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Standard "Toilettentraining"

Die meisten Trainingsmaßnahmen zur Verbesserung der Harnkontinenz setzen voraus, dass der Pflegebedürftige kooperativ und zumindest halbwegs orientiert ist. Bei demenziell erkrankten Senioren hingegen bleibt häufig kaum eine andere Option als das vergleichsweise starre und passive Toilettentraining.


Standard "Toilettentraining"


Definition:

  • Viele pflegebedürftige Senioren haben nur ein eingeschränktes Gespür für den Füllstand der Harnblase. Der Harndrang stellt sich also nicht oder nur sehr spät ein. Wird der richtige Zeitpunkt für den Toilettengang verpasst, kommt es zum unkontrollierten Harnabgang. Falls kein Inkontinenzmaterial eingelegt wurde, nässt der Bewohner ein.
  • Bei vielen Senioren lässt sich der Zeitpunkt des unfreiwilligen Wasserlassens recht präzise abschätzen. Das Toilettentraining zielt folglich darauf ab, einen Toilettengang durchzuführen, bevor sich die Blase unkontrolliert entleert.
  • Das Toilettentraining ist wirksam bei Drang- und bei Belastungsinkontinenz sowie bei verschiedenen Mischformen. Es handelt sich um eine nichtinvasive Maßnahme, die insbesondere nach dem Entfernen eines Dauerkatheters genutzt werden kann.
  • Die Maßnahme ist nicht unkritisch zu sehen. Auf der einen Seite wird die Inkontinenz zwar gelindert oder gar beseitigt. Auf der anderen Seite ist dieser Fortschritt damit erkauft, dass die Pflegekraft an die Toilettengänge immer und immer wieder erinnern muss. Die Abhängigkeit des Bewohners von der Pflegekraft wird also nicht gemindert, sondern lediglich in einen anderen Bereich verlagert.
  • Es ist daher wichtig, dass zuvor versucht wird, die Blasenkontrolle als solche wiederzuerlangen, etwa durch aktives Blasentraining. Erst wenn dieses Training erfolglos blieb, sollte ein Toilettentraining angesetzt werden.
  • Bei demenziell erkrankten Senioren ist das Toilettentraining i. d. R. die erste Wahl, da aufgrund ihrer mentalen Einschränkungen eine aktive Beteiligung nicht möglich ist. Ein Blasentraining würde die kognitiven Ressourcen und oft auch den Kooperationswillen überfordern.
  • Unter dem Begriff "Toilettentraining" werden verschiedene Formen zusammengefasst. In unserer Einrichtung nutzen wir drei Varianten:
    • “Angebotener Toilettengang”: Hierbei wird dem Bewohner rechtzeitig vor dem zu erwartenden Einnässen ein Toilettengang angeboten. Er kann den Toilettengang annehmen oder ablehnen. Im Fall einer Ablehnung wird er nach einiger Zeit erneut an den Toilettengang erinnert. Eine wichtige Voraussetzung für diese Variante ist, dass der Bewohner den Füllstand der eigenen Blase zumindest rudimentär erspüren kann.
    • "Toilettengang zu festen Entleerungszeiten": Der Bewohner wird immer zu gleichen Zeiten auf die Toilette geführt, also etwa nach dem Aufstehen, eine Stunde nach den Mahlzeiten sowie vor der Nachtruhe. Eigeninitiative und das Gefühl für den Füllstand der Harnblase werden für diese Variante nicht benötigt. Eine Harnkontinenz kann diese passive Form des Toilettentrainings nicht gewährleisten, sondern zumeist lediglich eine Reduktion der ungewollten Harnverluste. Beispielhaft dafür ist eine Stressinkontinenz als Folge einer übermäßigen Blasenfüllung. Der Bewohner verliert also etwa unkontrolliert Harn beim Husten. Durch die regelmäßigen Toilettengänge wird die übermäßige Befüllung der Blase vermieden.
    • "Toilettengang zu individuellen Entleerungszeiten": Bei dieser Form ermitteln wir für jeden Bewohner individuelle Entleerungszeiten. Kurz vor diesen Zeitpunkten wird der Bewohner auf die Toilette geführt. Er soll auch dann Harn lassen, wenn er keinen Harndrang spürt. Sofern die Zeitplanung gut gewählt ist, kann eine relative Harnkontinenz erreicht werden.
Hinweise:
  • Die Effektivität des Toilettentrainings ist wissenschaftlich nur sehr lückenhaft untersucht. Lediglich für die Variante des angebotenen Toilettengangs liegen einige Studien vor, die die Wirksamkeit belegen.
  • In einigen Fachbüchern wird irrtümlich auch das “Blasentraining” als “Toilettentraining” bezeichnet. Tatsächlich jedoch handelt es sich um zwei unterschiedliche Konzepte.
  • Das Prinzip des “Toilettengangs zu festgelegten Entleerungszeiten” zählt ohnehin zum pflegerischen Minimalstandard in jeder Einrichtung. Auf eine weitere genaue Beschreibung wird daher in diesem Standard verzichtet.
  • Toilettentraining ist auch in der ambulanten Pflege möglich. Hierbei müssen jedoch die pflegenden Angehörigen einbezogen werden. Wenn diese mit der Technik vertraut sind und der Klient regelmäßig an den Toilettengang erinnert wird, sind gute Resultate möglich.

Grundsätze:

  • Uns ist bewusst, dass wir durch das Toilettentraining in das Selbstbestimmungsrecht des Bewohners eingreifen. Die ständige Aufforderung zum Toilettengang kann als entwürdigend empfunden werden. Wir gehen daher stets taktvoll vor.
  • Wir betrachten Harninkontinenz nicht als schicksalhaftes Leiden. Inkontinenz ist eine gesundheitliche Einschränkung, die wir mit gezieltem Training lindern oder gar komplett beseitigen können.
  • Es können Wochen vergehen, bis das Toilettentraining Erfolge zeigt. Ein großes Maß an Geduld ist somit unverzichtbar.

Ziele:

  • Der Bewohner wird für das eigene Ausscheidungsverhalten sensibilisiert.
  • Die willentliche Harnblasenentleerung zu festgelegten Zeiten wird gefördert.
  • Im Idealfall wird eine relative Kontinenz erreicht.
  • Die Anzahl der ungewollten Harnabgänge wird reduziert.
  • Der Bewohner gewinnt Selbstvertrauen und Lebensqualität zurück.

Vorbereitung:

Indikationen

  • Der Bewohner leidet unter einer Dranginkontinenz, Mischinkontinenz oder unter einer leichten Belastungsinkontinenz.
  • Es liegt eine demenzielle Erkrankung vor. (Hinweis: Wenn der Bewohner hirnorganisch gesund ist, sollte nicht das Toilettentraining, sondern das Blasentraining genutzt werden.)
  • Im Idealfall kann der Bewohner Harndrang wahrnehmen und äußern.
  • Beim Bewohner kann durch ein Miktionsprotokoll ein individuelles Ausscheidungsverhalten festgestellt werden.
  • Die Blasenkapazität des Bewohners ist normal, liegt also zwischen 200 ml bis 700 ml. Das Volumen des Restharns liegt unter 100 ml.

Kontraindikationen

  • Toilettentraining ist nicht sinnvoll bei Bewohnern, deren Ausscheidungsverhalten von Tag zu Tag erheblich schwankt.
  • Wenn eine Harnwegsinfektion, ein Harnverhalt oder eine Obstipation vorliegt, sollte kein Toilettentraining durchgeführt werden.
  • Wenn sich der Bewohner im Sterbeprozess befindet, führen wir kein Toilettentraining durch. Stattdessen erhält der Bewohner eine fachgerechte Kompensation der Inkontinenz.

Schulung des Bewohners

  • Der Bewohner wird über die Ursachen der Inkontinenz informiert. Wir nutzen dafür auch Schaubilder und anderes Schulungsmaterial.
  • Der Bewohner wird über die geplanten Maßnahmen und ihre Wirkungsweise informiert. Er versteht insbesondere, warum kein schneller Erfolg zu erwarten ist.
  • Bei einem Erfolg wird der Bewohner gelobt; also dann, wenn die Vorlage trocken blieb und der Toilettengang erfolgreich war.

Informationssammlung

  • Der behandelnde Hausarzt wird in die Planung der Maßnahme einbezogen. Insbesondere ist es wichtig, die medizinischen Ursachen für die Harninkontinenz festzustellen.
  • Wir erstellen für den Bewohner ein Miktionsprotokoll. Hier vermerken wir etwa:
    • Uhrzeit des Getränkekonsums
    • Art und Menge der konsumierten Getränke
    • Uhrzeit der Miktion
    • Vermerk, ob die Miktion gesteuert war oder unwillkürlich erfolgte
    • gemessene, gewogene oder geschätzte Harnmenge
  • Anhand des Protokolls lässt sich nach einigen Tagen ein individuelles Miktionsprofil erkennen. Dieses verdeutlicht, zu welcher Tageszeit und unter welchen Bedingungen eine Inkontinenz auftritt.
  • Wir erstellen einen Trainingsplan, der alle geplanten Toilettengänge auflistet. Im Idealfall wird so geplant, dass der Toilettengang 15 bis 30 Minuten vor einer unkontrollierten Blasenentleerung erfolgt.

Organisation

  • Der Bewohner erhält ggf. Beckenbodentraining (siehe Standard "Beckenbodentraining").
  • Der Bewohner sollte jeden Tag zwei bis drei Liter Flüssigkeit zu sich nehmen. Wir stellen damit sicher, dass die Harnblase gut gespült ist. Zudem verhindern wir damit, dass ein konzentrierter Urin den Harndrang noch verstärken würde. Die Flüssigkeit sollte bis 21 Uhr komplett konsumiert werden. Der letzte Toilettengang erfolgt somit gegen 22.30 Uhr. Die Nachtruhe des Bewohners wird nicht unnötig gestört.
  • Ggf. verschriebene Diuretika werden (falls möglich) morgens verabreicht, um die Harnausscheidung in der Nacht zu reduzieren.
  • Es wird sichergestellt, dass der Bewohner jederzeit Unterstützung rufen kann; dieses etwa über die hausinterne Signalanlage. Wir sorgen dafür, dass die Kleidung für einen eiligen Toilettengang leicht und schnell geöffnet werden kann.
  • Sofern der Bewohner über keine eigene Toilette verfügt, wird er ggf. in einem Zimmer untergebracht, das sich in unmittelbarer Nähe zu einer Toilette befindet.
  • Für das eigene Sicherheitsgefühl erhält der Bewohner eine kleine Vorlage, die er sich selbstständig einlegen kann.

Durchführung:

Angebotener Toilettengang

  • Dreißig Minuten vor dem zu erwartenden Harnverlust wird der Bewohner angesprochen. Wir fragen ihn, ob er Harndrang spürt. Wenn dieses der Fall ist, bieten wir ihm einen Toilettengang an.
  • Wir fragen den Bewohner auch, ob er eingenässt hat. Falls notwendig, werden die Einlagen auf eine Durchfeuchtung kontrolliert und ggf. ausgewechselt.
  • Mitunter wird der Toilettengang bei der ersten Erinnerung vom Bewohner abgelehnt. In diesem Fall fordert die Pflegekraft den Bewohner einige Minuten später erneut auf, die Toilette aufzusuchen.
  • Bei einem erfolgreichen Toilettengang wird der Bewohner gelobt. Wir teilen dem Bewohner den Zeitpunkt des nächsten geplanten Toilettengangs mit, damit er sich darauf einstellen kann.

Toilettengang zu individuellen Entleerungszeiten

  • Der Bewohner wird aufgefordert, unabhängig vom Harndrang die Toilette aufzusuchen; also beispielsweise alle zwei Stunden. Der Startwert kann individuell angepasst werden.
  • Wir nutzen eine Stoppuhr mit "Countdownfunktion" oder alternativ einen Küchenwecker. Bei mehreren parallel zu "trainierenden" Senioren ist es sinnvoll, ein Smartphone mit einer App zu nutzen, die eine Vielzahl von "virtuellen Stoppuhren" gleichzeitig anzeigt.
(Hinweis: Viele Bewohner sind in der Lage, einen Toilettengang eigenständig durchzuführen, wenn sie z. B. durch einen Wecker daran erinnert werden.)
  • Mit der Aufforderung zum Toilettengang wird die Frage an den Bewohner verbunden, ob er bereits eingenässt hat. Wir richten damit die Aufmerksamkeit des Bewohners bewusst auf die Blase.
  • Ggf. kann das Wasserlassen mit einem laufenden Wasserhahn mental unterstützt werden. In jedem Fall sollte das Badezimmer gut geheizt sein. Ein Mindestmaß an Diskretion wird gewahrt.
  • Bei einem erfolglosen Toilettengang wird dem Bewohner nach ca. 30 Minuten ein erneuter Versuch angeboten.
  • Prinzipiell ist es auch möglich, Toilettengänge in der Nacht anzubieten. Dieses macht aber nur Sinn, wenn der betroffene Bewohner wach und ansprechbar ist. Bewohner werden für einen Toilettengang nur dann geweckt, wenn sie dieses ausdrücklich wünschen. Die Erholung durch einen ungestörten Nachtschlaf hat Vorrang vor der Wiedergewinnung der Harnkontinenz.

Anpassung des Intervalls

  • Das Fortschreiten oder das Nachlassen vorliegender Grunderkrankungen hat ggf. Einfluss auf die Harnkontinenz. Wenn der Bewohner über mehrere Tage hinweg keinen Harn ungewollt verloren hat, kann das Entleerungsintervall ggf. etwas verlängert werden.
  • Falls der Bewohner mehrfach ungewollt Harn verliert, weil die Zeitabstände zwischen zwei Miktionen zu groß gewählt sind, wird das Intervall verringert.

Nachbereitung:

  • Die Maßnahme wird abgebrochen, wenn der Bewohner dauerhaft eine Zusammenarbeit verweigert und die Toilette nicht zu den vorgegebenen Uhrzeiten aufsuchen will.
  • Relevante Beobachtungen werden dem Hausarzt und der Pflegedienstleitung weitergemeldet.
  • Die Ergebnisse und Erfahrungen werden regelmäßig in Fallbesprechungen und in der Dienstübergabe diskutiert.
  • Ggf. wird die Pflegeplanung bzw. die Maßnahmenplanung aktualisiert.

Dokumente:

  • Pflegeplanung / Maßnahmenplanung
  • Berichtsblatt
  • Leistungsnachweise

Verantwortlichkeit / Qualifikation:

  • Alle Pflegekräfte



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