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Standard "Pflege von Senioren mit Zwangshandlungen"

Schon in jungen Jahren können Zwangshandlungen die Lebensqualität massiv einschränken. Wenn jedoch in fortgeschrittenen Lebensphasen noch eine demenzielle Erkrankung hinzukommt, entgleitet vielen Betroffenen die Kontrolle über ihre "Altersschrullen" vollends. Dann liegt es an den Pflegekräften, stabilisierend einzugreifen.


Standard "Pflege von Senioren mit Zwangshandlungen"


Definition:

  • Bei einer Zwangsstörung leidet der Bewohner unter Zwangsgedanken oder unter Zwangshandlungen. Dem Bewohner ist bewusst, dass diese nutzlos sind. Dennoch schafft er es nicht, diese unangenehmen Gedanken und Handlungen zu unterbinden.
  • Zwangsgedanken werden vom Bewohner zumeist als quälend empfunden. Häufig haben sie einen sexuellen oder gewalttätigen Inhalt und verstoßen gegen gesellschaftliche Normen.
  • Zwangshandlungen sind Bewegungsabläufe, die sich mehrmals täglich wiederholen. Betroffene Bewohner führen Zwangshandlungen ritualisiert durch. Von der vorgegebenen Reihenfolge wird nicht abgewichen. Bei einmaliger Durchführung sind sie zumeist sinnvoll (Beispiel: Gegenstände werden geordnet). Die mehrfache Durchführung jedoch ist sinnlos und oftmals sogar schädlich (das ununterbrochene Ordnen lähmt den Tagesablauf).
  • Bemühungen, den Zwang zu unterdrücken, bleiben erfolglos und fördern das Auftreten von Angstzuständen.
  • Frauen leiden gehäuft unter einem Waschzwang. Die Hände werden mehrfach in der Stunde intensiv gewaschen. Es kommt zu Hautschädigungen. Bei Männern tritt der Kontrollzwang gehäuft auf. Schlösser, Schalter oder Wasserhähne werden ununterbrochen kontrolliert.
  • Zwei bis drei Prozent der deutschen Bevölkerung sind von Zwangsstörungen betroffen. Diese Beeinträchtigungen treten familiär gehäuft auf. Neben einer genetischen Disposition werden auch soziologische Faktoren diskutiert.
  • Nur in Ausnahmefällen bilden sich Zwangsstörungen im Alter neu. In der Mehrzahl der Fälle bestehen diese Störungen bereits seit vielen Jahren oder Jahrzehnten.
  • Der Umzug in ein Pflegeheim hat erheblichen Einfluss auf das Krankheitsgeschehen. Der enge Kontakt zu Pflegekräften und zu Mitbewohnern erschwert es erheblich, die Zwangshandlungen durchzuführen. Insbesondere ist es deutlich schwieriger, die Zwangshandlungen vor dem Umfeld zu verbergen.
  • In der Mehrzahl der Fälle handelt es sich bei Bewohnern mit Zwangserkrankungen um unsichere Persönlichkeiten, die sich für ihre Erkrankung schämen.
  • Zudem können Zwangshandlungen Konflikte auslösen. Bewohner mit Waschzwang nehmen oftmals stundenlang das Badezimmer in Beschlag. Liegt ein Kontrollzwang vor, kann es zu Spannungen mit anderen Bewohnern kommen. Dieses insbesondere, wenn die Mitbewohner in die Zwangshandlungen einbezogen werden.
  • Zwangsstörungen sind abzugrenzen vom Wahn. Wahnkranke haben den Bezug zur Realität verloren. Sie können nicht erkennen, dass ihre Handlungen unsinnig sind. Zwangsstörungen sind wichtige Leitsymptome bei Depressionen und bei Schizophrenien.

Grundsätze:

  • Nicht jede Zwangshandlung ist therapiebedürftig. Wenn eine Zwangshandlung den Bewohner im Alltag nicht einschränkt und deren Intensität nicht zunimmt, verzichten wir auf entsprechende Korrekturmaßnahmen. Sobald der Bewohner jedoch spürbar unter den Zwangshandlungen leidet, greifen wir ein. Die Zwangshandlung ist dann eine ernst zu nehmende seelische Störung.
  • Die Pflege von Senioren mit Zwangshandlungen ist mit einem gewissen Risiko verbunden. Wenn eine Pflegekraft den Bewohner an der Durchführung der Handlungen hindert, kann er den auslösenden Zwangsimpulsen nicht ausweichen. Dieses setzt ihn unter erhebliche innere Anspannung, Unruhe und Angst, die sich durch Aggressivität entladen können.
  • Die Pflegekraft unternimmt keine eigenmächtigen Therapieversuche. Insbesondere werden keine Expositionsübungen durchgeführt, wenn diese nicht vom behandelnden Facharzt oder vom Therapeuten angeordnet wurden.

Ziele:

  • Der Bewohner vertraut der Bezugspflegekraft so weit, dass er mit dieser über die Zwangsstörungen reden kann.
  • Der Bewohner kann die Impulse kontrollieren oder sich ihnen zumindest widersetzen.
  • Ist dieses nicht erreichbar, wird die Dauer der Zwangshandlungen auf ein Minimum reduziert. Zumindest verhindern wir, dass sich die Intensität und die Anzahl der Zwangshandlungen ausweiten.

Vorbereitung:

  • Wir setzen das Konzept der Bezugspflege um. Dem Bewohner wird eine Pflegekraft zugeteilt, die im Bereich der Gerontopsychiatrie bereits Erfahrungen sammeln konnte.
  • Die Pflegekraft sucht den Dialog mit dem Bewohner. Sie ermutigt ihn, ihr seine Zwangsgedanken mitzuteilen. Wir machen dem Bewohner dabei keine Vorhaltungen.
  • Wir befragen den Bewohner, welche Strategien er selbst im Laufe der Zeit entwickelt hat, um die Zwangshandlungen zu unterbrechen.
  • Wir führen mit dem Bewohner eine intensive Biografiearbeit durch, da viele Zwangsstörungen in der Jugend und in der Erziehung begründet sind. So ist ein ausgeprägter Waschzwang im Alter oftmals die Folge einer zu strengen Reinlichkeitserziehung.
(Hinweis: Viele Bewohner haben eine klare Erinnerung an das erste Auftreten der Zwangssymptome. Es handelt sich dabei häufig um Reaktionen auf traumatische Situationen.)

Durchführung:

Beobachtung

  • Das Verhalten des Bewohners wird unauffällig beobachtet.
  • Wir versuchen zu ergründen, ob es wiederkehrende Ereignisse gibt, die einem zwanghaften Verhalten vorausgehen und es möglicherweise auslösen oder begünstigen.
  • Wir prüfen, ob der Bewohner seine Zwangshandlungen bevorzugt unbeobachtet durchführt; dieses etwa, weil ihm sein Verhalten peinlich ist. Wir testen weiterhin, was passiert, wenn er die Anwesenheit einer Pflegekraft bemerkt.
  • Wir schätzen ab, inwieweit die Zwangshandlungen den Bewohner im Alltag einschränken und die Lebensqualität beeinträchtigen. Beispiel: Wenn ein Bewohner zwei- oder dreimal kontrolliert, ob seine Zimmertür abgeschlossen ist, ist er nicht zwangskrank. Eine Zwangskrankheit liegt nur dann vor, wenn er die Tür hundert mal abschließt und deshalb stets zu spät zum Essen kommt. Das zwei- oder dreimalige Händewaschen ist nicht krankhaft, wohl aber das mehrstündige Reinigen, das die Haut angreift.
  • Wir suchen den Kontakt zu den Angehörigen. Oftmals verfügen diese über wirksame Strategien, um die Zwangshandlungen zu unterbrechen.
  • Wir prüfen, ob der Bewohner unter weiteren Krankheiten leidet, die häufig mit Zwangserkrankungen verbunden sind, etwa Kolitis (Dickdarmentzündung), Migräne, Angina Pectoris, Hypertonie, Arthritis oder Potenzstörungen.
  • Wir prüfen, ob der Bewohner bereits unter Folgeerkrankungen leidet, die durch Zwangsstörungen ausgelöst oder gefördert werden. Etwa: Depressionen, Alkoholabhängigkeit oder Medikamentensucht.

Maßnahmen und Hilfestellungen

  • Wir prüfen, ob der Bewohner seine Handlungen einstellt, wenn wir ihn dazu auffordern.
  • Alternativ kann es in Einzelfällen sinnvoll sein, dem Bewohner einen für die Zwangshandlungen notwendigen Gegenstand wegzunehmen. Seine Reaktionen werden sorgfältig beobachtet. (Hinweis: Oftmals führen Betroffene die Zwangshandlungen dann in abgewandelter Weise fort. Andere Senioren reagieren mit Angstzuständen, die sich etwa durch starkes Schwitzen zeigen.)
  • Zwangshandlungen, die anderen Personen körperlichen oder materiellen Schaden zufügen, werden umgehend unterbunden.
  • Wir versuchen, den Bewohner mit anderen Tätigkeiten zu beschäftigen und abzulenken, etwa durch hauswirtschaftliche Tätigkeiten, Fernsehen, Musik hören usw.
  • Wir animieren den Bewohner, seine sozialen Kontakte aufrechtzuerhalten.
  • Wenn es dem Bewohner gelingt, die Zwangshandlungen für eine gewisse Zeit zu kontrollieren, wird er dafür ausdrücklich gelobt. Wir ermutigen den Bewohner immer wieder, sich von Rückschlägen nicht entmutigen zu lassen. Wir verdeutlichen ihm, dass die Überwindung von Zwangsstörungen viele Jahre in Anspruch nehmen kann.
  • Wir versuchen ggf., die Zwangshandlungen stufenweise abzubauen, insbesondere also derartige Phasen sukzessive zu verkürzen. Dabei ist es wichtig, als Pflegekraft nicht in die Zwangshandlungen "eingebaut" zu werden. Ansonsten wird die pflegerische Intervention zu einem festen Bestandteil des ritualisierten Ablaufs.
  • Gemeinsam mit dem behandelnden Arzt prüfen wir, ob sich die Störungen durch Antidepressiva lindern lassen, wie etwa durch Serotonin-Wiederaufnahmehemmer. Wir beachten, dass die Medikamente mindestens über einen Zeitraum von zwei Monaten appliziert werden müssen, um einen spürbaren Effekt zu erzielen.
  • Unabhängig davon sollte der Bewohner eine Verhaltenstherapie erhalten.

weitere Maßnahmen

  • Wir arbeiten eng mit dem Psychotherapeuten zusammen. Insbesondere kooperieren wir bei der Erstellung und bei der Anpassung der Pflegeplanung bzw. der Maßnahmenplanung.
  • Wir stellen sicher, dass der Bewohner die Therapiestunden konsequent besucht. Ggf. wird er dorthin begleitet. Wir beachten, dass Bewohner mit Zwangsstörungen häufig eine sehr lange Vorbereitungszeit brauchen, bis sie sich für das Verlassen der Einrichtung bereit fühlen. Dieser zeitliche Mehraufwand wird bei der Terminplanung berücksichtigt.

Nachbereitung:

Prognose

  • Wenn eine Behandlung unterbleibt, nimmt die Erkrankung einen oftmals chronisch-progressiven Verlauf. Die gestörten Phasen werden häufiger auftreten und länger andauern. Es steigt überdies das Risiko für Depressionen, Alkoholsucht, Arzneimittelabhängigkeit sowie Suizid.
  • Selbst bei optimaler Versorgung ist eine vollständige Heilung sehr selten. Der Bewohner wird die Impulse weiterhin spüren, kann sie aber im Erfolgsfall kontrollieren.
  • Bei einer Psychotherapie zeigen sich erste Fortschritte erfahrungsgemäß nach sechs bis acht Wochen. Ggf. kann die gesamte Behandlung bis zu einem Vierteljahr dauern.
  • Wenn Zwangsstörungen durch Antidepressiva behandelt werden, sollte ein Absetzen kritisch hinterfragt werden. In vier von fünf Fällen kommt es zu einem Rückfall.

weitere Maßnahmen

  • Wir dokumentieren, wann die Zwangshandlungen auftreten, wie lange sie andauern und welches Verhalten sie beim Bewohner auslösen.
  • Alle relevanten Beobachtungen werden an den behandelnden Arzt und an den Psychotherapeuten weitergegeben.
  • Wir prüfen, welche der genutzten Strategien effektiv sind, um die Zwangshandlungen zu unterbrechen. Diese werden zukünftig vermehrt eingesetzt und in der Pflegeplanung bzw. in der Maßnahmenplanung vermerkt.
  • Wir bieten unseren Pflegekräften regelmäßig Supervision an, um die mentalen Belastungen im Umgang mit diesen Senioren zu verarbeiten.
  • Etwaig aufgetretene Probleme werden im Qualitätszirkel thematisiert.

Dokumente:

  • Pflegedokumentation

Verantwortlichkeit / Qualifikation:

  • alle Mitarbeiter



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