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Standardmaßnahmenplan "Pflege von sterbenden Bewohnern"  (neues Strukturmodell / SIS)

Magensonden, Infusionen und Antibiotika verbessern jeden Tag das Leben von vielen Pflegebedürftigen. Im Sterbeprozess bewirken sie jedoch häufig das Gegenteil. Sie verlängern oft die Phase zwischen Leben und Tod auf viele Wochen oder gar Monate. Umso wichtiger ist es, durch eine individuelle Maßnahmenplanung das Leiden zu lindern.

Standardmaßnahmenplan "Pflege von sterbenden Bewohnern"

  • Sterbebegleitung ist die Betreuung eines Sterbenden durch Pflegekräfte, durch Angehörige, durch ehrenamtliche oder durch professionelle Helfer.
  • Sie umfasst einerseits die emotionale Unterstützung des Sterbenden und seines familiären Umfelds. Sie bereitet alle Beteiligten auf die unvermeidliche Trennung vor und ermöglicht es, letzte wichtige Angelegenheiten zu klären.
  • Parallel dazu ist es die Aufgabe der Pflegekräfte, die Lebensqualität des Bewohners in seinen letzten Tagen und Stunden auf einem möglichst hohen Niveau zu erhalten. Dazu müssen insbesondere Schmerzen und andere Beschwerden spürbar gelindert werden.

Maßnahmen

Begründung und Anmerkungen


Fallbeispiel:

  • Frau Maier ist 96 Jahre alt. Sie leidet seit zwei Jahren an einem inoperablen Darmkrebs. Zuletzt hat sich ihr Zustand kontinuierlich verschlechtert. Sie ist immobil und häufig bewusstlos. Es droht die Entwicklung eines Dekubitus.
  • Sie hat keinen Lidschlag mehr. Die Hornhaut der Augen wird nicht mehr von Tränenflüssigkeit benetzt.
  • Frau Maier ist nicht mehr in der Lage, die Körpertemperatur zu halten. Sie hat häufig Fieber oder Untertemperatur.
  • Das Schmerzempfinden der Seniorin ist gesteigert. Für sie ist jede Umlagerung mit Beschwerden verbunden.
  • Sie hat einen Sohn und eine Tochter, zwischen denen ein gespanntes Verhältnis herrscht. Mitunter kommt es sogar im Zimmer von Frau Maier zu verbalen Aggressionen. Sie leidet sehr darunter.

  • Wir nutzen Augentropfen, um die Tränenflüssigkeit zu ersetzen.
  • Wenn Frau Maier schwitzt, wird sie mit dünnen Decken oder mit Baumwolltüchern bedeckt. Durchgeschwitzte Unterwäsche wird gewechselt. Falls Frau Maier friert, wird sie wärmer zugedeckt. Kalte Füße werden durch Socken und durch (mäßig temperierte) Wärmflaschen oder durch Wadenwickel warmgehalten. Kalte Hände können durch warme Handbäder gelindert werden.
  • Die Körpertemperatur wird vormittags und nachmittags per Ohrthermometer gemessen.
  • Frau Maier wird alle 30 Minuten umgelagert. Sie akzeptiert die 30°-Lagerung, die 135°-Lagerung und die Rückenlage. Die Bauchlage lehnt sie ab. Die 90°-Lagerung ist nicht möglich, da sich bei Frau Maier leicht ein Druckgeschwür am Trochanter bilden kann.
  • Bei Frau Maier können schon kleine Positionsveränderungen Linderung verschaffen. Wir nutzen daher Mikrolagerungen.
  • Wir achten darauf, dass wir in der Nähe von Frau Maier nicht unbedacht reden. Wir müssen stets davon ausgehen, dass sie uns hören kann, da das Hörvermögen bis in die finalen Sterbephasen erhalten bleibt.
  • Im Zimmer von Frau Maier sollte nicht geflüstert werden, da auch dieses sie verunsichern würde.
  • Wir informieren Frau Maier über jede anstehende Pflegemaßnahme. Dieses auch dann, wenn sie die Informationen augenscheinlich nicht mehr aufnehmen kann.
  • Wir machen die Angehörigen darauf aufmerksam, dass sie in Gegenwart der bewusstlosen Mutter nicht über deren Zustand reden. Insbesondere sollen sie nicht in der Vergangenheitsform über sie sprechen. Wir erläutern den Angehörigen, dass diese niemals im Beisein ihrer Mutter streiten. Meinungsverschiedenheiten sollten deutlich außerhalb der Hörweite der Mutter geklärt werden.

  • Eine fiebernde Bewohnerin wird ggf. ein- bis zweimal täglich gewaschen. Schweiß wird zusätzlich abgewaschen.
  • Um die Schmerzbelastung zu minimieren, sollten die Lagerungen möglichst von zwei Pflegekräften durchgeführt werden.
  • In den letzten Sterbephasen sollten Lagerungen bevorzugt werden, die die Bewohnerin als angenehm empfindet. Ansonsten wird die Dekubitusprophylaxe soweit möglich fortgeführt.
  • Die Reduzierung der druckentlastenden Maßnahmen ist selbst bei einem bald zu erwartenden Ableben heikel und juristisch riskant. Die Durchblutung im Sterbeprozess ist so weit reduziert, dass in den Extremitäten ein fast permanenter Sauerstoffmangel herrscht und ein Dekubitus noch vor dem Versterben auftreten kann. Es ist zudem möglich, dass sich die Bewohnerin von der Krise erholt, dann aber einen Dekubitus aufweist. Es droht ein Haftungsstreit.

Fallbeispiel:

  • Herr Müller ist 92 Jahre alt und hat mehrere Schlaganfälle erlitten. Nach der Rückkehr aus dem Krankenhaus hat sich sein Allgemeinzustand stetig verschlechtert. Er leidet zunehmend unter Müdigkeit und unter Erschöpfung. Selbst einfache Pflegemaßnahmen erschöpfen seine Kräfte.
  • Phasenweise ist er nicht mehr in der Lage, zu sprechen.
  • Zusätzlich leidet Herr Müller unter Schilddrüsenunterfunktion, Prostatahyperplasie und unter Bluthochdruck. Er erhält deswegen zahlreiche Medikamente.
  • Er kann aufgrund seiner körperlichen Verfassung die Arzneimittel nicht mehr oral aufnehmen.

  • Anstrengende Pflegemaßnahmen werden besser über den Tag verteilt. Ggf. werden beschwerliche Pflegemaßnahmen von Pausen unterbrochen.
  • Wir kommunizieren mit Herrn Müller über den Händedruck. Wir umfassen seine rechte Hand. Bei Fragen bedeutet ein Händedruck “ja”. Wenn eine Frage mehrere Antworten zulässt, geben wir ihm langsam nacheinander die möglichen Optionen vor. Er drückt die Hand, wenn er seine Wahl getroffen hat.
  • Herr Müller erhält am Morgen seine Medikamente, da seine Schluckfähigkeiten am Vormittag besser sind. Scheitert die Applikation, versuchen wir es am Abend erneut.

  • Die vollständige Übernahme sämtlicher Maßnahmen und die Minimierung aller Anstrengungen für den Bewohner bleiben auf die Sterbephase beschränkt. Ansonsten achten wir strikt auf eine aktivierende Pflege. Dieses insbesondere, falls sich der Bewohner von der Krise erholen sollte.
  • Wir achten auf nonverbale Kommunikation. Mögliche Formen:
    • Der Bewohner blinzelt. Dieses kann auf störendes Licht, auf trockene Augen oder auf verklebte Augenlider hinweisen.
    • Der Bewohner sucht Blickkontakt. Seine Lippen formen stimmlos Worte.
    • Der Bewohner hebt seine Hand und zeigt auf etwas; beispielsweise auf den Becher bei Durstgefühl.
    • Der Bewohner leckt sich über die Lippen und zeigt damit an, dass er Durst hat.
    • Der Bewohner macht Schmatzgeräusche als Zeichen von Hunger.
    • Der Bewohner schüttelt den Kopf als Zeichen der Verneinung oder nickt zustimmend.
    • Der Bewohner verändert seine Körperhaltung und zeigt damit z. B. Schmerzen an.
    • Der Bewohner macht fahrige Handbewegungen als Zeichen von Unruhe oder Überforderung.
    • Der Bewohner schließt die Augen und signalisiert, dass er in Ruhe gelassen werden möchte.
  • Wir nutzen die basale Aktivierung, um Gefühle zu kommunizieren. Dazu zählen Berührungen, Geräusche oder Musik.
  • In Rücksprache mit dem Arzt werden alle Medikamente abgesetzt, die nicht der unmittelbaren Symptomkontrolle dienen. Dies betrifft insbesondere alle Wirkstoffe, deren Absetzen ohnehin erst in einigen Wochen negative Auswirkungen auf den Bewohner haben würde.
  • Für beibehaltene Medikamente finden wir alternative Applikationswege, also etwa sublingual, transdermal, rektal, subkutan oder intravenös.

Fallbeispiel:

  • Frau Maier ist 80 Jahre alt. Vor vier Jahren wurde bei ihr Brustkrebs diagnostiziert und operativ behandelt. Vor sechs Monaten kam es zu einem Rückfall. Der Tumor hat gestreut und ist nach Ansicht der Ärzte inoperabel.
  • Frau Maier ist immobil und sehr schwach.
  • Die Atmung von Frau Maier wird durch eine vermehrte Schleimabsonderung erschwert. Sie ist nicht mehr in der Lage, den Schleim abzuhusten. Ihre Atmung ist erschwert. Frau Maier hat Befürchtungen, zu ersticken. Die Angst führt zu einer beschleunigten Atmung und zu weiteren Beschwerden. Dadurch erleidet sie noch mehr Angst.
  • Frau Maier leidet unter Schlafstörungen. Sie will nicht schlafen, weil sie befürchtet, im Schlaf zu sterben.
  • Frau Maier erhält auf ärztliche Anordnung Flüssigkeit mittels PEG.
  • Sie ist sehr religiös.

  • Der Oberkörper von Frau Maier wird erhöht gelagert.
  • Wir achten auf eine umfassende Mundpflege.
  • Frau Maier wird mehrfach am Tag in eine Seitenlage gebracht, da hierbei das Sekret besser durch den Mund abfließen kann. Falls notwendig wird das Sekret abgesaugt.
  • Wir sorgen für frische Luft.
  • Wir achten auf Hinweise für eine zu starke Flüssigkeitszufuhr. Dazu zählen Erbrechen, intensivierte Atemnot sowie gesteigertes Absetzen von Bronchialsekret.
  • Frau Maier mag es, wenn man sich am Abend noch einige Minuten an ihr Bett setzt und mit ihr über ihre Sorgen spricht. Wir lesen Frau Maier aus ihrer Bibel vor. Wir achten auf eine gut verständliche Aussprache. Wir singen mit Frau Maier religiöse Lieder. Wir nutzen dafür ihr Gesangbuch.
  • Frau Maier besitzt ein Holzkreuz, das sie von einer Israelreise mitgebracht hat. Dieses sollte auf ihrem Nachttisch liegen.

  • Wir prüfen, ob sich die Schleimproduktion durch geeignete Medikamente kontrollieren lässt (z. B. Scopolamin-Pflaster).
  • Pflegekräfte achten darauf, dass sie in der Nähe der Bewohnerin selbst ruhig und tief atmen.
  • Wir stellen sicher, dass die Bewohnerin die bestmögliche Schmerzmittelbehandlung erhält.
  • Soweit verordnet erhält die Bewohnerin ein beruhigendes Medikament.
  • Wir hinterfragen die Flüssigkeitszufuhr mittel PEG stets kritisch und bleiben im Dialog mit dem Arzt. Wir prüfen, ob die Bewohnerin als Folge des Sterbeprozesses einfach keinen Durst mehr hat.
  • Die Vorgaben einer gültigen Patientenverfügung werden eingehalten; insbesondere hinsichtlich der Durchführung lebensverlängernder Maßnahmen.
  • Ggf. wird nach Rücksprache mit dem Arzt die Menge der Infusionsflüssigkeit reduziert. Oder wir stellen die Infusion komplett ab.
  • Wir prüfen, ob die Applikation von Angst lösenden Psychopharmaka die Nachtruhe der Bewohnerin fördern könnte.
  • Bei einer Schmerzbehandlung wird die Dosis zur Einschlafzeit erhöht.
  • Bei orthodoxen Christen bitten wir die Angehörigen, eine Ikone mitzubringen, die wir im Zimmer der Bewohnerin aufstellen können.
  • Bei Katholiken: Wenn die Bewohnerin nach einem Priester verlangt, stellen wir unverzüglich den Kontakt zu einem Geistlichen her. Die Bewohnerin verbindet damit zumeist den Wunsch, zu beichten.
  • Wir stellen ggf. ein Windlicht auf (als sichere Alternative zur Kerze).
  • Sofern wir dazu in der Lage sind, kommen wir den religiösen Wünschen nach. Wir beten z. B. mit der Bewohnerin. Wir sprechen mit der Bewohnerin über ihre religiöse Erziehung und fragen sie nach ihrem Gottesbild.
  • Wichtig ist, dass beim Lesen der Bibel die passende Übersetzung gewählt wird, etwa bei Protestanten die Lutherübersetzung.

Fallbeispiel:

  • Herr Müller leidet unter inoperablem Lungenkrebs. Er hat bereits mehrfach lebensbedrohliche Gesundheitskrisen knapp überstanden. Derzeit ist er immobil, sehr schwach aber ansonsten stabil.
  • Er ist im Sterbeprozess auf sein Bett als Lebensraum beschränkt.
  • Herr Müller bekommt häufig Besuch von seiner Enkelin und von seiner Tochter.

  • Wir sorgen für eine angenehme und ruhige Zimmeratmosphäre. Wir vermeiden grelles Licht ebenso wie völlige Dunkelheit. In der Nacht sollte jederzeit ein schwaches Licht brennen.
  • Wir nutzen die Aromatherapie. Wir legen ein Taschentuch mit einem bis drei Tropfen eines ätherischen Öls unter das Kopfkissen. Herr Müller mag Rosengeranie, Lavendel und Sandelholz.
  • Wir vermeiden unnötige Lärmbelästigung. Ggf. wird leise Musik gespielt. Herr Müller mag Musik von Maurice Ravel und Claude Debussy. Er hat eine große CD-Sammlung. Seine liebsten Aufnahmen befinden sich im roten CD-Ständer.
  • Herr Müller wird schnell unruhig. Pflegekräfte sollten hektisches Verhalten in seiner Nähe unterlassen.
  • Wir stellen sicher, dass die Klingel stets in Griffweite von Herrn Müller liegt.
  • Lieb gewonnene persönliche Gegenstände werden in unmittelbarer Nähe des Betts aufgestellt. Herr Müller möchte gerne in seinen Eisenbahnbüchern blättern. Wir legen diese auf dem Nachttisch ab.
  • Wir halten am Bett von Herrn Müller bequeme Sitzgelegenheiten für Angehörige bereit. Wir sorgen dafür, dass das Beisammensein von Herrn Müller und seinen Angehörigen möglichst wenig gestört wird.
  • Das Zimmer wird regelmäßig gelüftet. Zugluft wird jedoch vermieden.
  • Das Zimmer sollte stets sauber und aufgeräumt sein.

  • Das Zimmer des Bewohners wird mit Blumen dekoriert, die jedoch nicht zu stark duften dürfen.
  • Sofern der Bewohner gläubig ist, werden ggf. religiöse Gegenstände in seinen Sichtbereich gestellt. Also etwa ein Kreuz, ein siebenarmiger jüdischer Leuchter oder eine Ikone.
  • Ggf. versehen wir die Tür des Bewohners mit einem "Bitte-nicht-stören"-Schild.
  • Der sterbende Bewohner verbleibt in seinem Zimmer. Ein Mitbewohner wird ggf. in dieser Zeit in ein anderes Zimmer verlegt, wenn er dieses wünscht.
  • Wir ermöglichen es den Angehörigen, den Bewohner jederzeit zu besuchen; insbesondere auch nachts.
  • Wir helfen den Angehörigen, einen natürlichen und angstfreien Kontakt zum Bewohner herzustellen. Wir nehmen den Angehörigen etwa Schuldgefühle, wenn diese den Bewohner nicht mehr selbst pflegen konnten.
  • Wir ermuntern Angehörige, insbesondere auch die Enkelkinder oder die Urenkelkinder mit in die Einrichtung zu bringen.
  • Falls der Bewohner unter ansteckenden Krankheiten leidet, machen wir die Angehörigen auf das richtige Verhalten und auf Vorsichtsmaßnahmen aufmerksam. Wir bitten diese aber auch darum, keinen übertriebenen Abstand zu wahren.

Fallbeispiel:

  • Frau Maier leidet unter metastasierendem Hautkrebs. In den zurückliegenden Wochen hat sich ihr Allgemeinzustand stetig verschlechtert.
  • Die psychische Verfassung von Frau Maier ist schlecht. Sie hat den Kampf aufgegeben und resigniert.
  • Sie lehnt Pflegemaßnahmen ab. Insbesondere wünscht sie keine Körperpflege.
  • Frau Maier hat zwei Töchter und einen Sohn. Sie wünscht aber strikt keinen Besuch durch Angehörige. Trotz unseres Zuredens ist sie von ihrem Entschluss nicht abzubringen.
  • Frau Maier sorgt sich um ihre Finanzen. Sie äußert immer wieder ihre Befürchtung, nicht alles geregelt zu haben.

  • Bei unverzichtbaren Pflegemaßnahmen versuchen wir, Frau Maier zu überzeugen.
  • Wir entsprechen dem Wunsch von Frau Maier, auch wenn dieses zu Konflikten mit den Angehörigen führt. Wir weisen jeden Besuch ab. Wir bieten den Angehörigen aber an, einen Brief zu schreiben.
  • Wir fragen Frau Maier, ob sie einen Blick auf bereits existierende Dokumente werfen will, etwa das Testament, die Patientenverfügung, Vorgaben zur eigenen Beerdigung usw.

  • Entscheidend für die Durchführung von Pflegemaßnahmen ist immer die Zustimmung der Bewohnerin. Eine Verweigerung wird sorgfältig dokumentiert.
  • Wir stellen ggf. den Kontakt zu geeigneten Stellen her, die der Bewohnerin helfen können. Wenn die Bewohnerin etwa ihr Haus verkaufen möchte, bitten wir einen Notar um einen Hausbesuch.
  • Wir ermöglichen es der Bewohnerin, ein Testament zu erstellen.

Fallbeispiel:

  • Herr Müller ist 81 Jahre alt und leidet unter Knochenkrebs. Er hat erhebliche Schmerzen, die mit Opioiden behandelt werden. Diese Analgetika stören seine Verdauung.
  • Herr Müller spürt, dass der Tod naht. Er hat - oft tagelang - weder Hunger noch Durst.
  • Seine Kinder befürchten, dass ihr Vater verdursten oder verhungern könnte. Sie glauben, dass eine Reduzierung der Flüssigkeitszufuhr ein Zeichen dafür ist, dass wir Herrn Müller aufgeben. Die Angehörigen fordern, dass Herr Müller per Sonde Nahrung und Flüssigkeit zugeführt werden. Die Unruhe der Angehörigen überträgt sich auf Herrn Müller. Er ist auch Stunden nach jedem Besuch sehr aufgeregt; sein Puls und seine Atmung sind deutlich beschleunigt.
  • Als Nebenwirkung von Medikamenten und durch die typische Mundatmung ist der Mundraum von Herrn Müller ausgetrocknet und schmerzempfindlich. Die Zunge ist trocken, borkig und schmerzhaft. Bedingt durch die Beschwerden im Mundraum ist Herr Müller nicht in der Lage, zu sprechen. Dadurch wird es für ihn unmöglich, seine letzten Angelegenheiten zu regeln.

  • Wir führen basierend auf unseren Beobachtungen und auf den Angaben von Herrn Müller ein Schmerzprotokoll.
  • Herr Müller erhält die Opioide regelmäßig jeden Tag anhand eines festen Zeitschemas. Er soll nicht um Schmerzmittel bitten müssen.
  • Herr Müller erhält täglich Macrogol zur Vermeidung einer Obstipation.
  • Wir prüfen täglich durch eine rektale Untersuchung, ob der Mastdarm gefüllt ist. Falls notwendig erhält Herr Müller Abführzäpfchen, Klysmen oder abführende Einläufe. Wir stimmen dieses mit dem behandelnden Arzt ab.
  • Wir erklären den Angehörigen, warum Herr Müller keine Nahrung mehr zu sich nimmt. Wir erklären ihnen, dass der Körper Nahrung und Wasser braucht, um zu leben. Da sich Herr Müller aber im Sterbeprozess befindet, ist beides jetzt nicht mehr nötig.
  • Vor allem seine Tochter muss immer wieder beruhigt werden. Wir achten darauf, dass Herr Müller das Gespräch nicht hört. Wir bitten die Angehörigen, sich an der engmaschigen Mundbefeuchtung, etwa mittels Plastikpipetten, zu beteiligen. Die Angehörigen haben dann das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun.
  • Wir wickeln kleine Stücke Obst (Apfelsine, Apfel usw.) in eine Mullkompresse ein. Wir legen diese im Mundraum von Herrn Müller ab. Wir halten die Mullkompresse gut fest, damit sich Herr Müller nicht daran verschluckt. Wir nutzen künstlichen Speichel.
  • Ggf. nutzen wir Verdampfer oder Vernebler, um die Atemluft anzufeuchten.

  • Wir beachten, dass sich das individuelle Schmerzempfinden objektiven Skalen und Bewertungen entzieht. Schmerz ist also immer das, was der Bewohner als Schmerz wahrnimmt.
  • Wir achten auf eine angemessene Schmerzbehandlung. In neun von zehn Fällen ist selbst bei Tumorschmerzen eine effektive Linderung möglich. Wir bitten den behandelnden Arzt ggf. auch um hochwirksame Opiate. Das Vermeiden etwa von Abhängigkeit ist im Sterbeprozess nachrangig zu betrachten. Wichtig ist auch zu wissen, dass Opiate den Tod nicht beschleunigen, die Applikation dieser Mittel folglich keine Sterbehilfe ist.
  • Ggf. suchen wir den Kontakt zu einer Schmerzambulanz.
  • Ggf. werden zusätzlich Beruhigungsmittel appliziert, sofern diese ein waches Bewusstsein nicht beeinträchtigen.
  • Die häufigsten Nebenwirkungen von Schmerzmitteln (etwa Übelkeit bei Opiaten) werden ggf. prophylaktisch behandelt.
  • Die Dosis und ihre Wirksamkeit werden in regelmäßigen Abständen kritisch hinterfragt. Dieses bedeutet im Sterbeprozess zumeist, dass die Dosen kontinuierlich erhöht werden müssen.
  • Sofern sich der Bewohner nicht in den letzten Sterbephasen befindet, stellen wir sicher, dass dieser alle zwei bis drei Tage abführt.
  • Wir erläutern den Angehörigen die veränderten Stoffwechselabläufe im Sterbeprozess. (“Der Bewohner stirbt nicht, weil er nicht isst oder trinkt. Er isst und trinkt nicht, weil er stirbt.”)
  • Die Angehörigen erfahren, dass im Sterbeprozess die Symptome einer Dehydratation ggf. unabhängig von der Flüssigkeitsversorgung auftreten. Der Bewohner leidet also z. B. unter Mundtrockenheit, obwohl er ausreichend trinkt. Die terminale Dehydratation ist also mit der Exsikkose im Alter nicht vergleichbar.
  • Den Angehörigen wird erklärt, dass eine Zufuhr von Flüssigkeit und Nahrung im Gegenteil das Leiden verstärkt, weil der Bewohner unter Atemnot und unter Übelkeit leiden würde. Zudem können sich Ödeme bilden.
  • Nach jeder Mahlzeit sowie zusätzlich im Tagesverlauf führen wir eine Mundpflege durch.
  • Wenn der Bewohner unter Schleimhautdefekten im Mundbereich leidet, erhält dieser keine säurehaltigen Nahrungsmittel.
  • Bei Entzündungen nutzen wir Präparate mit Salbei und mit Kamille.
  • Bei erheblichen Beschwerden prüfen wir den Einsatz von lokal anästhesierenden Mundpflegemitteln.
  • Ggf. ist es sinnvoll, die Zahnprothese zu entfernen, um Druckstellen zu vermeiden.

Fallbeispiel:

  • Frau Maier leidet unter Bauchspeicheldrüsenkrebs, der sehr schnell voranschreitet. Sie hat quälende Angstzustände und Panikanfälle.
  • Frau Maier hat kaum noch Hunger. Sie hat innerhalb von drei Monaten 22 Kilogramm Körpergewicht verloren.

  • Wir signalisieren Frau Maier Gesprächsbereitschaft. Wir drängen ihr Gespräche über den Tod und über das Sterben nicht auf. Wir weichen diesen Themen aber auch nicht aus.
  • Wir raten Frau Maier, sich zu entspannen und tief mit dem Bauch zu atmen. Sie soll das Ausatmen und die Atempausen betonen.
  • Wir raten Frau Maier, sich an etwas Schönes zu erinnern oder sich etwas Positives vorzustellen. Hierbei greifen wir auf die Informationen aus der Biografiearbeit zurück. Frau Maier erinnert sich gerne an ihre vielen Urlaube. Wir reichen ihr die Fotoalben, damit sie darin blättern kann.
  • Wir helfen Frau Maier, sich abzulenken oder sich zu beschäftigen. Sie hört gerne Musik und hat von ihrem Sohn einen MP3-Player geschenkt bekommen, den sie eigenständig bedienen kann.
  • Die Nahrung wird angenehm präsentiert, dieses auch, wenn sie zuvor zerkleinert wurde.
  • Frau Maier erhält kleinere Portionen, die wir ihr dafür häufiger am Tag reichen. Ihr werden Speisen nur in solchen Mengen angeboten, die sie auch vollständig verzehren kann.
  • Wir bieten Frau Maier leichte Kost an. Sie mag Rahmsuppen und Kartoffelbrei.
  • Wir bieten Frau Maier auch in der Nacht Nahrung an. Wir halten für diesen Zweck kleinere Zwischenmahlzeiten bereit. Frau Maier mag Milchreis und Joghurt.
  • Wenn Frau Maier die Nahrung zurückweist, akzeptieren wir dieses. Wir empfehlen ihr jedoch zumindest eine angemessene Flüssigkeitszufuhr.
  • Auf Wunsch erhält Frau Maier eine kleine Menge ihrer bevorzugten Spirituose. Frau Maier mag Birnenlikör, den ihr ihr ehemaliger Nachbar regelmäßig schenkt.
  • Wir stellen sicher, dass Frau Maier nicht von unangenehmen Gerüchen belästigt wird. Abfall wird zeitnah entsorgt.
  • Wir schneiden im Raum von Frau Maier eine Zitrone auf und stellen sie so auf, dass der frische Duft ihr zieht.
  • Wir vermeiden es, dauernd mit Frau Maier über das Essen zu reden oder ihr gar Vorhaltungen zu machen.

  • Soweit angemessen suchen wir Körperkontakt, nehmen die Bewohnerin also ggf. auch in den Arm. Sofern sinnvoll nutzen wir bei dementen Bewohnern das Konzept der Initialberührung.
  • Wir prüfen, ob die Bewohnerin ein Beruhigungsmittel erhalten sollte.
  • Wir berücksichtigen, dass in der Sterbephase der Geschmacks- und der Geruchssinn sensibler sein können. Verschiedene sonst akzeptierte Gerichte kann die Bewohnerin jetzt ablehnen.
  • Offene Wunden werden so verbunden, dass von diesen kein Gestank ausgeht, etwa durch Nutzung von Aktivkohle.
  • Wir machen die Angehörigen darauf aufmerksam, dass es insbesondere bei Tumorerkrankungen (Leber, Bauchspeicheldrüse) zur Entwicklung von unangenehmen Gerüchen kommen kann.
  • Wir prüfen, ob Medikamente wie etwa Glukokortikoide das allgemeine Wohlbefinden und damit auch den Appetit stabilisieren können.
  • Die Bewohnerin erhält Süßigkeiten, sofern sie danach verlangt.
  • Alternativ zur aufgeschnittenen Zitrone prüfen wir, wie die Bewohnerin auf den Duft von Duftlampen reagiert.
  • Die Bewohnerin erhält Wunschkost. Wenn sie zu ihren Vorlieben keine Angaben mehr machen kann, greifen wir auf unsere eigenen Erfahrungswerte zurück oder befragen Angehörige.

Fallbeispiel:

  • Herr Müller liegt nach mehreren Herzinfarkten im Sterben. Er zeigt Rasselatmung, ohne dass offensichtliche Anzeichen für eine Atemnot vorliegen. Er liegt sehr ruhig im Bett. Anhand der Mimik ist zu vermuten, dass er entspannt ist und keine Schmerzen erleidet.
  • Seine beiden Töchter glauben jedoch, dass Herr Müller Qualen leidet und erstickt. Sie wünschen, dass Herr Müller abgesaugt und beatmet wird. Es kommt deshalb immer wieder zu Diskussionen mit dem Pflegepersonal; dieses auch direkt am Bett von Herrn Müller. Herr Müller wird dadurch offenbar aufgeregt. Er führt dann fahrige Bewegungen mit den Armen und Händen durch, stöhnt laut und atmet unruhig.

  • Wir verdeutlichen den Angehörigen, dass die Rasselatmung in dieser Phase normal ist und den Bewohner vermutlich nicht beeinträchtigt. Wir verdeutlichen dieses mit dem entspannten Gesichtsausdruck des Bewohners.
  • Der Bewohner wird in eine Seitenlage mit leicht angehobenem Oberkörper gebracht.
  • Bei starkem Rasseln saugen wir den vorderen und den seitlichen Mundbereich ab.

  • Die Angehörigen erfahren, dass das tiefe Absaugen für den Bewohner sehr quälend wäre und daher von uns (wann immer möglich) vermieden wird.
  • Wir erklären den Angehörigen, dass eine Sauerstoffapplikation Nebenwirkungen hat, wie etwa eine Austrocknung der Schleimhäute. Zudem wäre die Kommunikation erschwert, falls der Bewohner zu Bewusstsein kommen würde.
  • Wir verdeutlichen den Angehörigen den Ablauf einer terminalen CO2-Narkose. Als Folge des Lungenversagens schläft der Bewohner ein. Er nimmt das eigentliche Ersticken daher zumeist gar nicht wahr.

Fallbeispiel:

  • Frau Maier leidet an einem raumfordernden Hirntumor. Die Motorik ist bereits erheblich beeinträchtigt, allerdings sind die mentalen Fähigkeiten noch erhalten.
  • Frau Maier möchte von ihren Mitmenschen loslassen und wichtige Angelegenheiten erledigen.
  • Sie leidet unter Schluckstörungen.
  • Frau Maier ist mit der eigenständigen Körperpflege überfordert.

  • Wir dicken Säfte an. Breie werden verdünnt.
  • Wir bieten Frau Maier zum Trinken einen Strohhalm an.
  • Für die Nahrungsaufnahme wird Frau Maier in eine sitzende Position im Bett mobilisiert.
  • Wir reichen Frau Maier die Nahrung langsam und mit einem kleinen Löffel an.
  • Die Maßnahmen zur Körperpflege werden flexibel durchgeführt, sobald Frau Maier dazu in der Lage ist. Sie kann an das Waschbecken mobilisiert werden. Sie ist in der Lage, den Oberkörper und das Gesicht selbst zu waschen. Sie kann sich die Haare kämmen und sich die Zähne mit Unterstützung putzen. Die Reinigung der weiteren Körperbereiche übernimmt die Pflegekraft.

  • Im Dialog mit der Bewohnerin und deren Angehörigen versuchen wir zu klären, welche Schuldgefühle, Wünsche usw. die Bewohnerin nicht zur Ruhe kommen lassen.
  • Wir suchen den Kontakt zu nahen Angehörigen, Freunden, Ex-Partnern, Ex-Kollegen und ehemaligen Nachbarn und bitten diese, die Bewohnerin noch einmal zu besuchen.
  • Wir helfen der Bewohnerin bei der Körperpflege. Im Mittelpunkt unserer Unterstützung steht nicht mehr die Aktivierung der Bewohnerin, sondern die Verbesserung der Lebensqualität in den letzten Tagen und Wochen. Dieses gilt insbesondere in fortgeschrittenen Sterbephasen.
  • Wir achten auf eine erfrischende Hautpflege. Wir nutzen Hautfluids oder Kräuteremulsionen, um der Bewohnerin damit einzureiben.
  • Wir wägen stets ab, ob die Körperpflege sinnvoll und notwendig ist. In den letzten Tagen und Stunden ist eine Ganzwaschung oft entbehrlich und zu qualvoll.
  • Insbesondere wird die Bewohnerin nicht geweckt, um diese zu waschen.

Fallbeispiel:

  • Herr Müller war jahrzehntelang drogenabhängig. Sein Körper ist in einem schlechten Zustand. Insbesondere sind das Herz und die Lunge geschädigt.
  • Herr Müller hat phasenweise keinen Durst mehr. Er leidet unter Übelkeit und unter Erbrechen.
  • Herr Müller möchte sehr häufig über seine Bestattung sprechen. Er möchte die Beerdigung sehr detailliert planen.

  • Wir ermöglichen es Herrn Müller, seinen Mund mehrmals täglich auszuspülen.
  • Wir bieten Herrn Müller Wunschgetränke an. Er erhält allerdings keinen Alkohol.
  • Wenn Herr Müller unter Schluckbeschwerden leidet, führen wir die Flüssigkeit ggf. mit einem Teelöffel oder mit einer Pipette zu.
  • Wir wischen die Zunge, den Gaumen und die Wangentaschen vorsichtig mit einem feuchten Tupfer aus.
  • Wir nutzen eine Zerstäuberpumpe, um die Mundschleimhaut zu befeuchten. Um die gesamte Mundhöhle zu erreichen, kann ein Verlängerungsaufsatz verwendet werden.
  • Ggf. tränken wir einen Pflaumentupfer in Wasser und lassen diesen Herrn Müller lutschen.
  • Wir halten für Herrn Müller Einwegnierenschalen und Zellstoff bereit, damit dieser sich ohne Hilfe übergeben kann. Das Erbrochene wird umgehend beseitigt.
  • Nach jedem Erbrechen führen wir eine Mundpflege durch.
  • Wir nehmen seine Wünsche zur Beerdigung auf und dokumentieren diese. Wir leiten die Informationen an das Pflegeteam und an die Angehörigen weiter.
  • Wir bieten Herrn Müller an, über alles zu reden, was ihn bewegt.
  • In keinem Fall wehren wir diese Gesprächswünsche mit Plattitüden ab. Dazu zählt insbesondere die Versicherung, dass alles wieder gut wird und dass er sich nicht mit dem Tod beschäftigen muss.

  • Wir prüfen, ob die Nutzung einer Babyflasche im Rahmen der Flüssigkeitsversorgung sinnvoll sein kann.
  • Wir prüfen die Notwendigkeit einer Flüssigkeitszufuhr via Infusion.
  • Wir kontrollieren, ob die Übelkeit auf die Einnahme von Opiaten zurückgeführt werden kann. Ggf. prüfen wir die Nutzung alternativer Medikamente oder die zusätzliche Applikation von Antiemetika, also von Medikamenten, die den Brechreiz hemmen.
  • Wir beachten, dass in einigen Fällen der Körpergeruch der Pflegekraft ursächlich für die Übelkeit sein kann, da im Sterbeprozess oft die Sensibilität für Gerüche steigt. Die Pflegekraft achtet besonders sorgfältig auf die eigene Körperhygiene. Sie sollte Parfüm nur eingeschränkt nutzen, ein neutrales Deo verwenden und (sofern möglich) auf das Rauchen verzichten.
  • Bei vielen Medikamenten lässt sich die Nebenwirkung Übelkeit durch einen anderen Einnahmezeitpunkt lindern. Acetylsalicylsäure (ASS) sollte z. B. zusammen mit den Mahlzeiten verabreicht werden.
  • In vielen Fällen hat das Erbrechen psychogene Auslöser, etwa Angst. Durch Gespräche mit dem Bewohner oder durch Angst lösende Medikamente versuchen wir, die Übelkeit zu reduzieren.
  • Wir sind uns bewusst, dass die Planung der Beerdigung ggf. nur ein Aspekt des Gesprächswunsches ist. Ggf. möchte der Bewohner generell mit der Pflegekraft über das Thema Tod und Sterben reden.



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