. Auch das Sozialverhalten, das oftmals in Jahren der Einsamkeit gelitten hat, wird wieder gestärkt.
  • Soziale und bildungsbedingte Grenzen werden überwunden. Ein pensionierter Hochschulprofessor kommt in Kontakt mit einem ehemaligen Metzgereigehilfen.
  • Wir stärken die Konzentrationsfähigkeit. Der geistige Abbau wird insgesamt verlangsamt.
  • Wir erhalten und fördern feinmotorische Fähigkeiten.
  • Der Tagesgast steigert bei Erfolgen sein Selbstvertrauen. Verlorene Partien helfen ihm dabei, mit Regeln, mit Grenzen und mit Niederlagen umzugehen. Es wird ein Ventil geschaffen für den Ausdruck von Gefühlen.

Vorbereitung:

  • Wir beschaffen geeignete Spiele. Hierbei kann es ggf. sinnvoll sein, gebrauchte Spiele zu beschaffen. Alte Spielflächen aus Pappe und Figuren aus Holz aktivieren Tagesgäste oftmals mehr als “sterile” Neukäufe aus Kunststoff.
  • Als Übungsleiter setzen wir erfahrene Pflegekräfte, Ergotherapeuten oder Sozialpädagogen ein. Notwendige Qualifikationen dafür sind:
    • Erfahrungen in Gruppenarbeit
    • Kommunikationsfähigkeit
    • Kenntnisse über Lehrmethoden in der Erwachsenenbildung
    • Kenntnisse über gerontopsychiatrische Krankheitsbilder
  • Die Spielstunde findet einmal bis zweimal in der Woche statt. Die Planung wird mit dem Pflegeteam und mit der Hauswirtschaft abgestimmt.
  • Die genauen Termine für die Spielstunde werden regelmäßig am schwarzen Brett und in der Heimzeitung bekannt gegeben. Terminverschiebungen teilen wir allen teilnehmenden Tagesgästen rechtzeitig mit. Wir fordern die Teilnehmer auf, ihr Hörgerät mit geladenen Batterien und ihre Brille mitzubringen.
(Hinweis: Terminverschiebungen sind generell zu vermeiden. Insbesondere für demenziell erkrankte Senioren ist der Spielenachmittag eine feste Orientierungsmarke und somit wichtig für die zeitliche Orientierung.)
  • Der Gruppenleiter macht sich mit den Biografien der Tagesgäste vertraut. Er nimmt Einblick in die Pflege- und Maßnahmenplanung. Wir befragen den Tagesgast (oder seine Angehörigen), welche Bedeutung das Spielen in seinem Leben bislang hatte. Als Kind haben die allermeisten Senioren gespielt. Im Berufsleben wiederum fehlte vielen die Zeit dafür. Frauen ist das Spielen häufig vertrauter, da sie es ihren Kindern beibrachten. Wir erfragen auch, welche Spiele gespielt wurden. Wir ermuntern Tagesgäste, Spiele von zuhause mitzubringen, wenn diese in der Einrichtung nicht vorhanden sein sollten.
  • Der Gruppenraum wird reserviert.
  • "Lebhafte" Spiele, die mit einem hohen Geräuschpegel verbunden sind, sollten räumlich getrennt von Spielen stattfinden, die ein hohes Maß an Konzentration erfordern.
  • Die Spielstunde sollte nicht länger als 90 Minuten dauern.
  • Ggf. werden externe Personen eingeladen, sich an der Spielstunde zu beteiligen, insbesondere die Angehörigen. Bei neuen Tagesgästen ist die Anwesenheit von Angehörigen beim Spielenachmittag ggf. hilfreich. Dieses gibt dem Pflegebedürftigen Sicherheit.
  • Bei Senioren mit eingeschränkter Mobilität ist es wichtig, dass diese (falls gewünscht) aus ihrem Zimmer abgeholt werden. (Nur relevant für die stationäre Langzeitpflege.)
  • Ggf. kann ein Praktikant oder ein Pflegeschüler bei der Durchführung der Lesestunde mithelfen.
  • Der Übungsleiter lüftet den Raum und stellt ggf. die Heizung an.
  • Der Raum wird mittels Tischdekoration freundlich gestaltet.
  • Störfaktoren werden nach Möglichkeit ausgeschaltet. Dazu zählen etwa ein Fernseher, Radios usw.
  • Es wird sichergestellt, dass alle Bewohner ihr Hörgerät angeschaltet haben und die Lesebrille tragen.

Durchführung:

Begrüßung

  • Jeder Tagesgast wird von dem Übungsleiter begrüßt.
  • Der Übungsleiter legt eine Teilnehmerliste an.
  • Das Telefon wird umgeleitet.
  • Jeder Tagesgast stellt sich mit Namen vor (oder wird vom Spielleiter vorgestellt). Dieses ist sehr wichtig, wenn neue Tagesgäste erstmals teilnehmen.

Auswahl der Spiele

  • Ideal sind Spiele wie Mensch-ärgere-Dich-nicht, Dame, Mühle, Halma und Schach. Auch Kartenspiele wie Skat, Canaster und Rommé eignen sich gut. Sie folgen einheitlichen Regeln, die den meisten Senioren bekannt sein sollten.
  • Wir nutzen ältere (“klassische”) Spiele. Neue Spielideen sind zu vermeiden, selbst wenn diese etwa als “Spiel des Jahres” ausgezeichnet wurden.
  • Wir vermeiden Spiele, zu deren Spielinhalten es zählt, dass sich Teilnehmer lächerlich machen. Damit fallen viele der modernen Partyspiele aus der Auswahl heraus.
  • Wir bieten auch Spiele an, die das “Miteinanderspielen” fördern und das “Gegeneinanderspielen” in den Hintergrund treten lassen. Vielen Senioren ist die Erfahrung gegenseitiger Hilfe im Spielgeschehen sehr angenehm.
  • Jedes Spiel setzt jeweils unterschiedliche Schwerpunkte etwa im Bereich Geschicklichkeit, Gedächtnis oder etwa Glück. Diese Schwerpunkte sollten den Fähigkeiten des Tagesgasts entsprechen. Demenzkranken mit noch vorhandener guter Motorik sollten Geschicklichkeitsspiele angeboten werden, wie etwa Mikado. Gedächtnisspiele wie Memory führen hingegen oft zur Frustration. Bei mental belastbaren Parkinsonpatienten wiederum fällt diese Auswahl entsprechend gegensätzlich aus.
  • Mit dem Nachlassen der mentalen Ressourcen gewinnen Glücksspielelemente an Bedeutung. Ein typisches Glücksspiel ist Bingo.
  • Die vielen taktischen Optionen beim Malefiz werden Demenzpatienten oftmals überfordern. Das linear aufgebaute Mensch-Ärgere-Dich-Nicht hingegen lässt sich deutlich länger im Krankheitsverlauf einsetzen.
  • Wir beschaffen altengerechte Versionen der Spiele, also insbesondere Ausgaben mit besonders großen Spielsteinen. Etwaige Beschriftungen auf Spielkarten oder auf der Spielfläche müssen in einer großen Schrifttype gedruckt sein.
  • Die Spieldauer sollte so gewählt werden, dass sie zu den mentalen Ressourcen der Teilnehmer passt. Wir vermeiden insbesondere, dass die Tagesgäste ermüdet sind, bevor das Spiel endet. Ein Abbruch aus Zeitmangel sollte ebenso vermieden werden.

Zusammensetzung der Gruppen

  • Nach Möglichkeit sollten alle Spielpartner über vergleichbare mentale Fähigkeiten verfügen, da permanentes Verlieren die Motivation beeinträchtigt. Wenn dieses nicht möglich ist, prüfen wir, ob in das Spiel ein Handicap eingefügt werden kann. Der schwächere Spieler erhält z. B. einen Vorsprung, mehr Spielsteine oder mehr Würfe beim Würfeln.
  • Demenzkranke sollten in kleineren Gruppen zusammengefasst werden, also maximal vier Spieler.
  • Der Spielleiter achtet darauf, dass die Gruppen durchmischt werden. Häufig haben sich im Laufe der Jahre feste Spielgruppen gebildet. Neuen Tagesgästen fällt es dann schwer, hier neue Kontakte herzustellen.
  • Wir motivieren alle Tagesgäste zur Teilnahme. Unentschlossene Tagesgäste können sich anfangs als Zuschauer mit dem Spiel vertraut machen.

allgemeine Maßnahmen

  • Der Spielleiter erklärt die Spielregeln; ggf. auch erneut während des Spiels. Er sollte als "Schiedsrichter" auf die Einhaltung der Regeln achten. Gleichzeitig spricht nichts dagegen, dass der Spielleiter selbst mitspielt und Begeisterung zeigt.
  • Spielregeln sollten nicht ohne zwingenden Grund verändert werden. Einerseits sind viele Teilnehmer an die oft komplexen Regelwerke gewöhnt und würden durch etwaige Vereinfachungen verwirrt. Zudem bilden die Spielregeln etwa für Demenzkranke einen sicheren Bezugsrahmen.
  • Der Spielleiter achtet darauf, dass der Umgangston unter den Teilnehmern freundlich bleibt. Jede Form von verletzenden Hänseleien sollte unterbunden werden.
  • Der Spielleiter lobt die Teilnehmer. Dieses nicht nur für erfolgreiches Spielen, sondern auch für konstruktives Sozialverhalten.
  • Wenn der Spieler Schwierigkeiten hat, sich die Farbe seiner Spielsteine zu merken, legt die Pflegekraft eine Pappkarte der gleichen Farbe vor den Spieler.
  • Bei Hemiplegiepatienten achtet die Pflegekraft darauf, dass auch die mehr geschädigte Seite einbezogen wird. Der Tagesgast kann z. B. den Würfel mit der mehr betroffenen Hand werfen oder weitergeben.
  • Durch das Aussetzen kleiner Gewinne, etwa eine Schokopraline, kann die Motivation gefördert werden.
  • Die Tagesgäste werden animiert, auch mal andere Spiele auszuprobieren.
  • Der Teilnehmer bietet allen Tagesgästen Getränke an. Beim Spielen ist es oftmals möglich, auch bei solchen Senioren den Flüssigkeitskonsum zu steigern, die sonst konsequent zu wenig trinken.

Nachbereitung:

  • Nach dem Spiel befragt die Pflegekraft die Senioren, wie ihnen das Spiel gefallen hat. Spiele mit einer positiven Resonanz werden bei der nächsten Veranstaltung bevorzugt angeboten.
  • Wir trösten ggf. Verlierer eines Spiels. Bei Senioren, die das Verlieren als “Blamage” erleben, ist hier eine stetige Motivation und Animation zum Weiterspielen notwendig.
  • Wir lüften den Raum und räumen ihn auf.
  • Relevante Beobachtungen werden an die Bezugspflegekräfte weitergegeben.
  • Die Spielstunde wird protokolliert.

Dokumente:

  • Berichtsblatt
  • Pflege- und Maßnahmenplanung

Verantwortlichkeit / Qualifikation:

  • Pflegekräfte
  • Ergotherapeuten
  • Krankenschwestern
  • Altentherapeuten und
  • ähnliche in der Altenarbeit tätige Berufsgruppen



pqsg Impressum, AGB / Datenschutz