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Version 1.05

Standard "Pflege von Senioren mit Anämie (Blutarmut)"

 
Eine Anämie entwickelt sich mitunter so langsam, dass zunächst weder der Betroffene noch seine Pflegekräfte Verdacht schöpfen. Die anfänglichen Auswirkungen wie etwa Müdigkeit, Blässe, trockene Haut oder Appetitlosigkeit sind bei hochbetagten Senioren alles andere als ungewöhnlich. Mit einem Standard können Sie Ihr Team für die Symptome sensibilisieren und die Pflege von Betroffenen vereinheitlichen.
 

Wichtige Hinweise:

  • Zweck unseres Musters ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
  • Unverzichtbar ist immer auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.
  • Dieser Standard eignet sich für die ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen jedoch ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen "Patient".

 

Dieses Dokument ist auch als Word-Dokument (doc-Format) verfügbar. Klicken Sie hier!
 
Standard "Pflege von Senioren mit Anämie (Blutarmut)"
Definition:
  • Eine Anämie oder "Blutarmut" ist eine Verringerung des Hämoglobinspiegels im Blut auf einen Wert von weniger als 12 g/dl bei Frauen und 13,5 g/dl bei Männern.
  • Die Eisenmangelanämie ist mit einem Anteil von 80 Prozent die häufigste Variante. Eisen ist unverzichtbar für die Bildung der Erythrozyten.
  • Da Anämien häufig infolge chronisch entzündlicher Krankheiten oder bei Krebs auftreten, muss jede Anämie zwingend diagnostisch abgeklärt werden.
Grundsätze:
  • Wir begreifen eine Anämie als eine ernstzunehmende Krankheit, die behandelt werden kann und sollte.
  • Der oftmals schleichende Verlauf der Krankheit darf nicht dazu führen, dass die Anämie übersehen wird.
  • Wir nehmen Schmerzäußerungen ernst und reagieren darauf umgehend.
  • Wir arbeiten eng mit dem Hausarzt zusammen und besprechen sorgfältig jede Maßnahme. Ohne Zustimmung des Arztes werden insbesondere keine Medikamente abgesetzt.
  • Wenn sich der Gesundheitszustand eines Bewohners verschlechtert, wird umgehend der Arzt / Notarzt gerufen.
Ziele:
  • Die Lebensqualität des Bewohners wird erhalten.
  • Die Ursache für die Anämie wird gefunden. Eine auslösende Grunderkrankung wird behandelt.
  • Der Bewohner ist kooperativ. Ihm ist bewusst, dass die Therapie ggf. sehr langwierig sein kann.
  • Der Bewohner ernährt sich angemessen.
Vorbereitung:

achten auf Symptome

Wir achten auf Symptome, die auf eine sich entwickelnde Anämie hinweisen. Bei hinreichenden Anzeichen wird der Bewohner einem Arzt vorgestellt.
  • Der Bewohner sieht blass aus. Das gilt etwa für die Schleimhäute und die Lippen. Wenn das Unterlied des Auges herabgezogen wird, wird die blasse Bindehaut sichtbar.
  • Der Bewohner ist häufig müde und erschöpft.
  • Er berichtet häufig über ein Kältegefühl.
  • Der Bewohner klagt bei körperlicher Belastung über Schwindelgefühle. Er leidet häufig unter Kopfschmerzen und Ohrensausen.
  • Er berichtet, dass er seinen Herzschlag spüren kann. Der Bewohner wird häufig ohnmächtig.
  • Der Bewohner klagt über Schmerzen im Brustraum (Angina-pectoris-Beschwerden).
  • Der Bewohner leidet unter Flatulenz (Wind, Blähung).
  • Er klagt über Zungenbrennen und Schluckbeschwerden als Folge von Schädigungen der Schleimhäute im Mund- und Rachenraum.
  • Der Bewohner kann sich nicht konzentrieren. Er ist schnell reizbar.
  • Der Bewohner fällt häufig in Verwirrtheitszustände.
  • Es liegt eine Tachykardie vor. Gleichzeitig fällt der Blutdruck ab. Eine Belastungsdyspnoe tritt auf.
  • Im Mundraum des Bewohners sind Aphthen sichtbar, also schmerzhafte Erosionen der Mundschleimhaut mit weißlichem Fibrinbelag. Die Mundwinkel des Bewohners sind eingerissen (sog. "Rhagaden“).
  • Die Haare sind spröde und brüchig. Sie fallen in großer Zahl aus.
  • Die Nägel des Bewohners sind brüchig, haben Längsrillen und sind löffelförmig verformt (Koilonychie, sog "Löffelnägel“ oder "Hohlnägel“).
(Hinweis: Eine sich langsam entwickelnde Anämie kann der Körper kompensieren, indem er die Herzleistung steigert. Der Leistungsabfall bleibt dann lange Zeit unbemerkt. Wenn sich die oben beschriebenen Symptome schnell entwickeln, ist die Gesundheit des Bewohners ggf. ernsthaft bedroht.)
Suche nach Auslösern

  • Wir prüfen, ob es bekannte Faktoren gibt, die die Bildung einer Anämie fördern oder auslösen können.
    • Der Bewohner ist Vegetarier oder Veganer.
    • Die Ernährung des Bewohners ist seit Monaten einseitig.
    • Der Magen des Bewohners wurde operativ entfernt oder verkleinert.
    • Es liegt eine bekannte Eisenresorptionsstörung vor.
    • Der Bewohner leidet unter einem Vitamin-B12-Mangel.
    • Es liegt eine chronische Niereninsuffizienz vor.
    • Es liegt eine Knochenmarkserkrankung vor.
    • Der Bewohner leidet unter Arteriosklerose.
    • Der Bewohner leidet unter rheumatoider Arthritis.
    • Der Bewohner leidet unter chronischen Blutungen im Magen-Darmtrakt. Diese führen zu Teerstuhl und Hämatemesis.
    • Der Bewohner leidet unter einer koronaren Herzerkrankung.
    • Der Bewohner leidet unter einem Tumor im Magendarmbereich.
  • Wir erfragen, ob im familiären Umfeld des Bewohners Anämien aufgetreten sind.
Durchführung: Pflegemaßnahmen
  • Der Bewohner wird angehalten, unnötige körperliche Belastungen zu vermeiden. Er soll die Aktivität gleichmäßig über den Tag verteilen und ausreichend Pausen einlegen.
  • Der Bewohner soll langsam (etwa aus dem Bett) aufstehen, da es sonst zu einem Blutdruckabfall kommen kann.
  • Bei Schwindelgefühl sollte der Bewohner nach einer Pflegekraft rufen. Diese bleibt so lange bei ihm, bis die Gleichgewichtsstörung wieder abgeklungen ist.
  • Bei deutlicher Kreislaufstörung, Ohnmachtsneigung und ausgeprägter Schwäche wird der Bewohner im täglichen Leben unterstützt. Vor allem die tägliche Körperpflege kann seine Leistungsfähigkeit überfordern. Erschöpfung, Atemnot sowie Herzrasen sind klare Hinweise auf eine Überbelastung.
  • Die Vitalwerte, insbesondere Blutdruck und Puls, werden engmaschig überwacht. Die Ergebnisse werden dokumentiert. Bei relevanten Veränderungen wird umgehend der Hausarzt informiert.
  • Trockene Haut wird nach dem Waschen mit einer Wasser-in-Öl-Emulsion eingerieben. Rissige Lippen können mit einem Fettstift gepflegt werden. Rhagaden heilen mit Bepanthen-Lippencreme schneller ab.
  • Bei Bettlägerigkeit werden alle Prophylaxestandards sorgfältig umgesetzt, insbesondere die Dekubitusprophylaxe. Die verminderte Sauerstoffversorgung der Haut lässt das Risiko von Druckgeschwüren deutlich ansteigen.
Ernährung
  • Sofern keine weltanschaulichen Gründe dagegen sprechen, ermuntern wir den Bewohner, regelmäßig auch Fleisch und Eier zu essen.
  • Der Bewohner sollte sich kaliumreich ernähren. Sinnvoll ist der Konsum von frischem Obst, Trockenobst, Kartoffeln, Salat und Gemüse.
  • Tierisches Eisen, etwa aus Fleisch oder Eiern, kann der Körper vergleichsweise einfach aufnehmen.
  • Pflanzliches Eisen, etwa aus Kartoffeln, grünem Gemüse oder Getreide, lässt sich schlechter resorbieren.
  • Wichtig ist eine gute Versorgung mit Vitamin C, etwa aus Obst und frischem Gemüse. Dieses Vitamin fördert die Eisenresorption.
  • Wir prüfen, ob sich der Bewohner aufgrund von Zahnschäden einseitig ernährt. Fehlender oder unzureichender Zahnersatz führt zu einem eingeschränkten Fleischkonsum. Häufig bevorzugen Betroffene eine "Milch-Pudding-Kost“ sowie Brot und Mehlprodukte. Wir organisieren dann ggf. Termine beim Zahnarzt.
  • Wenn die Mundschleimhaut geschädigt oder empfindlich ist, sollte der Bewohner auf scharf gewürzte oder harte Lebensmittel verzichten.
  • Auch Alkoholabhängigkeit kann eine Fehl- oder Mangelernährung auslösen. Wir setzen dann die entsprechenden Standards um.
  • Der Bewohner sollte auf den Konsum von schwarzem Tee verzichten, da dieser die Aufnahme von Eisen hemmen kann.
Medikation
  • Wenn der Bewohner unter einem empfindlichen Magen leidet, werden die Eisentabletten direkt nach dem Essen verabreicht.
  • Bei einem robusteren Magen ist eine Einnahme 30 Minuten vor oder zwei Stunden nach der Mahlzeit empfehlenswert.
  • In vielen Fällen können Präparate eingenommen werden, die mit einem magensaftresistenten Überzug versehen sind.
  • Der Bewohner soll das Eisenpräparat mit Wasser und nicht zusammen mit anderen Medikamenten einnehmen. Milch ist ungeeignet, da das Kalzium die Eisenresorption stört.
  • Der Bewohner wird darüber informiert, dass die Eisentabletten zu einer Stuhlverfärbung führen. Er soll sich deswegen nicht ängstigen.
  • Wir beachten, dass die Eisenpräparate deutliche Nebenwirkungen haben, etwa Übelkeit, Erbrechen, Völlegefühl oder Verstopfung.
  • Die Behandlung muss über mindestens drei Monate durchgeführt werden, da die Eisenspeicher des Körpers wieder aufgefüllt werden müssen.
Nachbereitung: Prognose

  • Wenn die Eisenmangelanämie angemessen behandelt wird, sollten sich die Hämoglobinwerte innerhalb von zwei Monaten normalisieren.
  • Die Lebenserwartung ist dann nicht beeinträchtigt.
weitere Maßnahmen

  • Alle Beobachtungen werden im Berichtsblatt dokumentiert.
  • Alle relevanten Veränderungen werden umgehend dem Hausarzt mitgeteilt.
  • Die Pflegeplanung wird regelmäßig aktualisiert und auf Umsetzbarkeit kontrolliert.
Dokumente:
  • Berichtsblatt
  • Fragen an den Arzt / ärztliche Verordnungen
  • Vitaldatenblatt
  • Pflegenachweis
  • Mobilisierungs- und Bewegungsplan
  • Pflegeplanung
Verantwortlichkeit / Qualifikation:
  • alle Pflegekräfte
 
 
 
 
Weitere Informationen zu diesem Thema
Schlüsselwörter für diese Seite Anämie; Blutarmut
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