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Version 1.05 |
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Standard
"Erektile Dysfunktion" |
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Mit der Erfindung von Viagra wurde für viele ältere
Männer ein Traum wahr. Auch mit 70 oder mit 80 Jahren ist längst nicht
"tote Hose". Theoretisch zumindest. Denn nicht immer lässt sich
Impotenz mittels blauer
Pillen kurieren. Viele Senioren leiden unter dem neuen Erwartungsdruck. |
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Wichtige Hinweise:
- Zweck unseres Musters ist es
nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser
Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die
Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
- Unverzichtbar ist immer auch eine
inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne
Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige
Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.
- Dieser Standard eignet sich für
die ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen jedoch
ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen "Patient".
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Standard "Erektile
Dysfunktion" |
Definition:
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- Mit steigendem Lebensalter leiden viele
Bewohner unter einer erektilen Dysfunktion. Bei vielen Betroffenen
bleibt der Penis nicht lange genug steif, um den Geschlechtsverkehr
durchzuführen. Bei anderen Senioren verliert das Glied die
Erektionsfähigkeit komplett.
- Als Ursachen kommen zahlreiche Faktoren in
Betracht. Durchblutungsstörungen als Folge von Arteriosklerose oder
Diabetes können eine Erektion ebenso erschweren wie neurologische
Störungen oder chirurgische Eingriffe. In vielen Fällen sind
psychologische Probleme zumindest mitverantwortlich für die erektile
Dysfunktion, also etwa Stress, Konflikte, Versagensangst oder Probleme
innerhalb der Partnerschaft.
- Jeder vierte Mann im Alter von 65 Jahren ist
von erektiler Dysfunktion betroffen.
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Grundsätze:
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- Impotenz ist keine unabwendbare
Alterserscheinung, sondern die Folge verschiedenster körperlicher und
seelischer Faktoren. Diese lassen sich oftmals lindern. Zudem eröffnen
neue Wirkstoffe zahlreiche Behandlungswege.
- Potenz ist auch für die meisten älteren Männer
ein wesentlicher Bestandteil des Selbstbildes. Der Verlust der
Erektionsfähigkeit ist daher für die Betroffenen i.d.R. mit einer
Beschädigung des Selbstwertgefühls verbunden. Dieses betrifft auch
Männer, die sexuell nicht mehr aktiv sind; also weder mit einem
Lebenspartner intim sind noch onanieren.
- Gleichzeitig gilt aber auch: Nicht jeder Mann
empfindet eine erektile Dysfunktion als belastend. Bei vielen sind die
sexuellen Wünsche weitgehend erloschen. In diesem Fall ist eine
Therapie nicht notwendig.
- Die meisten Bewohner werden aufgrund ihrer
Wertvorstellungen nicht offen über Sexualität sprechen. Sie werden also
weder aktiv mit uns sprechen noch die Existenz des Problems zugeben,
wenn wir sie danach fragen.
- Gleichzeitig ist uns bewusst, dass die mediale
Berichterstattung über "Potenzmittel" den Erwartungsdruck massiv
steigert. Dieses insbesondere, wenn der Bewohner noch in einer intakten
Zweierbeziehung lebt. Erektile Dysfunktion ist nicht das alleinige
Problem des Mannes; auch die Lebenspartnerin leidet meist mit.
- Wir beachten und akzeptieren, dass
Entscheidungen hinsichtlich der Potenz oftmals den rationalen Bereich
verlassen. Viele Betroffene akzeptieren zur Erhaltung der Erektion
gravierende Neben- und Wechselwirkungen.
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Ziele:
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- Wenn der Bewohner körperlich und auch psychisch
unter der erektilen Dysfunktion leidet, erhält er eine angemessene
ärztliche Therapie.
- Die Würde und die Intimsphäre des Bewohners
werden geschützt.
- Soweit es der Bewohner wünscht und es
körperlich möglich ist, erfährt er eine angenehme Sexualität ohne
Leistungsdruck.
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Vorbereitung: |
Organisation
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- Wir arbeiten nach dem Prinzip der Bezugspflege.
I.d.R. wird sich der Bewohner nur einer Pflegekraft offenbaren, die er
schon seit Jahren kennt und der er vertraut.
- In unserer Einrichtung arbeiten auch männliche
Pflegekräfte. Diese werden ermuntert, das Gespräch mit Bewohnern zu
suchen. Viele Betroffene sind eher bereit, etwaige Probleme mit einem
gleichgeschlechtlichen Mitarbeiter zu besprechen.
- Jede Pflegekraft sollte reflektieren, welche
Bedeutung die Sexualität im Leben eines Menschen spielt und welche
psychischen Folgen mit Impotenz verbunden sein können.
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Abgrenzung
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Die
Abnahme der sexuellen Leistungsfähigkeit im Alter ist ein
physiologischer Effekt, der nicht zwingend einen Krankheitswert
aufweist. Eine Therapie ist dann verzichtbar. Als "normal" sind
folgende Einschränkungen zu werten:
- Es ist mehr Zeit notwendig, um eine volle
Erektion zu erreichen.
- Die Ejakulation wird weniger intensiv erfahren.
- Nach einer Ejakulation ist der Bewohner für
mehrere Tage nicht mehr in der Lage, eine Erektion zu erreichen.
- Es treten gelegentliche Erektionsstörungen auf,
die aber nach einigen Tagen oder Wochen abklingen.
- Das Interesse an der Sexualität ist erloschen,
ohne dass der Bewohner darunter leidet.
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Durchführung:
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Beratung des
Betroffenen
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- Wir ermutigen den Bewohner, den Arzt über die
Impotenz zu informieren. Erektionsstörungen können auf Schädigungen der
Blutgefäße hindeuten. Sie sind also ggf. Warnzeichen für einen
Herzinfarkt oder für einen Schlaganfall.
- Wir verdeutlichen dem Bewohner, dass der Genuss
von Alkohol die Erektionsfähigkeit herabsetzt.
- Wir prüfen ob der Bewohner Medikamente nimmt,
die Erektionsstörungen fördern. Etwa Psychopharmaka, Diuretika,
Antiepileptika, Betarezeptorenblocker, Opiate oder Opioide. In diesem
Fall prüfen wir gemeinsam, ob der Bewohner alternative Wirkstoffe
erhalten sollte. Oft hilft auch ein anderer Applikationszeitpunkt. Wir
warnen den Bewohner davor, eigenmächtig ein Medikament abzusetzen.
- Wir achten auf Verhaltensauffälligkeiten, die
auf eine erektile Dysfunktion hindeuten, also etwa sozialer Rückzug,
partnerschaftliche Probleme, Andeutungen ("Ich bin kein Mann mehr.")
usw.
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partnerschaftliche
Beratung
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Falls der
Bewohner sexuell aktiv ist, versuchen wir den Lebenspartner in die
Beratung einzubeziehen. Wir berücksichtigen dabei, dass die sexuelle
Sozialisierung bei Senioren i.d.R. in den vierziger und fünfziger
Jahren erfolgte. Viele der damals üblichen Ansichten gelten heute als
überholt.
- Wir verdeutlichen dem Paar, dass es viele
Möglichkeiten gibt, ohne Erektion ein befriedigendes Sexualleben zu
führen. Etwa: zärtliche Massagen, streicheln, gegenseitige Masturbation
("Petting") oder Oralverkehr.
- Wir verdeutlichen dem Paar, dass es nicht die
alleinige Aufgabe des Mannes ist, die Partnerin zu befriedigen. Vielen
Senioren ist oft gar nicht bewusst, was die Frau erregt und befriedigt.
- Der Abbau der sexuellen Leistungsfähigkeit
setzt bei Männern i.d.R. früher ein, während Frauen auch im hohen Alter
sexuell kaum eingeschränkt sind. Viele Männer fühlen sich von einer
fordernden Frau unter Druck gesetzt.
- In einigen Fällen nehmen Paare etwaige
Meinungsverschiedenheiten "mit ins Bett". Wenn die Erektionsfähigkeit
schon aus anderen Gründen beeinträchtigt ist, kann das nun den
Geschlechtsakt vollends verhindern.
- Wir vermitteln auf Wunsch den Kontakt zu einer
Selbsthilfegruppe.
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Wechselwirkungen
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Viagra,
Cialis und Levitra können zu Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln
führen. Wir lesen daher genau den Beipackzettel und achten insbesondere
auf folgende Wirkstoffgruppen:
- Nitrate (zur Linderung der Beschwerden bei
Angina Pectoris)
- Protease-Hemmstoffe (zur Behandlung der
HIV-Infektion)
- Alphablocker (zur Behandlung von Bluthochdruck
oder Prostatabeschwerden)
- Wirkstoffe wie Chinidin, Procainamid, Amiodaron
oder Sotalol (zur Behandlung von Herzrhythmusstörungen)
Wir raten dem Bewohner, ggf. beim behandelnden Arzt vorstellig zu
werden und die Probleme dort anzusprechen.
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Nebenwirkungen
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Wir beachten,
dass nach der Einnahme von Viagra, Cialis und Levitra mit
Nebenwirkungen zu rechnen ist. Einige davon sind pflegerelevant:
- Es kann zu Verdauungsstörungen und Übelkeit
kommen.
- Viele Senioren klagen über Schwindel. Bei
Senioren mit einer erhöhten Sturzgefährdung sollte eine Intensivierung
der Maßnahmen im Rahmen der Sturzprophylaxe geprüft werden.
- Der Blutdruck kann ansteigen oder absinken.
Falls nötig werden die Vitalfunktionen überwacht.
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Nachbereitung: |
Prognose
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- Eine ursächliche Therapie der erektilen
Dysfunktion als Folge von Grunderkrankungen gelingt nur selten, da die
auslösenden Gesundheitsprobleme im hohen Alter zu fortgeschritten sind.
- Bei psychischen Störungen kann eine
psychotherapeutische Beratung oder eine Paarberatung die Problematik
lindern.
- Gut sind auch die Aussichten, wenn die
Potenzstörung zumindest teilweise auf Medikamentennebenwirkungen
zurückgeht.
- Im Teufelskreis aus Versagensangst und Rückzug
werden viele potenzgestörte Senioren depressiv.
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Dokumente: |
- Pflegebericht
- Ärztliche Verordnung
- Pflegeplanung
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Verantwortlichkeit
/ Qualifikation: |
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Weitere Informationen
zu diesem Thema |
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Schlüsselwörter für diese Seite |
Dysfunktion, erektile; Impotenz; Potenz; Erektion; Sexualität |
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Genereller
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diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
Unverzichtbar ist häufig auch eine inhaltliche Beteiligung der
jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt
angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen
bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert. |
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