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© pqsg 2008 |
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Recht in der
Pflege: rechtfertigender Notstand gemäß § 34 StGB |
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Wie weit darf eine Pflegekraft gehen, etwa
um einen Suizid zu verhindern oder einen Wegläufer aufzuhalten?
Solche Fragen sollten im Team rechtzeitig geklärt werden. Wir
haben den aktuellen Stand der Rechtsprechung für Sie
zusammengefasst. |
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- Fallbeispiel A: Ein 85-jähriger
Bewohner eines Pflegewohnheimes hat die Einrichtung ohne
vorherige Abmeldung verlassen. Das Pflegeteam hat erfolglos
das Haus samt Grundstück und näherer Umgebung abgesucht. Nun
aber drängt die Zeit, denn der Senior ist Diabetiker und
benötigt eine Insulininjektion. Die Pflegedienstleitung
informiert die Polizei über den Wegläufer, seine Krankheit
und die gesundheitlichen Risiken. Sie verstößt damit
wissentlich gegen die Schweigepflicht.
- Fallbeispiel B: Eine 92-jährige
Bewohnerin ist schon seit einiger Zeit dementiell erkrankt.
Am späten Abend zeigt sie unvermittelt autoaggressives
Verhalten. Sie schlägt mit dem Kopf gegen die Wand und zieht
sich eine leichte Platzwunde zu. Es gibt keinen
richterlichen Beschluss für freiheitsentziehende Maßnahmen.
Dennoch entscheidet sich die Nachtwache dazu, die Frau in
ihrem Bett zu fixieren, bis sie sich beruhigt.
In beiden Fällen ist das Verhalten der
Pflegekräfte für sich genommen zwar rechtswidrig, im Kontext der
Situation aber zulässig. Der Gesetzgeber hat dafür den Begriff
des "rechtfertigenden Notstandes" geprägt. Wenn dieser besteht,
können Pflegekräfte gegen einen strafrechtlichen Tatbestand
verstoßen, ohne dass dieses unrechtmäßig wäre.
Bevor sich ein Mitarbeiter zum Handeln
entschließt, muss er jedoch genau abwägen und den Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit beachten. Er darf nur solche Maßnahmen
ergreifen, die die Gefahr abwehren und gleichzeitig so wenig wie
möglich die Freiheit des Bewohners beschneiden. Wichtig ist,
dass das Rechtsgut, das er schützen will, höher zu bewerten ist
als das Rechtsgut, das er dem Bewohner nimmt.
§ 34 StGB, rechtfertigender Notstand:
- Wer in einer gegenwärtigen, nicht
anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre,
Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die
Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht
rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden
Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des
Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte
Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt.
- Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat
ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.
Folglich ist nicht jeder Notfall ein
Blankoscheck für Freiheitsentzug.
- Fallbeispiel C: Ein 83-jähriger
Schizophreniepatient glaubt im paranoiden Wahn von Fratzen
umgeben zu sein. Mit einem Stift beschmiert er die Tapeten,
um die Erscheinungen zu vertreiben. Zwei Pflegekräfte
fixieren ihn daraufhin für fünf Stunden mit einem Gurtsystem
im Rollstuhl, um weitere Schmierereien zu vermeiden.
In diesem Fall liegt kein Notfall vor.
Eine Tapete zählt zu den eher geringwertigen Gegenständen. Zudem
können Freiheitsbeschränkungen nur dann mit einem
rechtfertigenden Notstand begründet werden, wenn die Fixierung
kurzzeitig erfolgt und gelöst wird, sobald sich der Bewohner
beruhigt. Wichtig ist außerdem, zunächst alle anderen Mittel
auszuschöpfen, etwa den Bewohner mit einem begleiteten
Spaziergang zu beruhigen.
- Fallbeispiel D: Eine 86-jährige
Bewohnerin geht jeden Tag spazieren. Der Weg zum Park führt
sie über eine stark befahrene Kreuzung, die sie bislang aber
immer problemlos passieren konnte. Heute jedoch steht sie
unter dem Einfluss von starken Schmerzmitteln, die ihre
Reaktionsfähigkeiten deutlich einschränken. Eine Pflegekraft
verstellt der Frau den Ausgang und zwingt sie, auf das
Gelände der Einrichtung zurückzukehren.
Diese Maßnahme ist rechtens. Durch die
Freiheitsberaubung schützt die Pflegekraft die Bewohnerin selbst
und die übrigen Verkehrsteilnehmer vor den Folgen eines Unfalls.
Dieses Rechtsgut (Leben und Gesundheit) überwiegt das Recht der
Bewohnerin auf einen ungehinderten Spaziergang.
Praxistipp:
Jede Pflegekraft sollte stets das eigene
Handeln kritisch hinterfragen:
- Kann ich die Gefahr anders abwehren?
- Ist das Rechtsgut, das ich schützen
will, höher zu bewerten als das Rechtsgut, das ich verletze?
- Ist der Grad der Gefahr erheblich?
- Ist mein Handeln angemessen?
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Weitere Informationen
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Schlüsselwörter für diese Seite |
Notfall; Notstand; Notwehr;
Wegläufer; Weglauftendenz; Freiheitsentziehung;
Maßnahme, freiheitsentziehende |
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Unverzichtbar ist häufig auch eine inhaltliche Beteiligung der
jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt
angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen
bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert. |
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