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Standard "Pflege von Bewohnern mit Harnwegsinfektionen"

Eine Blasenentzündung korrekt zu erkennen und zu behandeln, ist in der Altenpflege nicht eben einfach. Viele der Krankheitssymptome gehören zum "alltäglichen" Beschwerdebild von Pflegebedürftigen. Zudem sind demenziell erkrankte Senioren mitunter nicht in der Lage, sich sinnvoll zu ihrem Befinden zu äußern.


Standard "Pflege von Bewohnern mit Harnwegsinfektionen"


Definition:

  • Harnwegsinfektionen entstehen, wenn Keime in die ableitenden Harnwege eindringen und sich dort vermehren. Diese Infektionen treten bei Frauen sehr häufig auf. Dieses liegt zum einen am geringen Abstand zwischen Anus und Harnausgang und zum anderen an der vergleichsweise kurzen Harnröhre. Mit zunehmendem Alter sind aber auch Männer betroffen, dieses insbesondere bei einer Prostatavergrößerung.
  • Auslöser sind häufig Darmkeime, also etwa Escherichia coli oder Enterokokken. Diese steigen aus dem Analbereich über den Harnausgang und die Harnröhre in die Harnblase auf. In diesem Fall liegt eine aszendierende ("aufsteigende") Harnwegsinfektion vor. Bei einer deszendierenden ("absteigenden") Harnwegsinfektion ist zuerst die Niere betroffen. Die Infektion breitet sich dann in Richtung Harnblase aus.
  • Je nach Lokalisation und auftretender Symptomatik werden verschiedene Formen von Harnwegsinfektionen unterschieden:
    • Als "Zystitis" wird eine Entzündung der Harnblase bezeichnet.
    • Bei einer "Urethritis" greift die Infektion auf die Harnröhrenschleimhaut über. Ohne Behandlung sind ggf. auch die tieferen Gewebsschichten betroffen.
    • Bei einer "Pyelonephritis" kommt es letztlich zu einer bakteriellen Infektion des Nierenbeckens und des Nierengewebes.
    • Eine Urosepsis ist eine lebensgefährliche Komplikation, die eintritt, wenn Keime aus dem Harnsystem in die Blutbahn gelangen und somit zu einer Blutvergiftung führen.
    • Oft werden Bakterien im Urin nachgewiesen, ohne dass gleichzeitig Beschwerden auftreten. In diesem Fall liegt eine asymptomatische Bakteriurie vor. Bei durchschnittlich mehr als 60 Prozent der Bewohnerinnen eines Pflegeheims ist mit einer Bakterienbesiedlung des Urins zu rechnen. Dieses ist i.d.R. nicht behandlungsbedürftig.
    • Außerdem gibt es das Symptombild einer Reizblase, das durch wiederkehrende Beschwerden gekennzeichnet ist. Allerdings gibt es hier keine entsprechenden Befunde wie etwa einen Bakteriennachweis im Urin. Als Auslöser werden Östrogenmangel sowie vegetative Einflüsse diskutiert.
  • Bei Frauen wird differenziert zwischen einer "komplizierten" und einer "unkomplizierten Harnwegsinfektion". Bei einer komplizierten Harnwegsinfektion liegen verschiedene Faktoren vor, die die Ausheilung einer Harnwegsinfektion verzögern oder ein späteres Wiederauftreten fördern. Dazu zählen etwa Anomalien der Harnwege, Nierenschädigungen, Harnblasenkatheter oder ein schlecht eingestellter Diabetes mellitus. Fehlen diese Risikofaktoren, spricht man von einer "unkomplizierten Harnwegsinfektion". Eine Harnwegsinfektion beim Mann wird fast immer als "kompliziert" eingestuft, da hier diese Erkrankung nur im hohen Alter oder bei gravierenden Harnwegsanomalien auftritt.

Grundsätze:

  • Eine rasche Entdeckung der Infektion und eine korrekte Therapie sind entscheidend für den Erfolg. Bei einer frühzeitigen Diagnose reicht zumeist eine dreitägige Antibiotikatherapie. Steigen die Keime bis in die Nieren auf, kann die Behandlung 12 und mehr Wochen dauern. Insbesondere für alte Menschen wäre dieses eine enorme körperliche Belastung. Zusätzlich besteht die Gefahr von bleibenden Nierenschäden. Im Zweifelsfalle gehen wir daher stets von einer Infektion aus. Es ist besser, eine unnötige ärztliche Untersuchung durchzuführen, als eine Infektion zu übersehen.

Ziele:

  • Eine Harnwegsinfektion wird erkannt, bevor sie sich innerhalb des Harn ableitenden Systems ausbreiten kann.
  • Durch eine geeignete Therapie wird die Infektion schnell beseitigt. Der Bewohner versteht die Notwendigkeit, eine Antibiotikatherapie bis zum Ende durchzuführen.
  • Komplikationen werden vermieden. Insbesondere kommt es nicht zu einer Nierenschädigung.
  • Die Schmerzbelastung des Bewohners wird reduziert.

Vorbereitung:

Risikofaktoren:

  • Wir prüfen, welche Risikofaktoren vorliegen. Je mehr Kriterien erfüllt sind, umso wahrscheinlicher ist das Auftreten einer Harnwegsinfektion. Das korrekte Abschätzen der Gefährdung ist insbesondere dann wichtig, wenn der Bewohner aufgrund einer demenziellen Erkrankung nicht in der Lage ist, sich verständlich zu machen. Die Pflegekraft muss dann um so mehr auf nonverbale Kommunikation, Gestik, Mimik und Verhaltensaufälligkeiten achten. 
  • Der Abfluss des Harns ist gestört, etwa als Folge von Harnsteinen, Tumorwachstum oder Prostatavergrößerung.
  • Der Bewohner konsumiert Schmerzmittel, die die Niere schädigen und empfindlicher für Infektionen machen; insbesondere Paracetamol.
  • Der Harn wird mittels Blasenkatheter abgeleitet. In diesem Fall ist selbst bei lückenloser Hygiene das Risiko von Harnwegsinfekten erheblich gesteigert.
  • (Nicht relevant in der Altenpflege:) Die Bewohnerin ist schwanger.
  • (Selten relevant in der Altenpflege:) Die Bewohnerin ist sexuell aktiv.
  • Die Immunabwehr ist geschwächt, etwa als Folge von AIDS oder einer Immunsuppression.
  • Der Bewohner ist häufig Nässe und Kältereizen ausgesetzt und trägt dabei keine angemessene Kleidung.

Symptome:

Wir achten auf Symptome, die für eine Harnwegsinfektion sprechen. Abhängig von der Intensität der Beschwerden erfolgen die nächsten Schritte.

  • Bei mildem Auftreten von Symptomen wird der Bewohner dem Hausarzt im Rahmen der regulären Sprechstunde vorgestellt:
  • Beschwerden im Blasenbereich und in der Umgebung der Harnröhre
  • Schmerzen oder Brennen beim Wasserlassen
  • ständiger Harndrang und häufiges Wasserlassen mit dann allerdings nur geringen Harnmengen
  • unkontrollierter Abgang von Harntropfen
  • bräunliche Eintrübung des Urins. Ggf. eitrige Beimengung und übler Geruch
  • Rötung der Harnröhre
  • Kraftlosigkeit
  • allgemeines Unwohlsein
  • Kopfschmerzen
  • (ggf. einseitige) Beschwerden oder Druckgefühl im Nierenbereich
  • nur selten leichtes Fieber
  • bei Demenzpatienten: Unruhe und Bewegungsdrang
Bei erheblichen Beschwerden und einer möglichen Nierenbeteiligung wird sofort der Arzt/Notarzt informiert. Dieses insbesondere, wenn eine Kombination verschiedener Symptome vorliegt:
  • Schüttelfrost
  • hohes Fieber
  • Schmerzen in der Flanke, die kolikartig sein können und sich beim Beklopfen verstärken
  • plötzlich auftretende Rückenschmerzen
  • plötzliche Desorientierung
  • Hypertonie (Bluthochdruck)
  • Tachykardie (Herzrasen)
  • Tachypnoe (Schnellatmung)
  • Oligurie (Verminderung der Harnausscheidung) oder gar Anurie (Fehlen der Harnausscheidung)
  • Übelkeit und Erbrechen
  • Darmlähmung
  • Kreislaufschock

allgemeine Maßnahmen

  • Der Standard "Zystitisprophylaxe" wird sorgfältig umgesetzt.
  • Im Rahmen des Heimeinzugs erfragen wir, ob der Bewohner häufig unter Blasenentzündungen leidet. Wir erfragen auch, welche Strategien er bislang üblicherweise nutzt, um Beschwerden zu lindern. Viele Senioren werden im Laufe der Jahre zu "Experten der eigenen Krankheit". Soweit möglich, setzen wir diese Maßnahmen auch im Rahmen der stationären Versorgung um.
  • Ggf. erfolgt eine Urinuntersuchung per Teststreifen. Dieses ist insbesondere bei demenziell veränderten Senioren ratsam, die sich nicht mehr sinnvoll zu den eigenen Beschwerden äußern können.

Informationssammlung

Wir stellen alle für die Infektion relevanten Informationen zusammen. Diese Daten erhält der behandelnde Arzt. Etwa:

  • Wann wurde die Infektion von den Pflegekräften erstmals bemerkt?
  • Wie oft litt der Bewohner in den Vorjahren an einer ähnlichen Infektion?
  • Wie wurden die letzten Infektionen therapiert? Wie erfolgreich war die Therapie?
  • Welche Medikamente nimmt der Bewohner ein, deren Nebenwirkungen relevant sein könnten?
  • Nimmt der Bewohner eigenständig Hausmittel ein, wie etwa Blasen- oder Nierentees?

Durchführung:

Mithilfe bei der ärztlichen Therapie

  • Die Mehrzahl der Bewohner setzt die Antibiotika nach Abklingen der Beschwerden eigenmächtig ab. Dieses erhöht die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls, fördert das Auftreten von Resistenzen und ermöglicht das Verbreiten resistenter Bakterienstämme in unserer Einrichtung. Wir sorgen dafür, dass verschriebene Medikamente entsprechend den ärztlichen Vorgaben genommen werden.
  • Wir prüfen, ob der Bewohner die Medikamente heimlich entsorgt, etwa weil er Angst vor Antibiotika hat.
  • Bei krampfartigen Schmerzen bitten wir um die Verschreibung von Spasmolytika und Analgetika.
  • Die Körpertemperatur wird mindestens dreimal am Tag ermittelt.
  • Die Harnausscheidung wird genau überprüft. Wichtig ist insbesondere die Menge und die Beschaffenheit des Urins, aber auch die Frequenz der Harnausscheidungen. Wir fragen zudem nach dem Schmerzempfinden des Bewohners.
  • Eine Blasenspülung erfolgt grundsätzlich nur nach ärztlicher Anordnung und nach Abwägung der erheblichen Risiken.

Pflegemaßnahmen

  • Wir beraten den Bewohner hinsichtlich seiner gesundheitlichen Lage. Wir machen ihn insbesondere darauf aufmerksam, welche Folgen eine nachlässige Medikamenteneinnahme für sein Wohlergehen hat, etwa Schädigungen der Nieren usw.
  • Wir raten dem Bewohner, bis zum Abklingen einer Pyelonephritis strikte Bettruhe zu halten.
  • Bei einem Harnwegsinfekt ist es dringend erforderlich, einen Blasenverweilkatheter zu wechseln. Dieses aber erst nach dem Beginn der Behandlung mit Antibiotika.
  • Wir versorgen den Bewohner mit warmer Unterwäsche und insbesondere mit angemessen schützenden Socken.
  • Es ist darauf zu achten, dass ein Erkrankter (auch kurzfristig) keiner Kälte ausgesetzt wird.
  • Wir stellen eine gute Versorgung mit Inkontinenzmaterial sicher und gewährleisten eine angemessene Intimhygiene.
  • Die Blase sollte frühzeitig entleert werden, damit die Keime nicht in Richtung Niere wandern. Wir raten daher dem Bewohner, bei Harndrang unverzüglich die Toilette aufzusuchen. Wenn der Bewohner nur eingeschränkt mobil ist, wird er ermuntert, unverzüglich per Klingel eine Pflegekraft zu rufen.
  • Lokale Wärmeanwendungen können krampfartige Schmerzen lindern.
  • Wir stehen dem Bewohner stets für ein Gespräch zur Verfügung. Wir zerstreuen etwa Ängste, dass der unfreiwillige Harnabgang ein Vorzeichen für eine dauerhafte Inkontinenz ist.

Ernährung

  • Wenn die Nierenfunktionen nicht eingeschränkt sind und keine sonstigen Kontraindikationen wie etwa eine Herzinsuffizienz vorliegen, wird der Bewohner ermuntert, viel Flüssigkeit zu trinken. Ideal ist ein täglicher Getränkekonsum von 2,5 Litern. Durch eine gesteigerte Flüssigkeitszufuhr und den damit ausgelösten Harnfluss kann das Bakterienwachstum gehemmt werden.
  • Ideal sind Früchtetees sowie Säfte. Diese säuern den Urin an und behindern damit das Bakterienwachstum. Auch Johannisbeeren und Preiselbeeren in Saftform, als Kompott oder als Tablette sollen die Keimvermehrung hemmen. Bei vielen Senioren ist auch die Einnahme von Vitamin C ein vertrautes Hausmittel.
  • Um ein drohendes akutes Nierenversagen zu erkennen, führen wir ggf. eine Flüssigkeitsbilanzierung durch. Sofern eine ausreichende orale Aufnahme nicht möglich ist, prüfen wir eine Flüssigkeitszufuhr per Infusion.
  • Wir prüfen, ob ergänzend klassische Hausmittel genutzt werden können. Die Akzeptanz ist i.d.R. gut, da diese Wirkstoffe den Bewohnern seit ihrer Kindheit vertraut sind. Verschiedene Kräutertees wirken desinfizierend und antimikrobiell wie etwa Bärentraubenblätter oder Meerrettichwurzel. Andere Pflanzen haben einen harntreibenden Effekt wie etwa Goldrute, Birkenblätter, Brennnessel, Liebstöckelwurzel, Schachtelhalm oder Löwenzahn.

Nachbereitung:

Prognose

  • Eine unkomplizierte Harnwegsinfektion, die mit Antibiotika therapiert wird, heilt i.d.R. nach wenigen Tagen ab.
  • Wenn die Antibiotikatherapie vorzeitig abgebrochen wird, ist ein Wiederauftreten der Harnwegsinfektion wahrscheinlich. Dieses ist auch der Fall, wenn die begünstigenden Risikofaktoren nicht konsequent beseitigt werden.
  • Wenn eine Harnwegsinfektion nicht therapiert wird, drohen Spätfolgen wie bleibende Nierenschäden, arterielle Hypertonie oder eine chronische Niereninsuffizienz.
  • Eine Urosepsis ist lebensgefährlich. Wenn keine ärztliche Therapie erfolgt, liegt die Sterblichkeit bei 50 Prozent.

weitere Maßnahmen

  • Alle Beobachtungen werden sorgfältig dokumentiert und dem Arzt mitgeteilt.
  • Der Bewohner wird - ggf. erneut - über alle Verhaltensregeln aufgeklärt, um eine Infektion in Zukunft zu vermeiden.
  • Wenn derartige Infektionen gehäuft auftreten, wird von der Hygienebeauftragten überprüft, ob Hygienemängel bei der Pflege dafür verantwortlich sind. Ggf. werden Pflegevisiten durchgeführt.
  • Ggf. erfolgt eine Woche und sechs Wochen nach Ausheilung eine Kontrolluntersuchung. Wir stellen sicher, dass der Bewohner diesen Termin wahrnimmt.
  • Jede Blasenentzündung, die nicht nach zwei Wochen ausgeheilt ist, erfordert eine gründliche fachärztliche Untersuchung.
  • Wenn bei Männern gehäuft Harnwegsinfektionen auftreten, lassen wir überprüfen, ob der Harnweg durch Steine oder durch eine Prostatavergrößerung versperrt ist.
  • Wenn bei Frauen gehäuft Harnwegsinfektionen auftreten, lassen wir überprüfen, ob ein Östrogenmangel dafür verantwortlich ist.

Ursachenforschung

  • Wir versuchen die Ursachen zu finden, die die Infektion (mit)ausgelöst haben, um in Zukunft die Risiken zu reduzieren:
  • War der Bewohner Kälte ausgesetzt? Saß der Bewohner über einen längeren Zeitraum auf einer kalten Oberfläche? War der Bewohner Nässe ausgesetzt?
  • War der Bewohner in den letzten Tagen ungewöhnlichen Stresssituationen ausgesetzt?
  • Gibt es bekannte Hygienemängel (z.B. waschen vom Anus zur Harnröhre)?
  • Leidet der Bewohner unter einer Reizblase?
  • Leidet der Bewohner unter Diabetes mellitus?
  • Gibt es Mängel bei der Händedesinfektion und beim hygienischen Umgang mit dem Blasenkatheter?
  • Liegt eine Erkrankung der Prostata vor?

Dokumente:

  • Berichtsblatt
  • Vitalzeichenkontrollblatt
  • ggf. Fieberkurve
  • Trinkprotokoll / Bilanzierungsbogen
  • Durchführungsnachweis
  • Leistungsnachweis medizinische Pflege
  • Fragen an den Arzt
  • Pflegeplanung

Verantwortlichkeit / Qualifikation:

  • alle Pflegekräfte



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