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Standard "Umgebungsgestaltung zur Sturzprophylaxe"

Viele Altbauten sind zwar urgemütlich, dafür aber mit allerlei Stolperfallen gespickt. Es lauern Türschwellen, Verlängerungskabel und enge Treppen. Und die glasierten Badezimmerfliesen aus den 60er-Jahren verwandeln sich mit etwas Badeschaum in eine Rutschbahn.


Standard "Umgebungsgestaltung zur Sturzprophylaxe"


Definition:

  • Die Gestaltung des Wohnraums hat erheblichen Einfluss auf das individuelle Sturzrisiko. Es finden sich hier zahlreiche Hindernisse, die in jungen Jahren zumeist noch problemlos erkannt und passiert werden. Mit zunehmendem Alter lassen das Sehvermögen, die physische Kraft und die Körperkontrolle jedoch nach. Engstellen und Bodenunebenheiten werden somit zu Unfallquellen.
  • Der Expertenstandard zur Sturzprophylaxe verpflichtet uns dazu, den Klienten und seine Angehörigen auf Risiken aufmerksam zu machen und zu etwaigen Lösungsmöglichkeiten zu beraten. Dazu zählt insbesondere eine gemeinsame Begehung des Wohnraums.
  • Gleichwohl ist es schwierig, Lebensqualität und Unfallvermeidung in Einklang zu bringen. Barrierefrei gestaltete Räume wirken häufig wenig wohnlich. So bietet ein gleichmäßig ausgeleuchtetes Zimmer kaum Atmosphäre. Der Austausch des vertrauten Betts durch ein Pflegebett mit Seitengittern wird zumeist ebenfalls als unangenehm empfunden.
Hinweise:
  • Wir haben uns in diesem Standard auf solche Maßnahmen konzentriert, die schnell umsetzbar sind und nur geringe Kosten verursachen. Eine barrierefreie Renovierung des Wohnbereichs inkl. etwa des Austausches der Bodenbeläge ist zwar wünschenswert, aber zumeist nicht finanzierbar. Ist der Wohnraum lediglich gemietet, kommt eine umfassende Umgestaltung ohnehin nicht in Betracht.
  • Die Anpassung der Umgebung ist nur eine Komponente der Sturzprophylaxe. Hinzu kommt die Therapie sturzrelevanter Grunderkrankungen. Wichtig ist auch die Anpassung der individuellen Verhaltensweisen, also etwa das Tragen geeigneter Schuhe. Wir haben all dieses im Konzeptstandard "Sturzprophylaxe" zusammengefasst.
  • Dieser Standard beschreibt das Vorgehen in der ambulanten Pflege. Für die Nutzung in der stationären Versorgung muss er um alle nichtrelevanten Kriterien gekürzt werden. Insbesondere die Barrierefreiheit ist in modernen Pflegeheimen im Vergleich zu privaten Altbauwohnungen natürlich viel besser umgesetzt.

Grundsätze:

  • Einige der hier beschriebenen Maßnahmen zur Risikominimierung sind kostenintensiv. Wir haben Verständnis, wenn der Klient und seine Angehörigen die Ausgaben scheuen.
  • Viele Einrichtungsgegenstände haben für den Klienten eine hohe symbolische Bedeutung, etwa ein im Urlaub gekaufter Läufer oder ein geerbter Beistelltisch. Der Versuch, diese aufgrund der Sturzgefährdung aus dem Wohnbereich zu entfernen, wird auf Widerstand stoßen. Wir streben daher stets einen Kompromiss an, der die Wohnqualität und die Unfallvermeidung gleichermaßen sichert.

Ziele:

  • Wir sensibilisieren den Klienten und seine Angehörigen für die Gesundheitsrisiken, die mit einem Sturz verbunden sind.
  • Wir bestimmen gemeinsam Gefahrenpunkte im Wohnbereich. Wir prüfen, mit welchem organisatorischen und finanziellen Aufwand diese beseitigt werden können.
  • Mit den verfügbaren Ressourcen schaffen wir ein möglichst großes Maß an Sicherheit.
  • Wir fördern die Zufriedenheit des Klienten, indem wir den wohnlichen Charakter seines Lebensraums erhalten.

Vorbereitung:

  • Bereits im Erstgespräch erläutern wir dem Pflegebedürftigen die Bedeutung der Sturzprophylaxe.
  • Wir bieten dem Klienten Unterstützung bei der Anpassung seines Wohnraums an.
  • Gemeinsam mit dem Klienten und dessen Angehörigen inspiziert die Bezugspflegekraft das genutzte Gebäude. Dazu zählen die Zimmer, die Flure, der Keller sowie die Außenflächen.
  • Die Pflegekraft macht auf mögliche Gefahrenquellen aufmerksam und gibt Empfehlungen zu deren Beseitigung.

Durchführung:

Einrichtung

  • Flure und Laufwege sollten stets frei von herumstehendem Mobiliar sein. Toilettenstühle und Rollstühle werden so gelagert, dass sie dem Klienten nicht im Wege stehen.
  • Instabile Einrichtungsgegenstände werden nach Möglichkeit entfernt (Schemel, leichte Blumensäulen usw.).
  • Möbelstücke, die regelmäßig als Haltegriffe dienen, werden soweit möglich mit Schrauben an der Wand fixiert.
  • Viele Möbelstücke verfügen über Rollen, obwohl sie eigentlich nicht bewegt werden müssen. Wenn sich der Klient an diesen festhält, bewegen sie sich ggf. zur Seite. Falls möglich sollten diese Rollen entfernt und durch Gummifüße ersetzt werden.
  • Stühle sollten eine angenehme Sitzhöhe sowie Armlehnen aufweisen. Die Stuhlbeine sollten mit Gummistoppern versehen sein, damit sie nicht über den Boden gleiten. Die Stuhlkissen sind fixiert und rutschen nicht von der Sitzfläche.
  • Der Klient sollte ein höhenverstellbares Bett nutzen, in das er einfach ein- und wieder aussteigen kann. Bei Bedarf wird das Bett für Pflegemaßnahmen auf eine Arbeitshöhe gefahren, die ein rückenschonendes Arbeiten erlaubt. Nach der Durchführung fahren wir das Bett konsequent auf eine niedrige Höhe zurück. (Hinweis: Behelfsweise kann eine Matratze auf dem Fußboden genutzt werden.)
  • Wir nutzen falls notwendig Halbseitenbettgitter, da diese Schutz vor einem Sturz aus dem Bett bieten, gleichzeitig aber einen selbstständigen Ausstieg aus dem Bett erlauben.
  • Wenn Angehörige in der gleichen Wohnung leben, kann die Beschaffung eines Bettalarmsystems sinnvoll sein. Dieses gibt einen Warnton ab, sobald ein Pflegebedürftiger, der das Bett ohne Hilfe nicht verlassen sollte, es dennoch probiert. Der Angehörige kann dann Hilfe leisten.
  • Wir nutzen Sturzmatten. Diese Matten ähneln Gymnastikmatten. Sie werden vor dem Pflegebett abgelegt. Fällt der Klient aus dem Bett, so absorbiert der PU-Schaum der Matte einen Großteil der Aufprallenergie und reduziert das Verletzungsrisiko.
  • Pflegebetten und Rollstühle werden arretiert, wenn sie stehen.
  • Kabelgebundene Kopfhörer werden durch Bluetoothkopfhörer ersetzt.
  • Wir stellen sicher, dass die Fernbedienung volle Batterien hat, damit der Klient zum Umschalten nicht aufstehen muss.
  • Kabelgebundene Telefone sollten durch schnurlose Geräte ersetzt werden. Wir raten dem Klienten dazu, mehrere schnurlose Telefone zu beschaffen, damit in jedem Wohnraum ein Gerät zur Verfügung steht. Er kann somit bei einem Anruf ohne Hektik zumindest eines erreichen.
  • Auf längeren Fluren stellen wir einen zusätzlichen Stuhl oder eine Bank als "Rastplatz" bereit. Derartige Sitzgelegenheiten bieten dem Pflegebedürftigen ein Sicherheitsgefühl.
  • Viele Etagentreppen haben auf halber Höhe eine Zwischenebene. Hier stellen wir ebenfalls einen Stuhl oder einen Sessel auf. Der Klient kann also eine halbe Etage nach oben oder nach unten gehen und sich dann ausruhen. Danach nimmt er die zweite Treppenhälfte in Angriff.
  • Wir kontrollieren regelmäßig die Leichtgängigkeit der Zimmertüren, Fenster und Schranktüren.

Fußboden

  • Auf den Laufwegen verlegte Stromkabel werden umpositioniert. Falls notwendig sollten zusätzliche Steckdosen angebracht werden, die eine Kabelverlegung ohne Stolpergefahr erlauben.
  • Teppichläufer (insbesondere mit hohen Kanten oder mit Fransen) werden nach Möglichkeit entfernt. Lehnt dieses der Klient ab, werden zumindest die Kanten mit Klebeband so fixiert, dass sie keine Stolperfalle darstellen.
  • Teppiche sollten mit einer rutschfesten Unterlage versehen werden, damit nicht der gesamte Teppich über den glatten Boden gleitet.
  • Verschüttete Flüssigkeiten werden sofort und vollständig entfernt. Auch beim regelmäßigen Aufwischen des Bodens ist es wichtig, dass dieser komplett trocknet.
  • Der Fußbodenbelag ist so zu wählen, dass er nicht spiegelt und somit nass wirkt. Wir raten dem Klienten, insbesondere auf glänzendes Bohnerwachs zu verzichten.
  • Stufenkanten werden mit Antirutschprofil versehen und farbig markiert.

Licht

  • An jedem Bett gibt es einen Lichtschalter oder eine Nachttischlampe. Die Funktionsfähigkeit des Lichts wird regelmäßig überprüft.
  • Flure und Zimmer sollten durch indirektes Licht gleichmäßig und hell ausgeleuchtet werden. Die Lichtquelle selbst ist dabei verborgen und gegen die Decke gerichtet. Die angestrahlte Decke beleuchtet dann den Raum.
  • Pflegekräfte achten auf defekte Beleuchtung. Durchgebrannte Leuchtstoffe werden zeitnah gewechselt.
  • Auch wenn am Abend die Lichtintensität reduziert wird, müssen Hindernisse auf dem Boden noch gut erkannt werden.
  • Neonleuchtmittel werden vermieden. Wir ziehen Halogenlampen vor, da das ausgehende Licht dem natürlichen Sonnenlicht ähnelt
  • Im Idealfall ist der Wohnraum mit Dimmern ausgestattet, die es dem Pflegebedürftigen erlauben, die Lichtintensität nach eigenen Vorstellungen zu reduzieren oder zu erhöhen.
  • Wir prüfen, ob eine mit einem Bewegungsmelder versehene Beleuchtung dem Klienten hilft. Diese schaltet das Licht an, sobald sich der Pflegebedürftige etwa auf den Weg zur Toilette macht. Nachdem der Klient in sein Bett zurückgekehrt ist, schaltet sich das Licht nach einigen Minuten wieder aus.
  • Blendender Lichteinfall von außen wird vermieden. Dieses kann etwa durch Vorhangstoffe erfolgen, die einen Teil des Lichts passieren lassen, dieses aber streuen.
  • In der Nacht wird das Nachtlicht verwendet.
(Hinweis: Bei Krankheitsbildern wie Katarakt oder Glaukom sollte die Lichtstärke reduziert werden, da Betroffene häufig empfindlich auf helles Licht reagieren.)

Ordnung

  • Die Inhalte von Schränken werden so umgeräumt, dass häufig verwendete Gegenstände in einer guten Griffhöhe liegen. Dieses betrifft insbesondere Kleiderschränke und Küchenschränke. In Hochschränken sollten sich keine Objekte befinden, die der Klient benötigt. Wir vermeiden damit, dass ein Klient eine Fußbank oder eine Trittleiter nutzen muss.

Die Nutzung von Stühlen und von ähnlichen Möbelstücken als behelfsmäßige Trittleiter sollte strikt unterbleiben. Beobachten wir den Klienten dabei, wird er eindringlich auf die Risiken hingewiesen.


Badezimmer

  • Badewannen und Duschen werden mit rutschfesten Matten ausgestattet.
  • Der Klient muss sich am Waschbecken abstützen können, wenn er das Gleichgewicht verliert. Ggf. werden Haltegriffe angebracht.
  • Pflegeprodukte, Handtücher u. Ä. sollten so gelagert werden, dass der Klient sie während der Körperpflege einfach mit einem Griff erreichen kann.
  • Das Badezimmer wird nicht als Lagerraum genutzt, wenn es dadurch unmöglich wird, sich auch mit Gehhilfen sicher darin zu bewegen.
  • Toilettensitze werden erhöht. Wir stellen Armlehnen bereit. Ggf. nutzen wir ein Toilettenstützgestell.
  • Es liegt stets ausreichend Toilettenpapier (inkl. Ersatzrollen) in Griffweite bereit.
  • Der Spiegel wird in einer angemessenen Höhe angebracht. Der Klient kann ihn bequem nutzen.

Weiteres

  • Wir prüfen, ob der Klient häufig Gehwege im Außenbereich seines Grundstücks nutzt; etwa weil er einen Stall erreichen möchte, um Nutztiere zu füttern. Wir empfehlen, dort für eine gute Beleuchtung in den Abendstunden zu sorgen. Die Transferwege im Außenbereich müssen im Herbst von Blättern und im Winter vom Eis befreit werden. Der Klient kann damit einen Dienstleister beauftragen.
  • Brennholz oder Kohle für eine Ofenheizung sollte in ausreichender Menge direkt neben der Brennstelle gelagert werden. Wir vermeiden damit, dass der Klient schwer bepackt auf dem Weg vom außerhäusigen Holzlager oder vom Kohlenkeller stürzt.
  • Defekte Hilfsmittel, wie etwa beschädigte Rollstühle, werden nicht verwendet, sondern repariert bzw. ersetzt.
  • Stürze können auch von Haustieren verursacht werden. Risikobehaftete Aktivitäten sollten also an Angehörige oder an Freunde delegiert werden; etwa das Ausführen von Hunden mit einem hohen Bewegungsdrang.
  • Wir stellen sicher, dass der Klient jederzeit das Hausnotrufsystem nutzen kann, falls er gestürzt ist und Hilfe benötigt.

Nachbereitung:

  • Die gemeinsam festgelegten Anpassungen werden umgesetzt. Wir beginnen mit solchen Maßnahmen, die preiswert und schnell realisiert werden können. Im Rahmen der finanziellen Ressourcen werden danach schrittweise weitere Gefahrenquellen beseitigt.
  • Falls für die Arbeiten Handwerker notwendig sind, vermitteln wir auf Wunsch den Kontakt zu den Firmen. Wir nennen dabei mindestens zwei Anbieter. Wir erhalten von diesen keine Provision oder ähnliche Vergünstigungen.
  • Der Klient soll in der Lage sein, eine "innere Karte" seines Lebensbereichs zu erstellen.
    • Nachdem der Wohnraum eines Klienten hinsichtlich der Sturzgefährdung überprüft und optimiert wurde, sollte das einmal gewählte Ordnungssystem beibehalten werden. Wir vermeiden es insbesondere, Möbel umzustellen.
    • Falls Veränderungen im Zimmer vorgenommen werden müssen, sollte dieses tagsüber geschehen. Der Klient hat dann Zeit, sich bis zur Nacht auf die veränderte Umgebung einzustellen.
  • Die Einschätzung der Risikoquellen wird wiederholt, wenn sich der Gesundheitszustand des Klienten ändert. Dieses ist etwa der Fall, wenn ein Pflegebedürftiger erblindet oder seit Kurzem auf Gehhilfen angewiesen ist.
  • Die Maßnahmen werden sorgfältig dokumentiert. Wir halten fest, welche Anpassungen wir vorschlagen und welche vom Klienten und von dessen Angehörigen tatsächlich umgesetzt werden. Wir halten auch die Gründe fest, warum bestimmte Maßnahmen unterbleiben. (Beispiel: Die Kosten für einen rutschfesten Teppichboden sind zu hoch.)

Dokumente:

  • Beratungsprotokoll zur Sturzprophylaxe

Verantwortlichkeit / Qualifikation:

  • Bezugspflegekraft



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