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Standard "Pflege von Senioren mit Zwangshandlungen"
Schon
in jungen Jahren können Zwangshandlungen die Lebensqualität massiv
einschränken. Wenn jedoch in fortgeschrittenen Lebensphasen noch eine
demenzielle Erkrankung hinzukommt, entgleitet vielen Betroffenen die
Kontrolle über ihre "Altersschrullen" vollends. Dann liegt es an den
Pflegekräften, stabilisierend einzugreifen.
Standard "Pflege von Senioren mit Zwangshandlungen"
Definition:
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Bei einer Zwangsstörung leidet der Bewohner
unter Zwangsgedanken oder unter Zwangshandlungen. Dem Bewohner ist
bewusst, dass diese nutzlos sind. Dennoch schafft er es nicht, diese
unangenehmen Gedanken und Handlungen zu unterbinden.
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Zwangsgedanken werden vom Bewohner zumeist als
quälend empfunden. Häufig haben sie einen sexuellen oder gewalttätigen
Inhalt und verstoßen gegen gesellschaftliche Normen.
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Zwangshandlungen sind Bewegungsabläufe, die
sich mehrmals täglich wiederholen. Betroffene Bewohner führen
Zwangshandlungen ritualisiert durch. Von der vorgegebenen Reihenfolge
wird nicht abgewichen. Bei einmaliger Durchführung sind sie zumeist
sinnvoll (Beispiel: Gegenstände werden geordnet). Die mehrfache
Durchführung jedoch ist sinnlos und oftmals sogar schädlich (das
ununterbrochene Ordnen lähmt den Tagesablauf).
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Bemühungen, den Zwang zu unterdrücken, bleiben erfolglos und fördern das Auftreten von Angstzuständen.
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Frauen leiden gehäuft unter einem Waschzwang.
Die Hände werden mehrfach in der Stunde intensiv gewaschen. Es kommt zu
Hautschädigungen. Bei Männern tritt der Kontrollzwang gehäuft auf.
Schlösser, Schalter oder Wasserhähne werden ununterbrochen kontrolliert.
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Zwei bis drei Prozent der deutschen Bevölkerung
sind von Zwangsstörungen betroffen. Diese Beeinträchtigungen treten
familiär gehäuft auf. Neben einer genetischen Disposition werden auch
soziologische Faktoren diskutiert.
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Nur in Ausnahmefällen bilden sich
Zwangsstörungen im Alter neu. In der Mehrzahl der Fälle bestehen diese
Störungen bereits seit vielen Jahren oder Jahrzehnten.
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Der Umzug in ein Pflegeheim hat erheblichen
Einfluss auf das Krankheitsgeschehen. Der enge Kontakt zu Pflegekräften
und zu Mitbewohnern erschwert es erheblich, die Zwangshandlungen
durchzuführen. Insbesondere ist es deutlich schwieriger, die
Zwangshandlungen vor dem Umfeld zu verbergen.
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In der Mehrzahl der Fälle handelt es sich bei
Bewohnern mit Zwangserkrankungen um unsichere Persönlichkeiten, die
sich für ihre Erkrankung schämen.
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Zudem können Zwangshandlungen Konflikte
auslösen. Bewohner mit Waschzwang nehmen oftmals stundenlang das
Badezimmer in Beschlag. Liegt ein Kontrollzwang vor, kann es zu
Spannungen mit anderen Bewohnern kommen. Dieses insbesondere, wenn die
Mitbewohner in die Zwangshandlungen einbezogen werden.
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Zwangsstörungen sind abzugrenzen vom Wahn.
Wahnkranke haben den Bezug zur Realität verloren. Sie können nicht
erkennen, dass ihre Handlungen unsinnig sind. Zwangsstörungen sind
wichtige Leitsymptome bei Depressionen und bei Schizophrenien.
Grundsätze:
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Nicht jede Zwangshandlung ist
therapiebedürftig. Wenn eine Zwangshandlung den Bewohner im Alltag
nicht einschränkt und deren Intensität nicht zunimmt, verzichten wir
auf entsprechende Korrekturmaßnahmen. Sobald der Bewohner jedoch
spürbar unter den Zwangshandlungen leidet, greifen wir ein. Die
Zwangshandlung ist dann eine ernst zu nehmende seelische Störung.
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Die Pflege von Senioren mit Zwangshandlungen
ist mit einem gewissen Risiko verbunden. Wenn eine Pflegekraft den
Bewohner an der Durchführung der Handlungen hindert, kann er den
auslösenden Zwangsimpulsen nicht ausweichen. Dieses setzt ihn unter
erhebliche innere Anspannung, Unruhe und Angst, die sich durch
Aggressivität entladen können.
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Die Pflegekraft unternimmt keine eigenmächtigen
Therapieversuche. Insbesondere werden keine Expositionsübungen
durchgeführt, wenn diese nicht vom behandelnden Facharzt oder vom
Therapeuten angeordnet wurden.
Ziele:
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Der Bewohner vertraut der Bezugspflegekraft so weit, dass er mit dieser über die Zwangsstörungen reden kann.
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Der Bewohner kann die Impulse kontrollieren oder sich ihnen zumindest widersetzen.
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Ist dieses nicht erreichbar, wird die Dauer der
Zwangshandlungen auf ein Minimum reduziert. Zumindest verhindern wir,
dass sich die Intensität und die Anzahl der Zwangshandlungen ausweiten.
Vorbereitung:
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Wir setzen das Konzept der Bezugspflege um. Dem
Bewohner wird eine Pflegekraft zugeteilt, die im Bereich der
Gerontopsychiatrie bereits Erfahrungen sammeln konnte.
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Die Pflegekraft sucht den Dialog mit dem
Bewohner. Sie ermutigt ihn, ihr seine Zwangsgedanken mitzuteilen. Wir
machen dem Bewohner dabei keine Vorhaltungen.
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Wir befragen den Bewohner, welche Strategien er
selbst im Laufe der Zeit entwickelt hat, um die Zwangshandlungen zu
unterbrechen.
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Wir führen mit dem Bewohner eine intensive
Biografiearbeit durch, da viele Zwangsstörungen in der Jugend und in
der Erziehung begründet sind. So ist ein ausgeprägter Waschzwang im
Alter oftmals die Folge einer zu strengen Reinlichkeitserziehung.
(Hinweis: Viele Bewohner haben eine klare Erinnerung an das erste
Auftreten der Zwangssymptome. Es handelt sich dabei häufig um
Reaktionen auf traumatische Situationen.)
Durchführung:
Beobachtung
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Das Verhalten des Bewohners wird unauffällig beobachtet.
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Wir versuchen zu ergründen, ob es
wiederkehrende Ereignisse gibt, die einem zwanghaften Verhalten
vorausgehen und es möglicherweise auslösen oder begünstigen.
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Wir prüfen, ob der Bewohner seine
Zwangshandlungen bevorzugt unbeobachtet durchführt; dieses etwa, weil
ihm sein Verhalten peinlich ist. Wir testen weiterhin, was passiert,
wenn er die Anwesenheit einer Pflegekraft bemerkt.
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Wir schätzen ab, inwieweit die Zwangshandlungen
den Bewohner im Alltag einschränken und die Lebensqualität
beeinträchtigen. Beispiel: Wenn ein Bewohner zwei- oder dreimal
kontrolliert, ob seine Zimmertür abgeschlossen ist, ist er nicht
zwangskrank. Eine Zwangskrankheit liegt nur dann vor, wenn er die Tür
hundert mal abschließt und deshalb stets zu spät zum Essen kommt. Das
zwei- oder dreimalige Händewaschen ist nicht krankhaft, wohl aber das
mehrstündige Reinigen, das die Haut angreift.
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Wir suchen den Kontakt zu den Angehörigen.
Oftmals verfügen diese über wirksame Strategien, um die
Zwangshandlungen zu unterbrechen.
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Wir prüfen, ob der Bewohner unter weiteren
Krankheiten leidet, die häufig mit Zwangserkrankungen verbunden sind,
etwa Kolitis (Dickdarmentzündung), Migräne, Angina Pectoris,
Hypertonie, Arthritis oder Potenzstörungen.
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Wir prüfen, ob der Bewohner bereits unter
Folgeerkrankungen leidet, die durch Zwangsstörungen ausgelöst oder
gefördert werden. Etwa: Depressionen, Alkoholabhängigkeit oder
Medikamentensucht.
Maßnahmen und Hilfestellungen
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Wir prüfen, ob der Bewohner seine Handlungen einstellt, wenn wir ihn dazu auffordern.
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Alternativ kann es in Einzelfällen sinnvoll
sein, dem Bewohner einen für die Zwangshandlungen notwendigen
Gegenstand wegzunehmen. Seine Reaktionen werden sorgfältig beobachtet.
(Hinweis: Oftmals führen Betroffene die Zwangshandlungen dann in
abgewandelter Weise fort. Andere Senioren reagieren mit Angstzuständen,
die sich etwa durch starkes Schwitzen zeigen.)
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Zwangshandlungen, die anderen Personen körperlichen oder materiellen Schaden zufügen, werden umgehend unterbunden.
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Wir versuchen, den Bewohner mit anderen
Tätigkeiten zu beschäftigen und abzulenken, etwa durch
hauswirtschaftliche Tätigkeiten, Fernsehen, Musik hören usw.
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Wir animieren den Bewohner, seine sozialen Kontakte aufrechtzuerhalten.
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Wenn es dem Bewohner gelingt, die
Zwangshandlungen für eine gewisse Zeit zu kontrollieren, wird er dafür
ausdrücklich gelobt. Wir ermutigen den Bewohner immer wieder, sich von
Rückschlägen nicht entmutigen zu lassen. Wir verdeutlichen ihm, dass
die Überwindung von Zwangsstörungen viele Jahre in Anspruch nehmen kann.
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Wir versuchen ggf., die Zwangshandlungen
stufenweise abzubauen, insbesondere also derartige Phasen sukzessive zu
verkürzen. Dabei ist es wichtig, als Pflegekraft nicht in die
Zwangshandlungen "eingebaut" zu werden. Ansonsten wird die pflegerische
Intervention zu einem festen Bestandteil des ritualisierten Ablaufs.
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Gemeinsam mit dem behandelnden Arzt prüfen wir,
ob sich die Störungen durch Antidepressiva lindern lassen, wie etwa
durch Serotonin-Wiederaufnahmehemmer. Wir beachten, dass die
Medikamente mindestens über einen Zeitraum von zwei Monaten appliziert
werden müssen, um einen spürbaren Effekt zu erzielen.
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Unabhängig davon sollte der Bewohner eine Verhaltenstherapie erhalten.
weitere Maßnahmen
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Wir arbeiten eng mit dem Psychotherapeuten
zusammen. Insbesondere kooperieren wir bei der Erstellung und bei der
Anpassung der Pflegeplanung bzw. der Maßnahmenplanung.
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Wir stellen sicher, dass der Bewohner die
Therapiestunden konsequent besucht. Ggf. wird er dorthin begleitet. Wir
beachten, dass Bewohner mit Zwangsstörungen häufig eine sehr lange
Vorbereitungszeit brauchen, bis sie sich für das Verlassen der
Einrichtung bereit fühlen. Dieser zeitliche Mehraufwand wird bei der
Terminplanung berücksichtigt.
Nachbereitung:
Prognose
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Wenn eine Behandlung unterbleibt, nimmt die
Erkrankung einen oftmals chronisch-progressiven Verlauf. Die gestörten
Phasen werden häufiger auftreten und länger andauern. Es steigt
überdies das Risiko für Depressionen, Alkoholsucht,
Arzneimittelabhängigkeit sowie Suizid.
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Selbst bei optimaler Versorgung ist eine
vollständige Heilung sehr selten. Der Bewohner wird die Impulse
weiterhin spüren, kann sie aber im Erfolgsfall kontrollieren.
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Bei einer Psychotherapie zeigen sich erste
Fortschritte erfahrungsgemäß nach sechs bis acht Wochen. Ggf. kann die
gesamte Behandlung bis zu einem Vierteljahr dauern.
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Wenn Zwangsstörungen durch Antidepressiva
behandelt werden, sollte ein Absetzen kritisch hinterfragt werden. In
vier von fünf Fällen kommt es zu einem Rückfall.
weitere Maßnahmen
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Wir dokumentieren, wann die Zwangshandlungen auftreten, wie lange sie andauern und welches Verhalten sie beim Bewohner auslösen.
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Alle relevanten Beobachtungen werden an den behandelnden Arzt und an den Psychotherapeuten weitergegeben.
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Wir prüfen, welche der genutzten Strategien
effektiv sind, um die Zwangshandlungen zu unterbrechen. Diese werden
zukünftig vermehrt eingesetzt und in der Pflegeplanung bzw. in der
Maßnahmenplanung vermerkt.
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Wir bieten unseren Pflegekräften regelmäßig
Supervision an, um die mentalen Belastungen im Umgang mit diesen
Senioren zu verarbeiten.
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Etwaig aufgetretene Probleme werden im Qualitätszirkel thematisiert.
Dokumente:
Verantwortlichkeit / Qualifikation:
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