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Version 1.05 - 2014

Standard "Unterstützung beim Gehen"

 
Auf eigenen Beinen zu stehen und einige Schritte zu gehen ist die wohl vielseitigste Prophylaxe überhaupt. Jede Minute außerhalb des Pflegebetts oder des Rollstuhls beugt Druckgeschwüren, Kontrakturen oder Pneumonien effektiv vor. Langfristig sinkt sogar das Sturzrisiko.
 

Wichtige Hinweise:

  • Zweck unseres Musters ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
  • Unverzichtbar ist immer auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.
  • Dieser Standard eignet sich für die ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen jedoch ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen "Patient".


Dieses Dokument ist auch als Word-Dokument (doc-Format) verfügbar. Klicken Sie hier!

 

Standard "Unterstützung beim Gehen"
Definition:
  • Gehfähige Bewohner sollten mindestens dreimal pro Tag innerhalb der Einrichtung eine Strecke zu Fuß gehen. Dazu zählen insbesondere die Gänge in den Speisesaal zum Frühstück, zum Mittagessen und zum Abendbrot. Auch der Transfer ins Badezimmer sollte bevorzugt zu Fuß erfolgen.
  • Soweit es der Gesundheitszustand erlaubt, sollte jeder Senior zudem täglich einen Spaziergang machen, sodass er insgesamt 30 bis 45 Minuten pro Tag "auf den Beinen" ist.
  • Sofern die Geh- und Balancefähigkeiten des Bewohners krankheitsbedingt eingeschränkt sind, erhält er Unterstützung durch Pflegekräfte. Die Nutzung eines Rollstuhls sollte so lange wie möglich vermieden werden.
  • Hinweis: Die Begleitung von Senioren mit Hemiplegie ist in einem separaten Standard beschrieben; siehe Standard "Unterstützung von Hemiplegiepatienten beim Gehen".
Grundsätze:
  • Uns ist bewusst, dass die Mobilisierung ins Gehen eine deutliche Sturzgefahr mit sich bringt. Wir werden dennoch bei jedem Bewohner so früh wie möglich damit beginnen, da die gesundheitlichen Risiken einer fortdauernden Immobilität um ein Mehrfaches größer sind.
  • Bei der Unterstützung beim Gehen gilt: Weniger Hilfe ist oft die bessere Hilfe. Wer den Bewohner zu sehr unterstützt, nimmt ihm den Anreiz zur eigenen Aktivität, verändert seine Bewegungsmuster und fördert letztlich die Immobilität.
  • Wir beschränken daher auch die Nutzung von Hilfsmitteln auf ein Minimum, da diese langfristig dem eigenständigen Gehen schaden.
Ziele:
  • Der Bewohner gewinnt die Fähigkeit zum eigenständigen Gehen zurück.
  • Der Bewohner stürzt nicht.
  • Der Bewohner hat keine übertriebene Furcht vor dem Gehen.
  • Das Gehen funktioniert wieder "automatisch", damit sich der Bewohner beim Gehen auch auf andere Dinge konzentrieren kann. Insbesondere sollte eine Ablenkung während des Gehens nicht dazu führen, dass der Bewohner stolpert.
  • Langfristig ist der Bewohner in der Lage, mühelos und flüssig zu gehen. Es ist ihm möglich, auch größere Distanzen zu überwinden, ohne sich körperlich zu verausgaben.
  • Der Bewohner verzichtet auf unnötige Hilfsmittel wie etwa auf einen Stock.
Vorbereitung: Voraussetzungen
Wir prüfen, ob der Bewohner über die notwendigen körperlichen und mentalen Voraussetzungen verfügt:
  • Der Bewohner muss in der Lage sein, sich aus dem Sitzen in den Stand zu bewegen.
  • Der Kreislauf des Bewohners muss soweit stabilisiert sein, dass dem Bewohner auch bei körperlicher Aktivität im Stehen nicht schwindelig wird.
  • Der Kopf muss beweglich sein, damit sich der Bewohner im Raum orientieren kann.
  • Der Oberkörper muss soweit beweglich sein, dass ihn der Bewohner zur Stabilisierung nutzen kann.
  • Der Bewohner muss seine Beine und seine Füße frei bewegen können. Unverzichtbar sind auch die notwendige Muskelkraft und die Stabilität, um das eigene Körpergewicht tragen zu können.
  • Der Bewohner darf keine übertriebene Angst vor dem Gehen und vor etwaigen Stürzen haben.
Kooperation mit der Therapeutin und mit den Angehörigen
  • In welcher Form der Bewohner beim Gehen unterstützt wird, legt die Therapeutin fest. Die ersten Gehversuche erfolgen unter ihrer Anleitung. Von ihren Vorgaben wird nicht ohne vorherige Rücksprache abgewichen.
  • Wir lassen uns von der Therapeutin in die jeweiligen Details einweisen und die Übungen demonstrieren. Dabei übernehmen wechselseitig die Pflegekraft und die Therapeutin die Rollen des Bewohners und die der Hilfsperson.
  • Wir stellen sicher, dass auch die Angehörigen in die Grundlagen einer angemessenen Unterstützung eingewiesen werden, wenn diese z.B. mit dem Bewohner spazieren gehen.
Organisation
  • Die Unterstützung erfolgt durch eine Pflegekraft, zu der der Bewohner ein Vertrauensverhältnis aufgebaut hat. Idealerweise hat diese Pflegekraft den Bewohner in den Tagen zuvor schon zum Sitzen an der Bettkante und weiter in den Stand mobilisiert.
  • Wir stellen sicher, dass der Bewohner solides Schuhwerk mit einer rutschfesten Sohle trägt. Geeignet sind bereits eingetragene Schuhe, da diese den Fuß vor Blasen und vor Druckstellen schützen. In keinem Fall sollte der Bewohner Pantoffeln tragen. Diese bieten keinerlei Halt und verändern überdies das Gangbild. Ebenfalls nachteilig sind Lauf- und Turnschuhe, insbesondere wenn diese extra für das Training beschafft wurden. Die flexiblen Sohlen dämpfen die Spürinformationen.
Durchführung: Allgemeines
  • Das Tempo des Gehens bestimmt der Bewohner und nicht die Pflegekraft.
  • Wir achten darauf, dass der Bewohner möglichst aufrecht geht. Der Körperschwerpunkt liegt dann auf den Füßen und nicht einige Zentimeter vor den Füßen.
  • Wir beachten die Grundsätze der Kinästhetik, wenn wir den Bewohner festhalten.
    • Die Kontaktpunkte für die Hände der Pflegekraft liegen stets auf den sog. "Körpermassen", also etwa am Becken.
    • Wir unterstützen den Bewohner (soweit möglich) nicht an den sog. "Zwischenräumen", da dieses die Beweglichkeit einschränken würde. Ein Umfassen der Schultern kann dazu führen, dass das physiologische Schwingen der Arme zur Gleichgewichtsstabilisierung behindert wird.
Die Pflegekraft geht vor dem Bewohner.
  • Für sehr kurze Wegstrecken, etwa vom Bett auf einen Sessel, kann die Unterstützung von vorne erfolgen. Die Pflegekraft steht dafür vor dem Bewohner und greift mit beiden Armen unter die Achseln oder (besser!) an das Becken des Bewohners. Die Pflegekraft geht dann rückwärts.
  • Diese Technik hat zwei Nachteile: Sie verstärkt die Rumpfbeugung des Bewohners. Zudem können weder die Pflegekraft noch der Bewohner den Weg überblicken.
Die Pflegekraft geht neben dem Bewohner.


  • Der Bewohner soll seine Hand in die Hand der Pflegekraft legen. Die zweite Hand der Pflegekraft unterstützt den Unterarm des Bewohners; sie umgreift sein Handgelenk.
  • Bei vielen Senioren ist es auch ausreichend, einen Arm anzubieten, damit sich der Bewohner dort einhaken kann.
  • Wenn der Bewohner zu Kreislaufstörungen neigt oder sehr schwach ist, erfolgt die Hilfestellung durch zwei Pflegekräfte; je eine Pflegekraft rechts und links.
Die Pflegekraft geht hinter dem Bewohner.
  • Bei Senioren mit weitgehend sicherem Gang sowie mit einem belastbaren Kreislauf erfolgt die Hilfestellung von hinten. Die Pflegekraft steht leicht versetzt hinter dem Bewohner. Sie greift unter die Achseln und unterstützt damit die aufrechte Haltung des Bewohners.
  • Diese Form der Unterstützung hat jedoch einen großen Nachteil: Wenn der Bewohner etwa bei einer Kreislaufschwäche oder bei einem Stolpern nach vorne fällt, kann die Pflegekraft den Sturz ggf. nicht verhindern.
Verhalten bei einem nahenden Sturz
  • Bei starker Unsicherheit wählt die Pflegekraft eine Strecke, die "im Notfall" viele Sitzgelegenheiten bietet.
    • Wir ermuntern den Bewohner, sich bei der Pflegekraft zu melden, wenn ihm beim Gehen schwindelig wird. Ihm wird dann eine kurze Pause auf einem Stuhl oder auf einem Sessel ermöglicht.
    • Wir achten auf die typischen Symptome eines nahenden Kreislaufkollapses:
  • Der Bewohner klagt über Schwindel oder über Schwäche.
  • Der Bewohner berichtet, dass ihm schummrig wird oder schwarz vor Augen. Der Bewohner kann nur noch verschwommen sehen.
  • Die Haut des Bewohners wird blass oder zyanotisch. Er schwitzt plötzlich sehr stark.
  • Die Atmung des Bewohners verändert sich.
    • Bei einem nahenden Sturz ist es besser, den Bewohner kontrolliert auf den Fußboden zu transferieren.
    • Wenn der Bewohner dennoch unvermittelt zu stürzen droht, greifen wir sofort ein:
  • Es ist i.d.R. nicht sinnvoll, den stürzenden Bewohner am Oberkörper festhalten zu wollen.
  • Die Pflegekraft geht hinter dem Bewohner in die Hocke. Sie umfasst mit einem Arm den Thorax des Bewohners.
  • Die Pflegekraft lässt nun den Bewohner über ihren Oberschenkel kontrolliert zu Boden gleiten. Sie stellt sicher, dass der Kopf des Bewohners auf ihrem Oberschenkel zum Halten kommt und nicht auf dem Boden aufschlägt.
  • Sobald der Bewohner wieder bei Kräften ist (und unverletzt blieb), wird er wieder in den Stand oder in einen Rollstuhl mobilisiert.
Nachbereitung:
  • Wir hinterfragen stets kritisch, ob die Unterstützung noch dem aktuellen Hilfebedarf entspricht. Wir kontaktieren ggf. die Therapeutin und erörtern eine Anpassung der Maßnahme.
  • Die Maßnahme wird im Lagerungs- und Bewegungsplan dokumentiert.
  • Alle relevanten Veränderungen der Gesundheit oder des Verhaltens des Bewohners werden dokumentiert.
  • Ggf. wird die Pflegeplanung angepasst.
Dokumente:
  • Leistungsnachweis
  • Lagerungs- und Mobilitätsplan
  • Berichtsblatt
  • Dokumentenblatt "Meldungen an den Arzt"
Verantwortlichkeit / Qualifikation:
  • Pflegefachkräfte
 
 
 
 
Weitere Informationen zu diesem Thema

Schlüsselwörter für diese Seite Gehen; Sturz
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