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Version 2.15f - 2013

Standard "Nutzung von Bettgittern"

 
Die intensive Kritik an Fixierungen in der Pflege hat dazu geführt, dass Bettgitter selbst dann kaum noch genutzt werden, wenn gute Argumente für das Hochfahren der Seitenteile sprechen. Wir haben für Ihr Team einen leicht verständlichen Standard zusammengestellt.
 

Wichtige Hinweise:

  • Zweck unseres Musters ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
  • Unverzichtbar ist immer auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.
  • Dieser Standard eignet sich für die ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen jedoch ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen "Patient".


Dieses Dokument ist auch als Word-Dokument (doc-Format) verfügbar. Klicken Sie hier!

 

Standard "Nutzung von Bettgittern"
Definition:
  • Moderne Pflegebetten verfügen über hochfahrbare Bettgitter an beiden Seiten. Sie werden auch als "Seitengitter" oder als "Geländer" bezeichnet. Primär dienen sie dazu, einen Sturz aus dem Bett zu verhindern. Viele Senioren sind nachts unruhig. Wenn sie von Zuhause breitere Betten gewöhnt sind, kann es leicht dazu kommen, dass sie bei einer Drehung im Schlaf über die Bettkante hinaus rollen.
  • Überdies geben Bettgitter dem Senioren bei verschiedenen Pflegemaßnahmen Halt, wie etwa beim Waschen oder beim Eincremen des Rückens. Hier kann der immobile Pflegebedürftige mit einer Hand das Bettgitter ergreifen und sich somit in der Seitenlage halten. Die Begrenzung vermittelt dem Bewohner ein Gefühl der Sicherheit, da er bei der Pflegemaßnahme nicht aus dem Bett fallen kann.
  • Bei der Nutzung von Bettgittern kann es zu verschiedenen Verletzungen kommen. Der Kopf oder die Extremitäten können sich zwischen den Streben verfangen. Der Bewohner kann sich auch zwischen der Matratze und dem Bettgitter verkeilen. In der Folge kommt es ggf. zu Druckstellen, zu Hämatomen und zu Quetschungen. Auch Frakturen der Finger, der Arme oder der Beine sind nicht selten. Es gab auch verschiedene Fälle von Strangulationen.
  • Kritisch diskutiert wird die Nutzung von Bettgittern, um einen Bewohner gegen seinen Willen im Pflegebett festzuhalten. Als alleiniges Hilfsmittel zur Fixierung sind Bettgitter zumeist nicht geeignet, da viele Senioren in der Lage sind, das Hindernis zu überklettern. Im Gegenteil kommt es gerade beim Übersteigen eines Bettgitters zu einem Sturz, der dann aufgrund der größeren Fallhöhe mit schwereren Verletzungen verbunden ist.
Grundsätze:
  • Eine Pflegekraft hat stets zwei Rechtsgüter sorgfältig gegeneinander abzuwägen. Der Bewohner hat einen Anspruch auf körperliche Unversehrtheit. Wir sind verpflichtet, ihn z.B. vor den Folgen eines Sturzes zu schützen. Gleichzeitig ist es erforderlich, das Recht auf Selbstbestimmung zu wahren.
  • Unfälle können selbst bei modernen Pflegebetten und bei normkonformer Gestaltung der Seitengitter niemals ausgeschlossen werden.
  • Hochgefahrene Bettgitter sind kein Ersatz für eine individuelle Sturzprophylaxe.
Ziele:
  • Ein Sturz aus dem Pflegebett wird vermieden.
  • Der Bewohner verletzt sich nicht am Bettgitter, es kommt zu keinen Quetschungen oder zu Einschnürungen.
  • Der Bewohner fühlt sich sicher und geborgen.
  • Die Einrichtung und die Mitarbeiter sind vor juristischer Verfolgung nach einem Sturz geschützt.
Vorbereitung:
  • Wir nutzen nur moderne Pflegebetten, deren Seitenteile die aktuellen Industrienormen erfüllen. Hier sind u.a. die maximalen Spaltmaße zwischen der Liegefläche und dem unteren Seitengitterholm festgelegt.
  • Wir verwenden nur geeignete, nicht zu weiche Matratzen nach DIN 13014 mit einer Höhe von 10 bis maximal 12 cm.
  • Wir nutzen technisch einwandfreie, intakte Seitengitter, die sicher einrasten. Diese müssen als Zubehör für das jeweilige Bettenmodell freigegeben oder bereits im Bett integriert sein.
  • Pflegebetten mit defekten Seitenteilen werden nicht mehr verwendet. Wir leiten stattdessen eine Reparatur durch eine Fachwerkstatt ein.
  • Die richtige Nutzung von Bettgittern ist Teil der Einarbeitung neuer Mitarbeiter.
  • Wir führen regelmäßige Pflegevisiten durch, um die korrekte Durchführung zu überprüfen.
  • Wenn ein neues Modell von Pflegebetten erstmals in unserer Einrichtung genutzt werden soll, werden alle Mitarbeiter in die Bedienung eingewiesen. Dieses ist Aufgabe der Medizinproduktebeauftragten. Zudem muss sich jede Pflegekraft mit der Betriebsanleitung des Pflegebettes vertraut machen.
  • Uns ist bewusst, dass Bettgitter insbesondere bei demenziell erkrankten Senioren negative Assoziationen hervorrufen können. Die Seitenwände erinnern oft an Kinderbetten, an Laufställe oder gar an Gefängnisgitter. Der Bewohner kann zu der Überzeugung kommen, dass er für etwas bestraft werden soll.
Durchführung: rechtliche Einordnung
  • Bettgitter als Teil von freiheitsentziehenden Maßnahmen sind nur dann statthaft, wenn alle milderen Alternativen ausgeschöpft wurden. Insbesondere muss die Nutzung eines Niedrigbettes, von Hüftprotektoren oder von zusätzlichen Vorlegematten geprüft werden. Wenn diese nicht vom Kostenträger bezahlt werden, kann alternativ auf das private Vermögen des Bewohners zurückgegriffen werden.
  • Eine potenzielle Freiheitsentziehung liegt nur vor, wenn die Bettgitter an beiden Seiten hochgefahren werden sollen. Oder wenn das Bett mit einer Seite an der Wand steht und das Bettgitter der gegenüberliegenden Seite hochgestellt wird.
  • Die Frage, ob ein richterlicher Beschluss eingeholt werden muss, ist von verschiedenen Faktoren abhängig:
    • Zunächst muss geklärt werden, ob dem Betroffenen die Freiheit überhaupt entzogen werden kann. Wenn der Bewohner noch in der Lage ist, sich aus einem Sessel zu erheben oder neben dem Bett zu stehen, würde ihn ein Bettgitter in seiner Freizügigkeit einschränken. Der Richter müsste daher zustimmen, bevor die Seitenteile hochgefahren werden. Viele Krankheitsbilder führen jedoch dazu, dass der Bewohner keine zielgerichteten Bewegungen ausführen kann; also etwa Lähmungen oder komatöse Zustände. In diesem Fall dient das Bettgitter nur dem Zweck, den Bewohner davor zu schützen, nach einer unwillkürlichen Drehbewegung aus dem Bett zu fallen.
    • Ein weiterer Faktor ist die Einwilligungsfähigkeit. Der Bewohner muss also verstehen, welchem Zweck das Hochfahren der Bettgitter dient und welche Gefahren drohen, wenn darauf verzichtet wird. Im Zweifel sollte der behandelnde Hausarzt die Einwilligungsfähigkeit feststellen. Ist diese gegeben, kann der Bewohner selbst (und ohne Richter) wirksam darüber entscheiden, ob das Bettgitter hochgefahren werden darf.
    • Ist der Bewohner zwar bewegungsfähig, aber nicht einwilligungsfähig, ist ein richterlicher Beschluss notwendig. Nur im Notfall kann für kurze Zeit (i.d.R. 48 Stunden) ohne richterliche Zustimmung das Bettgitter hochgefahren werden; also insbesondere bei Selbstgefährdung.
    • Wenn absehbar ist, dass die Maßnahme über einen längeren Zeitraum durchzuführen ist, muss das Gericht zeitnah informiert werden.
    • Nicht genehmigungspflichtig ist das Hochfahren der Bettgitter im Rahmen von Pflegemaßnahmen, wie etwa der Ganz- oder der Teilwäsche im Bett bei immobilen Senioren. Dies setzt voraus, dass die Bettgitter nach Abschluss der Maßnahme sofort wieder gesenkt werden.
    • Ggf. nutzen wir ein Teil-Bettgitter am Kopfende des Bettes. Dieses schützt vor einem Sturz aus dem Bett und beugt gleichzeitig der Gefahr des Darübersteigens vor. Geteilte Bettseitenteile, die den Betroffenen nicht davon abhalten, das Bett am Fußende selbst zu verlassen, bedürfen keiner richterlichen Genehmigung.
anstellen und absenken des Seitengitters
(Hinweis: Die korrekte Durchführung kann je nach Modell abweichen.)
  • Anstellen des Seitenteils: Wir ziehen die Seitengitterholme hoch, bis diese in der obersten Position an beiden Enden hörbar einrasten. Es sollte dann nicht mehr möglich sein, diese nach unten zu verschieben. Wir kontrollieren das korrekte Einrasten durch Druck auf die Seitengitterholme von oben.
  • Absenken des Seitenteils: Wir heben die Seitengitterholme ein Stück an. Die Pflegekraft drückt nun den Entriegelungshebel und senkt die Seitengitterholme behutsam ab. Die Seitengitter werden nicht ungebremst fallen gelassen. Die Pflegekraft führt das Seitengitter beim Absenken mit der zweiten Hand bis zur unteren Rastung.
  • Das Kopf- und das Fußende des Seitengitters werden immer in die gleiche Höhe gebracht.
weiteres
  • Bei bewegungsunruhigen Bewohnern wird zum Schutz vor Verletzungen eine Polsterung am Gitter angebracht. Diese verhindert das Einklemmen von größeren Gliedmaßen oder das Strangulieren. Es kann aber dennoch dazu kommen, dass sich der Bewohner eine Hand oder einen Fuß einklemmt.
  • Falls Anti-Dekubitus-Matratzen oder andere Patienten-Lagerungssysteme genutzt werden, kann ggf. die wirksame Höhe der Seitengitter von mindestens 220 mm über der unbelasteten Matratze nicht garantiert werden. In diesem Fall muss ein Aufsatz auf die Seitengitter zum zusätzlichen Schutz gegen das Herausfallen des Bewohners aus dem Bett installiert werden (sog. "Seitengittererhöhung").
  • Die Mechanik des Seitengitters ist regelmäßig auf etwaige Beschädigungen zu kontrollieren. Diese Prüfung sollte nicht nur vor dem Anbringen des Seitengitters erfolgen, sondern auch regelmäßig während der Nutzung.
  • Wenn das Seitengitter genutzt wird, wird die elektrische Lageverstellung des Bettes gesperrt. Es besteht sonst Quetschgefahr der Gliedmaßen.
  • Wir achten strikt darauf, dass die Rufanlage in Reichweite des Bewohners abgelegt wird.
  • Als alleiniges Mittel zur Fixierung sind Seitengitter nicht geeignet. Die Pflegekraft sollte stets bedenken, dass es immer dazu kommen kann, dass Senioren in einem Moment ihre Kräfte und ihre Willensstärke bündeln könnten. Bewohner, die über Monate kaum in der Lage waren, sich seitlich zu drehen, überklettern dann unvermittelt ein Bettgitter. Dieses etwa, wenn sie im Wahn um ihr Leben fürchten, z.B. weil sie glauben, dass ihr Bett in Flammen steht.
  • Die Überwindung der Seitengitter steigert die Fallhöhe. Aus diesen Grund sollten Bettgitter ggf. in Kombination mit einem Bauchgurt genutzt werden. Hier ist darauf zu achten, dass es nicht zu Verdrehungen in den Gurten kommt, wenn sich der Bewohner umlagern will.
  • Bewohner, deren Seitengitter hochgefahren werden, sollten möglichst engmaschig überwacht werden.
Nachbereitung:
  • Alle Beobachtungen werden sorgfältig dokumentiert.
  • Die Pflegeplanung des Bewohners wird regelmäßig aktualisiert; insbesondere hinsichtlich der Nutzung des Bettgitters und des Bauchgurtes.
Dokumente:
  • Pflegebericht
  • Pflegeplanung
  • Betriebsanleitung des Pflegebettes
  • Zubehörliste des Herstellers
Verantwortlichkeit / Qualifikation:
  • alle Mitarbeiter
 
 
 
 
Weitere Informationen zu diesem Thema

    Schlüsselwörter für diese Seite Bettgitter; Maßnahme, freiheitsentziehende; Fixierung; Freiheitsentziehung
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