Standard "Intertrigoprophylaxe und -behandlung" |
Definition: |
- Wenn über längere Zeiträume Hautflächen auf Hautflächen
liegen, kann es zum Feuchtigkeitsstau und zur Hautmazeration kommen.
Eine so vorgeschädigte Hautfläche scheuert durch die Bewegung schnell
auf und hat wenig Widerstandskraft gegen Pilz- und
Bakterieninfektionen. Letztlich bilden sich rote und nässende
Hautschädigungen insbesondere in Hautfalten. Dieses Krankheitsbild wird
als "Intertrigo" (lat. für "Wundreiben") oder umgangssprachlich als
"Wolf" bezeichnet.
- Für betroffene Bewohner bedeutet dieses Krankheitsbild
einerseits eine Einschränkung der Lebensqualität, da die Hautflächen
jucken und brennen. Zudem steigt das Risiko, dass sich durch
zusätzlichen Auflagedruck ein Dekubitus ausbildet.
- Es zählt daher zu unseren pflegerischen Aufgaben, Bewohner
vor Intertrigo zu schützen. Im Rahmen unserer Prophylaxemaßnahmen
erfassen wir die individuelle Gefährdung, wählen geeignete Maßnahmen
aus und überprüfen deren Wirksamkeit.
|
Grundsätze: |
- Intertrigo ist eine ernst zu nehmende Erkrankung, die mit aller pflegerischen Sorgfalt behandelt werden muss.
- Wir arbeiten eng mit den Hausärzten zusammen und sprechen alle Maßnahmen zur Prophylaxe und zur Behandlung sorgfältig ab.
|
Ziele: |
- Die individuelle Gefährdung des Bewohners wird korrekt ermittelt.
- Wir finden geeignete Prophylaxemaßnahmen, um die Entstehung von Intertrigo zu vermeiden.
- Die Haut bleibt intakt. Insbesondere wird der physiologische Säureschutzmantel erhalten.
- Der Bewohner kennt die Ursachen für die Bildung von Intertrigo. Er ist motiviert, sich an den Prophylaxemaßnahmen zu beteiligen.
- Wenn es dennoch zu einer Hautschädigung kommt, wird diese rechtzeitig erkannt und zur Abheilung gebracht.
- Der Bewohner wird nicht durch Schmerzen und Juckreiz beeinträchtigt.
- Zusätzliche Infektionen durch Pilze und Bakterien werden vermieden.
|
Vorbereitung: |
Risikoermittlung
|
Wir prüfen, ob ein Bewohner aufgrund verschiedener Faktoren besonders gefährdet ist. Dieses ist der Fall bei
- Infektionserkrankungen mit Fieber
- Apoplexie
- Morbus Parkinson
- Wachkoma
- Hyperthyreose (krankhafte Überfunktion der Schilddrüse)
- vegetative Dystonie (Störung der Erregungsweiterleitung im vegetativen Nervensystem)
- Adipositas
- Kontrakturen
- spastische Lähmungen
- Diabetes mellitus
- Herzinsuffizienz
- schlechter Allgemeinzustand
- Inkontinenz
|
achten auf Symptome
|
Wir achten
auf die typischen Symptome von Intertrigo und den häufigsten damit
verbundenen Komplikationen. Zu Schädigungen kommt es oftmals
- unter den Brüsten
- an den Bauchfalten von adipösen Senioren
- in den Achselhöhlen
- in den Zwischenräumen von Fingern und Zehen (bei starken Kontrakturen)
- im Bereich der Gesäßfalten
- unter dem Hoden
- an den Oberschenkelinnenseiten
- am Gliedmaßenstumpf bei Senioren mit Amputationen
Die gefährdeten Hautregionen werden täglich inspiziert.
- Die Haut des Bewohners ist aufgequollen, gerötet und schwammig. Es sind kleine Risse sichtbar (sog. "Fissuren").
- Der Bewohner klagt über ein ständiges Juckgefühl und ein Brennen. Er kratzt sich häufig in der betroffenen Region.
- Werden weißliche Beläge sichtbar, spricht dieses für eine Pilzinfektion.
- Nässende Hauterosionen und Pusteln sind ein Anzeichen für eine bakterielle Infektion.
|
Durchführung: |
übermäßige Schweißproduktion ("Hyperhidrosis")
|
- Verschiedene Erkrankungen können eine übermäßige
Schweißproduktion auslösen, etwa Infektionen (mit Fieber), vegetative
Dystonie, Adipositas, Apoplexie oder Morbus Parkinson.
- In den Hautfalten sammelt sich die Feuchtigkeit an. In
Kombination mit der Körperwärme entsteht ein feuchtwarmes Milieu, das
wiederum die massenhafte Vermehrung von Bakterien und Pilzen fördert.
- Leidet der Bewohner bereits an einer anderen Infektion wie
etwa einer Grippe, ist die geschwächte Immunabwehr häufig nicht mehr in
der Lage, die zusätzliche Entzündung der Haut erfolgreich zu bekämpfen.
- Wir stellen sicher, dass es aufgrund der Kleidung zu keinem
Wärmestau kommt. Die getragenen Textilien sollten atmungsaktiv sein und
den auftretenden Körperschweiß absorbieren. Insbesondere sollte der
Bewohner keine Synthetikgewebe tragen, sondern Baumwollkleidung
bevorzugen. Ist die Kleidung durchfeuchtet, wird sie zeitnah gewechselt.
- Plastikfolien zum Bettschutz stören die Atmung der Haut und
verhindern, dass Feuchtigkeit verdunstet. Wir verzichten daher auf
dieses Hilfsmittel.
- Bei bettlägerigen Senioren achten wir auf eine angemessene
Bettdecke und Bettwäsche. Zudem sollte der Bewohner regelmäßig
umgelagert werden, damit gefährdete Hautareale ausreichend mit der Luft
in Kontakt kommen. Wir stellen zudem sicher, dass der
Haut-zu-Haut-Kontakt durch die Lagerung reduziert wird. In Rückenlage
soll der Bewohner die Beine und Arme abspreizen. In der Seitenlage kann
der Bewohner ein Kissen zwischen die Knie legen.
|
Inkontinenz
|
- Ebenso wie Schweiß erzeugt auch Urin ein feuchtwarmes
Klima, das Bakterien und Pilzen ideale Lebensbedingungen bietet. Durch
die im Urin gelösten Schadstoffe wie Ammoniak und Harnstoff wird die
Haut zusätzlich belastet.
- Bei Stuhlinkontinenz wird die Haut durch den Kontakt mit Verdauungsenzymen geschädigt, dieses insbesondere bei Durchfall.
- Viele Produkte zur Inkontinenzversorgung behindern durch
den Kunststoffüberzug die Luftzirkulation. Feuchtigkeit kann nicht
verdunsten und staut sich auf der Haut und in Hautfalten. Wir achten
daher bei der Beschaffung der Inkontinenzprodukte auf die
Luftdurchlässigkeit.
- Durchfeuchtete Inkontinenzprodukte werden zeitnah
gewechselt. Wir ermuntern den Bewohner, sich bei Bedarf bei einer
Pflegekraft zu melden.
- Die Maßnahmen zur Vermeidung und Linderung einer
Inkontinenz werden intensiviert. Dazu zählen insbesondere
Toilettentraining, Beckenbodentraining sowie die Nutzung von
Hilfsmitteln wie einem Kondomurinal.
(Hinweis: Alle weiteren Maßnahmen sind im Standard "Hautschutz bei Inkontinenz" beschrieben.)
|
Hautpflege
|
- Wir nutzen kühlende Abwaschungen, um den Körperschweiß zu
reduzieren und die Hautdurchblutung zu steigern. Die Wassertemperatur
sollte 10°C unter der Körpertemperatur liegen. Zugesetzter Pfefferminz-
und Salbeitee verstärkt den kühlenden Effekt.
- Der Bewohner sollte nicht baden. Wenn dieses trotzdem
erforderlich ist, sollte die Wassertemperatur nicht zu warm sein und
das Bad möglichst schnell beendet werden.
- Die Nutzung von alkalischen Seifen kann die Haut
austrocknen und entfetten. Wir verwenden ausschließlich pH-neutrale
Seife. Rückstände werden immer sorgfältig abgewaschen.
- Wann immer möglich nutzen wir für die Pflege von
betroffenen Hautregionen klares Wasser. Nur sichtbare Verunreinigungen
werden mit Seife oder anderen Reinigungsmitteln beseitigt.
- Nach dem Waschen bleibt oft Feuchtigkeit auf der Haut
zurück, die sich in den Hautfalten ansammeln kann. Wir trocknen den
Bewohner daher sorgfältig ab. Dafür nutzen wir weiche Handtücher.
Geschädigte Areale werden trockengetupft und nicht gerieben.
- Die betroffenen Bereiche sollten nicht mit Deodorant oder Parfüm in Kontakt kommen.
- Wir nutzen keinen Puder. Es können sich Klumpen bilden,
wenn der Puder nass wird. Insbesondere darf Puder nicht auf nässende
Wunden aufgetragen werden, da die entstehende Kruste das Wachstum von
Bakterien fördert.
- Wir nutzen keine Fettsalben für die gefährdeten
Körperstellen, da diese die Haut luftdicht abschließen und daher das
Auftreten von Intertrigo fördern.
- Trockene Haut wird mit einem Präparat zur Rückfettung
gepflegt. Wir nutzen eine Wasser-in-Öl-Emulsion, die wir vollständig
einreiben.
|
Hautfalten
|
- Wir stellen sicher, dass Hautfalten trocken gehalten werden. Dieses insbesondere am Bauch, unter der Brust und in den Leisten.
- Bewohnerinnen empfehlen wir ggf., den BH auch in der Nacht
zu tragen. Der BH darf nicht unter der Brust einschnüren. Daher sollte
die Bewohnerin mittellange BHs oder Sport-BHs nutzen.
- Die Hautkontaktstellen von großen Hautfalten werden mit
einem eingelegten Baumwollstreifen oder einem kleinen Leinenlappen
versorgt. Die korrekte Lage dieser Trennmaterialien wird regelmäßig
kontrolliert, da Faltenbildung die Reibung verstärkt. Mulltupfer nutzen
wir i.d.R. nicht, da diese für empfindliche Haut zu rau sind.
|
Infektionen
|
- Wenn eine Infektion aufgetreten ist, muss bei der
Körperpflege eine Ausbreitung vermieden werden. Dazu sollten beim
Waschen zunächst die nicht betroffenen Körperbereiche gereinigt und
getrocknet werden. Erst dann werden die erkrankten Regionen gewaschen.
- Bei einer hartnäckigen Infektion drängen wir darauf, dass der Erreger per Abstrich ermittelt wird.
- Pilzinfektionen können durch lokal wirkende Antimykotika
bekämpft werden. Gute Resultate erzielt eine Kombination aus Nyastin
und Zinkoxid. Nyastin ist gut verträglich und wirkt insbesondere sehr
schnell gegen Hefepilze. Ggf. kann auch eine prophylaktische Anwendung
durchgeführt werden.
- Salbenrückstände werden mit Öl und Kompressen vorsichtig entfernt.
|
weitere Maßnahmen
|
- Wir empfehlen dem Bewohner, etwaiges Übergewicht durch eine Anpassung der Ernährung abzubauen.
- Der Bewohner sollte auf schweißtreibende Getränke wie Kaffee und scharfe Speisen verzichten.
|
Nachbereitung: |
- Alle Maßnahmen und alle relevanten Veränderungen werden sorgfältig dokumentiert.
- Bildet sich eine Hautschädigung binnen einer Woche nicht
deutlich zurück oder zeigen sich schmutzige Beläge, wird der Bewohner
einem Arzt oder Hautarzt vorgestellt.
|
Dokumente: |
- Leistungsnachweis
- Berichtsblatt
- Wunddokumentation
- ärztliches Verordnungsblatt
- Kommunikationsblatt mit dem Arzt
- Pflegeplanung
|
Verantwortlichkeit / Qualifikation: |
|